I. Einleitung
Q 1. Sprüche aus Luthers Tischreden*
(*Die Quellen habe ich, um sie als Unterrichtsmaterial nutzen zu können, vereinfacht und gekürzt und zum Teil übersetzt.)
- »Auf Erden ist keine größere Plage als ein bößes, eigensinniges, wunderliches Weib. Darum spricht Salomo, ein Land wird durch dreierlei unruhig und das vierte kann es nicht ertragen: einen Knecht, wenn er König wird, einen Narren, wenn er satt ist, eine Feindselige, wenn sie geehelicht wird, und eine Magd, wenn sie die Erbin ihrer Herrin wird.« (Weimarer Ausgabe, Tischreden Bd. 2, S. 415)
- „Mägdelein lernen eher reden und gehen als Knäblein, weil das Unkraut immer schneller heraus wächst als das gute. Also werden Jungfrauen auch eher reif zu freien, als die Gesellen."(WA, Tischreden Bd. 1, S. 288)
- »Es ist kein lieblicher, freundlicher noch holdseliger Verwandtnis, Gemeinschaft und Gesellschaft als eine gute Ehe, wenn Eheleute miteinander in Frieden und Einigkeit leben, wiederum ist auch nichts Bitteres, Schmerzliches, denn wenn das Band zerrissen, voneinander getrennt und geschieden wird. Danach kommt der Tod der Kinder, das habe ich selbst erlebt.« (WA, Tischreden Bd. 1, FB 4, 124)
- »Wohlan, wenn man dieses Geschlecht, das Weibervolk nicht hätte, so fiele die Haushaltung, und alles was dazu gehört läge darnieder, darnach das weltliche Regiment, Städte und die Polizei. Summa, die Welt kann des Weibervolkes nicht entbehren, auch wenn die Männer selbst Kinder austragen könnten.« (WA, Tischreden Bd. 1, S. 11, FB 4, 41)
In Luthers Schriften und in seinen Tischreden finden sich, was sein Verständnis von der Frau anbelangt, oft gegensätzliche Aussagen: traditionell Frauenfeindliches einerseits, aber andererseits auch Gedanken, die seinen ernsthaften Versuch bezeugen, die Frau als ganzen Menschen und als Partnerin anzuerkennen. Klängen die frauenfeindlichen Aussagen uns nicht so vertraut im Ohr - sie gehören heute immer noch zum gängigen Repertoire frauendiskriminierender Äußerungen -, so könnten wir die beiden Pole, zwischen denen sich Luthers Überlegungen bewegen, mittelalterlich und modern nennen. Warum schlich sich gerade in die Tischreden so viel Frauenfeindliches ein? Schließlich war es doch Frau Käthe, die diese Zusammenkünfte ermöglichte, indem sie das Essen für ihren Mann und dessen Kollegen kochte?
Ich stelle mir einen Mittagstisch vor, an dem fünf, sechs Herren sitzen, alle Theologen, die sich mit Luthers neuer Lehre auseinandersetzen. Luther kam die Aufgabe zu, auf Fragen zu antworten, Probleme zu erörtern und Anregungen zu geben; dies alles spontan, ohne Konzept, so wie's ihm in den Sinn kam. Sicherlich mochte Luther seine Gäste nicht nur verunsichern und mit allzuviel Neuem konfrontieren. So konnte es vorkommen, daß er seine Äußerungen bezüglich der Frauen nicht allzu kritisch prüfte.
Einem gänzlich anderen Luther begegnen wir in seinen Schriften. Vor allem die Abhandlung über das eheliche Leben zeugt von seinen modern anmutenden Gedanken über die Beziehungen von Frauen und Männern.
Diese Doppelgesichtigkeit bietet einige interessante methodisch-didaktische Ansatzpunkte. Von Luther ausgehend können wir sowohl die Situation der Ehefrau in mittelalterlichen Verhältnissen als auch zur Zeit Luthers in den Blick bekommen. Luthers Vorstellungen von einem zukünftigen Zusammenleben von Mann und Frau ergänzen dieses Bild als eine Utopie, die auch heute noch nicht eingelöst ist.[1] Aus der Fülle der Quellen habe ich zusätzlich zu den Schriften Luthers zwei zeitgenössische Dichtungen ausgewählt (Q 2 und Q 3). Ihre Autoren sind angesehene Bürger, die sich in diesen Reimdichtungen zur Ehe und zu Frauen äußern. Es geht hier um das Bild der Ehefrau in den Augen einiger Stadtbürger des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit. Das tatsächliche Leben dieser Frauen entzieht sich dieser Arbeit. Die Akzentuierung der Ehefrau blendet weiterhin das Schicksal der unverheirateten Frauen, der freiwillig ehelosen oder der Witwen aus. Ebensowenig kommt die Stellung der berufstätigen Frauen, der Kauffrauen und Meisterinnen in den Blick.
II Der Frauenspiegel oder:
Wie eine Frau für die Ehe hergerichtet wird (Q 2)
Wie sich die Männer das Idealbild einer Ehefrau vorstellten, können wir im »Frauenspiegel«[2] nachlesen:
- „in wolischem Spiegel sich das weyblich Bild jung oder altt beschauen oder lernen zu gebrauchen die woltat gegen ihren ehelichen Gemahl" (in welchem sich das weibliche Bild, sei es jung oder alt, beschauen kann und lernen kann, wie sie ihrem Mann Wohltaten erweisen kann).
Q2
- Jedermann, böß oder gut,
Ist von Natur aus so beschaffen,
daß er sein eheliches Weib
Lieber fromm als böse haben will.
...
Über Liebe und Leiden haben sie Gewalt,
Wenn sie sich halten dergestalt,
Wie ich es ihnen sogleich raten will.
...
Drum schönes Weib, denk daran,
daß du in deinem Leben in Frieden lebst
und auch auf beiden Seiten Frieden hältst.
Drum rat ich dir, junges Weib,
Gibst du einem Mann deinen Leib, So gib ihm deinen Willen gleich dazu,
Dann werdet ihr beide in Frieden leben.
Ein Mann soll sein treues Weib auch
Lieber haben als seinen eigenen Leib.
Wenn Du ein Tag in der Ehe bist,
Nimmt man deine bösen Taten nicht mehr als Kinderspiel hin,
Sondern man hält sie für den Willen des Ehemanns.
Darum ehre Gott, folg seinem Engel,
daß dich nicht trifft der Straf-Schwengel.
...
Vor allen Dingen eines merk,
Erkenne deines Mannes Willen und Werk.
Wie könnte eine Frau undankbar sein,
Ihrem Versorger, der ganz allein,
Kämpft alle Tag um Speis und Brot,
Ach, was erleidet er doch Not.
...
Gib niemanden ein schlechtes Vorbild,
Laß dich nicht sehen wie du schön und wild
wie ein junges Fohlen springst,
das der Lust nachjagt.
...
Du sollst ihm zu Willen sein,
so oft ihn die Lust überkommt,
Auf das er sich nicht eine andere Frau sucht.
Eine unwirsche Frau schadet sich oft selbst,
und hinterher reut sie es.
...
Lauf ihm auch keineswegs aus dem Haus,
Weder aus Bosheit noch aus Zornes Graus,
Schlägt er dich hinaus zur hintern Tür,
So bieg zur vorderen wieder herfür.
Gib ihm immer freundliche Zeichen wahrer Liebe,
und schäm dich deines Mannes nicht,
hetz ihn auch nicht auf gegen einen andern
und behüte ihn vor dem Zorn.
...
Verschwend nicht zuviel Müh an dich,
Trag Schmuck und Kleider in Maßen,
Schminke dich nicht, du wirst dadurch nur ungestalter.
Die Haut steht zu ihrem Alter,
sie weiß schon, wann sie Runzeln bekommen muß.
Hat dir die Ehe zwei Kinder gebracht,
dann trage deinen Schmuck überhaupt nicht mehr.
...
Deine Stimme erschalle nicht überlaut,
Die Magd merkt auch anhand von Zeichen,
was die Herrin haben will.
Und unterm Tisch auf eines anderen Füße zu treten,
heißt schon, wie die Sage sagt,
Schon halb mit ihm im Bett liegen.
Und die, die über ihren Ehemann klagt,
hat einem Nebenbuhler schon genug gesagt.
...
Sei häuslich, friedlich, hab Geduld,
Furchtsam, schamhaft, unschuldig,
Ergötzlich und fröhlich, aber mit Zucht,
Faul sein bringt keine Frucht.
...
Sei eine emsige Anrichterin
und eine leckerhafte Köchin.
Sei reinlich, zier dein Haus schön,
und dir wird ein großer Ruhm daraus erwachsen.
Im weißen Kleid sieht man dich gern,
das kann der Wäsche nicht oft entbehren,
Es kleidet eine Frau nichts besser von früh bis spät,
als ein weißes Gewand aus Leinen.
Eine junge Frau soll sich so kleiden,
daß sie ehrenhaft herumgehen kann.
Und nur solches tun, aus dem keine Schande und Sünde
erwächst:
Spinnen, wachsen, stricken, Zwirn herstellen,
Flachs machen, Blumen stecken,
Im Garten Kräuter rupfen,
Weben und Wolle zupfen,
Kinder ernähren und austragen,
sie aufheben, hinlegen und ausfahren,
Betten machen und neu überziehen,
Den Kühen und Kälbern Streu geben,
Melken, Käsmachen und Kochen
Bürsten und Waschen,
Gemüsegarten anlegen,
Das Messinggeschirr putzen
und immer schön die Kannen ausschwenken
und das Zinn und die Pfannen putzen,
Das hast du zu besorgen
zuhause alle Morgen.
...
Halt dich nicht durch Reden auf
Iß deine Speise ohne Reden und Lachen,
Und wenn du bist vom Essen satt,
so beweg dich ein bißchen von der Stell,
Auf daß dein Allerwertester keine Töne hervorbringt,
wo er doch besser schweigen sollte.
...
In des Meisters Abwesenheit verschließ deine Kammertür,
Man erkennt die auserwählten Schüler
an ihrem Gehorsam, bis der Meister kommt.
Wenn dann dein Mann wieder heim kehrt,
So empfange ihn, nimm ihn in die Arme,
Als ob sein Elend dich erbarme,
so empfindet er die Last der Arbeit etwas minder
desgleichen sollen tun die Kinder.
...
Diese Reimschrift verkörpert die mittelalterlich didaktische Tendenz, alles mögliche Wissenswerte in Verse zu fassen. Das lernbegierige Publikum konnte sich auf diesem Wege vieles einfacher merken. Dichtungen dieser Art geben Auskunft über das Verhalten in Pestzeiten, das Benehmen bei Tisch (,Tischzuchten') und über alle Dinge, die zu einem ordentlichen Haushalt gehören. Im »Frauenspiegel« gibt ein Nürnberger Bürger Anweisungen für geziemendes Verhalten in der Ehe. Die oberste Maxime: „gibst du einem man dein selbst leyb, so gib dein Willen im damit" (S. 79), kündet von der Geisteshaltung des Frauenspiegels. Nur nach den Bedürfnissen des Mannes soll sich die Frau richten, sie soll ihm ganz zu Willen sein, als Gegenleistung für seine tagtäglichen Bemühungen um ,Muß und Brot', dessen Beschaffung ihm offenbar schwer fällt. Der Autor berichtet von des Mannes Kampf im täglichen Leben:
- »Ach was erleydet er doch not / Der Angstschweiß täglich mit ihm ringt / der mit seiner aigen hend auß bringt / sein weib und kind nach eeren statt, wie es nach seinen Hertzen gatt.« (S. 80)
1. Frau und Haushalt
Im Haushalt, und nur da, soll die Frau Ehre und Nutzen mehren (er unterschied sich beträchtlich von unseren heutigen, technisierten »Ein-Frau-Küchen«). Die Aufgaben der Frau, die sich aus dem Tätigkeitsfeld Haushalt im 16. Jahrhundert ergaben, waren vielfältiger und ihr Wert für die Familie erkennbar. Zwar kommt der Frau auch die Aufgabe zu, das Heim schön auszugestalten, nach innen für die Familie und nach außen zu Repräsentationszwecken, und ihr »kompt ein großer rum daraus« (S. 87), aber ihre eigentlichen Pflichten bestehen unter anderem darin, Wolle und Flachs zur Verarbeitung bereitzumachen und anschließend daraus Stoffe und Kleidungsstücke anzufertigen, die Kinder großzuziehen und die Versorgung des Viehs zu übernehmen. (Daß der Autor diese beiden letzteren Aufgaben gleichberechtigt hintereinander stellt und im weiteren Verlauf nicht noch einmal auf die Kindererziehung eingeht, wirft ein Schlaglicht auf die Bedeutung, die ein Autor des 16. Jahrhunderts Kindern beimißt.) Außerdem hat sich die Frau um den Gemüsegarten zu kümmern, dessen Produkte nicht als willkommene Zusatznahrung aus eigener Herstellung dienen, sondern ein Hauptteil der täglichen Kost ausmachen. Sie sammelt Kräuter zu Heilzwecken und natürlich bereitet sie die Mahlzeiten zu. Geschirrspülen gehört selbstverständlich auch dazu. Diese Aufzählung umfaßt sicherlich nicht alles, was eine Frau damals zu tun hatte3. Trotzdem bekommen wir einen Einblick in das Arbeitsleben einer Hausfrau. Tatsächlich war sie in erster Linie für die Befriedigung der lebenswichtigen Grundbedürfnisse der Familie zuständig und damit stärker als heute eingegliedert in einen gesamtgesellschaftlichen Produktionsprozeß.
2. Tugenden der Ehefrau
Die ideale Ehefrau verfügt über folgende Tugenden: Geduld, Friedfertigkeit und Unschuld, sie soll furchtsam, schamhaft und vor allem häuslich sein. Außerdem ist sie jetzt für alle ihre Taten verantwortlich:
- »Wan du bist ain Tag in der ee, darnach so helt man dir nit mee, dein argent hat vor kinderspil.« (S. 79)
Doch was bedeutet verantwortlich sein für einen Menschen, der sich unter die Vormundschaft eines anderen Menschen begeben hat? »Man acht es (= die argen Taten der Frau) als der eeman will«, sagt der >Frauenspiegel< und macht damit deutlich: Das Benehmen der Frau fällt allein auf den Ehemann zurück, er ist sozusagen haftpflichtig für alle ihre Taten, und sie hat zuzusehen, daß sie nicht aus dem Rahmen fällt. Diese >Haftpflicht< erstreckt sich allerdings nur auf die Sphären der Moral. Geht es um materielle Dinge, dann hat der Ehemann wieder das Heft in der Hand:
- »Überhaupt sind alle selbständigen Rechtsgeschäfte der Frau dem Manne gegenüber unverbindlich: verkaufte sie Stücke von ihrem Eingebrachten, so konnte er den Kauf rückgängig machen. Andererseits haftete er weder mit ihrem noch mit seinem Vermögen für etwaige Schulden der Frau.«[4]
Verhalten und sittsam soll die Frau jetzt sein, es wird ihr angeraten, nicht zu sehr auf ihr Äußeres zu achten und sich nicht mit Schmuck zu überladen. Auch das Schminken steht einer Ehefrau nicht an. Nach der Geburt zweier Kinder soll sie sich gar jedes Schmuckes enthalten. Ihr Benehmen wird möglichst unauffällig gewünscht, sie soll leise und vor allem nicht zu viel reden und beim Essen wird ihr Schweigen geboten. Nicht einmal furzen darf sie.
3. Eheliche Pflichten
Diese Verfügbarkeit der Frau erstreckt sich natürlich auch auf den sexuellen Bereich.
- „Du solt in mit dem leib bestan, so oft und dick in der lust übertrait, das er nitt such ain ander maigt, ain umwürsch frau offt schadet ir, das sy darnach gereuet zwir."[5]
Ganz selbstverständlich schiebt der Autor der Ehefrau die alleinige Schuld an der ehelichen Untreue des Mannes zu. Eine ,unwirsche' Frau fordert nach seiner Ansicht geradezu die außerhäusige Befriedigung der männlichen Bedürfnisse heraus. Nach dem Zeugnis mittelalterlicher Prozeßakten zu schließen, muß die damalige Zeit voll von unwirschen' Ehefrauen gewesen sein, die die Männer zu Vergehen krimineller Art veranlaßten. In Köln weist das Verbrecherbuch 1517 elf Ehebrüche auf, und in den Jahren zuvor mußten sich einige Herren wegen Unzucht und Ehebruchsversuch mit einer Stieftochter (1488-1498), wegen Unzucht mit seiner Magd und Ehebruch (1489-1492) - bei diesem Herrn handelt es sich um einen Adligen, wegen Notzüchtigung seiner Magd (1504) verantworten.[6]
Der >Frauenspiegel< gesteht den Ehefrauen keine Möglichkeit zu, sich der Gewalt ihrer Männer zu entziehen, auch dann nicht, wenn er handgreiflich wird.
- »Lauff im auch kains wegs auß dem hauß / In boßhait noch in zornes grauß; Schlecht er dich auß zur hindern thür / So bieg zur fordern wider für.«
Alles in allem zeigt der >Frauenspiegel< das Bild eines domestizierten Menschen in der wörtlichen Bedeutung. Die Ehefrau wird mit dem Tag ihrer Hochzeit der übrigen Gesellschaft entzogen und an das Haus gewöhnt. In diesem Haus sollen alle ihre menschlichen Regungen und Bedürfnisse absterben, sie soll sich ganz für Mann und Haus hingeben. Es ist nur von den Pflichten der Frau die Rede, nicht von ihren Rechten. Die Pflichten des Ehemannes werden überhaupt nicht erwähnt. Daß die beiden Eheleute das Wagnis eines Lebens zu zweit eingehen, scheint eine moderne Vorstellung und findet im >Frauenspiegel< keinen Platz. Die Frau erscheint hier als ein bedürfnisloses Wesen, das erst durch den Mann zu seiner wahren Bestimmung gelangt, ein Gefäß gleichsam, das auf seine Erfüllung geduldig wartet.
III. >Der Spruch vom ehelichen Stand<
oder die versittlichende Kraft der Ehe
- Q 3. Der Spruch vom ehelichen Stand [7]
»O Mächtiger Gott und großer Schatz,
Gib mir Kraft für meinen Vorsatz,
Wirst Du mir meine fünf Sinne bewahren,
so soll manch ein Biedermann erfahren,
Daß ich viele Bosheiten meiden will,
Vor allem üble Gesellschaft und Falschspiel,
Das ,Zudrinken' und die großem Schwüre.
Was ich auf dieser Erde unternehme,
Das muß lauter und rein sein.
Mein ja soll nimmer nein sein.
Mein Herz soll auch nicht haben Ruh,
Was ich einem Biedermann sag zu,
Das muß Hand und Fuß haben,
Bis zu meinem Ende, wenn Gott will.
Die Wahrheit besteht ewig,
wenn auch alle zeitliche Ehre vergeht.
...
Als ich noch närrisch und jung war
Und noch nicht meiner Zunge Meister,
Da redete ich oft und machte viele Worte
Und überlegte mir weder Anfang noch Ort,
Oder gar, worauf sie treffen würden.
...
Als diese Narrheit lange genug dauerte,
dachte ich zuletzt in meinem Sinn,
Laß ab von diesem Treiben!
Es ist eine Schand,
und richte dich ein in einem andern Stand.
Eine eheliche Hausfrau ich mir nahm,
Nun merk auf, wie es kam,
Daß ich kam auf die rechte Bahn.
Dies soll einem jeden Biedermann zur Lehre dienen,
wie, wenn er sich vermählt hat, diesen Stand führen soll.
...
Wer sich ehelich vermählt hat,
er sei jung, arm oder reich,
Der sag seiner Frau höflichst,
was sie tun und lassen soll.
Sprich: ,So ist's übel und so ist's wohl'
Zeigt sie sich dann von guter Art,
So darfst du sie schlagen nicht allzu hart.
Rede folgendermaßen mit ihr:
,O, liebe Hausfrau, folge mir,
Und ich will dir vier Lehren geben;
Die merk dir, solange du besitzest dein Leben!
Die erste Lehre, Hausfrau mein:
Wenn wir in eine Unterkunft ziehen ein,
Das Haus sei unser eigen oder nur gemietet,
So bleib mit allen Menschen einig,
Vor allem mit den Nachbarn und den Hausleuten!
...
Zum zweiten bitt ich dich,
Kritisiere an niemandem herum,
Auf daß man dir ebenfalls nicht sagt,
was du treibst den ganzen Tag
und was aus dir noch werden mag?
Zum dritten, hüte deine Ehre,
Schlag dir aus dem Sinn,
daß du schlecht von den Leuten redest,
Und zwei gegeneinander aufhetzest,
Mit deinem dauernden Geplapper.
...
Zum vierten,
Hüte dich mit aller Macht davor:
das, was wir miteinander tun,
das laß nicht vor deine Lippen kommen.
Einerlei, ob es uns gut oder schlecht geht.
Und red mir jederzeit nur gutes,
so werden dich auch ehrbare Leute preisen.
So will ich mich auch verhalten.
Dann herrscht bei uns eitel Freud und Sonnenschein,
Dieweil wir hier auf Erden leben.
Sei anständig' und benimm dich gut,
Sei friedlich und versieh dein Haus
und kümmere dich nicht um anderer Leute Sachen.
Ihr Herren, glaubt mir,
Mich dünkt,
Wer meiner Lehr hier folget nach,
Der wird behüt vor Schand und Schmach ...«
Der Ehe schrieb man eine versittlichende Kraft zu. Im >Spruch von dem elichen stat<, den ein Nürnberger Bürger um 1515 verfaßte, berichtet der Verfasser zunächst von seinem vorehelichen, wilden Leben. Er gab sich dem >Zutrinken< hin, pflegte das Falschspiel und leistete überdies falsche Eide, bis es ihm zuletzt zu bunt wurde und er bei sich dachte:
- »Laß ab das wesen! Ist ain schand, und rieht dich ain in andern stand. Ain euch haußfrau ich mir nam.« (S. 34)
Sein Anliegen ist es nun:
- »zu Ler aim jeden bider man, der sich elich vermahelt hatt, wie er soll halten disen stat!« (S. 34)
Zunächst komme es darauf an, zu zeigen, wer der Herr im Hause ist:
- »Wer ehlich hab vermehelt sich ..., der sag seiner frauen züchtigleich, was sie thon oder meiden sol!« (S. 34)
Um diesem Lernprozeß bei der ,besseren Hälfte' nachzuhelfen, sind ab und zu Prügel angebracht, aber: „wan sie ist von guter Art, so darstu nit schlagen alzu hart." Alsdann soll der Mann seiner Gattin vier Lehren zuteil werden lassen: Meiden soll sie jeden Streit mit Nachbarn und Vermietern. Niemanden soll sie ihre Meinung sagen, auf daß ihr Urteil nicht auf sie zurückfällt, und über die lieben Mitmenschen soll nur Gutes gesagt werden. Stehe ihr der Sinn nach „Zwietracht säen, mit deinem klappern hin und her" dann soll sie sich das gleich aus dem Kopf schlagen. Die wichtigste, die vierte Regel, öffnet der männlichen Gewalt Tür und Tor:
- „Und hüet dich auch mit gantzem Fleiß, wer mir zwai mit einander thünd, das laß nit kummen für dein mundt! Mir leben übel oder wol, kain ander mensch das wissen soll." (S. 35)
Die der Ehe zugeschriebene versittlichende Kraft ändert nichts an dem Objektstatus der Ehefrau und schon gar nichts an dem Verhalten der Männer. Der Mann ist es, der sich der Institution der Ehe bedient und sie sich zunutze macht. Er ist es, der die Bedingungen stellt, und niemanden geht es etwas an, was in der ehelichen Wohnung geschieht. Hier beginnt ein Prozeß der Abschließung nach außen und der Gründung eines privaten Innenraumes, aus dem nur der Mann ausbrechen darf, der Frau und Kinder jedoch isoliert gefangenhält.
IV. Das Bild der Ehe in Luthers Schriften
Auch Luther kam, wie ja die Tischreden zeigten, an der .Frauenfrage' nicht vorbei und wußte sehr viel zu sagen, was mit der Meinung seiner Zeit konform ging. Allerdings schlug er auch gelegentlich andere Töne an, Töne, die ein ernsthaftes Bemühen um ein harmonisches Zusammenleben von Mann und Frau vermuten lassen. Welche Worte sollen wir nun als die ,echten' identifizieren?
Es kann nicht darum gehen, aus der Vielzahl lutherischer Texte die für uns günstigsten herauszufiltrieren, um eine eindeutige Linie zu konstruieren. Lange genug wurde in dieser Weise in der Lutherrezeption verfahren und auf diese Weise viel Wichtiges verschüttet. Wir müssen vielmehr versuchen, die Widersprüche auszuhalten, und, indem wir nach ihrer Bedingtheit fragen, sie ernst zu nehmen. Bei unserer Untersuchung dürfen wir jedoch nicht bei der Lektüre der Tischreden stehenbleiben. Auf jeden Fall beschäftigte Luther nicht nur die Institution der Ehe, auf die sich ja die bisher untersuchten Quellen hauptsächlich bezogen, sondern vorrangig die Beziehung von Frau und Mann in der Ehe. Er widmete diesem Problem eine ganze Abhandlung, die er im Jahre 1522, noch vor seiner Heirat mit Katharina von Bora (1525), schrieb. Diese Schrift ,Vom ehelichen Leben' soll nun den spätmittelalterlichen Quellen und den Tischreden gegenübergestellt werden.
1. D. Martin Luther, Vom ehelichen Leben, 1522
Q4*
-
(* Die Zwischenüberschriften sind von mir eingefügt.)
a) Der dritte Teil [8]
- »Aufs dritte wollen wir, auf daß wir auch etwas zur Seelen Seligkeit des ehelichen Lebens reden, nun sehen, wie man den Orden christlich und göttlich führen soll.. . Am meisten wollen wir aber davon reden, daß der eheliche Stand ein solch schlechtes Ansehen bei jedermann hat. Es gibt viele heidnische Bücher, die nichts als die Laster der Weiber und die Unlust des ehelichen Standes beschreiben, so daß ettliche gemeint haben, selbst wenn die Weisheit ein Weib wäre, sollte man doch nicht freien ... Ich meine, wenn die Weiber Bücher schrieben, so würden sie von den Männern auch dergleichen schreiben. Und was sie nicht geschrieben haben, das bringen sie doch durch ihr Klagen und ihr Geschwätz zum Ausdruck, wenn sie unter ihresgleichen sind ... Auf daß wir nun nicht genauso blind verfahren, sondern christlich wandeln, so merkt Euch als erstes, daß Mann und Weib Gottes Werk sind und sei ruhig (und hallt deyn hertz und mund zu) und schimpfe nicht über sein Werk und nenne das, was er selbst gut heißt, nicht böse ...
Die Welt spricht von der Ehe: (Sie ist) eine kurze Freude und eine lange Unlust. Aber laßt sie sprechen, was Gott schafft und haben will, ist ihr ein Spott... Zwischen ehelich sein und dem Erkennen des wahren ehelichen Lebens liegt ein großer Unterschied. Wer verheiratet ist und das eheliche Leben nicht richtig erkennt, der kann nimmer mehr ohne Unlust, Mühe und Jammer drinnen leben ... Wer es aber erkennt, der hat Lust, Liebe und Freude daraus ohne Unterlaß ... Nun paß auf: wenn die kluge Hure, die natürliche Vernunft (nach welcher sich die Heiden richteten, weil die am klügsten sein wollten), das eheliche Leben ansieht, so rümpft sie die Nase und spricht: Ach, soll ich das Kind wiegen, die Windeln waschen, Betten machen, Gestank riechen, die Nacht durchwachen, auf sein Schreien hören, seine Blattern und seinen Grind heilen, danach das Weib pflegen, sie ernähren, arbeiten, hier sorgen, da sorgen, hier tun, da tun, das erleiden und dies erleiden und was sonst an Mühe und Unlust aus dem Ehestand kommt. Ei, sollte ich so gefangen sein? O du elender, armer Mann, hast du ein Weib genommen, pfu, pfu, nur Jammer und Unlust. Es ist besser frei zu bleiben und ohne Sorge ein ruhiges Leben zu führen. Ich will Pfaffe oder Nonne werden und meine Kinder auch dazu anhalten."
b) Aufgaben von Mann und Frau in der Ehe
- „Was sagt aber hierzu der christliche Glaube? Er macht seine Augen auf und sieht alle diese geringen und verachteten Arbeiten im Geiste an und spricht: Ach Gott, weil ich weiß, daß Du mich als einen Mann geschaffen hat und das Kind durch meinen Leib gezeugt hast, so weiß ich auch bestimmt, daß es Dir so aufs allerbeste gefällt und bekenne, daß ich nicht würdig genug bin, um das Kind zu wiegen, noch um seine Windeln zu waschen, noch um für seine Mutter zu sorgen. Wie bin ich nur ohne Verdienst zu dieser Würde gekommen, Deiner Kreatur und Deinem Willen dienen zu dürfen. Ach wie gerne werde ich es tun und wenn es noch geringer und noch verachtender wäre ... Genauso soll auch das Weib bei ihren Arbeiten denken, wenn sie das Kind säugt, wiegt, badet und bei allen anderen Dingen, die sie mit ihm tut und auch wenn sie anderes arbeitet und ihren Mann gehorsam ist. Und so soll man auch ein Weib, das niederkommt, trösten und bestärken und sagen: Denk daran, Greta, daß Du ein Weib bist und daß es Gott so gefällt. Stirbst Du drüber, so fahre hin, wohl Dir. Denn eigentlich stirbst Du bei der Verrichtung eines edlen Werkes und bist Gott gehorsam ...
Nun sage mir: wenn ein Mann hinginge und wüsche die Windeln oder vollbrächte sonst ein verachtetes Werk am Kinde und jedermann spottete darüber und hielt ihn für einen Maul-affen und einen Frauen-mann, obwohl er es doch in solcher oben erwähnten Absicht und im Christlichen Glauben getan hat, dann sage mir, mein Lieber: Wer spottet hier über wen? ... Und daß durch ein solches Leben die Hurerei und die Unkeuschheit abnimmt und abgewertet wird, ist so hoch einzuschätzen, daß es alleine schon darum genug wäre, den Leuten zu raten, so schnell wie möglich zu heiraten. Viele Gründe sprechen dafür: Der erste besagt, daß Hurerei nicht allein die Seele, sondern auch Leib, Gut, Ehre und Freundschaft verdirbt, und wir sehen, daß das hurerische und bübische ( = ausschweifende) Leben nicht nur große Schande mit sich bringt, sondern dazu ein unredliches Leben ist, und mehr kostet als ein eheliches Leben ... Hierbei will ich es belassen und den anderen auftragen, weiter zu suchen, was Gutes und Nützliches am ehelichen Stand ist..."
c) Zur Problematik der Unverheirateten
- „Ich will damit aber die Jungfernschaft nicht verwerfen, noch sie zum ehelichen Leben anhalten. Ein jeder fahre, wie er kann und sich fühlt, daß es ihm von Gott gegeben ist. Nur den Lästermäulern wollte ich wehren, die den ehelichen Stand so weit unter den Jungfernstand stellen, daß sie sagen: Obgleich die Kinder heilig werden sollten, so wäre dennoch die Keuschheit besser."
d) ökonomische Verhältnisse und Ehe
- „Am Ende müssen wir uns für einen großen, starken Einwand verantworten: Ja, sagen sie, es wäre gut, ehelich zu werden, wie will ich mich aber ernähren? Ich besitze nichts, um ein Weib zu nehmen und sie zu ernähren. Das ist freilich das größte Hindernis, das die allermeisten Ehen verhindert... Sie wollen zuerst sicher sein, wo sie Essen, Trinken und Kleidung hernehmen ... Aber laß doch solche Heiden fahren, wir reden mit ihnen nicht... Wer aber auf christliche Weise ehelich sein will, der braucht sich nicht zu schämen, arm und verachtet zu sein und geringe Werke zu tun."
e) Heiratsalter
- „Um zum Ende zu kommen: Wer sich nicht zur Keuschheit bestimmt sieht, der siehe beizeit zu, daß er etwas schaffe und zu arbeiten habe und wage es danach in Gottes Namen und greife zur Ehe. Ein Knabe, wenn er zwanzig, ein Mädchen wenn es um fünfzehn oder achtzehn ist, so sind sie noch gesund und geschickt. Und laßt Gott sorgen, wie sie mit ihren Kindern ernährt werden. Gott macht Kinder, der wird sie auch gut ernähren."
2. Ablehnung der traditionellen Eheauffassung und Luthers Frauenbild
Die Schrift, der eine aktuelle Diskussion über Ehehindernisse zugrunde lag, behandelt drei Problembereiche: Im ersten Teil geht Luther auf die Frage ein, welche Menschen können heiraten, im zweiten beschäftigt er sich mit dem Problem der Scheidung und im dritten Teil geht er auf die Frage ein, ob Christen aus der Bibel Hilfestellung für das eheliche Leben und die Elternschaft erlangen können. Luther geht zunächst auf das schlechte Ansehen der Ehe in der zeitgenössischen Öffentlichkeit ein. Er begründet seine Ablehnung der zeitgenössischen Eheauffassung mit der Bibel:
- „So habt aufs erste, daß mann und weib Gottes Werk sind und halte dein Herz und deinen Mund zu und schilt ihm sein werk nicht und heiße es nicht böße, das er es selbst gut heißt."
Die Unterschiedenheit des Menschen in zwei Geschlechter, in weiblich und männlich, ist also gottgewollt und deshalb als Gottes gute Schöpfung zu achten. Die geltende Auffassung der Frau, die ihr aufgrund ihres Geschlechtes einen minderwertigen Status zuweist, ist zurückzuführen auf einen Mangel an Glauben und einem Unverständnis der Worte Gottes. Gott gab dem Menschen - dem Menschen wohlgemerkt, und nicht geschlechtsspezifisch interpretiert, dem Mann - einen Gehilfen zur Seite, damit er nicht alleine sei. Diese Tatsache genügt, um die Ehe als Einrichtung zu achten, die es zu erhalten gilt.
3. Luthers Eheverständnis
Es sind nicht die Vernunftgründe, die nach Luther zwei Menschen veranlassen, eine Ehe einzugehen. Kurz und prägnant nennt Luther die eigentlichen Beweggründe in den Tischreden:
- „Im Ehestand sind diese Stücke: 1. daß eins natürlich das ander begehrt, Lust und Liebe zu ihm hat. 2. Kinder zeugen. 3. das Beiwohnen und die Treu, daß Eins dem Andern Glauben halte."[9]
Luther spricht hier nicht von Mann und Frau, ,eins und das ander' heißen die beiden Ehepartner bei ihm. Aus dieser Formulierung kommt seine Auffassung zum Ausdruck von dem in zwei Geschlechter unterschiedenen Menschen, dessen einer Teil notwendig des anderen zu seiner Vervollkommnung bedarf. In hohem Maße vertritt Luther hier die Auffassung von der Gleichberechtigung beider Teile, der Gleichberechtigung der beiden Menschen Mann und Frau in der Ehe. So verstanden birgt der Ehestand viele Freuden, die die nur auf materiellen Gründen basierende Ehe wohl nicht kennt. Andererseits aber:
- „Wer ehelich ist, und ehelich Leben nicht erkennet, der kann nimmer mehr ohne Unlust, Mühe und Jammer drinnen leben."
Und ,eheliche Leben' nicht erkennen heißt eben, die Gleichgestelltheit der beiden Teile nicht zu akzeptieren. - Die Ehe, oder sagen wir moderner, die Zweierbeziehung, kann zur Hölle werden, wenn sie die ihr innewohnende positive Dynamik zum positiven Miteinander in ein negatives Gegeneinander wendet.
4. Aufgaben von Mann und Frau in der Ehe
Luther läßt den Ehemann und Vater folgendermaßen sprechen:
- „Ach Gott, weil ich weiß, daß Du mich als Mann geschaffen hast, und von meinem Leib das Kind gezeuget hast, so weiß ich auch gewiß, daß es dir aufs beste gefällt und bekenne Dir, daß ich nicht würdig genug bin, das Kind zu wiegen, noch seine Windeln zu waschen noch es und seine Mutter zu versorgen. Wie bin ich nun zu dieser Würdigkeit ohne mein Verdienst gekommen, daß ich gewiß bin, deiner creatur und deinem liebsten Willen zu dienen? Ach wie gern will ich das tun, und wenns noch geringer und verachtender wäre. Nun soll mich weder Frost noch Hitze, weder Mühe noch Arbeit verdrießen, weil ich weiß, daß dir es wohl gefällt."
Diese Verhaltensregeln, die als der praktische Ausfluß der theologischen Überlegungen gelten können, stießen in der männlichen Öffentlichkeit auf ein nicht allzu positives Echo. Gerta Scharffenorth zitiert einen Satz eines 1522 in Nürnberg weilenden Rats, Dr. Diedrich von Werthern, den dieser dem Herzog Georg von Sachsen gegenüber aussprach. Er bemerkte über Luthers Schrift vom ehelichen Leben:
- „Es wäre nicht gut für uns arme Ehemänner, daß böße Weiber darinnen lesen."[10]
Auch die Frau soll das Kind in dem Bewußtsein versorgen, ein gutes Werk zu tun. Für sie allerdings bedeutete die Geburt eines Kindes oft eine Lebensbedrohung. Mit dem Entschluß zur Ehe gingen die Frauen das Risiko eines früheren Todes ein. Vor diesem Hintergrund müssen wir den Satz Luthers sehen, der für uns heute, in einer Zeit allseitiger medizinischer Versorgung, fast zynisch klingen mag: Luther sagt, an die Adresse der Ehefrau gerichtet, die mit einem Kind niederkommt: „Stirbst du drüber, so fahr hin, wohl dir." Man darf Luthers Satz nicht in der Weise interpretieren, daß die Frau auch im Angesicht des Todes auf jeden Fall ihrer Bestimmung, Kindern das Leben zu schenken, nachzukommen habe. In diesem Satz steckt vielmehr das Wissen um die tatsächlich bestehenden Gefahren des Kindbettfiebers und der Säuglingssterblichkeit, die fester Bestandteil des damaligen Lebens waren.
5. Zum Problem der Mutterschaft
Die große Bedeutung, die Luther der Mutterschaft und überhaupt der Elternschaft zuweist, ist ebenfalls vor der zeitgenössischen Unterbewertung der Vater- und Mutterschaft zu sehen. So gibt es wenige zeitgenössische Quellen, die sich mit der Frau als Mutter beschäftigen.[11] Die Quellen sagen wenig aus über die Aufgaben, die der Frau als Mutter zukommen, sie werden überdeckt von den Pflichten dem Ehemann und Haushalt gegenüber. Natürlich korrespondiert diese Nichtbeachtung mütterlicher und väterlicher Pflichten mit dem Bild, das sich die mittelalterliche Gesellschaft vom Kinde macht. Aries stellte fest, daß die mittelalterliche Kunst bis ins 17. Jahrhundert hinein die Kindheit entweder nicht kannte oder zumindest keinen Versuch unternahm, sie darzustellen.
- „Es fällt schwer zu glauben, daß diese Tatsache der Ungeschicklichkeit oder der Unfähigkeit der Künstler zuzuschreiben ist. Man sollte eher annehmen, daß in jener Welt kein Platz für die Kindheit war."[12]
Luthers Bemerkungen zu Vater- und Mutterschaft sind vor diesem Hintergrund zu verstehen und künden von einer Wandlung im Selbstverständnis der Elternschaft.
V. Luthers Verhältnis zu seiner Frau Käthe
Nach der Lektüre von Luthers Schriften, die seine Auffassung hinsichtlich der praktischen Eheführung darlegten, interessiert es mich nun, etwas über Luthers tatsächliche Beziehung zu seiner Frau zu erfahren. Ich bin neugierig, ob bei ihm auch der Abgrund zu konstatieren ist, der oft bei uns zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft. Ich frage also konkret nach der Beziehung, die die beiden Eheleute Martin und Käthe Luther zueinander hatten. Entsprach Katharina von Bora dem hohen lutherischen Eheideal?
Aber können wir dieser Frage überhaupt nachgehen? Hier ist nicht mehr nach den offiziellen Schriften gefragt, hier kommt es jetzt vor allem auf die inoffiziellen, die privaten, spontanen Töne an, die nicht für ein breites Publikum bestimmt waren.
Glücklicherweise sind authentische Äußerungen überliefert. Es handelt sich hauptsächlich um Briefe, die die Eheleute sich schrieben. Anhand dieser Briefe lassen sich Luthers theoretische Aussagen konkretisieren und an der Realität messen. Die Frage, aus welchen Gründen Luther zu dem in der Schrift ,Vom ehelichen Leben' gezeichneten Frauenbild kommt, können wir danach besser beantworten.
1. Luther an seine Gattin Katharina
Q 5. Meinem freundlichen lieben Herrn Katharina Lutherin, Doctrin, Predigerin zu Wittenberg.[13]
Gnad und Friede in Christo. Lieber Herr Käth! Wisset, daß unser freundlich Gespräch zu Marburg ein Ende hat, und seind fast in allen Stücken eins, ohne daß die Widerteil wollten eitel Brot im Abendmahl behalten und Christentum geistlich darinnen gegenwärtig bekennen. Heute handelt der Landgraf, ob wir könnten eins werden, oder doch gleichwohl so wir uneins blieben, dennoch Brüder und Christus' Glieder einander uns halten. Da arbeitet der Landgraf heftig. Aber wir wollen des Brüdern und Glieders nicht, friedlich und guts wollen wir wohl. Ich achte, morgen oder übermorgen wollen wir aufbrechen und zu E.Gn. Herrn gen Schi, in Voigtlang ziehen.
Ich habe viel zu tun, und der Bott eilet. Sage allen gute Nacht und bittet für uns! Wir seind noch alle frisch und gesund und leben wie die Fürsten. Küßt mir Lensgen und Hänsgen! Am Tage Francisci, 1529. E.williger Diener Martinus Luther
Obwohl es im 16. Jahrhundert nicht unüblich war, bereits in der Anrede viel Glück und Segenswünsche unterzubringen, fallen doch Luthers Briefanfänge auf. Wir lesen dort nicht selten die Anrede: ,Mein lieber Herr Käthe', wenn er an seine Gattin schreibt und danach eine Aufzählung verschiedener Tätigkeiten, die er Käthe zuschreibt: „Meiner freundlichen, lieben Käthen Lutherin, Bräuerin und Richterin auf dem Saumarkt zu Wittenberg zuhanden."
So lautete beispielsweise die Anrede in einem Brief vom 25. Januar 1546.
Wie viele Frauen im Mittelalter braute Katharina das für den täglichen Gebrauch bestimmte Bier selbst. Die Bierbrauerei lag damals hauptsächlich in der Hand von Frauen, die diesem Geschäft auch hauptberuflich nachgingen. Käthe Luther bezog ihre Rohstoffe, die sie zur Herstellung des Getränkes und der Lebensmittel benötigte, aus dem Ertrag ihres eigenen Hopfengartens.
In der Anrede erwähnt Luther weiter, sie sei „Richterin auf dem Saumarkt". Luthers Gattin besaß ein Grundstück, das an diesen Saumarkt in Wittenberg angrenzte, einen Baumgarten, in dem vermutlich Obstbäume wuchsen, deren Früchte sie selbstverständlich selbst erntete und für den Winter einlagerte. Auf diesem Grundstück befanden sich außerdem ihre Fischteiche.
In einer anderen Anrede tituliert er sie sogar mit „predigerin". Nachdem er wieder ihre anderen Beschäftigungen aufgezählt hat, heißt es: „und was sie mehr sein kann". Aus diesen Zitaten spricht in hohem Maße die Anerkennung, die Luther seiner Gattin zollt. Er erwähnt all die Tätigkeiten, ohne die ein Leben in der damaligen Zeit unmöglich gewesen wäre. Frau Käthe sorgt für die Lebensbasis und Luther weiß das. Auch der ,Frauenspiegel' hatte einige Arbeiten erwähnt, die die Frau zu erledigen hatte, allerdings geschah dies in einem völlig anderen Ton. Die Pflichten der Ehefrau wurden in den Vordergrund gestellt und von Anerkennung ihres Beitrages war nichts zu spüren. Luthers Briefe jedoch drücken nicht nur Anerkennung aus. Mit der Anrede „Mein lieber Herr Käthe" bezieht er sich auf Käthes Selbständigkeit in allen Dingen, die das Haus angehen, und freut sich darüber. Die hohe Bedeutung, die er den Frauen beimißt, betont er oft genug auch in den Tischreden.
Tatsächlich war gerade die Mitarbeit der Frauen für die Reformatoren von äußerster Notwendigkeit. Zum einen gingen diese Männer ja keinem Brotberuf im alltäglichen Sinne nach. Ihre Arbeit lag auf geistigem Gebiet und hier waren sie, wegen ihrer innovatorischen Funktion in theologischen Angelegenheiten, oft harter Kritik ausgesetzt. So mußten die Frauen für einen großen Teil der materiellen Reproduktion aufkommen. Zum anderen übten sie als Gesprächspartnerin und Vertraute eine stabilisierende Wirkung auf die Psyche ihrer Männer aus. Auf der Seite der Frauen setzten diese Aufgaben einiges an Verständnisbereitschaft, aber auch an Bildung in theologischen und weltlichen Fragen voraus. Als ehemalige Nonne, die sich kritisch mit den Inhalten ihres Glaubens auseinandergesetzt hatte, verfügte Käthe über diese Qualifikationen. Luther spielt ja auch einmal in seinen Briefen leicht ironisch darauf an.
Daß Luther sich all dieser Bedeutungen, die die Frauen für ihn und seine Kollegen hatten, bewußt war, geht aus einer Bemerkung bei Tisch hervor:
- „Es ist kein lieblicher, freundlicher, noch holdseliger Verwandtnis, Gemeinschaft und Gesellschaft denn eine gute Ehe."***432.3.14**
Nicht zuletzt aus diesen Gründen gehen die Reformatoren auch nach dem Tod ihrer Frauen immer wieder Ehen ein. Freunde und Kollegen unterstützen sie bei der Suche tatkräftig. Nach dem Tod seiner Gattin Elisabeth Silberreifen, die nach 20jähriger Ehe an der Pest starb, schrieb Martin Butzer die folgenden Worte:
»Der liebe Gott hat mir zuvor ein Gemahl gegeben bis ins 20. Jahr, die mit solcher Zucht, Ehrbarkeit, Gottseligkeit, auch Arbeitseligkeit in aller Haussorg und Arbeit begabt gewesen, wie das viel frommer Christen wissen, daß ich durch sie zu meinem Dienst merklich bin gefördert worden, nicht allein in dem, daß sie mich aller Haussorg und zeitlicher Geschäfte enthoben, sondern auch in dem, daß sie durch ihren Fleiß und Mühe die leiblichen Versorgung, so uns bisweilen nicht so reichlich zukommen, also ratlich angelegt und ausgeteilet hat, daß wir hier in Straßburg vielen Pilgern und Dienern Christi vielmehr Dienst bewiesen haben, als ich, wo ich allein gewesen wäre, nimmer vermocht hätte.«
Diese Worte würden sicherlich auch kein falsches Zeugnis von Katharina Bora ablegen. Obwohl hier auch Erwägungen materieller Art bei der Eheschließung den Ausschlag geben, kommt dennoch eine neue Qualität in die Beziehung der beiden Eheleute. Die Ehemänner wissen, daß sie auf das Tun ihrer Frauen angewiesen sind, und die Frauen sind von ihrem Wert überzeugt. Sie werden von ihren Ehemännern als gleichwertige Partnerinnen angesehen. In diesen Beziehungen gibt es keinen Teil, der den Status eines Objektes innehat und selbst bedürfnislos nur die Bedürfnisse der anderen befriedigt. Beide Partner sind sich in Liebe zugetan und arbeiten jeder auf seinem Bereich an derselben Sache. Daß diese Beziehung nicht nur einseitig war und von den Frauen erwidert wurde, zeigt unter anderem ein Brief Katharina von Boras, den sie nach dem Tod Luthers an ihre Schwester schrieb15.
2. Briefe der Frau Katharina an ihre Schwester
Q 6. Der ehrbaren und tugendsamen Frauen Christina von Bora, meiner lieben Schwester zuhand.
Gnad und Fried von Gott dem Vater unsers lieben Herrn Jesu Christi! Freundliche, liebe Schwester!
Daß Ihr ein herzliches Mitleiden mit mir und meinen armen Kinder tragt, glaub' ich leichtlich. Denn wer wollt' nicht billig betrübt und bekümmert sein um einen solchen teuren Mann, als mein lieber Herr gewesen ist, der nicht zugleich seiner Stadt oder einem einigen Land, sondern der ganzen Welt viel gedienet hat. Derhalben ich wahrlich so sehr betrübt bin, daß ich mein großes Herzeleid keinem Menschen sagen kann, und weiß nicht, wie mir zu Sinn und zu Mut ist. Ich kann weder essen noch trinken, auch dazu nicht schlafen. Und wenn ich hätt ein Fürstentum und Kaisertum gehabt, solt mir so leid nimmer geschehen sein, so ich's verloren hätt', als nun unser lieber Herrgott mir, und nicht allein mir, sondern der ganzen Welt, diesen lieben und teuern Mann genommen hat. Wenn ich daran gedenk, so kann ich vor Leid und Weinen - das Gott wohl weiß - weder reden noch schreiben. Wittenberg, Freitag nach Oculi 1546. Katharina, des Herrn Doktor Martinus Luther erlassene Wittfrau.
VI. Didaktisch-methodische Hinweise
Vergegenwärtigen wir uns noch einmal die Ergebnisse der Quelleninterpretation:
Am Anfang der Betrachtungen standen Auszüge aus Luthers Tischreden. Ihre Ambivalenz Frauen gegenüber reizten einerseits zur genaueren historischen Untersuchung und eigneten sich gleichzeitig zum Einstieg in die Unterrichtseinheit „Das Bild der Ehefrau im Spiegel einiger Zeugnisse des 15. und 16. Jahrhunderts".
Anhand der frauenfeindlichen Sprüche Luthers können Leitfragen entwickelt werden, die die folgende Unterrichtseinheit strukturieren: Welche Tradition steht hinter diesen frauenfeindlichen Aussagen? Wie dachten sich die Männer im 15. und 16. Jahrhundert ihre Ehefrauen? Entsprach diese Vorstellung in den Köpfen der Männer der gesellschaftlichen Realität, in der die Frauen und Männer lebten? Die Aussagen Luthers, die ein differenzierteres Frauenbild erkennen lassen, können Anlaß zu folgenden Fragen geben: Welches Frauenbild vertritt Luther in seinen Schriften? Welche Stellung bezieht er zu dem traditionellen Frauenbild? Welche Auffassung von der Ehe vertritt er? Wie verhielt sich Luther als Ehemann zu seiner Frau Käthe? Die Quelleninterpretation von Q2, Q3 und Q4 gab Antwort auf den ersten Fragenkomplex.
Q2, „der Frauenspiegel", zeigte ein Bild der idealen Ehefrau, wie es sich ein Nürnberger Bürger im ausgehenden Mittelalter malt. Die Ehefrau soll danach ganz den Bedürfnissen des Mannes leben; sie soll den Haushalt besorgen, sich ansonsten tugendhaft und unauffällig verhalten und jederzeit dem Gatten zu Willen sein. An die Ehefrau werden einseitig Forderungen gestellt, während von den Pflichten des Mannes kaum die Rede ist. Die Frau erscheint als bedürfnisloses, unselbständiges Wesen, das in jeder Hinsicht vom Manne abhängig ist.
Q3, „der Spruch vom ehelichen Stand", zeigt, was sich die Männer zusätzlich von ihren Frauen erwarten. In dieser Quelle wird den Frauen eine versittlichende Kraft zugesprochen, die sie befähigt, die Männer vom „Lotterleben" und damit dem sicheren ökonomischen Verfall in den ruhigen Hafen der Ehe zu ziehen.
Die Texte Q4 und Q5 gehen auf den zweiten Fragenkomplex ein. In Luthers Theologie, wie er sie u.a. in seiner Schrift „Vom ehelichen Leben" darlegt, erhält die Frau eine gleichberechtigte Stellung. Als Geschöpf Gottes und als Teil des Menschengeschlechtes ist sie dem Mann ebenbürtig. Von dieser Position aus unterzieht Luther die herrschende Eheauffassung einer scharfen Kritik und bestimmt die Aufgaben von Mann und Freu neu. Gemeinsam sollen fortan alle häuslichen Pflichten erledigt werden.
Immer wieder betont Luther in seinen Schriften zur ehelichen Gemeinschaft die gegenseitige Zuneigung, das „natürliche Begehren", die „Lust und Liebe" zueinander. Die spätmittelalterlichen Quellen erwähnten diese Aspekte des ehelichen Lebens nicht. Hier stand das richtige Verhalten der Ehefrau im Vordergrund, und es wurden Vorschläge gemacht, wie man(n) sie dazu erziehen könnte. Offensichtlich beginnt sich im 16. Jahrhundert ein neues Verständnis der Ehe durchzusetzen, das sich in veränderter Form bis heute gehalten hat. Luther ist demnach als einer der Begründer dieses neuen Ehe- und Frauenverständnisses anzusehen.[16]
Die Quellen Q 5 und Q 6 geben Aufschluß über die tatsächliche Beziehung, die die Eheleute Luther zueinander hatten, Luthers Theorie wird sozusagen an seiner eigenen Praxis überprüft.
VII. Ausblick
Von dieser Beziehung ebenso wie von Luthers Schriften gehen Impulse aus, die uns heute immer noch berühren. Partnerschaftlichkeit, Gleichwertigkeit und Treue, das Gefühl, sich aufeinander verlassen zu können, sind Werte, die seitdem nichts an Aktualität verloren haben.
Daß wir uns in unserer Diskussion nicht auf Luther beziehen, ist der Rezeptionsgeschichte der lutherischen Werke zu verdanken. Gelehrte Theologen verhinderten, daß Gedanken über die Beziehung zwischen Mann und Frau zu sehr in den Vordergrund traten. Sie sind dafür verantwortlich, daß sich im Laufe der Zeit die Vorstellung bilden konnte, Luthers Schöpfungsverständnis habe die Über- und Unterordnungsverhältnisse in Ehe und Familie ein für alle Mal zuungunsten der Frau festgeschrieben.[17] Karl Barth zum Beispiel beruft sich bei der Erörterung des Verhältnisses von Mann und Frau nicht auf die einschlägigen Stellen bei Luther, sondern auf die Tradition 1.Kor.II, nach der die Überordnung des Mannes und die Unterordnung der Frau als unauf-hebbare göttliche Ordnung zu bestehen scheint.[18] Aber können wir heute, in einer Zeit, die alle überkommenen Werte kritisch betrachtet und oft deren Unzulänglichkeit für unsere Zukunft konstatiert, ohne weiteres Luthers Eheverständnis zustimmen? Ergaben sich nicht schon damals genug Probleme aus dieser ehezentrierten Sicht?
Sicherlich wäre es falsch, wollte man Luthers Vorstellungen unhistorisch aus ihrer Zeitbedingtheit isolieren und sie so auf heutige Verhältnisse übertragen. Aber indem wir wieder die Lutherischen Originaltexte lesen und sie in ihren historischen Kontext stellen, reflektieren wir gleichzeitig unsere eigene Situation und entdecken gleichsam die Anfänge eines Denkens und Handelns, das uns auch heute noch prägt. In andere Erscheinungsformen gekleidet erregen immer noch ähnliche Probleme unser Interesse.[19]
Aber auch die andere Seite des lutherischen Denkens, die mittelalterliche, frauenfeindliche, ist doch so mittelalterlich nicht und längst nicht überwunden. Die Rolle des ,Frauenspiegels' haben heute andere Ratgeber übernommen, die ihre Aufgabe wirkungsvoll erfüllen. Die Massenliteratur und die Medien verbreiten heute oft genug noch ein Bild der Frau, wie es in seinen Grundzügen bereits im 16. Jahrhundert gezeichnet war - das Bild eines bedürfnislosen Wesens, das als einziges Lebensziel die Hingabe an Mann, Kinder und Küche vor Augen hat.
Indem wir zurückgehen ins 16. Jahrhundert, erfahren wir im Kontrast zu den Bildern der Vergangenheit uns selbst. Sicherlich spüren wir Veränderungen und Fortschritte auf, wir stoßen aber auch auf schmerzliche Defizite, deren Wurzeln weit zurückliegen. Sie lassen Luthers Verständnis einer Beziehung von Mann und Frau immer noch als schöne Utopie erscheinen.