»Glauben Sie, daß Sie sich manchmal
die falschen Männer aussuchen?«
Die überwältigende Mehrheit der Single-Frauen (88 Prozent) meint, daß sie sich manchmal die »falschen Männer« aussucht; fast Jede Frau glaubt, das sei allein ihr persönliches Problem, und fragt sich, ob sie eine verborgene neurotische, masochistische Ader hat:
»Ja, ich glaube manchmal, daß ich mir die falschen Männer aussuche. Meistens sind sie nicht bereit, häuslich zu werden, während ich es bin . Am Anfang ist es phantastisch, aber sobald sie merken, daß ich es ernst meine, und ich merke, daß sie es nicht ernst meinen, bekommen wir Probleme.«
»Ich suche mir oft die Falschen aus. Der einzige gemeinsame Nenner ist, daß sie alle keine so gute Schulbildung haben wie ich - obwohl Schulbildung an sich noch nicht Schlauheit bedeutet. Liegt es vielleicht daran, daß ich auf Schmeicheleien reinfalle?«
»Wie mir scheint, suche ich mir regelmäßig hilfsbedürftige Männer aus, um über kurz oder lang zu entdecken, daß sie einen Seelenklempner oder einen Tritt in den Hintern viel nötiger brauchen als eine Geliebte.«
»Ich suche mir Kerle aus, die sexy sind, gute Liebhaber, aber sie haben immer zuviel Komplexe und Probleme.«
»Männer, die stark wirken, aber eigentlich schwächer sind als ich Männer, die wegen ihrer emotionalen Schwierigkeiten nicht in der Lage sind, für mich dazusein.«
»Ich suche mir echt die Falschen aus! Bis jetzt hauptsächlich Verlierertypen, Muffelköpfe, Egoisten und Langeweiler!«
»Unerreichbare, von denen ich in tiefster Seele weiß, daß ich sie nie kriegen kann.«
»Meistens Männer, die sich auf nichts einlassen und sich keine Mühe machen, mir zu gefallen, sondern nur furchtbar angeben.«
»Ich suche mir nette Leute aus, die mir unweigerlich weh tun - unehrliche Männer, Machos.«
»Gutaussehende Egozentriker.«
»Zu dominante Typen - so wie mein Vater.«
»Ich weiß nicht, was Sicherheit in einer Beziehung ist. Ich kann sie mir vorstellen, aber ich habe keine Ahnung, wie ich an einen Mann geraten soll, der gut für mich wäre.«
»Ich suche mir Knaben aus, die zu oft verletzt worden sind.«
»Faszinierende, brillante Männer. Das ist genau das Richtige (in puncto Attraktivität) und genau das Falsche (auf lange Sicht). Am Anfang ist es okay - später komme ich mir reingelegt vor.«
»Ich suche mir Männer aus, die mir das Leben schwermachen, weil ich gern kämpfe. Wenn jemand zu nett zu mir ist, vergeht mir alles!«
»Die Männer, die ich mir bis jetzt ausgesucht habe, waren alle falsch für mich. Aber ich habe darüber nachgedacht und bin zu dem Schluß gekommen, daß ich es nicht darauf angelegt hatte, negative Erfahrungen zu machen. Sie hatten alle ein paar gute Eigenschaften, die zunächst die schlechten überwogen. Dann schlugen die schlechten durch.«
»Ich neige dazu, mich in effeminierte, manchmal auch schwule Männer zu verlieben. Bei meinen beiden ersten Lovern ging es so aus, daß sie ein Paar wurden.«
»Ich hatte immer Liebesbeziehungen mit Männern, die ich menschlich nicht mochte, was mich aber nicht daran hinderte, mich letztlich doch emotional zu involvieren. Anscheinend gerate ich grundsätzlich an Chauvinisten, die nichts von dem haben, was ich mir bei einem Mann wünschen würde - d. h. wenn ich zu diesen Zeiten bei klarem Verstand wäre.«
»Stilvolle, attraktive Leute. Bei denen, die ich kannte, gingen Stil und Attraktivität allerdings nie mit Beständigkeit zusammen.«
»Die Männer, die ich mir aussuche, sind völlig unsensibel für meine Bedürfnisse, aber ich suche mir immer wieder solche Männer aus.«
»Ich suche mir definitiv die Falschen aus - autoritäre Kerle mit Vorbehalten gegen Frauen, finanziell sehr erfolgreich (wie mein Vater).«
»Ich habe mir jahrelang Muttersöhnchen ausgesucht, damit ich nicht so leicht verletzt wurde.«
»Manchmal glaube ich wirklich, daß ich mir die falschen Liebhaber aussuche. Ich bin oft an verheiratete Männer geraten, fand aber immer erst später heraus, daß sie verheiratet waren. Ein Psychologe würde wahrscheinlich sagen, daß ich mir Männer aussuche, die bereits gebunden sind, weil ich eine Beziehung will, die mir keinen Spielraum für die Entscheidung läßt, ob ich mich binden möchte oder nicht. Ich glaube aber nicht, daß es so ist.«
»Ich fühle mich sehr zu rebellischen, nonkonformistischen Typen hingezogen, die mir immer am Ende weh tun.«
»Ich habe eine Therapie angefangen, um durchzuarbeiten, warum ich diesen Wiederholungszwang habe, >Verlierer< anzuziehen und verletzt und ausgenutzt zu werden. Ich habe mich immer rasend verliebt und nicht aufgegeben. Wenn ich den Kerl nicht gekriegt habe, war ich so verzweifelt, als würde meine Welt in Stücke gehen. Es mußte klappen ... aber es hat nie geklappt. Ich wünsche mir, ich wäre sicherer gewesen, hätte mich selber mehr geliebt und meine Zeit nicht mit diesen Leuten verplempert. Cibrigens glaube ich nicht, daß mir die Therapie geholfen hat, zu irgendwelchen Schlüssen zu kommen - ich bin nur schließlich meinem Mann begegnet.«
Manchmal sagen Frauen, die »neue Sensibilität« der Männer sei eher byronesk und egozentrisch als empathisch und solidarisch - d. h. einige Männer werden sensibler und leben mehr im Einklang mit ihren Gefühlen, aber nicht mit denen der Frauen:
»Ich fand früher die Art Männer enorm attraktiv, die Bertrand Russell >byronsche Melancholiker< nennt. Wehmütige, sensible, bedürftige Männer. Zum Glück habe ich herausgefunden, daß sie mir nicht guttun. Ich kann sie nicht retten; sie wollen auch selten gerettet werden. Außerdem müssen sie das schon selbst machen.«
»Ich habe mir oft die falschen Männer ausgesucht. Ich wollte sanfte Männer, und statt dessen bin ich an schwache, egoistische Männer geraten, die sehr sensibel für ihre eigenen Gefühle waren, aber völlig unsensibel für die von anderen.«
Die wenigen gegenteiligen Antworten sehen so aus:
»Ich suche mir Männer aus, die freundlich und liebevoll sind und viel Humor und ein gutes Selbstbewußtsein haben, ohne egoistisch zu sein.«
»Ich suche mir immer die richtigen Liebhaber aus. Kommunikativ, nett, ehrlich, sexy, normal, fleißig, intelligent. Und sie lieben mich. «
»Ich suche mir fürsorgliche, altruistische, starke, ehrgeizige, wohlerzogene Männer aus. Ich glaube, wenn sie Schwestern hatten, haben sie mehr Einblick in die Gefühle einer Frau.«
Mehrere Frauen sagen, sie hätten das Gefühl, daß nicht sie die Männer aussuchen, sondern daß sie von Männern ausgesucht werden:
»Die Männer suchen mich aus, und ich kann mir nur aussuchen, ob ich mich aussuchen lasse. Das klingt vielleicht ein bißchen verrückt, aber ich glaube, mein ganzes Leben besteht daraus, das Beste aus dem zu machen, was mir begegnet.«
»Ich bin so erzogen worden, daß die Jungen oder Männer die Frauen aussuchen, und wenn man sie mag, ist es okay. Ich finde jetzt, daß ich mir aktiv einen Partner wählen sollte.«
»Ich glaube, daß Frauen nicht so sehr >aussuchen< wie Männer. Frauen werden ausgesucht, und dann akzeptieren sie den Mann entweder oder sie lehnen ihn ab, je nachdem wie >bedürftig< sie sind. Ich glaube, daß ich oft von Männern ausgesucht worden bin, die mir nicht ebenbürtig waren.«
Was heißt »falsch«?
Heißt »falsch« verantwortungsscheu? Rücksichtslos? Daß die Frau gekränkt und verletzt wird?
Eine Frau weist darauf hin, wenn ein Mann »der Falsche« sei - d. li. sie nicht »glücklich« macht und nicht stabil ist -, müsse das nicht immer bedeuten, daß er in jeder Hinsicht »falsch« für sie sei:
»Ich suche mir vielleicht manchmal die Falschen aus, aber für meine Entfaltung und fürs Dazulernen sind sie goldrichtig. Ich hatte früher immer Angst, mich in die zu verlieben, die mich innerlich wirklich tief anrührten, aber jetzt weiß ich, daß von daher das Beste in bezug auf Entfaltung und Lernen kam, also hole ich tief Luft und lasse mich darauf ein. «
Andere sehen das Problem ebenfalls komplexer:
»Meine Freundinnen würden wohl sagen, daß ich mir >die Falschen< aussuche, aber steht es ihnen zu, das zu beurteilen, und auf welcher Basis urteilen sie? Ich suche mir Männer aus, die bestimmte persönliche und charakterliche Qualitäten haben, und obwohl man einige vielleicht nach bürgerlichen Maßstäben nicht als >stabil< bezeichnen kann, haben sie mir alle etwas Wichtiges und Wertvolles gegeben.«
»Ich glaube nicht, daß ich mir die falschen Männer ausgesucht habe, es stellte sich nur immer heraus, daß sie sehr viel anders waren, als ich dachte. Durch jede Beziehung habe ich etwas dazugelernt, und so habe ich keine allzu sehr bereut.«
»Ich habe einiges riskiert: Abenteurer, Neurotiker, Lügner, hübsche verheiratete Schauspieler, junge Afrikaner, die mir alle möglichen Geschichten erzählt haben, damit ich ihnen das Taxi bezahlt habe oder sonst was. Diese Männer mögen den meisten Leuten als >die Falschen< vorkommen, aber sie sind wenigstens nicht langweilig.«
»Ich habe mir nie die >falschen< Männer ausgesucht - bei einigen zeigte sich, daß sie nicht zu mir paßten, aber keiner war ausfallend oder gemein. Es gibt auch noch andere Gründe, jemanden zu lieben, als den, sich mit ihm häuslich niederzulassen.«
Eine Frau sagt, daß sie weder »Softies« noch »Machos« mag:
»Was ich an Männern mag? Ich mag das Wilde an ihnen. Niederträchtigkeit mag ich genausowenig wie Zahmheit. Und die patriarchalischen Killer- und Kontrollinstinkte natürlich auch nicht - aber die haben Frauen manchmal auch, obwohl ich es eher als >männliche< Eigenart bezeichnen würde. Ich mag es, wenn Männer mutis und stark sind, freundlich, warmherzig, sexy, intelligent, humorvoll, gut gelaunt, verspielt, großzügig. Ich mag es nicht, wenn sie egoistisch, egozentrisch, grausam, gleichgültig, gemein, tyrannisch, sexualfeindlich, lebensfeindlich und engstirnig sind, wenn sie Frauen manipulieren oder meine Freundinnen unglücklich machen. Ich hasse es, wenn sie Frauen gegeneinander aufhetzen.«
Viele Frauen hatten etliche unglückliche Beziehungen, bevor sie eine gute Beziehung fanden; eine unglückliche Beziehung oder eine Reihe Von »falschen Männern« verurteilt einen keineswegs dazu, daß sich daran ein Leben lang nichts ändert:
»Bevor ich meinen Mann kennengelernt habe, gab es ein konstantes Schema in ungefähr 90 Prozent meiner Beziehungen (und das hat mich absolut fertiggemacht). Ich mußte im emotionalen, im geistigen und oft auch im finanziellen Bereich für alles sorgen . Ich hatte grauenhafte Trennungsängste. Ich war krankhaft eifersüchtig auf andere Frauen; wenn ich einen Liebhaber nur mit anderen Frauen sprechen sah, drehte sich mir der Magen um, verkrampfte ich mich vor Angst. Das ist jetzt nicht mehr so. Meine Beziehungen funktionierten damals nicht weil ich mich ständig verraten und den anderen kein Limit gesetzt abe. Früher habe ich mir nie erlaubt, Grenzen zu ziehen und zu sagen, was für mich in Ordnung geht und was nicht.«
Suchen sich Frauen wirklich die »falschen Männer« aus oder gibt es nur wenige Männer,
die dazu fähig sind, mit Frauen eine Beziehung von gleich zu gleich zu haben?
»Es ist sehr, sehr schwierig für mich, jemanden kennenzulernen, der sich von der breiten Masse abhebt. Männer, mit denen es sich lohnt... das ist bei optimistischer Schätzung vielleicht einer unter zehntausend. Ich meine eine entwickelte Persönlichkeit, einen Mann, der unabhängig denkt, der viel weiß und eine ethische Grurideinstellung hat. Das ist äußerst selten.«
87 Prozent der Frauen sagen, daß es schwierig für sie ist, Männern zu begegnen, die sie bewundern und respektieren können:
»Es fällt mir sehr schwer, jemanden zu finden, zu dem ich mich hingezogen fühle und vor dem ich Respekt habe. Ich fühle mich zu vielen Männern hingezogen, aber Respekt habe ich vor den wenigsten. Der Versuch, jemanden zu finden, den ich mögen und vor dein ich Respekt haben und den ich dazu bringen kann, für mich das gleiche zu empfinden, ist zur Zeit das Schwierigste in meinem Leben. Wenn ich nicht den Typ Mann treffen kann, der richtig für mich ist, bleibe ich lieber zu Hause.«
»Ich habe viele Interessen und einen großen Freundeskreis, finde aber oft, daß der Lebensstil der Männer, mit denen ich ausgehe, nicht so interessant und abwechslungsreich ist wie meiner, und ärgere mich, wenn ich ihretwegen Aktivitäten aufgebe.«
»Ich bin gern mit Männern zusammen, die sanft, freundlich, rücksichtsvoll und aufmerksam sind. Ich habe Freude am Sex, deswegen wäre ich gern mit jemandem zusammen, der auch Freude am Sex hat. Natürlich wünsche ich mir Männer, die ähnliche Interessen haben wie ich. Ich war immer sehr zurückhaltend mit Verabredungen, weil ich keine solchen Männer finde.«
Eine Frau antwortet (stellvertretend für viele) auf die Frage, ob sie sich die »falschen Männer« aussucht: »Was bleibt mir sonst übrig?«
»Ein objektiver Beobachter könnte sagen, daß ich mir Männer aussuche, die mit Dauerbeziehungen nichts am Hut haben. Ein bißchen was ist daran wahr. Aber man könnte auch sagen, daß allen Männern etwas Wichtiges fehlt. Es gibt so viele Variablen: Weiße Männer verabreden sich meistens nicht mit schwarzen Frauen, also sind schon mal weniger Männer verfügbar. Schwarze Männer mit Format sind oft erst recht nicht verfügbar. Die unverheirateten und ungebundenen schwarzen Männer, die sich gern mit mir verabreden würden, sind meistens sehr viel jünger als ich (das ist fa-st okay - nur daß sie sich meistens auch sehr jung verhalten - wenn sie das nicht täten, wäre es ganz okay). Oder sie haben kein Format - sie haben nicht die gleichen Werte wie ich oder interessieren sich für nichts im Leben als banalen Alltagskram. Die Männer mit Format, die unverheiratet sind und etwa in meiner Altersgruppe, wollen meistens nur oberflächliche und unverbindliche Beziehungen - >Ich melde mich wieder, sobald ich kann< -, aber ich hätte gern etwas mehr Zusammengehörigkeitsgefühl, auch wenn der Mann nicht immer verfügbar ist. ja, was soll ich sagen? Suche ich mir die falschen Männer aus? Was bleibt mir sonst übrig?«
Eine andere Frau fragt sich, wie viele Männer es gibt, die emotional und psychisch in tier Lage sind, nicht nur beiläufige zwischenmenschliche Beziehungen zu haben:
»Ich habe immer angenommen, die Beziehungen von Männern untereinander wären ihre wichtigsten Beziehungen. Ich war schockiert, als ich im Hite Report gelesen habe, daß die Männer sagen, sie fänden diese Beziehungen seicht. Kein Wunder, daß ich so wenig >bedeutungsvolle< Beziehungen mit Männern hatte - das Potential ist einfach nicht da. Und ich hatte schon selbst geglaubt, daß ich mir halt immer wieder die falschen aussuche. Ich habe ungeheuer unter diesen Männern gelitten, auf die die Gesellschaft gnadenlos eingedroschen hat, um sicherzustellen, daß sie keine menschlichen Regungen mehr haben.«
Viele Frauen fangen, um mit diesen Problemenfertig zu werden, eine Therapie oder eine Psychoanalyse an - manchmal hilft es:
»Die Sitzungen waren insofern liilfreich, als sie mich an meine wahren Ziele, Wünsche usw. herangeführt haben. Nur wurde dadurch nichts gelöst. Ich habe zwar das Gefühl, daß ich nicht unerhebliche Fortschritte gemacht habe, aber irgendwelche großen Offenbarungen habe ich nicht erlebt.«
In einigen Therapieformen und psychoanalytischen Theorien spiegeln sich jedoch lediglich die Werte der Gesamtgesellschaft wider; es wird angenommen, daß mit der Frau etwas nicht stimmt, wenn sie »Beziehungsprobleme« hat, daß sie vielleicht »zu anspruchsvoll« ist, »klammert«, »unsicher« ist - oder aber »zu hart« und »zu kalt«; ein Therapeut kann diese Stereotype (die scheinbar durch eine »differenzierte«, »wissenschaftliche« Theorie gerechtfertigt sind) auf eine Frau anwenden, ohne es zu merken: ***71-12-1***
»Mir scheint, daß ich früher immer an Männer geriet, von denen ich meinte, sie seien mir unterlegen. Ich habe deswegen einen Analytiker aufgesucht und bekam die Auskunft, ich hätte den unbewußten Wunsch, meine Beziehungen zu zerstören, und finge darum was mit Leuten an, die ich in Wirklichkeit nicht mögen würde. Ich glaube nicht, daß das stimmt - ich glaube, daß ich nur wesentlich mehr Selbstvertrauen entwickeln mußte - was ich inzwischen getan habe.«
Wenn so viele Frauen die Frage »Glauben Sie, daß Sie sich manchmal die falschen Männer aussuchen?« mit ja beantworten, heißt das entweder, daß die Mehrheit der Frauen irgendeine »Neurose« hat und findet, daß sie es nicht besser verdient, oder daß die Mehrheit der Männer - seien es Genies, Geschäftsleute oder Bauarbeiter - Frauen in Beziehungen nicht gut behandeln.
Tatsächlich wird hier bestätigt, was die Frauen im 1. Teil dieses Buches gesagt haben: Die Mehrheit der Männer denkt in frauenfeindlichen Stereotypen und innerhalb der Beziehungen sind Schikanen und tjbergriffe an Frauen an der Tagesordnung. Mit anderen Worten, die Frauen suchen sich nicht die »falschen Männer« aus, sondern das Problem liegt darin, daß fast alle Männer stereotype, problemschaffende Auffassungen von Frauen haben. Die Mehrheit der Männer - so die Frauen in dieser Untersuchung - hat weder zu erkennen begonnen, wie eingefleischt ihre Meinung vom »Anderssein« der Frau ist, noch hat sie sich an die gewaltige Aufgabe gemacht, ihre Philosophie zu überprüfen und ihre Psychologie umzugestalten.
Große Passionen und schmerzliche Liebesaffären
Manchmal beschreiben Frauen sehr tiefe Gefühle - ekstatische Liebe, ja sogar Besessenheit , doch sie gelten einem Mann, der ihnen furchtbar weh tut. Das ist etwas anderes als »sich den falschen Mann aussuchen«, weil in diesen Fällen das Gefühl besonders intensiv ist.
Wie ist es möglich, daß eine so große Liebe und ein so tiefer Schmerz zusammengehen? Wie kann eine Frau so leidenschaftlich lieben, wenn sie gleichzeitig so unglücklich ist? Wie sich nach jemandem sehnen, der ihr weh tut? Was bedeutet das?
Eine Frau schickte die Kopie eines herzzerreißenden Briefes, den sie ihrem Liebhaber geschrieben hatte - sie erklärt ihm darin, wie sehr sie ihn liebt und warum sie ihn trotzdem verlassen muß:
»Ich liebe Dich so sehr. Unser Problem hat nichts mit meinen Freundinnen zu tun, wie Du behauptest. Du bist so stolz und versuchst, mich als schäbig hinzustellen, weil ich sie nicht mit Dir >teilen< will . Du möchtest, daß ich genau wie Jean bin, die eine Grimasse schneidet, wenn man sie fragt, ob sie noch mit jim zusammen ist, die sich so unsagbar kränken, so entsetzlich schikanieren läßt - Du findest, sie ist eine wunderbare Frau. ja, sie ist eine wunderbare Frau (es gibt vieles, was ich an ihr mag), aber sie ist auch eine dumme Frau. Wenn Du meinst, daß eine Beziehung so aussehen soll, dann haben wir sehr verschiedene Vorstellungen von einer Beziehung.
Ich habe auf jede erdenkliche Weise versucht, das zu sein, was ich Dir sein wollte, und es war nicht genug. Ich habe einen Körper und einen Verstand, um den sich viele Männer reißen würden, aber Du hast beides immer wieder zurückgewiesen, während Du weiß Gott wen begehrt und Dich an weiß Gott wen rangemacht hast (auch an eine meiner besten Freundinnen). Ich betrachte das mit widerstrebenden Gefühlen, aber hauptsächlich frage ich mich: WARUM? Ich war immer für Dich da, habe Dich geliebt, Deinen Kopf geliebt, Deinen Schwanz geliebt, mich um Dich gekümmert, versucht, dafür zu sorgen, daß Du und ich das Beste sind, was wir sein können. Ich habe versucht, das Team zusammenzuhalten. Aber das kann ich nicht allein. Ich kann nicht mit Dir leben in dem Wissen, daß ständig was ist, zum Beispiel daß Du Dich an Laura ranschmeißt, wenn ich bei der Arbeit bin. Ich meine - was ist der Grund dafür? Ich habe anderthalb Jahre versucht, Dir alles zu geben, und komme mir vor, als hätte ich überall blaue Flekken, weil ich mich ganz allein für unser Team geschlagen habe, komme mir vor, als würde ich mit dem Kopf gegen eine Betonwand rennen.
Ich kann nicht damit leben, daß Du an andere denkst und hinter meinem Rücken mit ihnen vögelst. Daß Du mir einzureden versucht hast, es sei nur eine einmalige Geschichte gewesen, und dann kommt Hope, und dann kommt Robin, und weiß Gott wer sonst noch mit Dir zusammen war - das ist unfaßbar für mich. Daß Du mich angelogen hast ist unfaßbar für mich. Und restlos unfaßbar ist für mich, daß Du es üerhaupt wolltest. Ich habe mich in letzter Zeit verflixt nach sexueller und emotionaler Aufmerksamkeit von Männern gesehnt, aber ich habe mich nur danach gesehnt, weil ich es von Dir nicht kriege. Ich will es so sehr von Dir, aber Du bist nicht für mich da (nicht richtig oder ständig), also suche ich es bei anderen oder zumindest die Möglichkeit. Und Du? Warum Du andere brauchst, finde ich schwer zu begreifen. Der Spruch von Deinem französischen Blut ist das Blödeste, was ich je gehört habe, also gehe ich nicht näher darauf ein.
Ich muß das überleben - ich kann nicht sehenden Auges mit Dir untergehen. Es tut weder Dir noch mir gut, wenn gelogen und betrogen wird, aber wenn Du nicht damit aufhören kannst, muß ich tun, was ich kann - nämlich gehen. Wenn ich mich von Dir zurückziehe, fühlst Du Dich vielleicht besser, weil Du dann weißt, daß Du mir nicht weh tust und mich nicht betrügst - und ich fühle mich vielleicht auch besser. Ich weiß es nicht.
Ich liebe Dich ungeheuer, aber ich kann nichts machen, als mit Dir untergehen oder irgendwas tun. Ich brauche es, geliebt und gewollt zu werden, und weiß, daß mich jemand manchmal sagenhaft findet; ich brauche jemanden, der mir manchmal seine ungeteilte Aufmerksamkeit schenkt. Das tust Du alles nicht mehr, und ich brauche es so nötig. Denk daran, wie sehr Du es selbst brauchst, dann verstehst Du mich vielleicht. Du verlangst so viel sexuelle Aufmerksamkeit, daß es Dir nicht reicht, eine Frau zu haben, die andere gern hätten - eine Frau, die mit Dir zusammen lebt und es genießt, mit Dir ins Bett zu gehen! Du verlangst so viel emotionale Aufmerksamkeit, daß Deine Freundinnen einen Ausgleich für die Liebe und Aufmerksamkeit schaffen müssen, die Du von mir brauchst und, wie Du meinst, nicht bekommst! Heiliger Gott! Dann werde ich dafür ausgeschimpft, daß ich am Morgen weine und von Abenden träume, an denen wir schmusen und zusammen essen und uns völlig ineinander verlieren! Wie kannst Du mich dafür ausschimpfen, daß ich das will? Lieber Gott, bist Du denn schwachsinnig? Das ist das BESTE! Erinnerst Du Dich nicht?
Es steht nirgendwo geschrieben, daß das aufhören muß. Und es gibt keinen Grund, mich pessimistisch und fatalistisch zu nennen, wenn ich sage, ich glaube nicht, daß es wiederkommt. Ich finde, es sollte wiederkommen, aber ich glaube nicht, daß Du im Moment dazu imstande bist. Oder es willst.
Also laß mich gehen - liebe mich genug, um mich gehen und leben zu lassen, während Du es Dir überlegst. Ich liebe Dich und möchte das Gefühl haben, daß es etwas ist, daß Du wieder schätzen wirst. Bis dahin muß ich es bei mir behalten, weil ich es Dir nicht mehr geben kann. Erst wenn Du es willst - wirklich willst - und bereit und fähig bist, es mit mir beim Schopf zu packen und es mit mir zu leben.«
Eine andere Frau setzt eine sehr unbefriedigende Beziehung fort - sie ist »die andere« und fragt sich, warum:
»Ich bin attraktiv, schlank, habe blonde Haare, bin (scheinbar) unabhängig - oh, was klingt das eitel! Der Mann, den ich liebe, spielt in einer Band. Jedesmal wenn seine Band an der Ostküste ist, wende ich eine Menge Zeit, Energie und Geld dafür auf, um bei möglichst vielen von seinen Konzerten dabeizusein. Ich merke in dem Moment, in dem ich das schreibe, wie peinlich es ist. Er lebt nicht nur in einem anderen Staat, eine halbe Ewigkeit entfernt, sondern er liebt auch eine andere Frau.
Wir hatten es oft schön zusammen, aber als ich anfing, mehr zu wollen, einige von meinen Bedürfnissen befriedigt haben wollte, ging er immer mehr auf Distanz - nicht weil er ein mieser Kerl ist, sondern weil er mit einer anderen Frau liiert ist und weil ihn das allmählich beunruhigte - und je mehr er auf Distanz ging, desto mehr lief ich ihm nach. Als ich ihn das letzte Mal zu fassen kriegte, stellte ich ihn zur Rede, obwohl das unnötig war, weil er mir ja mit seinem Verhalten und allem sagte, daß es gut lief mit seiner Freundin, und das hätte eigentlich genug sein sollen, war es aber nicht - ich stellte ihn also zur Rede, und er sagte mir, wir könnten Freunde bleiben, aber im Augenblick würde es echt gut laufen mit seiner Freundin, und er wollte nicht mehr mit mir schlafen. Da stand ich nun und fühlte mich dumm und dußlig und konnte nichts machen...
Ich bin nicht wütend auf ihn, weil er von Anfang an ehrlich zu mir war, und dafür mag ich ihn immer noch, aber ich bin wütend auf mich, weil ich mich in diese Situation gebracht habe. Nun könnte vielleicht jemand sagen, daß ich Angst vor Nähe habe, weil ich Leuten nachlaufe, die sie mir nicht geben können, oder prinzipiell unerreichbar sind; eine Liebessüchtige, die hinter Leuten herrennt, die mit jemand anderem befreundet sind oder tausend Probleme haben, und denkt, die kannst du retten oder verändern und alles wird wunderbar, nur daß das nie passiert - ist also reine Phantasie. Weil ich ihn relativ selten gesehen habe, war die Beziehung für mich viel wichtiger als für ihn. Für ihn war es nur eine Abwechslung, wenn er unterwegs war und sich langweilte oder einsam fühlte. Es war schmeichelhaft für ihn, daß ich immer rumreiste und ihn suchte. Für mich war die Beziehung auch dann wichtig, wenn ich nicht in seiner Nähe war. Das ist ganz schön traurig, ja, wirklich traurig.
Ich mache jetzt eine Therapie und versuche, mit einigen von diesen Dingen fertig zu werden. Ich habe auch zwanghaft Sachen gekauft. Ich glaube, ich habe versucht, mein Leben irgendwie zu füllen. Solcher Besitz macht einen nicht glücklicher, aber ich mag Kleider - es ist fast schon eine Besessenheit. Ich verbringe zuviel Zeit mit Einkaufen, gebe zuviel aus, einfach zuviel. Wahrscheinlich liegt es an dem Gefühl, daß dein Leben außer Kontrolle ist, dann gehst du los und gibst Geld aus, das hast du unter Kontrolle - du hältst dich an deiner Kreditkarte fest.
Mein Zustand ist im Moment fast gut, ich möchte geliebt werden, aber ich weiß nicht, wie man liebt. Ich weiß nicht mal, ob ich es jetzt könnte. Ich hatte so viele schlechte Beziehungen, ich glaube nicht, daß die überhaupt was mit Liebe zu tun hatten, mehr so eine Art Zwang oder der Versuch, eine Leere zu füllen, aber es hatte nichts damit zu tun, daß zwei Leute alles miteinander teilen und sich umeinander kümmern.
Die Beziehung, die ich in den letzten drei Jahren hatte, die mit dem Rock-Star, ist eigentlich entsetzlich. Sie ist hauptsächlich sexuell, und der Sex mit ihm ist nicht so berauschend, es ist immer das gleiche. Er ist sehr dominant. Er will immer das Sagen haben, und das zeigt sich im Bett. Warum toleriere ich das, obwohl der Sex nicht mal besonders erfreulich ist? Deswegen bin ich jetzt in Therapie, ich versuche es rauszukriegen.
Es ist kein Problem für mich, Männer kennenzulernen, weil ich auf einem Airport arbeite und da ständig mit Männern zu tun habe, die attraktiv sind und die ich auch respektieren könnte, aber ich nehme das gar nicht richtig wahr, ich sehe nicht richtig hin. Mein Sexleben ist praktisch nicht existent.
Wenn ich mir so die Männer ansehe, mit denen ich zur High School und aufs College gegangen bin - die meisten sind jetzt verheiratet, dreißig, man weiß, da wird es langsam Zeit, und sie haben geheiratet, und ich wachte plötzlich auf und war Single. Ich dachte mir, vielleicht hast du echt den Zug verpaßt. Aber das hat wohl damit zu tun, daß die Ehe meiner Eltern so unglücklich war, vielleicht habe ich unbewußt beschlossen, das nicht mitzumachen, und so stehe ich jetzt, wo ich eben stehe.
Als ich jünger war, hatte ich all diese Ideale und Erwartungen. Wenn du älter wirst, begreifst du, daß du da nie rankommst, es gibt eine Diskrepanz zwischen Phantasie und Realität. Aber ich arbeite jetzt an etwas, das gut für mich ist oder zumindest besser.~<
Mit wieviel Unglück finden sich Frauen ab,
und warum halten sie an schwierigen Beziehungen fest?
Manchmal kann eine Frau jemanden innig lieben, der nicht stabil ist, der keine dauerhafte, kontinuierliche, funktionierende Beziehung eingehen kann oder will - und die Beziehung kann trotzdem zutiefst bewegend und wichtig sein. Liebe ist schließlich nicht bloß eine Art Kniesehnenreflex auf eine Person, die »nett« zu einem ist.
Die Bezeichnung »Masochistin« wird oft auf Frauen angewandt, die in unglücklichen oder »nicht funktionierenden« Liebesbeziehungen leben, und das mit dem Unterton »Die müßte mal zum Psychiater« oder »Ist es nicht eine Schande, daß sich soviele Frauen in so was reinreiten?«
Wie bereits erwähnt werden Frauen (aber nicht Männer) oft sehr streng von der Gesellschaft beurteilt, was Liebe und Privatleben angeht. Die Maßstäbe dafür sind, ob ein Mann sie liebt oder nicht, ob sie verheiratet sind und (hoffentlich!) Kinder haben. Fast jede Beziehung wird als Hinführung auf diesen »wundervollen Zustand« betrachtet, als Probe für die Ehe, und wenn sie nicht »funktioniert« oder unglücklich ist, ist sie ein »Reinfall« - und die Frau ist eine »Masochistin«, wenn sie die Beziehung nicht abbricht. Wenn eine Frau an einem besonders einsamen und unglücklichen Tag zu jemandem sagt, der nicht gerade aufgeschlossen ist, »Mein Leben ist ein Chaos!«, dann wird ihr Gegenüber wahrscheinlich (und sei es auch nur in Gedanken) mit dem Kommentar reagieren: »Kannst du dich nicht zusammenreißen? Was ist los mit dir?« Auf Frauen lastet ein großer Druck, im Privatleben »erfolgreich« zu sein, den Erwartungen der Gesellschaft zu entsprechen - d. h. einen »netten Mann« zu finden, sich mit ihm häuslich einzurichten und »stabil« zu sein.
»Beweisen« unglückliche Beziehungen, daß Frauen »masochistisch« sind? Zu »loyal« und »hilfsbereit«, als ihnen guttut? Daß sie »zwanghaft« oder »obsessiv« sind? Werden Frauen derart »abhängig« von Beziehungen, daß sie sich nicht aus ihnen lösen können?
Die Vorstellung, Frauen seien »masochistisch«, wenn sie bei jemandem bleiben, der sie schlecht behandelt, berücksichtigt nicht, daß die andere Person am Anfang wahrscheinlich liebevoll war und es zeitweise immer noch ist. Manchmal beginnen solche Beziehungen mit sehr intensiver Verliebtheit, sehr intensivem Engagement, und darum stürzt es die Frau in große Verwirrung, wenn sich herausstellt, daß dem anderen wesentliche Fähigkeiten im Zusammenleben abgehen, daß er nicht teilen kann, zu Nähe nicht imstande ist: Sie liebt die »guten Seiten« des Mannes und hofft, daß sich an seinen »schlechten Seiten« noch etwas ändern wird. Sie kann sich nicht so leicht dazu überwinden, aus der Beziehung »auszusteigen«, wie es wohl der Fall gewesen wäre, wenn es am Anfang keine tiefen und ekstatischen Gefühle gegeben hätte.
Eine Frau analysiert die Vorgänge folgendermaßen: »Das Wesen des männlichen Chauvinismus besteht darin, daß dich der Mann erst wild vor Sehnsucht macht - sexuell, physisch und emotional -, indem er dich mit Worten streichelt, dich richtig streichelt, dir sagt, daß du schön bist, wunderbar, interessant usw. Dann hat er dich - und du hast ihn. Nun fängt er an, herablassende Bemerkungen zu machen, an deinen Interessen und Fähigkeiten zu zweifeln, sich unregelmäßig zu melden, seinen geringen Respekt zu zeigen - bis du schließlich immer noch irgendwie in ihn >verliebt< bist und Sehnsucht nach ihm hast, aber ihn jetzt auf der Basis akzeptieren und Sex mit ihm haben mußt, daß du dich mit deinem geminderten Status, deinem Gefühl der Demütigung abfindest. Nach einer Weile kannst du dein sexuelles Verlangen nach so einem Mann verlieren, aber es ist möglich, daß die Leidenschaft noch ein bis zwei Jahre anhält, während du dich gleichzeitig schämst und gedemütigt fühlst. Wie gehst du damit psychologisch um? Sado/Maso-Phantasien? Wie gehst du mit der Tatsache um, daß du in jemanden verliebt bist, der dich nicht so respektiert oder als vollständiges menschliches Wesen sieht wie sich selbst, seine besten Freunde, den Präsidenten der Vereinigten Staaten usw.???«
Der Einfluß der traditionellen »männlichen« Ideologie, die Frauen vorschreibt, wie sie sich zu verhalten haben, macht sich auch hier bemerkbar: Die Frau soll dem Mann Liebe geben - und braucht er diese Liebe nicht noch mehr, wenn er »bekümmert« oder »verwirrt« ist? Durch die ihr zugewiesene »Rolle« wird die Frau nicht ermutigt, zornig zu sein bzw. zu gehen; sie »muß« bleiben und sich um Verständnis bemühen. Doch gewöhnlich verschlimmert sich die Situation (und die Art und Weise, auf die der Mann die Frau behandelt).
In vielen Fällen liegt es auf der Hand, daß die Frau unbedingt gehen muß - zum Beispiel wenn sie ständiger psychologischer oder emotionaler Gewalt ausgesetzt ist. Meistens gibt es kein herausragendes, singuläres Ereignis, das der Frau sagt, daß »Feuer unterm Dach« ist; aber eine Reihe von kleineren Vorfällen oder das permanente Gefühl, emotional in der Schwebe zu sein, ein qualvolles At,.f und Ab, das viel Kummer und Unglück zur Folge hat, sind gute Indikatoren dafür.
Unter diesen Umständen ist es sehr schwierig für eine Frau, ihre Liebe gegen die akute Situation abzuwägen. Wie wichtig sind »Glück«, »Stabilität« und »Normalität« denn überhaupt? Wie weit kann man gehen, wie weit den psychologischen Forderungen des anderen entgegenkommen? Solche Beziehungen fordern ihren Tribut nach und nach, so daß es nicht überschaubar ist, wieviel es einen kostet, sie weiterzuführen - oder wie sehr man sich schon verändert hat.
Die meisten Frauen brechen unglückliche
und ausbeuterische Beziehungen ab ***71-12-2***
Die Reaktionen der meisten Frauen in dieser Untersuchung auf unglückliche oder nicht funktionierende Beziehungen bestätigen in keiner Weise die populäre Vorstellung, daß sich Frauen gern quälen lassen, Schmerz und emotionale Demütigungen lieben. Sie halten es vielleicht länger aus als Männer, bemühen sich mehr, dafür zu sorgen, daß die Beziehung funktioniert - was als Loyalität gepriesen oder als »Masochismus« verächtlich gemacht werden kann - aber letztlich gehen sie doch.
74 Prozent der Frauen sind aus unglücklichen Beziehungen »ausgestiegen«:
»Im College war ich mit einem Alkoholiker befreundet. Erst habe ich versucht, ihm zu helfen, aber nach einer Weile habe ich gemerkt, daß manche Leute schon dermaßen auf dem absteigenden Ast sind, daß sie professionelle Hilfe brauchen. Dann wollte ich mich von ihm trennen, aber wenn ich die Rede darauf gebracht habe, ist er fuchsteufelswild geworden. Er hat mich rumgeschubst und mich geschlagen. Ich war entsetzt. Es hat genau ins klassische Schema der geschlagenen Frau gepaßt - er hat immer gesagt: >Warum machst du das?< Es war unheimlich, wie leicht ich mich habe manipulieren lassen, bis ich selbst geglaubt habe, ich hätte was falsch gemacht. Am Ende habe ich mit seiner Therapeutin geredet, und sie hat gesagt, ich soll mich schnellstens abseilen. Ich habe mich versteckt, bis er's aufgegeben hat.«
»Ich war sehr heftig in einen sehr unreifen, untüchtigen jungen Mann verliebt, mit dem ich zusammen lebte und den ich unterstützte, ehe ich den Mann kennengelernt habe, mit dem ich jetzt verheiratet bin. Dieser junge Mann war sehr egoistisch und sehr grausam zu mir, und trotzdem hatten wir eine emotionale Intimität, die ich mit meinem Mann nie erfahren habe. Ich war nie richtig glücklich, außer sexuell (er war ein sehr einfallsreicher Liebhaber und schien meinen Körper wirklich zu lieben, was dazu führte, daß ich riesige Orgasmen hatte). Aber danach war ich immer deprimiert, weil ich sah, wie hoffnungslos die Situation war. Außerdem schämte ich mich vor meiner Familie und meinen Freundinnen dafür, daß ich mit so einer verantwortungslosen Person zusammen lebte. Schließlich fand ich den Absprung und verließ ihn.«
Gewöhnlich hat der Mann neben den Eigenschaften, die eine Belastung für die Beziehung sind, auch Eigenschaften, die die Frau liebt, was den Entschluß zu gehen oder den Bruch herbeizuführen, extrem schwierig macht:
»Der Mann, den ich am wenigsten mochte, war einer, der nie hielt, was er mir und anderen versprach. Manches an ihm mochte ich allerdings sehr, aber ich konnte nicht damit leben, daß er ständig sein Wort brach. Darum mußte ich Schluß mit ihm machen.«
»Der schmerzlichste und verwirrendste Bruch in meinem Leben war der mit einem Mann, den ich sexuell liebte und mit dem ich geistig nichts gemeinsam hatte, keine Interessen, nichts. Aber im Bett war es wunderschön mit ihm. Ich würde heute noch gerne mit ihm schlafen.«
Wie bei Scheidungen (siehe 12. Kapitel) sind es öfter die Frauen, die eine unglückliche Beziehung abbrechen; sie haben jedoch gewöhnlich das Gefühl, daß ihnen keine andere Wahl bleibt, daß sie die »Aufräumarbeit« leisten, nachdem der Mann die Beziehung unmöglich gemacht hat:
»Normalerweise beende ich die Beziehung, aber wegen irgendwas, das der Kerl gemacht hat. Ich bin verletzt, und es dauert seine Zeit, bis ich drüber wegkomme. Aber ich weigere mich, bei einem Kerl zu bleiben, der mich ausnutzt oder für völlig selbstverständlich hält, denkt, er >hätte< mich, mich respektlos behandelt oder mich versetzt.«
»Ich habe oft die Initiative ergriffen und Schluß gemacht . Ich war immer schrecklich traurig und hatte Schuldgefühle, fühlte mich aber auch sehr erleichtert, wenn ich aus einer unbefriedigenden Beziehung ausgebrochen war. Das langsame Sterben der Liebe war immer am schwersten zu ertragen.«
Viele Frauen sagen, wenn die Liebe stark war, bleibe noch ein wenig davon erhalten - auch wenn sie mitj*emandetn gebrochen haben und unabhängig davon, wie schlecht die Beziehung war:
»Obwohl ich mir wünsche, meinen Exfreund zu hassen und zu verachten, glaube ich manchmal, daß ich ihn immer noch liebe. Ich kann diese Gefühle nicht einfach abstellen.«
Am schwierigsten ist es, eine Beziehung aufzugeben, wenn der Mann behauptet - obwohl er einen unglücklich oder zumindest nicht glücklich macht - er liebe einen:
»Er ging immer fremd und sagte, er wollte keine Scheidung, sondern nur >seine Freiheit<. Nach dreieinhalb Jahren hatte ich besorgniserregend abgenommen, und meine Freundinnen redeten mir zu, bis ich zu einem Scheidungsanwalt ging. Ich hatte unter den ständigen Affären meines Mannes genug gelitten und reichte die Scheidung ein. Bis wir geschieden waren, sagte er: >Aber ich liebe dich doch. < Das sagt er noch heute! Er ist mit einer anderen Frau verheiratet, aber er sagt, daß er sie nicht mag und daß ich die einzige Frau bin, die er liebt! Er interessiert mich nicht mehr. Er versucht zwar, mich mit seinem Ruhegeld zurückzukaufen, und das ist so viel, daß es sich lohnen würde, aber NEIN. Damals habe ich oft geweint, obwohl ich es erleichternd fand, daß ich wieder anfangen konnte zu leben. Ich wollte die Beziehung abbrechen, und ich wollte sie nicht abbrechen. Ich habe eine Therapie angefangen, die mir helfen sollte, mich von der Beziehung abzulösen. Sie hat mir geholfen, wenn auch nur teilweise. Ich habe meinen Mann geliebt, und irgendwo liebe ich ihn immer noch, obwohl er mir so weh getan hat und obwohl ich ihn nicht mehr lieben möchte.«
Nach Aussage der meisten Frauen ist die beste Methode, über jemanden hinwegzukommen, ihn nicht mehr zu sehen:
»Eigentlich habe ich meine erste Liebe und unsere Trennung nie verwunden. Was es schwierig macht, ist, daß er immer unangesagt auftaucht, wenn er Urlaub hat (er ist bei der Navy). Wenn er wegbleiben würde, würde es mir viel besser gehen.«
Ersatz suchen ist auch eine gute Methode:
»Ich wollte mich zwingen, mich von ihm fernzuhalten, und habe die Wohnung deshalb früh am Morgen verlassen und bin erst am späten Abend zurückgekommen. Meine Mitbewohnerinnen erzählten mir, er riefe dauernd an und käme vorbei und säße stundenlang in der Wohnung, um auf mich zu warten. Er hat mich nie erwischt, erst sechs Wochen später, und da traf ich mich bereits mit einem anderen Mann, also konnte ich nein sagen.«
Die meisten Single-Frauen empfinden nach Trennungen neben dem Schmerz auch große Erleichterung und Freude:
»Ich wollte es. Ich wollte mich zurückhaben. Und ich bekam mich zurück. Es war phantastisch. Es war auch hart und eine große Einsamkeit. Ich hatte das Gefühl, daß ich für meine Freiheit viel aufgegeben hatte.«
Doch 14 Prozent der Frauen empfinden nur Schmerz:
»Ich habe es gehaßt, zurückgewiesen zu werden, ich habe mich wie der letzte Dreck gefühlt. Der Mann, den ich liebte, nahm sich eine andere Frau. Ich habe mich als Versagerin gefühlt, weil sie, die andere, ihm etwas geben konnte, das ich ihm nicht geben konnte. Ich war eine Weile rasend eifersüchtig. Ich mußte an die beiden zusammen im Bett denken, ich konnte es einfach nicht lassen. Anfangs habe ich am meisten den Sex vermißt und unsere Nähe. Ich habe es vermißt, mit ihm zu schlafen. Später habe ich es vermißt, die kleinen Alltagsereignisse mit ihm zu erleben. Es gab eine Zeit, wo ich ihn gehaßt und zugleich geliebt habe - die Trennungslinie dazwischen ist sehr schmal. Es hat ein gutes Jahr gedauert, bis ich ihn >überwunden< hatte, bis ich an einem Punkt war, wo ich nicht mehr zwanghaft an ihn und an sie denken mußte. Gespräche mit guten Freunden und Freundinnen haben mir am meisten geholfen, vor allem wenn sie ähnliche Erfahrungen gemacht hatten. Ich erinnere mich, daß ich einmal mit einem Freund bis drei Uhr morgens in einem Restaurant geredet habe, und danach fühlte ich mich tausendmal besser. Das war wohl der Wendepunkt.«
Eine Beziehung abzubrechen ist wesentlich schwieriger, wenn kein »Schlußpunkt« gemacht wird, kein gemeinsam vereinbartes Ende, kein Gespräch möglich ist. Es ist gewöhnlich der beste Weg, die Dinge zu bereden, um ein Gefühl dafür zu bekommen, daß es »aus« ist:
»Nachdem wir ein geschlagenes Jahr die Augen davor verschlossen hatten, was wirklich in der Beziehung lief, wurde mir klar, daß sie beendet werden mußte. Aber ich habe immer noch gewartet - so lange, bis es mich dermaßen gequält hat, daß ich mit dem, was gesagt werden mußte, nicht mehr zurückhalten konnte. Ich habe ihm alles gesagt, was mir auf dem Herzen lag, und damit meinen Kummer bewältigt, statt ihn in mich reinzufressen.«
Lohnt es sich, eine weniger intensive
Beziehung zu haben, um Schmerz zu vermeiden?
Oft beschließen Frauen, die in Therapie sind, um herauszufinden, warum es in ihrem Liebesleben nicht »klappt<~, sich von dem Wunsch nach romantischer Liebe freizumachen, »rationaler« zu werden, sogenannte unrealistische Erwartungen zu unterdrücken und sich auf stabile und freundschaftliche Alltagsbeziehungen zu konzentrieren.
Eine Frau, die in Therapie ist, baut jetzt, nachdem sie ziemlich katastrophale Erfahrungen mit dem »Verliebtsein« und der Abhängigkeit von einem Mann gemacht hat, mit dem sie zusammenlebte, eine zurückhaltende Beziehung mit einem anderen Mann auf, bei dem sie das Gefühl hat, er sei einigermaßen stabil und mit ihm sei es zu schaffen:
»In den vergangenen drei Jahren habe ich endlich angefangen, mich positiv zu entwickeln (obwohl es einem nicht immer so vorkommt). Die erste wichtige Veränderung war, daß ich eine sehr leidenschaftliche, aber selbstzerstörerische Beziehung aufgegeben habe.
Meine größte Leistung bis jetzt war wohl die, daß ich eine Analyse angefangen habe, um mich zu verändern. Ich habe selbstzerstörerische Ideen, die mir als Kind eingepflanzt worden sind. Ich arbeite daran, sie abzubauen, aber manchmal habe ich das Gefühl, in meinem Leben könnte ich nie was in Ordnung bringen.
Inzwischen habe ich eine Beziehung mit einem wunderbaren Mann. Wir sagen uns, daß wir gute Freunde sind, wir haben ein wunderbares Sexualleben zusammen. Wir sind beide in der Vergangenheit sehr verletzt worden und haben Angst, wieder verletzt zu werden. Wir haben verschiedene Wege, voreinander wegzulaufen oder zu verleugnen, daß mehr als nur ein bißchen Liebe im Spiel ist. In mir ist ständig Kampf zwischen meiner Sehnsucht nach Liebe, meiner Angst vor Nähe und meiner Angst vor Abweisung. Am nächsten stehen mir mein Freund, mein Analytiker - und ich selbst. Mein Freund ist sehr verständnisvoll, und mein Analytiker ist wunderbar - gescheit, einfühlsam und menschlich.
Das schwierigste sind meine Ängste. Mein Freund stützt mich emotional in kritischen Momenten, obwohl ich das anscheinend mehr will, als ich sollte. Ich muß lernen, um Erklärungen zu bitten, wenn ich Dinge anders auffasse, als sie gemeint sind. Ich habe die Angewohnheit, alles, was über mich gesagt wird, negativ aufzufassen, und versuche jetzt umzulernen. Ich lerne auch, sein Verhalten in diesem Licht zu sehen, seine Angst vor dem Scheitern zu erkennen. Wir haben beide Angst, uns wieder zu binden - einem anderen Menschen voll zu vertrauen. Das Schlimmste, was er getan hat, ist, daß er mich, nachdem wir uns kennengelernt hatten, ein paarmal versetzt hat (das macht er auch jetzt noch hin und wieder), aber ich konnte meinen Ärger ausdrücken (zum ersten Mal bei jemandem), und ich glaube, er merkt, daß er da Verhaltensmuster wiederholt, die mit seiner Angst vor Liebe zu tun haben.
Ich halte mich für eine Feministin. Ich glaube, die Frauenbewegung hat mir dabei geholfen, daß ich mich nicht mehr so allein fühle mit meinen Problemen. Ich habe eine unheimliche Wut auf die doppelte Moral in unserer Gesellschaft, auf Diskriminierung und Sexismus, auf Religionsgemeinschaften, die die Menschen sexuell verkrüppeln usw. Aber die größte Wut habe ich inzwischen auf Leute, die mich wie Dreck behandeln. Ich finde, es ist richtig, eine Wut zu haben, aber ich möchte auch lieben lernen - mich selbst und alle anderen.«
Die allgemeine Praxis und die Seele:
Muß jede Beziehung auf das
»perfekt aufeinander abgestimmte Paar« hinauslaufen?
Ist »Glück« immer das Ziel einer Liebesbeziehung? Es soll hier ein Wort dafür eingelegt werden, daß nicht jede Liebe in das sozial akzeptierte Schema vom perfekten Haushalt und vom perfekten heterosexuellen Paar passen muß. Nicht alle Beziehungen sind »Probeläufe« für die Ehe!
Manchmal beschließen Frauen zu bleiben - ganz gleich, wie groß der Schmerz ist -, da die Liebe real ist, und sie zu spüren und auszudrücken macht ihnen mehr Freude, gibt ihnen mehr das Gefühl, sie selbst zu sein, lebendig zu sein, als wenn sie »stabil« und »normal« wären. Eine Frau sagt:
»Ich nehme Mühen für meinen Freund auf mich, aber die Liebe läßt es nicht wie Mühen erscheinen. Dies ist das erste Mal, daß ich so empfinde. Meine beiden Freunde zuvor liebten mich mehr als ich sie. Ich hatte Schuldgefühle, wenn sie mit leuchtenden Augen von unserer Zukunft sprachen und ich meine Zweifel hatte.«
Warum werden Frauen nicht für ihre Loyalität bewundert,
sondern als »Masochistinnen« bezeichnet?
Frauen legen bei dem Versuch, eine unglückliche Liebesbeziehung aufrechtzuerhalten, dem Menschen, den sie lieben, zu helfen, und loyal zu bleiben, auch wenn der andere schwierig ist, oft großen Mut an den Tag - doch das wird fast nie als heroisch betrachtet. Statt dessen werden sie häufig dafür herabgesetzt oder »Masochistinnen« gescholten. Würde man Männer nicht dafür bewundern? Werden Männer wie Lord Byron oder Rod Stewart nicht als große romantische Helden betrachtet, wenn ihre Liebe unerwidert bleibt bzw. wenn es mit ihrer Liebe »nicht klappt«?
Dies ist ein weiteres Beispiel dafür, daß das, was Frauen tun, oft für »geringer« gehalten wird als das, was Männer tun: Frauen werden für ihr Streben nach Liebe selten als tapfer und mutig gepriesen; es gibt kaum eine Apotheose der Frau als Liebesheldin und Liebessucherin. Sie wird als Opfer gesehen - oder als Idiotin.
In einigen dieser unglücklichen Beziehungen treffen die Frauen auch eine positive Aussage insofern, als sie nicht auf das reagieren, was der Mann tut, sondern ihre Auffassung von den Möglichkeiten und der Wichtigkeit der Beziehung zum Ausdruck bringen, ihre Gefühle. Sie bestimmen die Situation.
Eine instabile Liebesbeziehung braucht nicht unbedingt ein Fehlschlag« zu sein, wenn sie uns Poesie und Schönheit gibt: Vielleicht wollen wir es ja so. Es ist nicht gesagt, daß wir uns »die falschen Männer aussuchen«. Doch in solchen Situationen sorgt die Gesellschaft meist dafür, daß wir ein schlechtes Gefühl haben. (»Es hat nicht geklappt! Die kriegt ihr Leben nie in den Griff!«) Die Gesellschaft bestraft Frauen streng, wenn sie keine dauerhaften Verbindungen mit Männern eingehen.
Die Frauen in dieser Untersuchung verlassen die Männer, die sie lieben wenn es sein muß. Aber manchmal gibt es auch Gründe, noch eine Weile zu bleiben. Was ist, wenn wir unsere Seele gegeben haben und dann »verraten« oder verletzt werden, oder wenn sich die Person, die wir lieben, ändert? Das heißt nicht, daß wir unsere Seele nicht hätten geben, nicht hätten lieben sollen. Ist es nicht besser, das, was wir im Augenblick real empfinden, real zu machen - auch wenn es zerbricht? Es ist gut, wenn man die Fähigkeit hat, an die Realität der Liebe eines anderen Menschen zu glauben.
Ist es falsch, an einer »großen Liebe« festzuhalten, die »unklug« ist? ***71-12-3***
Wann ist eine Beziehung gut? Wenn man miteinander auskommt? Nicht allein ist? Große Leidenschaft empfindet? Einander nahe ist? Tatsächlich kann eine Beziehung sehr instabil oder gar unglücklich sein und dennoch eine Art Seelennahrung - oder sie kann Türen in einem öffnen, die zuvor verschlossen waren.
Wie es eine Frau formuliert: »Ich will ihn lieben. Andere Männer mögen problemloser oder gesprächiger sein, aber ich liebe sie nicht. Ich liebe ihn, liebe ihn dafür, daß er die einzigartige Person ist, die er ist ich liebe eine Person, keine Beziehung. Ich suche keine Person, die mir die beste aller Beziehungen gibt. Ich suche eine Person, mit der ich mich verbunden fühle.«
Von der Liebe »besessen« zu sein, ist dann und wann als »neurotisch« etikettiert worden - gerade so, als sei nur die »Vernunft« akzeptabel; selbst die alten Griechen hielten den »göttlichen Wahnsinn« für gut. Und auch wenn wir nicht in diesen Extremen denken, trifft es zweifellos zu, daß Menschen manchmal eine Zusammengehörigkeit empfinden, die sich nicht mit Worten ausdrücken läßt.
Doch die Frage lautet: Sind die Frauen der Suche nach der »großen Liebe« zu sehr »verfallen«? Lassen sie sich zu bereitwillig von ihren Gefühlen leiten, lieben sie zu hartnäckig weiter, obwohl es »unvernünftig« ist? Und spiegelt sich in diesem Hunger nach Liebe unser Hunger nach Anerkennung und Fürsorge von seiten einer Gesellschaft, die unsere Geburt wohl kaum so begrüßt hat wie die unserer Brüder - einer Gesellschaft, von der Frauen nicht viel Anerkennung und Ermutigung bekommen außer in ihrer zweitrangigen Rolle als »Gehilfin« des Mannes?
Liebe als Leidenschaft der Seele
Vielleicht ist unsere Suche nach Liebe auch eine Form der heimlichen Liebe zu uns selbst - wir dürfen uns nicht lieben, also sehnen wir uns danach, einen Mann zu finden, der uns liebt, um diese heimliche Liebe gleichsam zu legitimieren, um die Liebe zu bekommen, von der wir meinen, daß wir sie uns selbst nicht geben können. Vielleicht ist unsere Suche nach Liebe in gewisser Weise eine Sublimierung der spirituellen Ekstase des Selbst, des Einsseins mit diesem Selbst. Fällt es uns darum oft so schwer, einen Mann zu verlassen, in den wir »verliebt« sind, obwohl die Beziehung schlechter wird?
Befreit oder unterdrückt uns die Liebe? Schließlich ist sie für Frauen der vorgeschriebene Lebensstil, der Lebensstil schlechthin. »Liebe« kann sehr repressiv und manipulativ sein und Frauen unglaublich erschöpfen - obwohl es nicht so sein sollte -, und das hat viele Feministinnen dazu bewogen zu sagen, daß wir »unsere Ketten abwerfen« und aufhören sollen, »Sex mit unseren Unterdrückern zu haben«, daß wir die romantische Liebe zu Männern aufgeben sollen. Aber schuld ist nicht die Liebesempfindung an sich, wir sind nicht »schwach«, »masochistisch~< oder »dumm«, sondern was die Liebe zu etwas »Falschem«, zu einem solchen Problem macht, ist der kulturelle Kontext, die Geschlechtertrennung der Gesellschaft. Und die Frauen kommen am schlechtesten dabei weg, weil ihre Liebe zu Männern mit Fragen der finanziellen Abhängigkeit und des sozialen Status verbunden war und ist. Doch innige Liebe zu empfinden ist ein großes Geschenk, eine Erquickung für Geist und Seele.
Eine lange Reihe von schwierigen Beziehungen tut nicht gut. Aber ist es in Anbetracht der kulturellen Probleme nicht möglich, daß die meisten Frauen viele schwierige Beziehungen durchmachen müssen, um jemanden zu finden, den sie lieben können, der sie als ebenbürtig betrachtet, sie glücklich macht - kurz, um einen von den »Guten« zu finden?
Schlechte Beziehungen können wie Gift sein. Wie es eine Frau formuliert: »Wenn du zuviel gibst, verlierst du deine Seele.« Doch eine Beziehung ohne Liebe, die nur eine gewisse Bequemlichkeit bietet (wobei man vielleicht auch sich selbst gegenüber so tut, als sei Liebe im Spiel), kann ebenfalls schädlich sein. Der Schlüssel liegt darin, nicht zu lange zu bleiben zu ergründen, was einem guttut und was Türen für einen aufschließt - und zu gehen, wenn die Beziehung selbstzerstörerisch wird.
Gibt es einen »echten Masochismus«?
Unbeantwortbare Fragen über Leidenschaft
Eine Frau schreibt, daß es ihr sexuell mehr gibt, wenn sie einen Mann findet, der sie emotional »dominiert«:
»Im allgemeinen habe ich das Sagen. Vielleicht ist mir G. überlegen, er dominiert die Beziehung emotional - und das spricht mich an. Bei ihm will ich nicht das Sagen haben. Ich will, daß er mich versteht, aber ich will nicht dominieren. Gleichzeitig spüre ich irgendwo ganz tief, daß er sich >meiner annehmen< wird. Das ist wahrscheinlich sehr unemanzipiert und sehr übel - ich weiß, ich sollte >emanzipierter< sein, aber ich mag es, daß er sich meiner annimmt, ich mag es sogar, daß er mich dominiert. Vielleicht ist das nur eine Frage des Respekts - ich respektiere ihn dafür, daß er mindestens so intelligent ist wie ich, erfolgreicher als ich usw. Und ich bin bei ihm sexuell erregter als sonst. Ich will ihn wirklich.«
Ist das ein Beispiel dafür, wie eine Frau in einer Beziehung auf Macht verzichtet - oder wie eine Frau Liebe gibt und der Mann Konkurrenzverhalten und »Gewinnenwollen« ins Spiel bringt und Liebe mit Arroganz vergilt?
Doch die Frage bleibt: Warum führt Gekränkt- und Gedemütigtwerden bei manchen Frauen und Männern nur zu einem intensiveren Verlangen nach Sex? Warum tötet es die Liebe und das Verlangen nicht automatisch ab? Handelt es sich hier um »echten Masochismus«? »jemanden begehren, der einen schlecht behandelt« ist ein Thema, von dem nicht oft gesprochen wird. Selbst die eigenen Freundinnen und Freunde neigen dazu, einen herabzusetzen, wenn man solche Gefühle gesteht.
Andere Frauen beschreiben es so:
»Ich bin fasziniert von Leuten, mit denen man sich auf nichts einlassen sollte, fühle mich echt zu ihnen hingezogen. Es ist vielleicht dumm, aber manchmal reizt einen ein bad boy, ein richtiger Kerl, gemein und direkt - Elvis Presley, James Dean - die Sorte. Weh getan habe ich mir nie dabei - aber warum ist dieses Gefühl da???«
»Meine Liebesbeziehungen waren bis jetzt alle unglücklich. Ich suche mir Männer aus, die mir nicht guttun. Gefährliche Typen.«
»Ich habe reichlich viel akzeptiert, zum Beispiel daß er sich mit anderen Frauen traf, habe auch akzeptiert, daß ich in seinem Leben >unter ferner liefen< kam, habe es akzeptiert, um ihn zu halten, um eine gute, >moderne<, nicht besitzergreifende Freundin zu sein. Es gab vieles, das schmerzlich war, zum Beispiel daß ich ihn chauffierte und er mich im Wagen warten ließ, während er irgendwelche Gänge machte oder einen langen Schwatz mit jemandem hatte. Ich brauchte seine Liebe sehr, ich war scharf auf ihn. Das ging ein paar Monate so. Schließlich zogen wir uns eines Abends aus, um Liebe zu machen, und er bekam einen Anruf von einer Frau, von der er mir bereits gesagt hatte, daß er sie wollte, und er zog los, um sich mit ihr zu treffen. Das war das Ende.«
Es ist definitiv möglich, sich sexuell zu jemandem hingezogen zu fühlen, vor dem man keine Achtung hat:
»Am leidenschaftlichsten war ich bei einem Mann, in den ich verliebt war, vor dem ich aber manchmal keine Achtung hatte. Er ist schon lange aus meinem Leben verschwunden, aber ich begehre ihn immer noch.«
Eine andere Frau sagt, Streit scheine den Sex aufregender zu machen:
»Es gibt merkwürdige Zusammenhänge: Wenn ein Mann mit einer Frau wie mit einer Vertrauten redet, ihr seine Geheimnisse erzählt, ist er nicht richtig in sie verliebt, oder zumindest ist kein heißer Sex drin. Wenn ich zu gut mit einem Mann auskomme - keine Unstimmigkeiten, keine Kräche -, wenn ich alles voraussagen kann, was er tut, verschwindet die Verliebtheit. Ich kann ihn immer noch lieben, aber der Sex ist nicht mehr so aufregend. Bin ich pervers?«
»Masochistische Liebe« ist das Thema zahlloser »trauriger Lieder« über unerwiderte Zuneigung gewesen. Betrachten wir zum Beispiel den Song, den Helen Morgan berühmt gemacht hat und dessen Refrain folgendermaßen lautet: »Oh, my man, I love him so - He'll never know - All my life is just despair, but I dont care... He may treat me mean, but when he takes me in his arms, everything is fine...« Eine Frau liebt also einen Mann so sehr, daß er sich keinen Begriff davon macht; sie ist verzweifelt, aber das ist ihr egal; er ist gemein zu ihr, aber wenn er sie in die Arme nimmt, ist alles gut.
Die Verflechtung von sexuellen Gefühlen und Angst wird von Marcia Westkott in einem Aufsatz untersucht, der den Titel »The Sexualization of Fear« trägt. ***71-12-4*** Laut Westkott, die auch Karen Horney zitiert, wird die Angst bei Frauen erotisiert, und zwar in den Jahren, in denen sie, Mädchen noch, ihren zweitklassigen sozialen Status und ihre relative Machtlosigkeit erfahren, aber daneben ständig auf ihre Sexualität hingewiesen werden. Horney, Freuds berühmte Rivalin, schrieb wichtige Werke über die Entwicklung der weiblichen Psyche, in denen dieser Zusammenhang herausgearbeitet wird.
Eine andere klassische Untersuchung wird von einer Frau beschrieben, die von einer unglücklichen Beziehung berichtet, die sie einmal hatte: »Auf eine völlig irre Weise machte mich seine Abscheulichkeit noch abhängiger von ihm. Es gibt ein Experiment, das Wissenschaftler mit Äffchen gemacht haben. Die Äffchen bekamen >Ersatzmütter<, in die scharfe Stacheln aus Metall eingebaut waren. Diese Stacheln konnten ausgefahren werden, wenn die Wissenschaftler auf einen Knopf drückten. Die Äffchen gerieten dadurch furchtbar in Panik, aber wenn die Stacheln drin waren, klammerten sie sich um so verzweifelter an die Mütter, die ihnen eben weh getan hatten, weil das ihre einzige Zuflucht war. ***71-12-5*** Ich war wie eins von diesen armen Äffchen. Es war furchtbar, und ich habe ihn mit meiner Liebe nicht verändert (was ich wollte). Es war eine von den Situationen, die ich >Lernerfahrungen< nenne, weil ich eine Menge daraus gelernt habe, wirklich eine Menge - es ist nur traurig, daß es so entsetzlich lange gedauert hat.«
Ist sexuelle Leidenschaft ein Wunsch nach »Unterwerfung«?
Gibt es zeitweise, in leidenschaftlichen Momenten der körperlichen Liebe, den Wunsch, sich der anderen Person zu unterwerfen, von ihr besessen zu werden? Ist das ein »legitimes« Gefühl oder ist es krankhaft? Gehört es zur Leidenschaft oder ist es Resultat einer »Gehirnwäsche« - eine hoffnungslose, exzessive Identifizierung mit der »weiblichen< Rolle? Kann sexuelles Verlangen manchmal Sehnsucht nach Unterwerfung sein? Heute werden diese Gefühle fast immer in den Bereich der Pornographie verwiesen. Doch man findet sie auch bei Frauen und Männern der Vergangenheit.
Wenn Romeo sein Knie beugt und Julias Hand oder den Saum ihres Kleides küßt, zeigt er ihr seine Liebe - und auch seine Unterwerfung, seinen Respekt, seine Treue. Im Mittelalter sollen Frauen ***71-12-6*** ihren Mann mit »mein Herr und Gebieter< angesprochen haben, eine Wendung, in der ähnliche Zwischentöne mitschwingen wie in Romeos Geste . Es wäre sehr schön, wenn die Treue bei beiden Geschlechtern mit echtem Respekt verbunden wäre - keine erzwungene Unterwerfung auf immer, sondern eine momentane freiwillige Entscheidung als Zeichen großer Liebe. Doch wo Frauen gesetzlich, ökonomisch und psychologisch genötigt wurden (werden?), sich ihren Männern zu unterwerfen, konnte (und kann) von Romantik keine Rede sein, sondern nur von Gängelung und Mißbrauch.
Eine Frau sagt: »Ich muß wohl eine Gehirnwäsche hinter mir haben, denn beim Sex hätte ich jetzt, wo ich so in meinen Liebsten verliebt bin, manchmal Lust zu sagen: >Ich will, daß du brutal zu mir bist, ich will, daß du mich beherrschst. Ich mag es, wenn du mich beherrschst. Ich will von dir besessen werden, von dir schwanger sein - mein Körper gefangen durch das, was in mir wächst, was du dort hineingetan hast. Ich will unterwürfig sein... ich will sogar, daß du mir zeigst, >wer Herr im Haus ist<. Warum fühle ich so? Es geht sehr tief, dieses Gefühl. Ich will, daß er mich so wild fickt, wie er nur kann. Ich würde das meinen Freundinnen gegenüber niemals zugeben - ich traue mich kaum, ihm etwas davon anzudeuten. Ich versuche, mich nicht allzu sehr darüber zu beunruhigen, daß ich solche Gefühle habe.«
Sind Akte der Dominanz und Unterwerfung, ja sogar sadomasochistische Handlungen in manchen Fällen emotional befriedigend? Wenn Menschen so extreme Gefühle haben - wenn Frauen oder Männer Liebhabern/Geliebten »weh tun« wollen oder möchten, daß sie ihnen weh tun - bedeutet das dann, daß sie psychisch gestört sind?
Vielleicht hat der Wunsch nach extremen Zuständen des »Verliebtseins« oder der Leidenschaft mit der Suche nach spiritueller Ekstase oder Erleuchtung zu tun, einer Sehnsucht nach dem intensiven Gefühl, der von der gegenwärtigen Gesellschaft kein anderes »Ventil« zugestanden wird, nicht einmal ein religiöses. »Verliebtsein« kann als eine Form der Erleuchtung, der Selbst-Erkenntnis, der klareren Sicht der Dinge dienen. Liebe ist Seelennahrung, Bestätigung der Wirklichkeit der Seele, der Identität jenseits von »Persönlichkeit« und »gesellschaftlichem Funktionieren« - und sie kann einen in Fühlung mit einer nichtverbalen Wahrheit, einem inneren Wissen bringen.
Sind diese Gedanken mit dem »Feminismus« unvereinbar? Sicher nicht im idealistischen Sinn, denn der Feminismus ist eine sich entwickelnde Philosophie. Wie B. Hooks in The Women's Review of Books bemerkt: »Der Feminismus hat die Kraft, unser aller Leben auf bedeutungsvolle Weise zu verändern. Er ist eine Philosophie, eine neue Weltanschauung keine vorgefertigte Identität oder Rolle.«
Das Thema »Sexuelles Verlangen und >Unterwerfung<« ist zu wichtig, um so kurz abgehandelt zu werden wie hier. Es sollte gründlicher erforscht und analysiert werden. Auf jeden Fall kommen diese Gefühle bei Frauen und bei Männern vor; somit greift hier das Klischee »Frauen sind Masochistinnen« nicht. Wir haben deutlich gesehen, daß die Frauen, weit davon entfernt, Masochistinnen zu sein (d. h. Menschen, die Schmerz lieben), bewundernswert sind insofern, als sie versuchen, in einer fast unmöglichen Situation zu lieben, eine Enklave der Gleichheit und des Respekts zu schaffen - der Gleichheit mit denen, die die Gesellschaft für überlegen erklärt, denen sie mehr Recht zugesteht. Vielleicht werden die Frauen diesen Versuch aufgeben und sich anderen Lebensbereichen zuwenden, um Genugtuung zu finden - doch die Gesellschaft sollte sie für ihre positive Haltung anerkennen und aufhören, sie zu Sündenböcken zu machen. Böse und dumm ist bei alledem nicht die Frau, sondern die Gesellschaft, die sich auf ein hierarchisches Geschlechtersystem gründet und Männer Frauen gegenüber »überlegen« macht.