Positionen der bürgerlichen und proletarischen Frauenbewegung zur Frauenerwerbsarbeit 2

Die Arbeiterinnen- und Frauenfrage der Gegenwart (1889)

Die Umwälzung in der wirthschaftlichen Stellung der Frau

Von den Perioden und Völkern abgesehen, wo der Frau das »Mutterrecht« eine hervorragende soziale Machtstellung einräumte, war die Lage des weiblichen Geschlechts stets die von Unterdrückten, von Menschen zweiten Grades, Wesen einer untergeordneten Gattung. Die Selbstsucht des Mannes, die brutale Gewalt des Stärkeren hielten die Frau und die Entwickelung ihres sozialen Einflusses in eiserne Ketten geschlagen, über welche die landläufige Heuchelei durch gefühlvoll poetische Firlefanzereien und durch leeres Phrasengebimmel von der »Würde der Hausfrau« und von dem Reichthum ihres inneren Lebens zu täuschen suchte.
Die Lage der Frau befand sich stets in Übereinstimmuing mit der Lage der produktiv thätigen Masse des Volkes, wie diese war sie eine abhängige und rechtlose. Pflichten und Rechte der griechischen und römischen »Matrone« entsprachen im Wesentlichen denen der antiken Haussklaven. Die Stellung der mittelalterlichen »minniglichen Herrin«, der züchtigen Hausfrau, unterschied sich fast in nichts von der ihrer leibeignen Mägde. Die moderne Frau ist in nichts besser, in vielem schlechter daran wie der moderne Lohnarbeiter. Wie dieser ist sie ausgebeutet und rechtlos, ja in den meisten Fällen doppelt ausgebeutet und doppelt rechtlos.
Es kann dies nicht anders sein, denn die Stellung der Frau entspringt nicht aus gewissen ewig gültigen Ideen, aus einer unabänderlichen Bestimmung für den, von sentimentaler Selbstsucht erfundenen »natürlichen Beruf des ewig Weiblichen«, sondern sie ist eine Folge der gesellschaftlichen, auf den Produktionsverhältnissen fußenden Zustände einer gegebenen Zeit. Diese Zustände, welche der Frau in den verschiedenen Geschichtsperioden aus wirthschaftlichen Nothwendigkeiten eine gewisse Stellung anweisen, ziehen dann ihrerseits zugleich gewisse Ideen groß über die gesellschaftliche Rolle des weiblichen Geschlechts, Ideen, die einfach den Zweck haben, das thatsächlich Bestehende zu beschönigen, als ewig nothwendig zu erweisen und zum Nutzen derer, denen die herrschenden Verhältnisse zu Gute kommen, aufrecht zu erhalten.
Die gesellschaftlich untergeordnete Stellung der Frau stammt aus der Zeit, wo der erobernde Krieger das geraubte Weib zu seinem ersten Privateigenthum, zu seinem vorzüglichsten  Arbeitsinstrument, seiner vornehmsten Produktivkraft machte, wo er es - unter dem Vorwande des Schutzes während der Schwangerschafts- und Stillungsperiode übernahm, die Sorgen für die gemeinsame Existenz, die Beziehungen zu der Umgebung allein zu tragen. Der Mann legte damit den Grund zu der wirthschaftlichen und gesellschaftlichen Abhängigkeit der Frau, den Grund auch zu der sich vollziehenden ursprünglichen Theilung der Arbeit in eine (erobernd)-erwerbend-vertheidigende und eine produktiv- erhaltende Thätigkeit, von denen erstere dem Manne, letztere der Frau zufiel. Es war dies der Keim zu dem eigentlich längst überlebten, aber festgewurzelten Vorurthelie, daß »die Welt das Haus des Mannes, das Haus die Welt der Frau sein solle«.
Sitte und Religionen zögerten nicht, das was die Gewalt geschaffen, durch den Schein eines ewigen Rechts zu heiligen. Die Schwäche und Rückständigkeit der Frau ward im Laufe der Jahrhunderte zu einem gesellschaftlichen Dogma, zu einer unumstößlichen Grundanschauung erhoben, auf der sich ein ganzes System der körperlichen, geistigen und moralischen Unterdrückung aufbaute. Sehr viel hat auch das Christentum zur Verkrüppelung und Knechtung des weiblichen Geschlechts beigetragen. Von dem Märchen des Sündenfalles durch Evas Schuld, von der Lehre der Askese (der sinnlichen Enthaltsamkeit), welche die Frau als das sündhafte, teuflische Prinzip, als das mächtigste Hinderniß auf dem Wege zur Gottseligkeit erscheinen ließ, wurde die Unwürdigkeit, der geringere Werth des Weibes hergeleitet, damit zugleich die Pflicht von deren Gehorsam und Unterwürfigkeit dem Manne gegenüber.
Wie die teleologische Weltauffassung den Ochsen zu dem Zwecke vom Schöpfer hatte erfinden lassen, daß der Mensch Beefsteaks essen und rindslederne Stiefel tragen konnte, so kannten die meisten Philosophen und Gesetzgeber für die Entwicklung und Rolle der Frau keinen anderen Zweck, als zur Annehmlichkeit des Menschen par excellence, d. h. des Mannes da zu sein, die Rasse fortzupflanzen und Haussklavendienste zu leisten. Die gesammte Entwicklung der Frau strebte einseitig und ausschließlich auf das eine Ziel zu: die unter dem Schutz und der Verantwortung des Mannes geübte Thätigkeit in und zu Gunsten der Familie.
Innerhalb dieser eng begrenzten Sphäre war die Frau die vornehmste Produktivkraft des gemeinsamen Haushaltes, sie war mit Arbeiten überlastet, welche auf das Gedeihen und die Entwicklung der Familie hinzielen; sie erhielt jedoch nur die Pflichten ihrer Stellung zuertheilt, nicht deren Rechte. Der Mann war sozusagen der verantwortliche Familien-Unternehmer, welcher die Arbeitskraft des Weibes um den Preis von dessen lebenslänglicher Erhaltung ausbeutete.
So lange die Produktion nun auf die alten, unvollkommenen Arbeitsmittel angewiesen war, konnte die Frau den Kreis ihrer Thätigkeit nicht erweitern. Sie war durch die primitive Theilung der Arbeit an das Haus gefesselt worden, sie blieb durch die Art und Weise der Produktion an dasselbe gefesselt. Die alte Produktion war so mühevoll, zeitraubend und wenig ausgiebig, daß Zeit und Kraft der Frau von der Herstellung der meisten für den Familienunterhalt nothwendigen Gebrauchsartikel voll und ganz in Anspruch genommen ward. Das Ansehen, welches der guten Hausfrau trotz ihrer öffentlich rechtlosen Stellung gezollt ward, erklärt sich darum auch aus wirthschaftlichen Gründen und war durchaus gerechtfertigt; es galt nicht der Frau als solcher, sondern der hervorragenden, unentbehrlichen Arbeitskraft in der Familie, welche Güter erzeugte, die von anderen Kräften damals nicht erzeugt werden konnten.
In den letzterwähnten Verhältnissen liegt der tiefgreifende, wesentliche Unterschied zwischen der Rolle der Hausfrau von ehemals und von heute. Die bescheidene Rolle der Ersteren war durch das Vorhandensein der alten wirthschaftlichen Lebensbedingungen gerechtfertigt, die Rolle der Letzteren ist längst schon zu einem wirthschaftlichen Anachronismus geworden, dem jede Berechtigung fehlt, da mit der Veränderung der Produktionsweise dem Manne und der Frau ganz andere Rollen draußen im Wirthschaftsleben und drinnen in der Familie zufallen.
Die unentbehrliche Erzeugung von Konsumartikeln durch die weibliche Produktionskraft innerhalb der Familie ist auch die Ursache, weshalb es früher keine Frauenfrage gab und geben konnte, so lange die alten Produktionsbedingungen in Kraft standen. Es konnte früher wohl von einer gradweisen Hebung der Lage der Frau in dem oder jenem Sinne die Rede sein, aber nicht von einer Frauenfrage im modernen Sinne des Wortes, von einer Erschütterung der ganzen Grundlage ihrer Stellung, da mit derselben das ganze damalige Leben, die ganze damalige »Kultur« bis ins Innerste erschüttert worden wäre. Die Frauenfrage ist vielmehr wie die moderne Arbeiterfrage ein Kind der durch die Anwendung von mechanischen Werkzeugen, von Dampfkraft und Elektrizität revolutionirten Industrie, der Großproduktion. Sie ist weder eine politische, noch sittliche Frage (obgleich sie politische und moralische Elemente in sich schließt), sondern eine ökonomische Frage.
Die Frau mußte als Haussklavin an ihren alten Kreis gefesselt bleiben; der Gedanke an ihre Emanzipation konnte nicht aufkommen, bis nicht die Maschine als Heiland auftrat und mit dem Dröhnen und Stampfen ihres Räderwerks das Evangelium von der Menschwerdung, der wirthschaftlichen Verselbständigung der Frau verkündete. In dem Maße, als sich die moderne Industrie entwickelte, als sie durch Dampf und Mechanik die Produktion leichter, schneller und ausgiebiger, die Produkte billiger machte, mußte der Frau ein Zweig ihrer alten produktiven Thätigkeit im Hause nach dem anderen entzogen werden.
Schritt für Schritt mit der Haus- und Kleinindustrie mußte auch die Familienindustrie der Frau zu Grunde gehen. Die Großproduktion lieferte alle Bedarfsartikel des Haushaltes zu so billigem Preise, daß sich deren Erzeugung innerhalb der Familie, mittels der unvollkommenen Werkzeuge der Zwergwirthschaft, als eine Vergeudung von Zeit und Kraft herausstellte. Die Rolle der Hausfrau aus der guten alten, großmütterlich idyllischen Zeit verlor damit ihre wirthschaftliche Bedeutung und Berechtigung. Ohne jede »Wühlerei Dritter« ist die für den Hausbedarf Werthe erzeugende »gute alte Hausfrau«, welche ihre Seife kocht, ihre Lichte zieht, ihren Essig aus Fruchtabfällen gewinnt, welche spinnt, webt, färbt, schneidert, strickt, häkelt, stickt, bäckt und schlachtet immer mehr zu einer kulturgeschichtlichen Merkwürdigkeit, zu einer wirthschaftlichen Versteinerung geworden. Textilindustrie und Konfektionsgeschäfte sorgen für alle Bekleidungsgegenstände, große Konsumgeschäfte entheben die Frau der Vorbereitung und vielfach auch der Zubereitung von Mundvorräthen, des Einmachens der Früchte und Gemüse, des Einsalzens des Fleisches etc. Die moderne Industrie liefert dank der Großproduktion alle Gebrauchsartikel zu einem Preise, der oft hinter demjenigen zurücksteht, mit dem die Frau das Rohmaterial zahlt, dem sie dann ihre Kraft und Zeit zur Herstellung noch zusetzen müßte. Das Waschen und Plätten der Wäsche in der Hand von Spezialistinnen ist zu einer, mehr oder weniger im Großen und mittels Maschinen betriebenen Industrie geworden, und die wirthschaftliche Fortentwicklung arbeitet darauf hin, selbst die Herstellung und Fertigstellung der Nahrungsmittel aus der Familie in die Gesellschaft zu verlegen.
Viele vor hundert Jahren noch unbekannte Industriezweige, eine Anzahl mechanischer Werkzeuge haben der Frau bereits einen großen Theil der Küchenarbeit abgenommen oder können ihr denselben wenigstens abnehmen, und die Errichtung großer gemeinsamer Dampfküchen, die Einführung von Zentralheizung und Zentralbeleuchtung wird die angebahnte Emanzipation vom Kochtopfe zu Ende führen.
Die Entwicklung der Produktionsmittel zerstörte also die ökonomische Basis für das Wirken der Frau innerhalb der Familie, zugleich schuf sie aber auch die Bedingungen für die Thätigkeit der Frau in der Gesellschaft, draußen auf dem »Markt des Lebens«.
Die Frau der Bourgeoisie verwendete, als der »Haushalt« nicht mehr den reichen Inhalt hatte wie früher, ihre freigewordene Zeit nach und nach ausschließlich auf Vergnügungen und Genüsse, ausnahmsweise auch auf ernste geistige Beschäftigungen, auf Aneignung einer gründlichen Bildung, auf Übung des Wohlthätigkeitssports. Im Allgemeinen spielt sie im gesellschaftlichen Leben seit der großen Umwälzung der ökonomischen Bedingungen die Rolle eines Luxusartikels, eines Lustthiers.
Die Frauen und Mädchen des Mittelstandes wurden durch den Zusammenbruch ihrer alten Existenzbedingungen auf den Erwerb hingewiesen; sie wandten sich, wenn irgend möglich, den sogenannten liberalen Berufen (der Lehrthätigkeit, der Krankenpflege u.s.f.) und den Industrien zu, welche an die Kunst streifen. Es war nicht der Wissensdrang, nicht die plötzlich den blinden Augen aufgegangene Erkenntniß von der geistigen Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts, welche die Bildungsbewegung der Frauen erzeugte; es waren im Wesentlichen die umgewandelten ökonomischen Verhältnisse, die Frage nach dem Stücke Brot, das für den Fall gesichert werden mußte, wo sich nicht in der Gestalt eines Mannes ein Ernährer fand. Die Bildungsbewegung der Frauen hat sich Schritt für Schritt und parallel mit dem Untergange des MitteIstandes entwickelt.
Für die Masse der Frauen, für die Frauen der besitzlosen Kreise, führten die nämlichen ökonomischen Verhältnisse, welche die bisherigen Sphäre ihrer Thätigkeit zerstörten, zu einem neuen Wirkungsfeld zu der Industrie.
Damit ward die Thätigkeit der Frau endgiltig aus dem Hause in die Gesellschaft verlegt.
Anfangs war es die Aussicht auf den verhältnißmäßig höhern Verdienst, auf die leichtere Thätigkeit, welche die Frau in die Fabrik zog, bald wurde sie aber von der eisernen Nothwendigkeit mitten in das industrielle Leben hineingeschleudert und darin festgehalten.
Jede neue Erfindung, jede der Technik und Wissenschaft verdankte Verbesserung der industriellen Arbeitsweise erleichteichterte es,  auch schwache Frauen zu beschäftigen, und machte anderseits menschliche Arbeitskraft überflüssig, schuf die industrielle Reservearmee der Arbeitslosen und drückte dadurch die Löhne stetig tiefer herunter. Der Lohn des Mannes reichte nicht mehr aus, den Unterhalt der Familie zu sichern, er deckte oft kaum den nothwendigen Bedarf des ledigen Mannes. Der Unterhalt der Familie forderte sehr bald, daß der Erwerb der Frau zum Verdienst des Mannes ergänzend hinzutrat. Die Thätigkeit der Frau ward von einer ersparenden zu einer erwerbenden, die Frau selbst erhielt damit aber die Fähigkeit, auch ohne den Mann zu leben, sie gab der Frau zum ersten Male die Fähigkeit eines vollständig selbständigen Lebens.
Die neuen Produktionsverhältnisse hatten also nicht blos die wirthschaftliche Grundlage der bisherigen weiblichen Thätigkeit (in der Familie) zerstört, sie zersetzten zugleich damit auch die gesellschaftliche, die öffentliche Stellung, welche der Frau früher zukam, sie wälzten die alte, auf die Vorherrschaft des männlichen Oberhaupts begründete Familie um. Das vom häuslichen Heerd umschlossene Wirken der Frau hatte bisher die Familie zusammen gehalten, die in die Fabrik verlegte Thätigkeit der Frau vernichtete das übliche Familienleben, legte aber auch den ersten Grundstein zu der ökonomischen Unabhängigkeit, damit überhaupt zu der Emanzipation des weiblichen Geschlechts.
Wie stets, so hinkten auch in diesem Falle die gesellschaftlichen Einrichtungen, die Ideen der Menschen weit hinter den neuen ökonomischen Thatsachen her. Die Revolution, welche sich in der wirthschaftlichen Rolle und Stellung der Frau bewerkstelligt hat, ist vollzogene Thatsache, die Revolution in der politischen und rechtlichen Stellung der Frau läßt noch auf sich warten. Die durch die Produktionsverhältnisse ökonomisch unabhängig vom Manne gemachte Frau steht politisch und gesellschaftlich noch unter dessen Vormundschaft und rechtlos da.
Die fernere Entwicklung der Industrie arbeitete in der eingeschlagenen Richtung weiter. Jede Vervollkommnung der Produktionsmittel entriß Tausende von Frauen dem häuslichen Heerde und führte sie der Industrie zu. Die Frau produzirte nicht mehr für den Gebrauch ihrer Familie, sondern für den gesellschaftlichen Markt.
Die industrielle Frauenarbeit ward bald zu einer mächtigen ökonomischen Kraft, mit welcher der Kaptalist gern rechnete.
Schon durch das bloße neuhinzukommende Angebot der weiblichen Arbeitskraft mußte ein Überwiegen des Angebots über die Nachfrage geschaffen, mußten die Löhne heruntergedrückt werden. Doppelt und dreifach mußten dieselben aber in Folge der weiblichen Konkurrenz sinken, da die weibliche Arbeitskraft meist von vornherein zu bedeutend niedrigeren Preisen feil war. Ursache davon war das geringe Ansehen, in welchem die bisherige nichtverdienende Thätigkeit der Frau stand und stehen mußte, seitdem deren Produkte im Verhältniß zu den mechanisch produzirten Erzeugnissen der Großindustrie nur ein geringes Quantum gesellschaftlicher Durchschnittsarbeit repräsentirten und damit den Trugschluß auf die geringere Leistungsfähigkeit der weiblichen Arbeitskraft zuließen. Ursachen waren ferner die größere Bedürfnißlosigkeit der Frau, der Umstand, daß die Frau öfters durch ihren Erwerb nicht die gesammten, sondern nur einen Theil ihrer Unterhaltskosten zu decken brauchte, die Aussicht auf die nebenher weiter geübte häusliche Arbeit. Last not least erwies sich die Frau nicht nur als eine billige, sondern in Folge ihrer geringen Einsicht in die Verhältnisse, des mangelnden Solidaritätsgefühls, des geringeren Selbstgefühls, der bisher erduldeten Knechtschaft als eine bequeme und gefügige Arbeitskraft. Für viele Industriezweige oder Verrichtungen war die Frau außerdem geschickter und brauchbarer als der Mann.
So war es nicht zu verwundern, daß die bis dahin übersehene und nebensächlich behandelte Frau dem Manne auf industriellem Gebiete als Konkurrentin gegenüber trat, als eine Konkurrentin, die um so mehr zu fürchten war und ist, je entbehrlicher die Maschine die robuste Arbeitskraft macht. Überall wo die Frauenarbeit in der Industrie auftritt, unterliegt sie dem Fluche, die Löhne des Mannes zu drücken, den Mann womöglich ganz aus dem betreffenden Gewerkszweige zu vertreiben. Die Frauenarbeit erfährt dann wiederum ihrerseits die Konkurrenz der Kinderarbeit, und alle menschliche Arbeit zusammen hat gegen die Maschinenarbeit einen furchtbaren Kampf auszuhalten. Die Produktionsverhältnisse müssen unbarmherzig diese Wirkung haben, so lange die Produktion nicht zum Zwecke der Befriedigung der Bedürfnisse der Arbeiter selber, sondern zum Herausschlagen von Mehrwerth, von Profit für einzelne Unternehmer, nicht für den Gebrauch, sondern für den Verkauf geschieht, so lange es sich für sie nur darum handelt, so billig als möglich zu produziren und so theuer als möglich zu verkaufen. Die moderne, unter der Herrschaft des Privateigenthums geschehende Produktion muß die Frauenarbeit gegen die Männerarbeit ausspielen, um den Preis der letzteren und der Arbeit überhaupt herabzudrücken - zum größeren Nutzen der maßgebenden Privateigenthumsbesitzer.
Aus diesem Grunde sich der industriellen Frauenarbeit widersetzen, die Frau ans Haus zurückfesseln wollen, das heißt gerade so thöricht und vergeblich handeln wie jene englischen Arbeiter, welche die Konkurrenz der Maschine durch Zerstörung von Maschinerie und Fabriken für immer zu beseitigen gedachten. Die Abschaffung oder auch nur eine Beschränkung der Frauenarbeit (gewisse für Gesundheit der Frau und der Nachkommenschaft schädliche Fälle ausgenommen) auf bestimmte Berufszweige anstreben, das heißt das Rad unserer Entwicklung zurück drehen und eine grenzenlose Verständnißlosigkeit der ökonomischen Verhältnisse an den Tag legen. Die ökonomischen Thatsachen kümmern sich den Teufel um das, was wir wünschen, sie fragen nicht danach, ob Hinz oder Kunz in sentimentaler Verzopftheit die Frau ans Haus gebunden, ökonomisch von sich abhängig, politisch und rechtlich geknechtet wissen will. Die Produktionsbedingungen kennen keine sentimentalen, persönlichen Rücksichten, sie kennen nur ökonomische Nothwendigkeiten, die unabwendbar wie Naturgesetze sind. Und diesen Nothwendigkeiten entsprechend, muß die Frau trotz aller spießbürgerlichen Heulmeierei industriell thätig bleiben, ja der Kreis ihrer industriellen Thätigkeit muß sich täglich weiter ausbreiten und befestigen. Kraft der ökonomischen Bedingungen kann der Kapitalist ebenso wenig wie der Mann auf die industrielle Frauenarbeit verzichten. Je mehr der Erstere durch die Konkurrenz auf dem Weltmarkte, bei Strafe seines Ruins, zur möglichst billigen Produktion gezwungen ist, je mehr die Löhne im Allgemeinen sinken, um so weniger ist auch der Mann im Stande, allein für die Existenzkosten der Frau und der Kinder aufzukommen, um so mehr wird die erwerbende Thätigkeit der Frau zur unabänderlichen Nothwendigkeit.
Übrigens wohnt der Frauenarbeit so wenig wie der Maschinenarbeit von Natur aus die Tendenz inne, die Löhne zu vermindern. Die - wenn man so sagen will - »natürliche« Tendenz beider ökonomischen Kräfte läuft vielmehr darauf hinaus, für jedes Individuum den Aufwand an gesellschaftlich nothwendiger Arbeit zu vermindern. Das Sinken der Löhne entspringt nicht aus dem Wesen der Frauen- und Maschinenarbeit, es ist lediglich eine Folge des gegenwärtig bestehenden Produktionssystems bei Aufrechterhaltung des Privateigenthums. Lediglich die kapitalistische Ausnutzung hat zwei ökonomische Kräfte für die Gegenwart zu einem Fluch, zu einem Mittel der Verschlimmerung der Arbeiterlage gemacht, die für die Zukunft ein Segen sein werden, welche die Elemente bilden, aus denen eine neue und bessere Ordnung der Dinge gezeugt wird. Wie die Maschine den Menschen dadurch befreit, daß sie durch die leichtere und zeitersparende Arbeit, durch Vervielfältigung der Produkte eine höhere Gesellschaftsordnung möglich macht, so schafft die Frauenarbeit das wirthschaftliche Fundament, ohne welches eine Befreiung und Gleichstellung des weiblichen Geschlechts ein Ding der Unmöglichkeit ist.  Die Frau, die sich gesellschaftlich-produktiv dem Manne ebenbürtig erweist, die sich ökonomisch ganz auf eigene Füße stellen kann, muß auch politisch und rechtlich demselben gleichgestellt werden. Es handelt sich bei der Stellung der Frau nicht darum, die gegenwärtigen ökonomischen Zustände den herrschenden öffentlichen Einrichtungen und Ideen anzupassen, welche noch auf den ökonomischen Verhältnissen der Vergangenheit fußen; es kommt vielmehr darauf an, die Gesellschaftsformen den neuen ökonomischen Zuständen anzupassen. Sowie dies durch die Vergesellschaftung des Eigenthums, durch die genossenschaftliche Produktion geschehen ist, hat die Frauenfrage wie die Arbeiterfrage ihre Lösung gefunden, der Konflikt zwischen Menschen- und Maschinen-, zwischen Frauen- und Männerarbeit hört dann mit einem Schlage auf, weil der Konflikt zwischen Produktionsweise und Aneignungsform ein Ende gefunden hat. Maschinen- und Frauenarbeit gehorchen dann nur ihrer natürlichen Tendenz, die gesellschaftlich nothwendige Arbeit zu erleichtern und für jedes Individuum auf ein mit dem Wohle der Allgemeinheit verträgliches Minimum zu beschränken.
Die Frauenarbeit abschaffen oder auch nur beschränken wollen, das läuft darauf hinaus, die Frau zu dauernder ökonomischer Abhängigkeit, zur gesellschaftlichen Knechtung und Aechtung, zur Prostitution in- und außerhalb der Ehe zu verurtheilen, es läuft aber auch darauf hinaus, den Mann mit dem doppelten Arbeitsquantum zu belasten und ihn dadurch ebenfalls einer größeren Abhängigkeit als nothwendig preiszugeben.
Geradezu unbegreiflich ist es, wenn noch, allerdings bereits seltener, von sozialistischer Seite die Abschaffung und Beschränkung der Frauenarbeit gefordert wird. Das Verlangen ist um kein Jota weniger reaktionär, als die Bestrebungen zur Rettung des Handwerks, der Kleinindustrie, des Mittelstandes, für Wiederherstellung der Zünfte.
Will man den üblen, verhängnißvollen Folgen vorbeugen - oder dieselben wenigstens mildern - von denen die Frauenarbeit in der Gegenwart wie das Licht vom Schatten begleitet ist, so darf man die Interessen der männlichen und weiblichen Arbeit einander nicht feindselig gegenüberstellen, sondern man muß beide mit einander vereinigen und in geschlossener Masse, als Arbeiteinteressen überhaupt, den kapitalistischen Interessen gegenüberstellen.
Von dem Tage an, wo die Frau das Joch der ökonomischen Abhängigkeit vom Manne abwarf, gerieth sie unter die ökonomische Botmäßigkeit des Kapitalisten. Sie befindet sich also ökonomisch genau in derselben Lage wie jeder männliche Lohnarbeiter, sie leidet unter den gleichen Mißständen wie er, sie theilt seine Interessen, seine Forderungen. Es liegt z. B. durchaus nicht in ihrem Interesse, daß sie zu dem denkbar niedrigsten Lohn arbeitet und dadurch den Preis der Männerarbeit drückt. Auch ihren Interessen ist durch den höchstmöglichen Lohn gedient. Um die lohndrückende Konkurrenz der Frauenarbeit zu vermeiden oder wenigstens zu beschränken, braucht nicht die Abschaffung der Frauenarbeit gefordert zu werden.
Soll sich aber die Industrialisirung der Frau nicht in einem feindseligen Gegensatze zu den Interessen des männlichen Proletariats durchsetzen, so ist es von der höchsten Wichtigkeit, daß die Industriarbeiterin organisirt, ökonomisch und politisch aufgeklärt wird, damit sie sich in klarer Erkenntnis der Verhältnisse an das aufstrebende und ringende sozialistische Proletariat anschließt. Die Bedeutung, ja die Nothwendigkeit dieses Vorgehens ist bis in die letzte Zeit vielfach übersehen worden.
Die Organisation und Aufklärung der Arbeiterinnen, der Kampf für ihre ökonomische und politische Gleichberechtigung ist nicht nur wünschenswerth für die sozialistische Bewegung, sie ist und wird immer mehr zu einer Lebensfrage für dieselbe, je mehr die Fortentwickelung der Industrie den Mann aus der Produktion verdrängt, je riesiger das Heer des weiblichen Proletariats anschwillt. Eine sozialistische Bewegung, die nicht nur von dem männlichen Proletariat, sondern von den Millionen der Industriearbeiterinnen getragen wird, muß doppelt schnell zum Sieg, zur politischen und wirthschaftlichen Befreiung der gesammten Arbeiterklasse führen.

Die Frau und das öffentliche Leben

(...)
Wie die Frauen mit ihrer produktiven Thätigkeit aus der Familie herausgeschleudert worden sind, so müssen sie auch mit ihrem Denken und Empfinden aus dem eng beschränkten Kreis der Häuslichkeit herausgerissen, sie müssen aus der Familie in die Menschheit verpflanzt werden. Die Frau darf sich nicht länger hinter den häuslichen Heerd verkriechen, sie muß in der Gesellschaft leben, an die Stelle der einseitigen, engherzigen e egoistischen FamiIienliebe muß das allgemeine Solidaritätsgefühl treten, das der Frau jetzt so sehr mangelt.
Der wirthschaftlichen Bedeutung der Frau als Produktivkraft müssen auch endlich ihre politischen und sozialen Rechte entsprechen. Das politische Bürgerrecht noch länger von den alten Reminiszenzen an die antiken Kriegerrepubliken abhängig machen, und es der Frau versagen, weil sie nicht Militärdienst leistet, ist eine ganz vorsintfluthliche Anschauung, die von dem Tage an in die Rumpelkammer gehörte, wo die Nationalökonomie nachwies, daß alle gesellschaftlich nützliche und nothwendige Arbeit gleichwerthig ist. Die Frauenarbeit von geringerem Wert als die Männerarbeit zu erklären, ist noch ein Zopf des alten hierarchischen Geistes, welcher die verschiedenen gesellschaftlichen Arbeiten in »hohe« und »niedere«, »edle« und »gemeine« Arbeiten eintheilte, und als höchste, edelste und einträglichste Arbeit von allen die des Kouponabschneidens an die Spitze der gesellschaftlichen Leiter stellte.
In die Rumpelkammer auch mit dem alten abgedroschenen Einwand, der Frau fehle das Verständniß, »die Reife« für das politische Leben! Die Theilnahme daran erfordert nur einen gesunden Menschenverstand, praktischen Sinn, klare Einsicht in das eigene Interesse und in dessen innigen Zusammenhang mit dem Allgemeinwohl. Die politische und ökonomische Schulung kann die Frau nicht durch das Hinter-dem-Ofen-hocken erwerben, sie ist eine Folge der Belehrung, der Erfahrung und Beobachtung, die aus dem Leben gewonnen, und die sich die Frau bei ihrer großen Bildungsfähigkeit leicht aneignen wird.
Bis jetzt hat der Theilnahme des weiblichen Geschlechts am öffentlichen Leben der Gewohnheitsschlendrian und der Egoismus des Mannes ebenso sehr im Wege gestanden wie die Gleichgültigkeit der Frau. Aber die zwingende Logik der Thatsachen stößt letztere durch fortwährende Berührung mit ökonomischen, mit sozialpolitischen Fragen darauf hin, auch politisch und gesellschaftlich ihre Rechte zu fordern, mittels deren sie auf die Produktionsbedingungen, auf ihr Schicksal Einfluß üben kann.
Und kraft der Rolle, welche sie in der heutigen Produktion spielt und die mit jedem Tage bedeutender werden muß, wird sie ihre sozialpolitischen Rechte erhalten mit oder gegen den Willen der Männer, ja sogar gegen ihren eigenen Willen.

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