Frauen, Politik und Macht

m Jahre 1586 untersuchte Jean Bodin in seinen berühmten Sechs Büchern über den Staat die verschiedenen Stände und Ränge der Bürger in einem Gemeinwesen und hielt zum Abschluß fest:

»Was die Frauen anbelangt, so sei nur das eine gesagt: Ich bin der Meinung, sie sollten von allen Magistratsämtern, Befehlsfunktionen, Richterstellen und öffentlichen Ratsversammlungen so weit wie möglich ferngehalten werden, damit sie sich mit Hingabe ihren Aufgaben als Gattinnen und Hausfrauen widmen.« (III. Buch, 8. Kapitel)[1]

Die gleiche Auffassung vertrat ein englischer Jurist 1632 in der Einleitung eines Traktats über das weibliche Geschlecht betreffende Gesetze und Statuten:

»Frauen haben mit der Gesetzgebung nichts zu tun, auch nicht mit ihrer Auslegung in Vorlesungen, Urteilen und Anklageschriften; dennoch bleiben sie an die von Männern geschaffenen Einrichtungen strikt gebunden, ohne daß sie sich auf ihre Unwissenheit berufen könnten.« (T. F.. The Lawes Resolution of Womens Rights, 1632)

Tatsächlich überschätzten diese Rechtsgelehrten jedoch den Unterschied zwischen den Geschlechtern. Im Ancien Regime wurde auch vielen Männern die volle Beteiligung am politischen Leben verweigert, weil es ihnen an Besitz und Vermögen mangelte oder sie niederen Standes waren. Dagegen besaßen einige Frauen - von Geburts wegen oder ererbt - politische Autorität oder konnten zumindest informell politischen Einfluß ausüben. Dennoch war die politische Sphäre durch ausgeprägte Asymmetrien zwischen Männern und Frauen gekennzeichnet, und Überschreitungen in diesem Bereich waren für die Praxis und Symbolik strikt hierarchischer Gesellschaften ganz besonders störend. Der schottische Calvinist John Knox. ein Zeitgenosse von Maria Tudor, Maria Stuart und Katharina von Medici, nannte 1558 ihre Herrschaft »das monströse« - will heißen widernatürliche - »Frauenregiment«

Armeen, Gerichte, Verwaltung

Es schien »natürlich« und vom göttlichen Gesetz vorgeschrieben, daß Frauen nicht das Waffenhandwerk ausübten. Die frühneuzeitlichen Armeen, die schrittweise aus Söldnern, Rekruten und den Überresten des feudalen Heerbanns entstanden, durften nur aus Männern bestehen. Nicht etwa, daß alle Männer ihre Männlichkeit durch Kriegsdienst beweisen mußten: Katholische Priester durften kein Blut vergießen, es machte sie »unrein« und ihres Amtes »unwürdig«; männliche Angehörige radikaler protestantischer Sekten im 16. und 17. Jahrhundert legten das Schwert mit dem Argument nieder, die höchste Form männlichen Mutes sei absolute Gewaltlosigkeit. In der zeitgenössischen Vorstellungswelt mangelte es nicht an bewaffneten Frauen: Die Amazonen gehörten in ganz Westeuropa zur literarischen Landschaft, und die Berichte über Jeanne d'Arc und ihr Banner erinnerten die Franzosen daran, was eine Frau, die Männer in die Schlacht führte, zu bewirken vermochte.
Johanna von Orleans hat ihr Geschlecht niemals verborgen, noch nicht einmal als sie sich wie ein Soldat kleidete, und sie war sicherlich das Vorbild für die wenigen Französinnen, die im 17. Jahrhundert für alle sichtbar auf dem Schlachtfeld kämpften. Doch für Frauen, die in England, Frankreich oder den Niederlanden in die Armee oder die Marine eintreten wollten, war der beste Weg, sich als Mann zu verkleiden. Der Troß von Frauen, die alle Heere der
Frühen Neuzeit begleiteten, bestand aus Köchinnen (bisweilen Ehefrauen, die für ihre Männer kochten), Dienstmägden, Marketenderinnen und Prostituierten.
Begeben wir uns nun vom Schlachtfeld in die Welt der immer zahlreicher werdenden Gerichte, Ämter und Kanzleien, so stoßen wir auf eine ähnliche Asymmetrie. Frauen schlossen Verträge oder waren ihr Gegenstand, aber niemals durften sie Verträge als Zeuginnen beschwören. Wie schön ihre Schrift auch sein mochte. Notarin oder Kanzleisekretärin wurden sie nie. Gleich wie erfahren und geschickt sie in ihrer Nachbarschaft oder als Gevatterin Frieden stiftete, nie wurde eine Frau in Frankreich auch nur im kleinsten königlichen Gerichtsbezirk zur Richterin bestellt oder in England zur Friedensrichterin ernannt (obschon im Mittelalter einige wenige adlige Damen dieses Amt innehatten), nie in eine englische große oder Schwurgerichtsjury berufen. Eine Erbin oder Witwe, der die hohe oder niedere Gerichtsbarkeit in einer Herrschaft zugefallen war, bestellte (wie es allerdings auch männliche Besitzer von Herrschaften häufig taten) einen Vertreter, der an ihrer Stelle urteilte und Recht sprach. Von den Positionen im Hofstaat von Königin und Fürstin einmal abgesehen, wurden Frauen niemals mit irgendeinem jener Ämter - vom Kanzler bis hinunter zum Gerichtsbüttel oder Kerkermeister - betraut, deren Zunahme so wesentlich und kennzeichnend für den Ausbau des frühneuzeitlichen Staates war. Sie konnten statt dessen, sofern sie über eigenes Vermögen oder Beziehungen verfügten, nur versuchen, darauf Einfluß zu nehmen, an wen ein Amt vergeben wurde. In jedem Fall genossen sie das Ansehen und die Einkünfte, profitierten sie von den Beziehungen, die über die Ämter bekleidenden Männer in ihrer Familie und Verwandtschaft auch ihnen zugute kamen.
Im Europa der Frühen Neuzeit war, und dies galt für Männer wie für Frauen, die Bezeichnung »Bürger« - eines Königreichs, einer Stadtrepublik oder einer Landstadt - ein vieldeutiger Begriff. Die »Rechte«, »Privilegien«, »Freiheiten« und »Immunitäten« sahen in jedem Ort anders aus, und auch die Begrifflichkeit und die Kennzeichen des politischen und rechtlichen Status waren nicht überall gleich. Aber die meisten Männer innerhalb der Mauern einer frühmodernen Stadt waren entweder Vollbürger, Beisassen (Einwohner ohne volles Bürgerrecht) oder aber Fremde mit ihren spezifischen Rechten und Pflichten, während für die Frauen diese Unterscheidungen - wenn sie überhaupt getroffen wurden - keine politische Betätigung mit sich brachten. Als Bürgerin hatte eine Frau Anspruch auf den Schutz durch das Stadtrecht ihrer Heimatstadt; als Witwe erwartete man von ihr, daß sie einen männlichen Angehörigen ihres Haushalts für die städtische Miliz stellte (oder ersatzweise einen Geldbetrag zahlte). In der Frühen Neuzeit wurde sie aber nur äußerst selten zu einer beratenden oder beschließenden Versammlung geladen, niemals aufgefordert, einen Sitz im Stadtrat einzunehmen. Die einzige Frauen vorbehaltene Nische unter den städtischen Ämtern war die Verwaltung der Hospitäler: Aus den Gruppenbildern der Regentinnen der Armenspitäler Amsterdams und Haarlems.
im 17. Jahrhundert blicken uns die Frauen genauso gebieterisch entgegen wie ihre männlichen Kollegen, die Regenten. Insgesamt gesehen jedoch war die Stadtregierung Männersache: die Angelegenheit von Ehegatten, Vätern und Witwern, die wußten, was für ihre Familien am besten war.

Monarchien und die Macht der Königinnen

Die Betrachtung der städtischen Verhältnisse führt uns zu einer für die Bestimmung der Rolle der Frau hilfreichen Unterscheidung zwischen den politischen Herrschaftsformen in der Frühen Neuzeit. Die republikanischen Gemeinwesen wie Florenz in der Frührenaissance, Venedig, die schweizerischen Kantone und die deutschen Reichsstädte boten die geringsten Möglichkeiten für Frauen, öffentlich politische Macht auszuüben. Hier konnten Frauen nur informell, über Familie und Verwandtschaft, Einfluß ausüben.
In den Monarchien und Fürstentümern dagegen - in Frankreich, England, Spanien, in den deutschen Territorien und im Florenz der Spätrenaissance, nunmehr Hauptstadt des Großherzogtums Toskana gab es Frauen vorbehaltene Ämter und Würden, und es gab Arenen für eine öffentliche oder halböffentliche Betätigung von Frauen. Wo Macht durch dynastische Erbfolge statt durch Wahl oder Kooptation erworben wurde, konnten Frauen zur Königin gesalbt werden; Geburt und Heirat wurden damit zum Gegenstand der großen Politik. Die glänzenden Höfe, die für das Ansehen des Herrschers und für das ganze System monarchischer Regierung so wichtig waren, brauchten Männer und Frauen. Wenn Frauen auch niemals Sitz und Stimme im königlichen Rat hatten, so nahmen sie doch teil an der Konversation
über Politik und Privates, welche die Säle, Salons und Schlafgemächer des königlichen Palasts erfüllte.
In England konnten Königinnen, wenn es keinen männlichen Thronerben in der direkten Linie gab, selbst die Herrschaft ausüben. Das Regnum Elisabeths I. ist wie die Regierungszeit Heinrichs VIII. und Eduards VI. in vielerlei Hinsicht untersucht worden: Die Religionspolitik, das soziale Gefüge, der ökonomische Wandel und die territoriale Ausdehnung des Königreichs waren Gegenstand der Forschung.
Die Frauengeschichte fügt ein neues Problem hinzu: die Frage nach dem geschlechtsspezifischen Regierungsstil der Herrscher (Könige wie Königinnen) und nach den Implikationen, die dieser Stil für die zeitgenössische politische Kultur und die politische Stabilität des Königreichs hatte. Als Elisabeth 1558 den Thron bestieg, hatte sie mit den üblichen Vorbehalten gegen die Herrschaft einer Frau zu kämpfen - Frauen würden unter dem Einfluß ihrer Günstlinge stehen, seien launisch und unvernünftig - und mit der Hinterlassenschaft ihrer Halbschwester Maria Tudor, die tatsächlich unter der Fuchtel ihres Gatten, Philipps II. von Spanien, gestanden hatte und deren königlicher Körper nichts anderes hervorgebracht hatte als eine eingebildete Schwangerschaft.
Elisabeth ging diese Vorbehalte mit verschiedenen Mitteln an: Sie wurden deutlich im Royal Progress, wie der feierliche Einzug des Herrschers in England genannt wurde, im weitverbreiteten Portrait der Königin und auf der überschaubaren Bühne des Hoflebens. Selbst als sie ihre mögliche Eheschließung als diplomatischen Kunstgriff einsetzte, blieb sie für ihr Volk doch immer die Virgin Queen, die jungfräuliche Königin. In hochgeschlossene, reich verzierte und mit Perlen übersäte Gewänder gekleidet, war ihr Körper so unantastbar wie unter einer Rüstung: Die jungfräuliche Königin erschien, wenn es sein mußte, als eine männliche Gestalt, die ihren Soldaten Mut einflößen konnte; doch auch als Ikone gleichsam, Ersatz für das katholische Bildnis der Jungfrau Maria (dazu fügte sich gut. daß ihr Geburtstag auf Maria Geburt fiel). Als jungfräuliche Königin konnte sie zu ihrem ganzen Volk und zu ihren Höflingen als Herrin, Gattin und Mutter in der Sprache der Liebe sprechen.
Während Elisabeths Regierungszeit gab es natürlich Unzufriedenheit und Opposition, die Virgin Queen war eine unerschöpfliche Quelle des Klatsches: Man sagte, sie habe Liebhaber und illegitime Kinder oder behauptete, sie sei körperlich mißgestaltet. Insgesamt gesehen entwickelte Elisabeth jedoch einen Stil weiblicher Selbstbeherrschung, der innerhalb der hierarchischen Vorstellungen des 16. Jahrhunderts ihre Autorität als Königin stärkte.
Die Königinnen in Frankreich auf der anderen Seite des Ärmelkanals nahmen eine geringere Position ein. Im 14. Jahrhundert war das alte Salische Gesetz über die Thronfolge erstmals bemüht worden, um den Ausschluß von Frauen von der Erbfolge zu rechtfertigen; im 16. Jahrhundert behaupteten Juristen, dieser Ausschluß ginge auf die Zeit der Franken zurück. Dies bedeutete, daß eines der »Grundgesetze« des Königreichs, eine der wenigen »konstitutionellen« Schranken, die der Souveränität des Königs während des Ancien Regime gesetzt waren,
auf der Vorstellung weiblicher Wechselhaftigkeit und der Furcht beruhten, man könne vom Ausland beherrscht werden, falls die Krone »dem Spinnrocken« zufallen würde.
Die Krönung der französischen Königinnen brachte jedermann den Unterschied zwischen der Königswürde und dem Rang der Königin in Erinnerung. Könige wurden in Reims, Königinnen dagegen in Saint Denis geweiht; Könige wurden mit einem vom Himmel gesandten Balsam gesalbt, der ihnen die wunderbare Kraft verlieh, durch Handauflegen die Skrofulösen zu heilen; Königinnen hingegen wurden mit geweihtem Öl gesalbt, das Fruchtbarkeit garantierte. Das Zepter der Königin war kleiner als das des Königs, ebenso ihr Thron, und während die Königskrone von den Pairs getragen wurde, hielten die Krone der Königin nur Barone.
Doch die Königin erhielt auch einen Ring, der nicht nur die Dreifaltigkeit symbolisierte, sondern auch ihre Pflicht, die Ketzerei zu bekämpfen und den Armen zu helfen. Die Königin konnte in Frankreich auch bestimmte politische Funktionen wahrnehmen: Sie konnte als Regentin wirken, wenn sie dazu ernannt worden war, oder aber informellen Einfluß als Gattin oder Mutter des Königs ausüben.
Katharina von Medici ist natürlich das beste Beispiel der weiblichen Machtausübung in all ihren Spielarten. Ihr Ziel in der Familienpolitik war, die legitime Autorität ihrer Söhne zu erhalten; ihre politische Absicht lag darin, der gallikanisch-katholischen Monarchie Hugenotten wie Anhänger der katholischen Liga unterzuordnen; und ihr Ziel als Herrscherin war es, Frieden zwischen den sich bekriegenden Religionsparteien zu halten oder ihn wiederherzustellen. Wie wir wissen scheiterte sie am Ende bei der Verfolgung ihrer Ziele, aber sie hatte dabei sachkundig das ganze Arsenal der Politik eingesetzt: von Aufführungen bei Hofe bis zu lebenden Bildern bei den feierlichen Einzügen in Städte, von Friedensedikten bis zu Erlassen, die Protestanten von Ämtern ausschlossen, von Heiratsallianzen bis zur Komplizenschaft bei politisch motivierten Morden.
War der von ihr geschaffene »weibliche Regierungsstil« verantwortlich für das Scheitern ihrer Politik? Sie selbst sah sich als eine fromme Witwe, die wie die antike Artemisia ein Grabdenkmal für ihren Gatten in Auftrag gab. Damit konnte sie sicherlich nicht die Zuneigung ihres Volkes gewinnen, wohl aber als Frau erscheinen, die das Andenken ihres Gatten in Ehren hielt. Sie sah sich als eine Frau, die Frankreich Könige geschenkt hatte, eine Mutter, die Jahre zuvor bei ihrem Einzug in Lyon durch eine goldene Statue der Ceres dargestellt worden war; so konnte sie Mütterlichkeit ins Zentrum ihrer Machtausübung als Königin stellen, sie zur Quelle ihrer Patronage und Mildtätigkeit, der entschlossenen Verteidigung ihrer Söhne und ihres Strebens nach Ordnung machen. Beim Einzug in Paris nach der Heirat zwischen Karl IX. und Elisabeth von Österreich hielt eine Statue mit Katharinas Gesichtszügen stolz eine Karte von Gallia in den Händen.
Doch darin lag zum Teil vielleicht gerade das Problem, denn mit Mütterlichkeit und Matriarchat verband man im 16. Jahrhundert Positives wie Negatives. Wenn kurz nach einer Hochzeit Morde geschahen wie beim Blutbad der Bartholomäusnacht, dann konnte die Königinmutter von ihren Feinden leicht als Hexe (überdies noch eine italienische Giftmischerin) hingestellt und bezichtigt werden, schwache, lügnerische und androgyne Söhne wie Heinrich III. hervorgebracht zu haben. Bereits 1575 nannte sie der vielgelesene Discours merueilleux de la vie, actions et deportemens de Catherine de Medici das Musterbild einer Tyrannin (Je patron de tyrannie«), die andere regierte »nach den Leidenschaften, die sie selbst beherrschen« (»a l'appetit des passions qui la regissent«). Sie habe die Krone usurpiert, und ihre schlimme Regierung sei genau das, was das salische Gesetz habe verhindern wollen.
Ein drittes Beispiel eines monarchischen Regierungsstils bietet Königin Anna, die Großbritannien (1702-1714) allein und nicht zusammen mit ihrem Prinzgemahl Georg von Dänemark regierte. Im milder gestimmten Urteil des frühen 18. Jahrhunderts galt sie als »frauliche« Herrscherin. Ihre Regierungszeit war geprägt vom Krieg mit Frankreich und vom Widerstreit zwischen zwei Konzeptionen der Regierung: auf der einen Seite ein Souverän, eine mit großer Macht ausgestattete Königin, die wie Elisabeth die Einheit Englands verkörpern wollte, »um sich der Gewalt erbarmungsloser Männer beider Parteien zu entziehen«, und ihre Minister als persönliche Untergebene ansah; und auf der anderen Seite ein nach der Glorious Revolution entstandenes System mit sich bekämpfenden Parteien, Wahlen und der Keimform einer Kabinettsregierung, die auf die Einschränkung der Macht des Monarchen hinauslief.
Was den Krieg anging, so hatte die kränkliche Anna nichts vom martialischen Stil Elisabeths; ihr Ehemann, der 1708 starb, war auch wenig kriegerischen Geistes, und so wurde die militärische Symbolik in ihrer Regierungszeit von ihrem Oberkommandierenden Captain General John Churchill, dem Herzog von Marlborough, verkörpert. Mütterlich war ihr Regierungsstil ebenfalls nicht, hatte sie doch alle ihre Kinder bei der Geburt oder während deren Kindheit verloren. Ihr Auftreten wurde als anmutig, aber nicht königlich, als artig, aber nicht gerade beeindruckend beschrieben.
Rat holte sich Anna regelmäßig bei Lord Schatzkanzler Sidney Godolphin (mal moderater Tory, mal gemäßigter Whig) und anderen Männern, aber den intensivsten politischen Gedankenaustausch pflegte sie mit anderen Frauen, besonders mit Sarah Churchill, der Herzogin von Marlborough. Ihre Verbindung reichte bis in die Kindheit zurück Sarah war nur einige Jahre älter als Anna -, und Anna sah mit der Zeit Sarah mehr als »Freundin« denn als »Favoritin« an und schlug vor, sie sollten einander unter den Namen Mrs. Morley und Mrs. Freeman schreiben. »Von nun an«, schrieb Sarah Churchill, »begannen Mrs. Morley und Mrs. Freeman eine Konversation von gleich zu gleich, die auf Zuneigung und Freundschaft beruhte« - der Ton ihrer Briefe bezeugt dies.[2] Als sich ihr Verhältnis in der Mitte von Annas Regierungszeit abkühlte, wurde Sarah durch ihre jüngere Cousine Abigail ersetzt.
Der »frauliche« Regierungsstil Annas bot wie Katharina von Medicis Mütterlichkeit verschiedene Möglichkeiten. Obschon sie ein eigenes und oft sehr entschiedenes Urteil hatte, führten ihre Verbindungen und Freundschaften zu Frauen dazu, sie als »schwach« und von Favoritinnen beherrscht anzusehen. Aber man könnte auch sagen, der frauliche Regierungsstil war eine angemessene Strategie, um ihre Vorstellung von der Monarchie und der Einheit der Nation in einer Zeit des Aufkommens von Parteien  zu  stärken.  Eine männlichere  Königin hätte vielleicht Empörung, eine matriarchalischere eher Verachtung hervorgerufen.
Man könnte diese Analyse der politischen Rolle, der politischen Rhetorik und des geschlechtsspezifischen Stils vertiefen und ausweiten auf andere Länder und andere Königinnen, auf die androgyne Christine von Schweden, auf Katharina II. von Rußland und andere mehr.

Politik am Königshof

Das Hofleben der Monarchien ermutigte Frauen, selbst politisch tätig zu werden, aber auch dazu, das politische Geschehen zu kommentieren. Frauen nahmen am Hofzeremoniell teil, waren Teil des Geflechts von Klientelbeziehungen, gehörten Fraktionen an; sie baten um Posten, Pensionen und Pardon für Mitglieder ihrer Familien und ihre Klienten, genauso wie Männer. Die Briefe Madame de Sevignes sind wie die Memoiren des Herzogs von Saint-Simon voll von Details über das politische Geschehen. Marie de Sevignes Darstellung des Hochverratsprozesses gegen den mächtigen Finanzminister Ludwigs XIV., Nicolas Foucquet, stützte sich auf Beobachter des Prozesses und sogar auf Prozeßbeteiligte. Sie zeigt nicht nur ihre Sympathie mit einem Landsmann ihres bretonischen Ehemannes, sondern läßt auch erkennen, wie aufmerksam sie die Regierungsgeschäfte und juristische Verfahrensfragen verfolgte. Bei der zweiten Sitzung weigerte sich Foucquet erneut, eine Aussage zu beeiden:

»Daraufhin holte der Herr Kanzler zu einer großen Rede aus, um die rechtmäßige Gewalt des Gerichtshofs aufzuzeigen; der König habe ihn eingesetzt und seine Aufträge seien von den souveränen Körperschaften geprüft worden. Monsieur Foucquet antwortete, man täte oft etwas kraft seiner Autorität, was man, wenn man später darüber nachgedacht hatte, nicht mehr rechtens fände. Der Herr Kanzler unterbrach ihn, Wie? Ihr behauptet also, der König mißbrauche seine Macht?. Monsieur Foucquet erwiderte, Das sagt Ihr, mein Herr, nicht ich. Das denke ich keineswegs, und ich bewundere Euch, daß Ihr mir in meiner Lage noch einen Streit mit dem König unterschieben wollt. Doch wißt Ihr, mein Herr, selbst sehr gut, daß man sich täuschen kann. Wenn Ihr ein Urteil unterzeichnet, haltet Ihr es für richtig und gerecht. Am nächsten Tag hebt Ihr es dann wieder auf; Ihr seht also, daß man seine Meinung ändern kann.«[3]

Madame de Sevigne kritisierte die Prozeßführung des Kanzlers Seguier und gab ihm manchmal, wenn ihre Bemerkungen zu bissig waren, einen anderen Namen (Tobie). Obgleich erleichtert, daß Foucquet nicht zum Tode verurteilt worden war, zeigte sie sich doch tief enttäuscht über den Schuldspruch und die Verurteilung zu lebenslänglicher Festungshaft. »Gibt es etwas Entsetzlicheres auf dieser Welt als dieses Unrecht?« Doch ihre Proteste machten stets vor dem Sonnenkönig halt: »Solche rohen und niedrigen Racheakte könnten unmöglich einem Herzen wie dem unseres Herrn entspringen.«[4]
Frauen konnten zuweilen hoffen, die hohe Politik eines solchen Herrn und Königs als dessen »Favoritin« beeinflussen zu können. Madame de Maintenon, zunächst Vertraute Ludwigs XIV., dann in morganatischer Ehe mit ihm verbunden, behauptete, der König nehme ihre Ansichten ernst. 1695 schrieb sie dem Erzbischof von Paris. Louis Antoine de Noailles: »Macht es Euch doch zur Gewohnheit. Monseigneur, die Dinge, die ich nach Eurem Willen dem König unterbreiten soll, in einem eigenen Schreiben festzuhalten: in ihm darf nichts auf unsere enge Vertrautheit hindeuten, sondern nur stehen, daß Ihr mich mit Euren Angelegenheiten betraut, da ich mich dazu bereiterklärt habe.« Während der Auseinandersetzung um die spanische Erbfolge im Jahre 1700 tagte der Staatsrat in ihren Gemächern, und Gesandtendepeschen wurden in ihrer Gegenwart verlesen. Die Gefahr eines europäischen Krieges war ihr gegenwärtig, als sie sich zur Möglichkeit äußerte, daß der Enkel Ludwigs XIV. den spanischen Thron für sich beanspruchen könnte (»die spanischen Angelegenheiten stehen schlecht«, schrieb sie in einem Brief vom 14. November). Die Quellen widersprechen sich in der Frage, ob sie sich für oder gegen diese Lösung der Thronfolge aussprach;[5] doch wie auch immer, die Hand Madame de Maintenons ist in der Regierungspraxis Ludwigs XIV. deutlich sichtbar.
Zur gleichen Zeit hatte Sarah, die Herzogin von Marlborough, es sich zur Maxime gemacht, der Königin die Wahrheit zu sagen, »lieber das wirkliche Interesse meiner Herrin im Auge zu haben, statt ihrer Eitelkeit zu schmeicheln« (An Account of the Conduct of the Dowager Duchess of Marlborough, 1742). Sarah sah sich als weiblichen Staatsmann an und arbeitete mit ihrem Gatten Generalkapitän Marlborough und dem Lord Schatzkanzler Godolphin zusammen. Sie versuchte insbesondere, Anna davor zu warnen, in der Kirchenpolitik und bei Kabinettsernennungen »sich selbst und ihre Angelegenheiten gänzlich in die Hände der Tories zu legen«. Manchmal folgte Anna ihrem Rat - etwa, als sie sich am Ende einem Erlaß der Tories widersetzte, der alle von staatlichen und städtischen Ämtern ausgeschlossen hätte, »die nicht mit der unsinnigen Kirchenpolitik einverstanden waren, die Religion durch Verfolgung zu befördern«.[6] In anderen Fällen hörte Anna nicht auf sie, selbst nicht in den Jahren, als sie die tiefste Zuneigung für Sarah hegte.
Derartige Formen des politischen Agierens haben eine Preis, der stets mit »Einflußnahme« in einer Monarchie verbunden ist: Es sind Aktionen im Verborgenen, sie sind für Außenstehende unerklärlich, gelten ganz besonders dann als verdächtig, wenn sie von einer Frau unternommen werden. Deshalb versuchte Madame de Maintenon, jede Verantwortung von sich zu weisen und zu betonen, sie habe auf die königliche Politik keinerlei Einfluß, obschon der Herzog von Saint Simon sie als »böse Fee« und »femme fatale« darstellte, die den König und die Regierung auf »unheilvolle Art« beherrsche.
Als die radikale Whig-Historikerin Catharine Sawbridge Macaulay 1778 auf die Regierungszeit Königin Annas zurückblickte, sah sie diese als »hervorstechendes Beispiel« für die Schwächen einer Regierungsform, »in der Wohlergehen und Prosperität der Nation gänzlich von der Tugend des Fürsten abhängen«. Trotz ihrer guten Absichten - Anna verstand nichts von der Regierungskunst. Sie »liebte die Macht, [war aber] überhaupt nicht in der Lage, sie aus eigener Kraft und eigenem Urteil ausüben zu können«. Statt dessen war sie die »Sklavin von
Favoritinnen« wie der Herzogin von Marlborough, einer Frau mit »hitzigem und herrischem Temperament«, die die Schwächen der Königin ausnutzte, um ihre »privaten Ansichten« durchzusetzen (The History of England from the Revolution to the Present Time). Für die Republikanerin und Feministin Mary Wollstonecraft verkörperte Marie-Antoinette alle Übel des französischen Hofes während der Regierungszeit Ludwigs XVI.: ihre »wollüstige Weichlichkeit«, ihre »zerstörerischen Laster«, die Zeit, die sie »in der kindischsten Weise [verbrachte], ohne irgendeinen Anflug von geistiger Stärke, die den Verirrungen ihrer Vorstellungskraft Einhalt gebieten könnte«, und überdies ihre Verschlagenheit und Schönheit, die ihr »grenzenlose Macht« über den König gaben (An Historical and Moral View of the Origin and Progress of the French Revolution, 1794). Macht zu erringen auf den Wegen, die der Hof eröffnete, war eine Sklavenlist.

Versammlungen und Vertretungen

Doch es gab andere Aufgaben, in denen Frauen politisch tätig werden konnten. Einige dieser Foren waren mit dem monarchischen Regierungssystem und seinen Institutionen fest verbunden, andere boten die Möglichkeit, diese zu verändern. Insgesamt gesehen gehörten Frauen nur selten direkt zur Welt der Versammlungen und Vertretungen. Wenn sie auch im 17. Jahrhundert noch auf Versammlungen »aller Einwohner« in Dörfern des Dunois, der Saintonge und anderer ländlicher Gebiete Frankreichs zu finden waren, war ihre Anwesenheit doch ungewöhnlicher als im Mittelalter. Die Ältestenräte in den Dörfern und die Kirchenvorstände in den Pfarrgemeinden, zu denen auch Männer
der unterbäuerlichen Schichten nie geladen waren, schlossen Frauen aus, selbst wenn sie die Witwe eines Vollbauern waren oder selbst Land besaßen. Wenn eine Witwe vom städtischen Magistrat zu einer Versammlung geladen wurde, so nur, um die Verkündung neuer Regelungen oder Steuern anzuhören, nicht um ihre Meinung zu sagen oder gar abzustimmen.
In Frankreich hatten bestimmte Frauen im Prinzip das Recht, bei den Versammlungen auf der örtlichen und Provinzebene anwesend zu sein und die Deputierten zu den Generalständen zu wählen: in ihrer Eigenschaft als Äbtissin im Ersten Stand, als Erbin eines Lehens im Zweiten und als Familienoberhaupt oder als Vorsteherin einer von Frauen gebildeten Gilde im Dritten Stand; doch zu den wichtigsten Ständeversammlungen des 16. Jahrhunderts scheinen sie männliche Vertreter benannt zu haben. Wie konnte sich eine Frau in einer solchen Versammlung Gehör verschaffen? Die Kommissionen, die in ganz Frankreich die Beschwerdeschriften (cahiers de doleances) für die Generalstände des Jahres 1614 bearbeiteten, hatten keine weiblichen Mitglieder; Frauen konnten zwar Gegenstand von Beschwerden sein (etwa in den Klagen über nichtadlige Frauen, die seidene Kleider trugen, was nur Frauen höheren Standes gestattet war), aber sie selbst konnten keine Gravamina vorbringen. Als die Stände dann schließlich unter den besorgten Augen Maria von Medicis zusammentraten, gehörte die bedrohliche Aussicht, daß eine Frau die Regentschaft ausüben könnte, zu den heikelsten Themen.
Nach 1614 traten die Generalstände nicht mehr zusammen, aber Provinzialstände tagten weiterhin während des ganzen Ancien Regime. Die Briefe Madame de Sevignes zeigen, wie Frauen ihres Standes mit solchen Institutionen in Berührung kommen und so ihr Verständnis des politischen Lebens in einer »absoluten« Monarchie vertiefen konnten, selbst wenn sie nicht selbst als Deputierte fungierten. Die Stände der Bretagne traten 1671 in Vitre zusammen, nicht weit entfernt vom Chateau de Rochers, das Madame de Sevigne von ihrem Gatten geerbt hatte. »Ich hatte die Stände bisher nie gesehen, das ist eine recht hübsche Sache«, schrieb sie ihrer Tochter. Dann schilderte sie die bretonischen Adligen, die in die Stadt kamen (einige mit ihren Ehefrauen), ihre eigenen Diners und andere Lustbarkeiten, die sie veranstaltete, die Besuche, die ihr die Edelleute auf ihrem Schloß abstatteten. Bei einigen Sitzungen war sie vielleicht selbst anwesend (»Es war eine große Freude, daß ich bei den Ständen dabei sein konnte«), und sie kommentierte:

»Die Stände werden wohl nicht lange dauern. Man muß nur verlangen, was der König will. Niemand sagt etwas dagegen, und schon ist es beschlossen. Der Gouverneur erwirkt für sich, wie, weiß ich nicht, mehr als vierzigtausend Taler. Unzählige andere freiwillige Steuerzahlungen, Pensionen, Instandsetzungen von Wegen, Bauarbeiten in Städten, fünfzehn oder zwanzig große Bankette, eine einzige Lustbarkeit, nicht endenwollende Bälle, dreimal in der Woche Theateraufführungen, ein einziges prunkvolles Fest: das sind die Stände.«[7]

Sie schließt mit einer Darstellung der Trinksprüche, die von den bretonischen Adligen auf den König ausgebracht wurden, weil er ihnen 100 000 Kronen ihres don gratuit (ihrer »freiwilligen« Steuerzahlung) wieder zurückgegeben hatte. Vier Jahre später, als der König das Parlament von Rennes nach Vannes verlegte, schreibt sie:

»Man glaubt nicht, daß die Stände einberufen werden; wenn es doch der Fall sein sollte, dann nur, um die Edikte nochmals zu kaufen, die wir vor zwei Jahren für zweieinhalb Millionen Pfund schon kaufen mußten und die nun erneut verkündet werden. Überdies wird man vielleicht auch einen Preis für die Rückkehr des Parlaments nach Rennes verlangen.«[8]

Auch die Stände des Languedoc, die jedes Jahr mit dem König ihren don gratuit aushandelten, mögen bei den Ehefrauen der Deputierten und Mitglieder politische Überlegungen wie jene der Madame de Sevigne angeregt haben, obgleich nur die feierlichen Sitzungen öffentlich waren.
Im protestantischen England saßen die wenigen Frauen, die in die Peerage erhoben wurden, nicht im House of Lords, und Frauen standen nie für das Unterhaus zur Wahl. Dagegen konnten adlige Ladies sehr wohl Kandidaten ihrer Wahl unterstützen, insbesondere nach der Errichtung des Zweiparteiensystems Ende des 17. Jahrhunderts. Die Ehefrauen von Kandidaten nahmen oft aktiv am Wahlkampf ihrer Gatten teil und gewannen männliche Stimmen für sie, indem sie die Frauen einflußreicher Wähler zu sich einluden. Die Frauen niederer Stände konnte man am Rande der Wahlversammlungen finden, in denen ein Tory oder Whig um die Stimmen ihrer Männer kämpfte.

Pamphlete von Frauenhand

Die begrenzte politische Erfahrung, die Frauen über die Vertretungen und beratenden Versammlungen gewinnen konnten, erweiterte sich durch die wachsende Zahl und Verbreitung periodischer Zeitungen und Pamphlete und durch die zunehmende Lese- und Schreibfähigkeit der Frauen. Sie konnten die Vielzahl von Pamphleten lesen (oder sie hören, wenn sie laut vorgelesen wurden), die in den französischen Religionskriegen und den religiös-politischen Kämpfen im England des 17. Jahrhunderts entstanden. Einige wenige konnten selbst Pamphlete verfassen: Die Meinung von Frauen, die leicht als »Klatsch« abgetan werden konnte, wenn sie nur mündlich geäußert wurde, erhielt einen ernstzunehmenden Anstrich, wenn sie gedruckt vorlag. Um nur einige Beispiele zu nennen: Marie Dentiere veröffentlichte 1536 eine anonyme Darstellung, wie die Protestanten Genf von der Tyrannei der Katholiken und Savoyer befreit hatten; 1665 brachte die Quäkerin Margaret Fell Fox Women's Speaking Justified heraus, eine anonyme Verteidigung des Rechts der Frauen, als Predigerinnen tätig sein zu dürfen - im England der Restaurationszeit [9] eine politische und religiöse Provokation. Von 1681 bis 1715 publizierte Elinor James, die Frau eines Londoner Druckers, unter ihrem Namen dreißig Flugschriften und Libellen zur Verteidigung Jakobs II. und der Kirche von England. »Oh, wäre ich doch nur ein Mann«. schreibt sie in der Einleitung einer Flugschrift, »Ich würde Tag und Nacht studieren und wäre zweifellos mehr als ein Eroberer; dennoch hoffe ich, genau das zu sein« (A Vindication of the Church of England, 1687).
Zu Anfang des 18. Jahrhunderts hatte sich die Zahl politischer Veröffentlichungen aus der Feder von Frauen in Frankreich wie in England vervielfacht.[10] Politisch gingen sie in verschiedene Richtungen: Manche verteidigten die überkommene Tradition, andere forcierten Veränderungen. In ihrem Schwung konnten sie sogar über konkrete Themen hinausgehen, ja utopischen Hoffnungen Ausdruck geben wie in Sarah Scotts Description of Millenium Hall (1762), in der ein Kreis adliger Damen Erziehung und Wirtschaft, Eheleben und Gesundheitspflege in ihrer Pfarrgemeinde reformiert und humaner gestaltet, in scharfem Gegensatz zu den grausamen, nur an die Jagd denkenden Grundbesitzern in der Nachbarschaft.
In den folgenden Jahrzehnten zeigt Catharine Sawbridge Macaulays Werk die ganze Spannweite der politischen Interessen von Frauen. Ihr Bruder saß im Parlament, sie agierte mit der Feder. Neben ihrer vielbändigen History of England from the Accession offamesl. (1763-1778), in der sie die freiheitsliebende Tradition des Commonwealth gegen despotische oder unfähige Monarchen und den Usurpator und Tyrannen.
Cromwell verteidigte, veröffentlichte sie Flugschriften, die die Rechte der Autoren verteidigten. Gegen Thomas Hobbes plädierte sie für ein »demokratisches« Regierungssystem, gegen Edmund Burke für ein durch häufige Wahlen erneuertes Parlament, und sie verurteilte die Repression gegen die amerikanischen Kolonien. In ihren letzten Lebensjahren konespondierte sie mit George Washington und stattete ihm in den neugegründeten Vereinigten Staaten von Amerika einen Besuch ab. Sie freute sich über die neue Verfassung, warnte ihn aber, die Konzentration der Macht in der Hand des Präsidenten könne zu einem Mißbrauch des in ihn gesetzten Vertrauens führen, und das Zweikammernsystem könne »auf lange Sicht zur Quelle politischer Ungleichheit« werden.[11]

Anführerinnen und Frondeusen

Catharine Macaulay hob in ihrer History of England eine Gruppe von Frauen lobend hervor: die »Petitionärinnen« des Langen Parlaments während der Englischen Revolution.  Die Frauen der Frühen Neuzeit wurden jedoch nicht nur durch solche großen Umwälzungen, sondern auch durch kleinere, kurzfristige Veränderungen mobilisiert. Frauen der unteren Stände waren seit langem gewohnt, an Aufläufen in der Stadt oder auf dem Dorf teilzunehmen oder sie sogar zu initiieren, wenn berechtigte Ansprüche mit Füßen getreten worden waren oder die Obrigkeit ihrer Pflicht nicht nachkam: wenn die Korn- oder Brotpreise zu hoch, Steuern ungerecht waren. Gemeindeland eingehegt wurde, Glaubensfrevel begangen wurden usw. Auflauf und Aufruhr waren während des Ancien Regime gängige Mittel.[12]
Während der Fronde (1648-1652) spielten Frauen eine gewisse Rolle: Frauen tauchten in der Menge auf, die 1644 gegen die hohen Steuern protestierte und damit den ersten Widerstand des Parlaments gegen Mazarin und die Regentin Anna von Österreich auslöste, und sie waren ganz sicher präsent bei den Aufläufen, Brotunruhen und Plünderungen, die mit der Eskalation der Fronde zum gewaltsamen Widerstand verbunden waren. Doch diejenigen, die politisch agierten, waren insbesondere Frauen des Hochadels, die Gefallen an der Macht gefunden hatten und angetrieben wurden von Familienloyalität und dem Glauben an eine gemäßigte Monarchie, in der die Machtfülle des Königs durch den Rat der Prinzen und Vertretungsorgane der Provinzen eingeschränkt war. Die Herzogin von Longueville, Gattin des Gouverneurs der Normandie und Schwester zweier Prinzen von Geblüt (des »Großen Conde« und des Prinzen von Conti) war eine Frondeuse der ersten Stunde, die ihren Brüdern zum Sieg verhelfen wollte. Sie unterstützte den Widerstand des Parlaments der Normandie und des Pariser Parlaments gegen die Regentin und Mazarin; sie floh aus Paris, als ihre Brüder und ihr Gatte ins Gefängnis geworfen wurden, und traf sich mit anderen adligen Anführern an der Grenze zu den spanischen Niederlanden, um neue Pläne zu schmieden (darunter Pläne für ein Abkommen mit Spanien). Im Triumphzug kehrte sie nach Paris zurück, als die Prinzen freigelassen worden waren, und verbrachte die letzten Monate des Bürgerkriegs - als ihr Ehemann, der sich ihr entfremdet hatte, ins Lager Mazarins zurückgekehrt war - damit, ihre schützende Hand über die radikale Ormee in Bordeaux [13] zu halten. Die Regierung klagte sie schließlich - als Konsequenz ihrer bedeutsamen Rolle während der Fronde - wegen Hochverrats an, und sie wurde Mitautorin eines wichtigen Pamphlets, der Apologie pour Messieurs les Princes (1650), in der sie behauptete, sie müsse »die Freiheit der Rede verteidigen, denn dies ist das einzige, was mir bleibt.«
1652 ließ Mademoiselle de Montpensier - die »Grande Mademoiselle« - Truppen gegen ihren Vetter Ludwig XIV. in Marsch setzen und zog im Triumphzug in Orleans ein - Ereignisse, die sie in ihren Memoires in einem heroischen Licht erscheinen läßt und mit sichtlichem Vergnügen ausbreitet. Die Fronde hinterließ einander widersprechende Vorstellungen von Frauen in der Politik: einerseits die Gestalt der Königin-Regentin, die einmal mehr zeigte, wie gefährlich es war, wenn »die Krone dem Spinnrocken zufällt« (»tombe en quenouille«), und andererseits die Gestalt der »starken Frau«, die tatkräftig für das Wohl Frankreichs wirkte.
Auf der anderen Seite des Ärmelkanals kämpften einige Frauen während des englischen Bürgerkriegs als Soldaten für die Königstreuen und Rundköpfe - auch wenn es keine so herausragende Gestalt gab wie die »Grande Mademoiselle« -, und Frauen versahen die ihnen üblicherweise zugedachten Aufgaben: Sie pflegten Verwundete und halfen mit beim Bau von Befestigungsanlagen. Frauen waren bei den Straßenaufläufen dabei, mit denen in London Druck auf das Parlament ausgeübt wurde, und sie agierten als Verfasserinnen von Pamphleten, insbesondere für die »Gute Alte Sache« des Parlaments oder für die Unabhängigkeit.

Die »Petitionärinnen«

Das wirklich Neue in der Englischen Revolution war indessen, daß Frauen dem Parlament Petitionen zu politischen Fragen vorlegten. Es begann 1642 mit Petitionen »einer Gruppe von Frauen« gegen »papistische Lords und abergläubische Bischöfe«. Im darauffolgenden Jahr versammelten sich - neben anderen Initiativen - »zwei- bis dreitausend Frauen zumeist niederen Standes« in Westminster und legten Ober- und Unterhaus eine Petition vor, in der sie das Ende des Bürgerkrieges und die Wiederherstellung des Friedens forderten.[14] Nach der Niederlage und Hinrichtung des Königs kamen die Petitionen von den Leveller women, d. h. den weiblichen Anhängern John Lilburnes, die die demokratischen Ideen der religiösen Sekten in die politische Sphäre übertrugen. Sie trugen grüne Bänder als Erkennungszeichen und forderten die Freilassung Lilburnes und anderer eingekerkerter Führer der Leveller, die Abschaffung der Schuldhaft. Steuersenkungen, stärkeres Augenmerk der Obrigkeit auf die Nahrungsmittelversorgung und Arbeitslosigkeit usw.
Allerdings empfing das Lange Parlament die Bittstellerinnen nicht, besonders, wenn sie sich zu »wild« gebärdeten. 1649 wurde den Leveller women entgegengehalten: »Der Gegenstand eurer Beschwerde übersteigt euren Verstand. Die Kammer gab euren Ehemännern Antwort; sie wünscht deshalb, ihr möget nach Hause gehen, euch um eure eigenen Angelegenheiten kümmern und euren Haushalt versorgen.« Die Begründungen der Frauen für ihre Eingaben sind erstaunlich: Zwar sprachen sie manchmal ganz traditionell vom »schwachen Geschlecht-, doch sie erhoben auch neue Ansprüche auf politische Rechte, Zunächst einmal war der Herr auf ihrer Seite: Da Gott »immer bereit war, die Bitten aller Menschen, ohne Unterschied, anzuhören«, sollte das Parlament das gleiche tun. Wichtiger noch war das Argument, das sie im Frühjahr 1649 dem Parlament vorhielten:

»Haben wir nicht das gleiche Interesse wie die Männer dieser Nation an den Freiheiten und Garantien, die in der Petition of Rights und in anderen guten Gesetzen des Landes enthalten sind? Dürfte man uns mit mehr Recht als den Männern unser Leben, unsere Glieder, Freiheiten und Güter rauben? . . . Und müssen wir zu Hause bleiben, als ob es nicht auch um uns, unser Leben und unsere Freiheiten ginge? . . . Deshalb bitten wir euch, unsere letzte Eingabe noch einmal zu prüfen . . . Denn wir sind keineswegs zufrieden mit der Antwort, die ihr unseren Ehemännern und Gefährten gegeben habt.«[15]

Mit dieser Erwiderung wandten sich die Leveller women gegen den Grundsatz der patriarchalischen Gesetze, wonach die Interessen der Frauen denen ihrer Väter und Ehemänner untergeordnet seien, und vertraten die Ansicht, daß Frauen die gleichen und vielleicht sogar andere, eigene Interessen zu verteidigen hätten.

WahIrecht für Frauen?

Diese in der Hitze des politischen Gefechts vorgebrachte Position erscheint um so bemerkenswerter, wenn wir sie mit den Debatten über das Stimmrecht für Frauen vergleichen, die 1647 in Putney von den Männern im General Council von Cromwells Armee geführt worden waren. Cromwell und General Ireton argumentierten, diejenigen, die über die Angelegenheiten Englands mitentscheiden sollten, müßten »ein dauerhaftes, feststehendes Interesse» an ihnen haben, das nicht allein auf Geburt, sondern darüber hinaus auf Grundbesitz in England beruhte.
Die Leveller und andere bestanden dagegen darauf, jeder Mann, der nicht sein Geburtsrecht verloren hatte, sollte abstimmen dürfen: »Ich meine, strenggenommen ist auch der ärmste Mann in England keineswegs an diese Regierung gebunden, wenn er nicht über eine Stimme verfügt hat, um sich ihr freiwillig zu unterstellen.« Die Generäle warnten, dies würde das Ende des Privateigentums bedeuten. Die Männer fragten verbittert, ob die Soldaten etwa nicht für die Freiheit, sondern dafür gekämpft hätten, den »Reichen und Grundbesitzern« die Macht zu geben, sie zu versklaven. Alle stimmten aber zumindest in dem Punkt überein. daß eine Gruppe von Männern vom Wahlrecht ausgeschlossen werden sollte: Lehrlinge, Dienstboten und Almosenempfänger, »weil sie vom Willen anderer Männer abhängig sind und Angst davor haben, [ihnen] zu mißfallen . . . Sie werden durch ihre Herren mitvertreten.«[16]
In der Debatte in der Armee ging es nicht um das Stimmrecht für Frauen, aber es ist ganz klar, daß es für die dargestellten Positionen nicht annehmbar war. Den Frauen mußte das Wahlrecht verweigert werden, weil sie vom Willen ihrer Ehemänner abhängig waren und sie von ihnen mitvertreten wurden. Es mußte ihnen versagt werden, weil sie - sollte man es ihnen zugestehen - es dazu verwenden könnten, sich aus ihrer Abhängigkeit zu befreien.
Tatsächlich lebte dieses Bild der Frau als Mensch ohne rechtmäßiges eigenes Interesse unversehrt in den politischen Grundsätzen der Restaurationszeit weiter. Das Wahlrecht blieb für Männer das gleiche wie im 15. Jahrhundert, eingeschränkt auf Bürger und Freeholder mit Grundbesitz, der mindestens 40 Schilling Rente im Jahr wert war. Die wenigen weiblichen Grundbesitzer, die noch 1640 gewählt (oder dies versucht) hatten, verschwanden von der politischen Bildfläche. Während der Glorious Revolution (1688/89) wurden Frauen wieder aktiv, von Prinzessin Anna, die erfolgreich gegen ihren Vater Jakob II. agierte, bis zu den Londoner Frauen, die sich gegen die Papisten empörten - obgleich es diesmal keine »Petitionäre im Rock« gab. 1690 wurde in einer Abhandlung über das Parlamentsrecht explizit festgestellt, daß Frauen nicht wählen durften; die Frage muß also diskutiert worden sein. Im selben Jahr äußerte sich John Locke in seinen Zwei Abhandlungen über die Regierung zu den Autoritätsverhältnissen innerhalb der Familie ebenso wie in der bürgerlichen und politischen Gesellschaft (Zweite Abhandlung, Kapitel 6 und 7). Ehefrauen übten gemeinsam mit ihren Gatten die elterliche Gewalt über ihre minderjährigen Kinder aus, und die Gewalt, die Mann und Frau in der Ehe übereinander hatten, war durch Vertrag begrenzt. Und dennoch: »Obwohl aber Ehegatten nur ein gemeinsames Interesse haben, so werden sie doch zuweilen unvermeidlich durch ihren unterschiedlichen Verstand nicht denselben Willen haben. Deshalb ist es notwendig, daß irgendwo eine letzte Entscheidung gefällt wird. d. h., daß es irgendwo eine Herrschaft gibt. Diese fällt naturgemäß dem Manne als dem fähigeren und stärkeren Teil zu.«[17] Locke behandelte das Wahl- und Bürgerrecht für Frauen nicht, scheint jedoch anzunehmen, das Volk«. das seine Zustimmung zur Regierung deutlich macht, bestünde nur aus Männern, aus jenen, die »eine letzte Entscheidung« fällten.
Es blieb Neuerern im 18. Jahrhundert vorbehalten, Lehren aus der Stellung der Frau im politischen Leben der Vergangenheit zu ziehen, neue Vorstellungen zu entwickeln und die Ideen Lockes und andere Naturrechtstheorien auf den Status der Frauen als Bürgerinnen im politischen Sinn anzuwenden. Für die radikale Republikanerin Mary Wollstonecraft war das Beispiel von Königinnen, Kurtisanen, der Einfluß von Höflingen und Adligen gänzlich negativ - überhaupt alles, was Sexualität, Frivolität oder Fleischesschwäche in die Politik einbringen konnte. Ein ungeordneter Auflauf von Frauen auf der Straße war nach ihren rationalen Maßstäben auch nicht viel besser (»nur ein Mob«, so charakterisiert sie die nach Versailles marschierenden Marktfrauen von 1789). Die Frauen konnten für sie zu »männlichen Tugenden« erzogen werden, die Männer dazu, ihre Verantwortung friedlich wahrzunehmen; beide Geschlechter hatten das Recht, an der Regierung teilzuhaben und sollten vollgültige Bürger sein, die im Lichte der Vernunft handelten (A Vindication of the Rights of Women, 1792).
Die Hierarchie innerhalb der Ehe sollte ebenfalls aufgelöst werden, auch wenn allein die Frauen die ihnen von Natur aus zukommende Aufgabe der Mutterschaft wahrzunehmen hätten. Mit dieser bürgerlichen Vision des politischen Lebens, das von aufgeklärten Frauen und Männern getragen werden sollte, hoffte Mary Wollstonecraft, den scheinbaren Widerspruch zwischen republikanischen und egalitären Regierungsformen einerseits und dem politischen Engagement von Frauen andererseits aufzulösen. Die weiblichen Publizisten und Petionäre hätte sie gewiß gern als Wegbereiterinnen anerkannt. Doch die anderen Formen politischer Aktivität von Frauen haben sicherlich mehr, als Mary Wollstonecraft dachte, dazu beigetragen, Frauen die Natur der Macht verstehen zu lassen.

Aus dem Englischen von Wolfgang Kaiser