Alltag und Arbeit

  Arbeits- und Alltagsleben der Frauen spielten sich innerhalb einer strengen Geschlechterhierarchie und sozialer Spannungsfelder ab. Ständiger Bevormundung ausgesetzt, mußten sich Frauen sowohl den gesellschaftlichen Konventionen als auch spezifischen ökonomischen Zwängen beugen. In den unteren und mittleren Schichten der Gesellschaft waren sie Familienmütter, hatten aber gleichzeitig zur Subsistenzsicherung beizutragen. Olwen Hufton stellt dar, wie Frauen während jedes Stadiums ihres Lebens in einem Abhängigkeitsverhältnis zu einer männlichen Autoritätsperson standen und wie ihre Arbeitskraft vom Vater auf den Ehemann und gegebenenfalls zusätzlich auf einen Arbeitgeber übertragen wurde. Als zweischneidige Angelegenheit erwies sich die Notwendigkeit für Frauen dieser unterprivilegierten Schichten, ihre Arbeitskraft zu verkaufen. Zum einen bedeutete dies einen Mehraufwand an Leistung zu den ohnehin anspruchsvollen familiären Pflichten, zum anderen bot dieser Umstand Frauen besonders ab dem 18. Jahrhundert eine Möglichkeit, aus ihrem engen häuslichen Wirkungsfeld auszubrechen, in begrenztem Umfange am öffentlichen Leben teilnehmen zu können und sich schrittweise wenngleich äußerst mühsam - zu emanzipieren.
Sara Matthews Grieco beleuchtet den Stellenwert der sich wandelnden Vorstellungen über Mode, Schönheit, Hygiene und gutes Benehmen insbesondere für Frauen zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert. Die Konjunktur, die der menschliche Körper während der Renaissance erlebte, ließ dessen Erscheinungsbild zu einem zentralen Objekt gesellschaftlicher Wahrnehmung werden. Sowohl Kleidung als auch Physis konnten Aufschluß über die soziale Herkunft einer Person geben. Obgleich sich im 18. Jahrhundert auch Frauen aus dem Volk — etwa die Londoner und Pariser Ladenmädchen zunehmend mit Farben und Gewändern schmückten und den Stil zeitgenössischer Trendsetter zu imitieren suchten, konnte dies zumeist nicht über ihre tatsächlichen Lebensumstände hinwegtäuschen: Puder und Makeup, die noch bis zu Beginn des 18. Jahrhunderts Wasser und Seife vorgezogen wurden, waren kostspielige Utensilien und somit nur für eine Minderheit erschwinglich.
Generell, so Sara Matthews Grieco, war die weibliche Sexualität außerhalb von Ehe und Mutterschaft ein potentiell bedrohliches Phänomen, obwohl es hinsichtlich des Sexualverhaltens zwischen der damaligen Stadt-und Landbevölkerung gewisse Unterschiede gab. In ländlichen Gegenden ging es im allgemeinen etwas freizügiger zu, da bäuerlichen Paaren vor der Heirat mehr Raum für eine gegenseitige Erprobung ihrer Sexualität zugebilligt wurde. In den mittleren und oberen Schichten war der eheliche Geschlechtsverkehr oft eine Art Gratwanderung zwischen Prüderie und Lust.
Wechselnde Idealbilder - üppigere Formen im 16. und 17. Jahrhundert, eng geschnürte Taillen dagegen im 18. Jahrhundert - und Wunschvorstellungen sahen in Frauen einerseits strahlende Verführerinnen, die andererseits jedoch nicht aus ihrer Mutterrolle entlassen werden sollten. Der weibliche Körper erfuhr während der Renaissance eine Idealisierung, wurde allerdings auch im alttestamentarischen Sinne als Mittel der Versuchung angeprangert, war sowohl Quelle aller Lust als auch aller Sünden. Veronique Nahoum-Grappe analysiert in ihrem Beitrag das Streben nach vollkommener Schönheit als sozio-ästhetisches System. Als Gefangene dieses Systems machten sich Frauen ihre natürliche Ausstrahlung zunutze, die ihnen gegebenenfalls einen gesellschaftlichen Aufstieg ermöglichte. Da der Bonus Schönheit selbstverständlich an altersbedingte Grenzen stieß, erwies er sich nur als eine flüchtige Bedrohung männlicher Autorität und konnte überdies, im Falle mittelloser junger Frauen, mit besonderen Risiken behaftet sein.
Während der Frühen Neuzeit erwachte das Interesse an einer umfassenden Alphabetisierung und Schulbildung, das sämtliche sozialen Schichten erfaßte. Ausschlaggebend für diese Entwicklung waren die wachsende soziale Mobilität aufgrund einer an Selbstbewußtsein gewinnenden urbanen Mittelklasse sowie solche technischen Errungenschaften wie der Buchdruck, der die weitläufige Verbreitung von Schriften - insbesondere religiöser Erbauungsliteratur - und zeitgenössischen Kontroversen ermöglichte. Martine Sonnet beschreibt diesen historischen Wandel und dessen Auswirkungen auf den Alltag von Frauen der damaligen Zeit. Wenngleich für Frauen das Erreichen eines gewissen Bildungsstandes als notwendig erachtet wurde, oblag es den schulischen Institutionen lediglich, aus Mädchen gehorsame Ehefrauen, aufopferungsvolle Mütter und gläubige Christinnen zu machen. Allerdings hatten die neuen katholischen Lehrorden und erweiterten protestantischen Bildungseinrichtungen dazu beigetragen, daß Frauen mit dem 18. Jahrhundert befähigt wurden, den Lehrerinnenberuf auszuüben. Somit wurde ihnen eine Gelegenheit geboten, auch außerhalb der Ehe ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Überdies machte man sich zu jener Zeit auch Gedanken über die Einführung höherer Ausbildungsstätten für Frauen.
Das religiöse Leben hatte sich im Zuge der Reformation und Gegenreformation grundlegend verändert. Mit der daraus resultierenden Erosion der klerikalen Macht ergaben sich Freiräume, die von Frauen bewußt besetzt wurden, um der Monotonie ihrer familiären und ehelichen Bestimmung zu entfliehen. Martine Sonnet beschreibt, in welchem Maße Frauen schrittweise Zugang zu nahezu ebenso vielen Formen religiöser Betätigung bekamen wie Männer, selbst wenn es ihnen auch weiterhin verwehrt blieb, sich als Priester, Pastoren oder Rabbis zu betätigen. In jüdischen Gemeinden, in denen der aktive Gottesdienst den Männern vorbehalten war, inspirierte die Verbreitung gedruckter religiöser Schriften in jiddischer Sprache Frauen dazu, ihre Gebete für den Hausgebrauch selbst zu ersinnen. Im katholischen Einflußbereich gab es einen regen Zuwachs an wohltätigen Bruderschaften, und die neugegründeten Orden nahmen inzwischen auch Mitglieder auf, die nicht den traditionellen mittelalterlichen Elitefamilien entstammten. Von missionarischem Eifer getrieben, zogen Frauen, denen die klösterliche Umgebung zu eng war, in die Neue Welt, um Huronen und Irokesen das Wort Gottes zu verkünden. Im protestantischen Bereich wurde die Konkubine des Priesters durch die Pfarrfrau ersetzt, und man legte den weiblichen Gläubigen gar das Studium der Bibel nahe, obgleich Männer auch weiterhin den religiösen Rahmen des Familienlebens bestimmten. Immerhin ermöglichte dies Frauen die geistige Auseinandersetzung mit der Schrift und gab Alphabetisierungskampagnen Auftrieb. Evangelische Aktivistinnen behaupteten nunmehr öffentlich, daß Religion und Barmherzigkeit ein den Frauen von der Natur bestimmtes Betätigungsfeld darstellten, und radikale Sekten ließen es zu, daß Frauen in der Kirche das Wort ergriffen und Predigten hielten.
Elisja Schulte van Kessel beleuchtet die Rolle, die katholische Mystikerinnen innerhalb ihrer Konfession einnahmen. Das Streben nach der vollkommenen Einheit mit Christus, das sowohl innerhalb als auch außerhalb des klösterlichen Kontexts ungeahnte spirituelle Möglichkeiten verhieß, wurde von den Kirchenoberen argwöhnisch beobachtet und kontrolliert.
Selbst in der Politik, dieser traditionell maskulinen Sphäre, profilierten sich Frauen als Herrscherinnen, Konkubinen, Beraterinnen, Verfasserinnen von Flugblättern und gelegentlich auch Aufrührerinnen. Natalie Zemon Davis untersucht die spezifischen Arten der politischen Einflußnahme von Frauen, die sich zumeist aus privaten Beziehungen ergaben. Waren Frauen in der Lage, sich als Staatsbürgerinnen aktiv am öffentlichen Leben einer Republik zu beteiligen? Während der letzten Jahre des Ancien Regime wurde diese Frage von engagierten Frauen und Männern aufs entschiedenste bejaht, während eine andere Fraktion darauf beharrte, daß Frauen lediglich in der Religion ihre wahre Bestimmung finden.
A.F.-N.Z.D.