Teil der abendländischen Vorstellungswelt war lange Zeit die Überzeugung, daß die schadenstiftende und dämonische Hexerei eng mit der weiblichen Natur verbunden sei und daß im weiteren Sinne in jeder Frau eine potentielle Hexe stecke. Soweit man das heute beurteilen kann, ist dieses Klischee um 1400 entstanden und hat sich zumindest im Strafrecht bis Ende des 17. Jahrhunderts gehalten. Im 19. Jahrhundert wurde es von der Romantik wieder aufgegriffen und in Märchensammlungen, im historischen Roman, in der Malerei und in der lyrischen Musik dem Zeitgeschmack angepaßt. Die Hexe wurde so ein Teil der schwarzen Legende eines noch kaum bekannten und weitgehend mythischen Mittelalters. Die Historiker haben noch immer Schwierigkeiten, sich von diesem obsessiven Bild zu lösen. Als Jules Michelet 1862 La Sorciere veröffentlichte - ein provokantes Buch, gleichzeitig ein bewundernswerter Hymnus auf die Frau -, wandte er sich gegen diesen Gemeinplatz der historischen Tradition. Seine Hexe ist weder häßlich noch alt, nicht einmal bösartig. Sie ist einfach eine Verkörperung der Frau, der »Mutter, zärtlichen Hüterin und treuen Nährerin«, die er zur zentralen Figur seines Werkes machte - ein Opfer, keine Kriminelle. Aber bei seinem Versuch, das Bild der Hexe aufzuwerten, unterlag Michelet genau der Logik, deren Folgen er kritisch aufzeigen wollte und deren Verantwortung er der Kirche zuschrieb: der Gleichsetzung von Frau und okkulten Mächten.
Selten hat ein Thema so fasziniert wie die Hexerei. Durch die Hexerei finden wir Zugang zu einem System von Vorstellungen, zu einer Weltsicht - zu den Beziehungen zwischen den Menschen und den übernatürlichen Kräften und zu den jeweiligen Rollen von Mann und Frau in der Gesellschaft des Ancien Regime. Es handelt sich um eine komplexe Geschichte, die über alle notwendigen Verallgemeinerungen hinaus die Beachtung der zeitlichen und räumlichen Nuancen erfordert.
»Auf einen Hexer zehntausend Hexen«
Die Statistik scheint die Vorstellung zu bestätigen, wonach die Frau unmittelbar in das vermeintliche oder reale Verbrechen der Hexerei verwickelt gewesen sein soll. Wir wollen kurz einige Ergebnisse von jüngeren regionalen Untersuchungen aufgreifen. In England, in der Grafschaft Essex im Westen Londons, wurden vor den Schwurgerichten zwischen 1560 und 1680 270 Personen der Hexerei verdächtigt; davon waren 91% Frauen. In Frankreich, im heutigen Departement Nord, finden sich in den Archiven der Gerichte die Spuren von 288 Personen, die von der Mitte des 16. bis zum Ende des 17. Jahrhunderts wegen Hexerei angeklagt waren. Der Anteil der Frauen beträgt 82%. Ein vergleichbarer Anteil findet sich in Süddeutschland und im Jura, wo die Hexenverfolgung ihren Ausgang nahm. In Baden-Württemberg zählt man 15 große »Epidemien«, die von 1562 bis 1684 zur Hinrichtung von 1050 der Hexerei verdächtigen Personen geführt haben, davon 82% Frauen. In einem Gebiet, das das Bistum Basel, das Fürstentum Montbeliard, die Franche-Comte, die Schweizer Kantone Fribourg und Neuchatel, das Waadtland und Genf umfaßt, betrafen 1365 Anklagen wegen Hexerei zwischen 1537 und 1683 1060 Frauen, das heißt nahezu 78%. Neuengland war noch im 17. Jahrhundert ein vorgeschobener Brückenkopf des Abendlandes in Nordamerika. Es erlebte eine späte Welle der Hexenverfolgung. Auch hier waren von den 355 Personen, die zwischen 1647 und 1725 angeklagt wurden, 79% weiblichen Geschlechts. Die Zahlen sprechen für sich. Im 16. und 17. Jahrhundert war das Risiko der Frau viermal so groß, des Verbrechens der Hexerei angeklagt und dafür hingerichtet zu werden.
Die juristischen Traktate - am Anfang im wesentlichen die Handbücher der Inquisitoren - bestätigen die Rolle der Frau in der Hexerei. Aber sie erscheinen erst am Ende des 15. Jahrhunderts, während der Mythos der Hexerei - der Glaube an die Existenz einer Sekte von Hexern, die sich dem Kult des Teufels hingeben - schon Ende des 14. Jahrhunderts auftaucht und zu immer strengeren Verfolgungen führt. Die ersten Gemeinschaftsprozesse gegen vermeintliche Hexer fanden 1397-1406 in Boltingen in der Schweiz statt, im Kanton Luzern, von 1428 an im Wallis und in der Dauphine und vermehrt seit der Mitte des Jahrhunderts. Die Strafverfolgung wird anfänglich von kirchlichen Richtern eingeleitet, den Inquisitoren, die im 16. Jahrhundert von weltlichen Richtern abgelöst werden. Mit der Bulle Summis desiderantes affectibus von 1484 erhält die Hexenjagd den päpstlichen Segen, und Innozenz VIII. ernennt zwei Inquisitoren, Jakob Sprenger und Heinrich Institoris, die das Verbrechen der Hexerei im mittleren Rheintal verfolgen sollen.
Über den Ursprung des Hexenmythos gibt es zwei einander widersprechende Thesen: Der ersten These zufolge ist er in einer Linie zu sehen mit der Existenz schamanischer Traditionen, die seit der Antike im ganzen eurasischen Kulturraum verbreitet waren; der zweiten These zufolge ist er eine intellektuelle Konstruktion der Kleriker, ausgehend von den Gemeinplätzen der religiösen Polemik des Mittelalters. Wie dem auch sei - an der Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert kommt es zu einer kulturellen Revolution, in deren Gefolge ein System von Weltbildern entsteht, das nahezu drei Jahrhunderte Gültigkeit behalten sollte. Das Abendland ist überzeugt, daß es eine Sekte von Hexern gibt, die sich durch einen Pakt Satan verschrieben haben. Diese Hexer besitzen unheilvolle Kräfte und fügen den Menschen und Gott Schaden zu, um die Religion des Teufels zu errichten. Sie werden verantwortlich gemacht für Naturkatastrophen, die Mensch und Vieh heimsuchen (wie Epidemien, Unbilden der Witterung, schlechte Ernten, Viehseuchen), und für individuelles Unglück (wie den unerklärlichen Tod eines kleinen Kindes, die Unfruchtbarkeit der Frau, die Impotenz des Mannes). Sie treffen sich auf nächtlichen Versammlungen - dem Sabbat oder der Synagoge -, in deren Verlauf sie dem christlichen Glauben abschwören und den Teufel anbeten. Ein großes Bankett beschließt den Sabbat. Man verschlingt dort kleine Kinder, und die Versammlung endet mit einer allgemeinen Orgie, bei der die Hexer sich mit Sukkuben und die Hexen mit Inkuben paaren. Die Sektenbildung, der Abfall vom christlichen Glauben, der Teufelskult, der rituelle Mord, alles trägt dazu bei, in dem Mythos der Hexerei eine Häresie zu sehen - die abscheulichste Häresie überhaupt, da sie die christliche Religion zu Fall bringen und durch die Religion Satans ersetzen will.
Im Jahre 1486 veröffentlichen Jakob Sprenger und Heinrich Institoris in Straßburg ein Buch, dem ein beträchtlicher Erfolg beschieden war: den Malleus maleficarum, den Hexenhammer. Zum ersten Mal behaupten die Autoren - tatsächlich Heinrich Institoris, der alleinige Verfasser des Buches - eine unmittelbare Verbindung zwischen der Häresie der Hexerei und der Frau. Bei ihrer Demonstration dessen, was sie aufgrund ihrer Erfahrung als Inquisitoren fraglos glauben, schöpfen sie ihre Argumente aus der misogynen Tradition des Alten Testaments, aus den Texten der klassischen Antike und der Autoren des Mittelalters. Hier erfinden die beiden Dominikaner nichts; sie begnügen sich damit, bis dahin disparate oder implizite Vorstellungen zusammenzutragen und sie als gute Scholastiker klar und systematisch zu formulieren. Der Hexenhammer wurde in der Folge oft kopiert, aber nie erreicht. Die großen Dämonologen des 16. Jahrhunderts, der Inquisitor Bernardo Rategno da Como, der spanische Jesuit Martin Del Rio und der französische Jurist Jean Bodin, beriefen sich stets auf seine Autorität.
Die Minderwertigkeit der Frau geht auf die Genesis zurück, genauer auf zwei Episoden, die von den Theologen immer wieder kommentiert wurden: die Erschaffung Evas und den Sündenfall. Gott hat Eva aus einer Rippe Adams geschaffen, was in den Augen der Theologen die Unterwerfung der Frau unter den Mann rechtfertigt. Und da die Rippe ein gebogener Knochen ist, konnte der Geist der Frau nur verbogen und pervertiert sein: Der Sündenfall ist der Beweis dafür. Eva, vom Satan verführt, führte Adam in Versuchung, also ist die Frau unmittelbar verantwortlich für den Sündenfall des Mannes. Für die Autoren des Hexenhammer ist die Existenzberechtigung der Frau nur darin zu sehen, daß sie für die Fortpflanzung notwendig ist, indem sie dem Mann Kinder schenkt, sowie für die Ökonomie des Hauses, indem sie dem Mann durch ihre Ergebenheit und ihre Zuneigung bei seiner Arbeit hilft. Auf der anderen Seite ist die Frau jedoch aufgrund ihrer Sexualität auch eine Gefahr. Für das Christentum bleibt die Jungfräulichkeit das Ideal; das Paar ist nur eine Notlösung für die Laien, damit sie nicht die Todsünde der Begehrlichkeit und der Unzucht begehen. Die Misogynie im Hexenhammer basiert auf dieser sehr alten christlichen Tradition. Sie übernehmen das kategorische Urteil des Johannes Chrysostomos, wonach die Frau »die Feindin der Freundschaft (ist), die
unvermeidliche Strafe, das notwendige Übel, die natürliche Versuchung, das begehrenswerte Unglück, die häusliche Gefahr, die köstliche Geißel, das Böse der Natur, das in leuchtenden Farben gemalt ist« - Formulierungen, die das ganze Mittelalter hindurch verwendet wurden.
Institoris und Sprenger verstanden es, aus ihrer persönlichen Erfahrung als Inquisitoren und Hexenjäger Nutzen zu ziehen. Sie konnten feststellen, daß die Frau aufgrund ihrer rebellischen Natur und ihrer angeborenen Schwäche für die Versuchung durch den Teufel und den Schadenzauber empfänglich ist. Drei Gründe bringen danach die Frauen dazu, leichter dem Aberglauben zu verfallen als die Männer: Zum einen sind sie leichtgläubiger als die Männer, was Satan sehr wohl bekannt ist. und weshalb er sich vorzugsweise an sie wendet. Zum andern sind sie von Natur aus leichter zu beeindrucken und daher durch die Täuschungen des Teufels leichter zu manipulieren. Und schließlich sind sie sehr geschwätzig und können nicht umhin, sich untereinander auszutauschen und ihre Kenntnisse in der Kunst der Magie weiterzugeben. Ihre Schwäche zwingt sie dazu. Geheimnisse zu benützen, um sich mit Hilfe des Schadenzaubers an den Männern zu rächen.
Der Hexenhammer erzeugt den Eindruck, daß die Hexerei nur ein Krieg der Geschlechter ist, zwischen aggressiven Hexen auf der einen Seite und den in ihrer Fortpflanzungsfähigkeit bedrohten Männern auf der anderen Seite. In mehreren Kapiteln ihres Werkes beschreiben die beiden Dominikaner, wie die Hexen es anstellen, den Männern ihre Zeugungsfähigkeit bzw. ihr Glied zu rauben, aber sie verweisen auch auf die geeigneten Mittel gegen solche Aggressionen. In kurzer Zeit setzte sich das Bild der dämonischen Hexe im ganzen Abendland durch. Die Angst speist sich aus den Prozessen und den immer zahlreicheren Scheiterhaufen, die die allgemeine Meinung in ihrer Überzeugung bestärken, daß die Hexer Hexen sind. Auch wenn die Inquisition eine schwerwiegende Verantwortung trägt bei der Entstehung eines Klischees, das zu solch dramatischen Konsequenzen führen sollte, sind doch nicht alle Inquisitoren fanatische Mönche, wie man sie sich gewöhnlich vorstellt. Heinrich Institoris war sein ganzes Leben lang ein Ketzerjäger, aber Jakob Sprenger hatte hohe Ämter in seinem Orden und in der Umgebung des Papstes inne. Er verwendete einen großen Teil seiner Energie darauf, die rheinischen Dominikanerklöster zu reformieren, und er war ein unermüdlicher Verbreiter des Rosenkranzes. Diese Kleriker begnügten sich damit, mit der ihnen eigenen Logik die Ängste und Erwartungen ihrer Zeitgenossen in intellektueller und plausibler Form zum Ausdruck zu bringen.
Die Historiker stehen vor vielen Fragen über die Verfolgung der Hexerei und den plötzlichen Anstieg der gegen die Frauen gerichteten Gewalt. Mehrere Gründe wurden dafür angeführt. Im allgemeinen wird angenommen, daß die Hexerei ein Ausdruck des Elends der Epoche war und ihre Verfolgung eine Antwort auf die Naturkatastrophen, die das Volk heimsuchten. Der Mensch, der noch nicht in der Lage war. die Natur zu beherrschen, konnte sich Phänomene, die sein Verständnis überstiegen, nur mit übernatürlichen Dingen erklären. Eine Epidemie, eine schlechte Ernte, ein unerklärlicher Todesfall oder ein Unglück waren das Werk des Teufels. Die Historiker haben daher die alte Theorie des Sündenbocks wieder ausgegraben, die sich die Anthropologen am Ende des letzten Jahrhunderts ausgedacht haben: Die Gesellschaft brauchte Schuldige. Man fand sie unter den nicht angepaßten und am Rand stehenden Gruppen, die der Verfolgung einen schweren Tribut entrichteten. In erster Linie, Frauen - die ältesten, häßlichsten, ärmsten oder aggressivsten, diejenigen, die Angst erzeugten. Die dörflichen Gemeinschaften konnten auf diese Weise ihre Spannungen an ihren schwächsten Gliedern entladen.
Diese große Angst, die die Menschen in Europa im ausgehenden Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit umtrieb, entwickelte sich unter ungünstigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedingungen. Der Wandel der Familie muß dabei eine bedeutende Rolle gespielt haben. So dürfte das seit dem 16. Jahrhundert immer höhere Heiratsalter, verbunden mit einer immer strengeren Sexualmoral unter dem Einfluß der protestantischen und katholischen Reformation, bei den jungen Männern, die sowohl vom Heiratsmarkt als auch vom Besitz des Bodens ausgeschlossen waren, erhebliche Frustrationen hervorgerufen haben. Ein leichtes Opfer bildeten am anderen Ende der Alterspyramide die Witwen, manchmal mit Kindern belastet, häufig in wirtschaftlichen Schwierigkeiten und ohne gesellschaftliche Anbindung, denn eine Wiederheirat war für sie unvorstellbar. Eine Studie hat gezeigt, daß in Neuengland zum Beispiel 80% der zwischen 1647 und 1725 wegen Hexerei angeklagten Personen Frauen und zwei Drittel der Personen, die Klage führten, Männer waren. Viele dieser vermeintlichen Hexen waren alleinstehende Frauen, die keinen Ehemann, keinen Sohn und keinen Bruder hatten und für deren Güter, für die es keine Erben gab, die normalen Regeln der Erbfolge nicht galten.
Man hat auch die Umwälzungen in den ländlichen Regionen seit dem Ende des Mittelalters verantwortlich gemacht. Die Konzentration des Grundbesitzes und die Auflösung kollektiver Zusammenhänge also die Entstehung des Agrarkapitalismus - drängten die Ärmsten an den Rand, vor allem die Witwen. In England wie in den Niederlanden scheint die Verfolgung der Hexerei eine Reaktion auf die soziale Angst zu sein, die durch die Zunahme der Bettelei und der Armut auf dem Lande hervorgerufen wurde. Es wurde eine enge Verbindung zwischen den Veränderungen in der Besitzstruktur, den Armengesetzen und der Hexenverfolgung festgestellt. Auch in der Stadt wird die Hexerei von solchen sozio-ökonomischen Bedingungen geprägt. 1692-93 waren die Hexen von Salem in Massachusetts Opfer eines heftigen Konflikts zwischen den landbesitzenden Bauern, die gesellschaftlich im Niedergang begriffen waren, und den Händlern im Hafen, deren ökonomische und politische Macht sich in der Stadt Geltung zu verschaffen begann.
Bleibt schließlich die bereits von Michelet vorgebrachte These, wonach die Frau als Wahrerin der Geheimnisse der Volksmedizin die bevorzugte Zielscheibe der Inquisitoren und weltlichen Richter war, die davon überzeugt waren, daß nur der Teufel ihr diese Kenntnisse mitgeteilt haben konnte. Diese allmähliche Verlagerung von der weißen auf die schwarze Magie ist in den Traktaten über die Dämonologie deutlich erkennbar. Wenn die Frau die Macht besitzt, durch symbolische Mittel oder die Anwendung von Pflanzen zu heilen, kann man sich dann nicht vorstellen, daß sie auch imstande ist, ihrer Umgebung durch ähnliche Verfahren Schaden zuzufügen? Die juristische Praxis gibt ihnen recht. An allen untersuchten Orten ist der Anteil der der Hexerei verdächtigten Hebammen und Heilerinnen sehr hoch. Je älter sie sind, desto größer ist ihre Erfahrung und desto verdächtiger sind sie.
Diese verschiedenen Hypothesen ermöglichen es, ein Modell zu entwerfen, das in seinen großen Linien der von den Dämonologen definierten Norm entspricht. Aber auch wenn sie - mehr oder weniger harmonisch miteinander kombiniert - die lokalen Manifestationen der Hexerei und ihrer Verfolgung zu erklären vermögen, so können sie weder das Phänomen in seiner Gesamtheit noch die zahlreichen Abweichungen von der Norm erklären. Nicht alle wegen Hexerei angeklagten Personen waren Frauen. Im Durchschnitt waren 20% der Angeklagten Männer, und sie verdankten ihr trauriges Schicksal nicht alle dem einzigen Mißgeschick, ausgemachte Hexen geheiratet zu haben. Andererseits waren nicht alle Hexen alt, verwitwet oder arm. Auch wenn der Anteil der Witwen unter den Hexen höher ist als der entsprechende Anteil in der Bevölkerung, so waren doch die meisten Hexen verheiratete Frauen oder im heiratsfähigen Alter, und auch ihr hoher sozialer Rang konnte manchen die Anklage oder die Verurteilung nicht ersparen.
Die Verbindung von sich häufenden Naturkatastrophen und dem Glauben an die Hexerei scheint durch die Jagd auf die »Verursacher« der Pest bestätigt zu werden, die nach jeder Epidemie veranstaltet wurde, insbesondere in Genf und 1630 in Mailand, ein Fall, der durch die Verlobten von Alessandro Manzoni berühmt wurde. Aber als die Pest erstmals 1347-1348 Europa heimsuchte, waren es zunächst andere Bevölkerungsgruppen, Juden und Leprakranke, die angeklagt wurden, die Krankheit zu verbreiten. Erst im 15. Jahrhundert wurde eine imaginäre Sekte von Hexern wegen dieses Verbrechens angeklagt. Darüber hinaus erlebte das Abendland vom Ende des 15. bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts eine Zeit des relativen Wohlstands - zur selben Zeit, als die Verfolgung der Hexerei ihren Höhepunkt erreichte. Auch wenn der schnelle wirtschaftliche Wandel beim Auftauchen der Hexerei eine wichtige Rolle gespielt haben mag - im 16. Jahrhundert in England und in den Niederlanden und im 17. Jahrhundert in Neuengland -, so ist ein solcher Wandel kaum bezeugt in Lothringen, in der Franche-Comte, in den Alpen und dem Baskenland, in Gegenden also, wo die Verfolgung der Hexerei besonders heftig war.
Hinter dem vereinfachenden Begriff der Hexerei verbirgt sich in Wirklichkeit eine Vielfalt, die Europa im ausgehenden Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit noch kannte und die durch die religiöse Konkurrenz ihren Höhepunkt erlebte. Die spezifische Rolle, die der Frau bei der Hexerei zugeschrieben wurde, war ihrerseits abhängig von den Rollen, die Männern und Frauen in den europäischen Kulturen zugewiesen wurden. Um die tieferen Gründe für den Glauben an die Hexerei und seinen Erfolg herauszufinden, muß man auf dem Gebiet der Religion und der Kultur suchen.
Eine kulturelle Aufgabenteilung
Wenn man sich von den ideologischen Zwängen der Dämonologie freimacht, die von der historischen Tradition allzu bereitwillig übernommen wurden, wird das Bild komplexer.
Im Verhältnis zur Kriminalität insgesamt war der Anteil der Hexerei immer eher bescheiden, außer vielleicht in Südwestdeutschland, wo zwischen 1571 und 1670 über 3200 Personen hingerichtet wurden. Prozesse wegen Hexerei waren nicht sehr häufig, nur das öffentliche Interesse an diesem Verbrechen und die spektakuläre Strafe machten sie für die Geschichtsforschung so interessant. Indem die Historiker die Straftat der Hexerei isoliert und nicht innerhalb des Gesamtzusammenhangs der Kriminalität betrachteten, haben sie ihr eine Publizität verliehen, die in keinem Verhältnis steht zu ihrer wirklichen Bedeutung. Die Hexenjagd war nie der Holocaust, als den man sie lange Zeit gern beschrieben hat, und es ist sogar möglich, daß der Anstieg der Prozesse im 15. Jahrhundert lediglich auf die wachsende Bürokratisierung der juristischen Verwaltung und damit auf eine größere Zahl von Archiven zurückzuführen ist. Die Prozesse wegen Schadenzauber und Hexerei kamen seit dieser Zeit vor die Gerichte, während sie vorher in einfacheren und kürzeren Verfahren geregelt wurden. Andererseits wurde zu Recht hervorgehoben, daß durch die Verknüpfung der dämonischen Hexerei mit der Stellung der Frau letztere zum bevorzugten Opfer einer kulturell und sozial determinierten Verfolgung wurde. Aber man vergißt dabei, daß die Hexerei nicht die einzige Straftat mit gesellschaftsspezifischer Konnotation war. Die Sodomie (Homosexualität) wurde als spezifisch männlich angesehen. Die Hexe ist eine Frau mit zügelloser Sexualität, die den Zeugungsorganen des Mannes Schaden zufügt und sich mit Dämonen paart, wodurch sie den natürlichen Gesetzen der Fortpflanzung zuwiderhandelt. Der Homosexuelle unterminiert die Ordnung der Fortpflanzung, indem er sich mit einem anderen Mann paart und sein Sperma vergeudet. Beide Straftaten wurden im übrigen mit der gleichen Strenge verfolgt und in den offiziellen Erlassen zusammen erwähnt, mit denen die Richter aufgefordert wurden, verschärft dagegen vorzugehen.
Bei seinen Nachforschungen über die Hexe hat der Historiker letztlich den Hexer vergessen, dessen Präsenz an manchen Orten in keiner Weise nur eine marginale ist. In den deutschsprachigen Ländern Luxemburgs waren von 316 Personen, die am Ende des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts wegen Hexerei angeklagt waren, 218 Frauen und 98 Männer, das heißt 31% vermeintliche Hexer. In der Stadt Luxemburg wurden von 1619 bis 1625, auf dem Höhepunkt der Verfolgung, 20 Männer und 21 Frauen angeklagt. Weiter im Süden, in der heutigen Schweiz, finden wir häufiger Beispiele, die vom bekannten Modell abweichen. In Fribourg betrug der Anteil der Hexer zwischen 1609 und 1683 36%, im Waadtland zwischen 1539 und 1670 sogar 42%. In Süddeutschland erlebte die Stadt Würzburg einen rapiden Anstieg der Verfolgung unter ihrem Bischof Philipp Adolf von Ehrenberg: Von 1627 bis 1629 wurden 160 Personen bei 29 öffentlichen Verbrennungen hingerichtet. Über die Hälfte waren männlichen Geschlechts, ein Viertel davon Kinder. Im Zuständigkeitsbereich des Parlaments von Paris, der um das Jahr 1600 ungefähr zwei Drittel des französischen Königreichs umfaßte, legten von 1565 bis 1640 1094 Personen Berufung ein gegen ein Todesurteil, das von einem Gericht in erster Instanz wegen Hexerei ausgesprochen wurde: 565 (das heißt ungefähr 52%) waren Männer. In Frankreich brachten die großen Hexereiprozesse, die die öffentliche Meinung erregten, Hexer und nicht Hexen vor Gericht. In der Vauderie von Arras, die 1460 ausbrach, findet man nur eine kleine Prostituierte aus Douai inmitten mehrerer Notabeln der Stadt, die angeklagt, verurteilt und größtenteils hingerichtet wurden. Im 17. Jahrhundert wurden in den Prozessen von Aix-en-Provence (1611), Loudun (1634) und Louviers (1647) Priester wegen ihres Umgangs mit den Dämonen verurteilt - Frauen und Nonnen waren die Opfer ihres Schadenzaubers.
Es bleibt ein letzter Aspekt der Hexerei, der bei den Historikern nicht genügend Aufmerksamkeit gefunden hat: Nachdem die Gebiete, in denen die Hexerei verfolgt wurde, inzwischen bekannt sind, unterläßt man es, darauf hinzuweisen, daß ein großer Teil Europas im 16. und 17. Jahrhundert die Hexenjagd überhaupt nicht kannte: Italien, Spanien, Portugal und deren Kolonien. In diesen Ländern sind die einzigen Regionen, in denen es zu örtlich begrenzten Verfolgungen kam, an der Peripherie gelegene Grenzprovinzen, die mit Ländern Kontakt hatten, in denen die Hexenjagd wütete: die Alpentäler der Lombardei am Ende des 16. Jahrhunderts, das Baskenland im Jahre 1610, das Trentino um das Jahr 1625. Die Nichtberücksichtigung dieser weißen Flecken auf der Landkarte der Hexerei verhindert eine korrekte Interpretation des Phänomens,
Eine solche Interpretation erfordert zunächst, den Glauben an Schadenzauber vom Satansmythos zu trennen. Ersterer kann ohne letzteren auskommen, das Gegenteil ist nicht möglich. Während des ganzen 16. Jahrhunderts wurden in England Hexen gejagt, ohne daß man sich jemals implizit oder explizit auf den Teufelspakt bezogen hätte. Erst der Witchcraft Act von 1604 stellt offiziell eine Verbindung zwischen beidem her. Im übrigen fiel in der angelsächsischen Welt und sogar im puritanischen Neuengland, das empfänglicher war für das Werk des Teufels, die Hexerei in den Bereich des Strafrechts und nicht des religiösen Rechts. Die Hexen wurden gehängt und nicht verbrannt. Auf dem Kontinent ist die Situation komplizierter. Im deutschen Reich nannte die Carolina von 1532, die für Hexereiprozesse die Todesstrafe vorsah, nicht die Art der Hinrichtung, was ein Hinweis darauf ist, daß über die Verbindung des Schadenzaubers mit dem Satansmythos anscheinend noch nicht entschieden war. In den Prozessen des Ancien Regime wurden die Hexen wegen der angeblich von ihnen begangenen Verbrechen angeklagt, aber die Richter deuteten diese Anklagen im Sinne des Satansmythos.
Der Glaube an die unheilbringende Frau, die mit zerstörerischen, übernatürlichen Kräften ausgestattet ist, ist alt. Es ist die strix der Antike, die kannibalische Frau, die bei Nacht umherfliegt, um ihre Verbrechen zu begehen, deren Existenz in mittelalterlichen Zeugnissen erwähnt wird und die im 14. Jahrhundert wieder in den Archiven auftaucht. Der Glaube an die unheilbringende Frau und der Satansmythos verschmolzen im 15. Jahrhundert miteinander und verhalfen der Wahnvorstellung von der dämonischen Hexe zum Leben.
Der Satansmythos hat sich im Kontext der mittelalterlichen Häresie herausgebildet. Der Glaube an die Existenz einer Sekte von Hexern, die sich dem Kult Satans hingaben, wurde von den Inquisitoren in ihrem Kampf gegen die heterodoxen Bewegungen des ausgehenden Mittelalters - die Vaudois und die Fratizellen - erfunden. Im 15. Jahrhundert und in den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts deckt sich die Geographie der Hexerei genau mit derjenigen der Häresie: Ober- und Mittelrhein, die Alpen, die Dauphine, Nord- und Zentralitalien, das Baskenland. Die päpstlichen Bullen, die den Inquisitoren in ihrem Kampf gegen die angeblich satanische Häresie weitgehende Befugnisse einräumten, erwähnen nicht, daß Frauen verdächtiger sind als Männer.
Sowohl die Bulle von Innozenz VIII. aus dem Jahr 1484 wie die von Alexander VI. (Cum acceperimus), die an den Generalinquisitor der Lombardei Fra Angelo da Verona gerichtet war, erwähnen immer »Personen beiderlei Geschlechts«. Dies macht auch Episoden wie die Vauderie von Arras im Jahre 1460 plausibel: Nichts weist klar darauf hin, daß Frauen der satanischen Häresie mehr zuneigen als Männer. Erst die Inquisitoren bringen an manchen Orten eigenmächtig die Frau mit dem Teufelskult in Verbindung. Sie machen sich dabei noch lebendige Glaubensvorstellungen zunutze, wie die von der unheilbringenden Frau oder von der »Gesellschaft der Diana«, wonach manche Frauen nachts im Gefolge einer Göttin, der römischen Diana oder der germanischen Perchta, durch das Land ziehen und sich in den Wäldern versammeln, um Tiere zu essen, denen sie danach das Leben wiedergeben. Dieser Glaube, der bereits im 10. Jahrhundert in einem berühmten Text erwähnt wird, dem Kanon Episcopi, war in der Alpenregion und in Norditalien am Ende des Mittelalters immer noch verbreitet.
Die Inquisitoren handelten nicht ohne Grund; ihre intellektuellen Wurzeln lassen sich bis zum Anfang des 15. Jahrhunderts zurückverfolgen. Im vorhergehenden Jahrhundert hatte die Frau mit Hilfe der Bettelorden und deren weiblichen dritten Orden ihre Autonomie und ihre Ausdrucksfreiheit in der Kirche gefordert. Das große abendländische Schisma, eine Krise, wie sie das Christentum bis dahin nicht gekannt hatte, ermöglichte das Entstehen einer von Frauen getragenen prophetischen Bewegung, deren Galionsfiguren Katharina von Siena und Birgitta von Schweden waren und deren subversives Moment die Kleriker von Anfang an erkannt hatten - sie sahen darin zu Recht eine Infragestellung ihres Monopols.
Der Fall Birgittas von Schweden ist in vieler Hinsicht exemplarisch: Nicht weniger als drei päpstliche Bullen waren notwendig, um ihre Heiligsprechung durchzusetzen, die in Teilen des Klerus nie völlig anerkannt wurde. Bei den verschiedenen Prozessen zu ihrer Heiligsprechung konnten die Gegner der Prophetin zu Wort kommen. Mehrere herausragende Doktoren wie Jean Gerson, Pierre d'Ailly und Heinrich von Langenstein zeigten sich mißtrauisch gegenüber dem weiblichen Prophetismus. Diese Debatte führte zu einer strengeren Unterscheidung der geistigen Fähigkeiten, die dadurch, daß sie die Frau im Vergleich zum Mann als empfänglicher für die Täuschungen des Teufels schilderte, mit dazu beitrug, die theologisch begründete Minderwertigkeit der Frau festzuschreiben und sie aus kirchlichen Ämtern auszuschließen. Am Ende des 15. Jahrhunderts brauchten die Inquisitoren, die besessen waren von der satanischen Gefahr, nur aus diesen Traktaten zu schöpfen, um ihre eigenen Überzeugungen zu bekräftigen.
In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts interessiert sich die Inquisition nicht mehr für den Kampf gegen die satanische Hexerei. Sie glaubt nicht mehr wirklich daran, und sie macht eine tiefe Krise durch, als sie sich dem dringenderen Problem der reformierten Häresie stellen muß. Der Satansmythos wird nun von den weltlichen Richtern übernommen, aber die enge Verbindung zwischen Hexerei und Häresie bleibt bestehen. Die Geographie der großen Hexenjagd des 16. u.17. Jahrhunderts deckt sich mit den Berührungszonen zwischen Katholizismus und Reformation; die Verfolgung findet auf beiden Seiten der religiösen Grenze statt: in den Niederlanden, in Luxemburg und Lothringen, im Rheintal und in Süddeutschland, im Burgund, in der Franche-Comte, den Schweizer Kantonen, der Dauphine, im Bearn und im Baskenland, in manchen Orten des Loiretals und in der Normandie. In den Gebieten, wo die Häresie schnell vernichtet wurde oder wo sie nie Fuß gefaßt hat - im Süden Europas und in Lateinamerika -, kennen wir keine Hexenjagd.
Die feudalen und königlichen Richter übernahmen die gegen die Frau gerichtete Argumentation, so wie sie von den Inquisitoren ein Jahrhundert zuvor entwickelt worden war, auf katholischer Seite mit größerer Strenge als auf protestantischer. Deutschland ist ein gutes Beispiel: In Südwestdeutschland war die Zahl der Verfolgungen wegen Hexerei in den katholischen Regionen doppelt so hoch wie in den protestantischen, und die Zahl der Hinrichtungen lag viermal so hoch. Aber die Angst vor dem satanischen Komplott, die noch verschärft wurde durch den religiösen Konflikt, brachte die Richter dazu, alle Formen der Magie mit der dämonischen Hexerei in Verbindung zu bringen: Die verschiedenen Kirchen trieben sie dazu an. Calvin schrieb eine Warnung vor der Astrologie (1549), während Papst Sixtus V. im Jahre 1586 die Bulle Coeli et Terrae Creator gegen alle Formen der Wahrsagerei veröffentlichte. Für beide war der Versuch, die Zukunft vorauszusagen, eine Schmähung der göttlichen Macht und er konnte nur durch einen impliziten oder expliziten Pakt mit dem Satan gelingen. Die gelehrten Formen der Wahrsagerei, die sich aus der jüdischen und arabischen Tradition herleiteten und angereichert waren durch die Praxis der Astrologie und Alchimie, erlebten während der Renaissance einen gewaltigen Aufschwung. Vor allem in den Städten, wo mehr Menschen nach einer Anklage wegen Hexerei auf dem Scheiterhaufen endeten, waren »Nekromanten«, Gebildete aus den höheren Schichten der Gesellschaft, für diese Vermischung verantwortlich.
Paradoxerweise sind es die Länder, die der Hexenjagd entgangen sind, die es uns erlauben, die überaus komplexen Glaubensvorstellungen zu verstehen, zu deren Vermischung der Satansmythos beiträgt, sowie die Männern und Frauen im Umgang mit den übernatürlichen Mächten jeweils zugeschriebenen Rollen. In Übereinstimmung mit der damals allgemein im Abendland verbreiteten Einstellung betreibt das Inquisitionsgericht von Neapel am Ende des 16. Jahrhunderts die Verfolgung der Magie. Es wird mit zwei einander entgegengesetzten kulturellen Verhaltensweisen konfrontiert.
Die gelehrte Magie wird von Intellektuellen vertreten, von Mönchen und Gelehrten - natürlich alles Männer, die alle Kräfte aufbieten, um versteckte Schätze wiederzufinden, die sie reich machen sollen. Ihre Kultur speist sich aus der neuplatonischen Magie der Renaissance, die die älteren Traditionen des mittelalterlichen Okkultismus aufgenommen hat. Die apokryphen Schriften des großen Magiers der Renaissance, Cornelius Agrippa von Nettesheim, sind ihre Lieblingsbücher. Sie geben untereinander Geheimnisse weiter, wie man Talismane herstellt, die sie mächtig oder unverletzbar machen sollen, oder wie man Geister beschwört, die ihnen die Zukunft und das Versteck der begehrten Schätze enthüllen sollen. Auf der anderen Seite gibt es eine volkstümliche Magie, die von ungebildeten Frauen einfacher sozialer Herkunft ausgeübt wird, von Heilerinnen oder Prostituierten. Ihre Macht beruht auf Kenntnissen, die mündlich von der Mutter an die Tochter oder unter Nachbarinnen weitergegeben werden. Sie praktizieren eine empirische Medizin, kennen die Geheimnisse der einfachen Leute, richten gebrochene Knochen oder verrenkte Gelenke wieder zurecht, behandeln die Krankheiten der Frauen und Kinder. Sie besitzen ein Wissen, das traditionell den Frauen zugeschrieben wird. Weil es naheliegt, werden sie Wahrsagerinnen, wenden den bösen Blick an und werden natürlich verdächtigt, andere zu verhexen. Die fattucchiere Süditaliens - wie ihre spanischen und amerikanischen Entsprechungen - vertreten ein Modell, das wahrscheinlich in ganz Europa verbreitet war, das aber hier aufgrund einer weniger blinden Repression überleben konnte.
Die neapolitanischen Inquisitoren kannten ihre Klassiker und versuchten, das dämonologische Modell auf die ihrer Gerichtsbarkeit unterworfenen Personen anzuwenden, denen dieses ebenfalls genau bekannt war. Aber es gelang ihnen nicht. Die traditionellen kulturellen Modelle leisteten Widerstand, und die Autoritäten, die von der Gefahr der Häresie nicht besessen waren, fragten nicht weiter. Im Norden, im Friaul, in der Nähe der religiösen Grenze, war die Situation komplexer. Die benandanti des Friaul träumen davon, die Hexer in der Nacht der Vier Zeiten zu bekämpfen. Sie werden von einem jungen Hauptmann unter der Fahne des Gekreuzigten angeführt und kämpfen mit Fenchelrohren gegen die Hexer, die mit Hirsestengeln bewaffnet sind. Vom Ausgang dieser Kämpfe hängt der Erfolg der jährlichen Ernte ab. Dieser schamanische Glaube ist sehr alt und stützt sich auf einen mythischen Kontext, der seit der Antike in ganz Mitteleuropa belegt ist: das Heer der umherirrenden Seelen, die vom Gott der Toten und des Krieges angeführt werden. Dieser Mythos, der seit dem Hochmittelalter verchristlicht wurde, ist in Norditalien im 16. Jahrhundert noch lebendig. Die benandanti sind aber allesamt Männer. Die wenigen Frauen, die in die Prozesse verwickelt waren, beziehen sich nicht auf die nächtlichen Schlachten gegen die Hexer, sondern auf einen anderen Fruchtbarkeitsmythos - die Gesellschaft der Diana. Auch im Friaul interpretierten die Inquisitoren diesen Glauben aufgrund des dämonologischen Modells, das sie in sich aufgenommen hatten: Die benandanti bekämpften nicht die Hexer, sie waren selbst Hexer, und ihr Hauptmann war niemand anders als der Teufel. Unter dem Druck der Inquisition zerfiel nach und nach die kulturelle und mythische Basis, auf der dieser schamanische Glaube beruhte. Aber die Zuordnung der benandanti zur satanischen Hexerei konnte sich nie richtig durchsetzen, und die Inquisition zeigte sich nur wenig grausam. Das Friaul kannte keine Scheiterhaufen.
Das Klischee der unheilbringenden und satanischen Hexe ist aus der Krise des Christentums am Ende des 16. Jahrhunderts entstanden, die sich mit dem Auseinanderfallen der religiösen Einheit im 16. Jahrhundert vertiefte. Hinter diesem Modell, das zur herrschenden Ideologie wurde, verbirgt sich eine große Vielfalt von Glaubensvorstellungen; dennoch sanktioniert es eine Herabsetzung des gesellschaftlichen Bildes der Frau am Ende des Mittelalters. Als man am Ende des 17. Jahrhunderts überall und zur gleichen Zeit vom Verbrechen der Hexerei abläßt, wird der kulturelle Status der Frau dennoch nicht aufgewertet. Das Verbrechen der Hexerei ist de facto, aber nicht von Rechts wegen aufgehoben. Im Falle einer Anklage sind die Richter gehalten, einen eventuellen Schadenzauber tatsächlich zu beweisen, aber die Existenz des Schadenzaubers selbst und noch weniger die des Teufels wird nicht in Frage gestellt. Mit dieser Entwicklung des Strafrechts geht aber ein allmählicher Wandel des gelehrten Diskurses über die Hexerei einher. Die großen Prozesse des 17. Jahrhunderts, die die gebildete öffentliche Meinung bewegten, trugen dazu bei, den Ärzten das Gebiet zu überlassen; aus der Ketzerin wurde so unmerklich eine kranke Frau.
Die Hexe, die zuvor mit dem Satan einen Pakt geknüpft hatte, wird zum Opfer ihrer eigenen Vorstellung. Der Satansmythos weicht der Hysterie, deren Beschreibung im 18. und vor allem im 19. Jahrhundert perfektioniert wird. Aus dem heutigen Abstand heraus kann man sich mit Recht fragen, ob das Bild der Frau dabei gewonnen hat. Als sie noch eine Hexe war, demonstrierten der Galgen oder der Scheiterhaufen in all ihrer Grausamkeit ihre strafrechtliche Verantwortlichkeit. Als Opfer ihrer eigenen Vorstellungen oder als Verrückte wird die Frau zu einem juristisch wegen Unzurechnungsfähigkeit nicht voll belangbaren Wesen mit begrenzter persönlicher Verantwortung.
Aus dem Französischen von Roswitha Schmid