Frauen(arbeit) und Medien

Warten auf die Brandkatastrophe

Ein Abend vor dem Bildschirm - mit Orientierungshilfen für Frauen

»Fernsehen wird für die Zuschauer gemacht ... Das Fernsehprogramm
hat für die Zuschauer nachweislich vor allem eine Orientierungsfunktion.
Das heißt für die Programmacher, den Zuschauern Orientierungshilfen
zu geben, ohne sie zu bevormunden.«
(Aus dem Jahrbuch des Zweiten Deutschen Fernsehens 1976)

18 Uhr: Weil er ihr immer alles abgenommen hat
Ein Eierkopf, ein breiter Mund. Keine Augen, keine Nase, keine Ohren, keine Haare. Eine krächzende weibliche Stimme.
Daneben ein Typ mit Schmachtlocke und Augenaufschlag. Er singt ihr ein Liebeslied - ach Liebling ich liebe dich ja sooo ... Während er sie ansingt, nimmt er eine Nase, klebt sie dem Eierkopf an. Ebenso Ohren und Augen mit langen Wimpern. Zuletzt stülpt er eine blonde Perücke über. Fertig ist die Frau, die er so liebt. Sein Sound wird immer anbetender, je sturer sie bleibt. Nein, sie liebt ihn nicht wieder, ihr nun mit weiblichen Attributen geschmückter Eierkopf bleibt verbissen, der Mund ein breites Fischmaul. Die alte Jungfer! Begreift nicht mal, wie froh sie sein kann, geliebt zu werden. Der Typ ist verzweifelt; und um wenigstens etwas von ihr zu bekommen, nimmt er ihr alles wieder ab: Perücke, Augen, Ohren, Nase - der Eierkopf mit breitem Maul ist wieder kahl: Symbol einer Frau, geschaffen durch IHN, entpersönlicht, entfraulicht durch IHN.
Dies ist eine Puppensequenz in der Sesamstrasse,[1] Vorschulreihe im sich progressiv gebenden 3. Programm des Deutschen Fernsehens.
Zielgruppe der Sendung: Mädchen und Jungen im Vorschulalter. Eine Gruppe von Kindern im entsprechenden Alter, der im Rahmen eines Seminars an der Pädagogischen Hochschule Berlin diese Sequenz vorgespielt wurde,[2]  reagierte mit Angst.  Auf die Frage einer Studentin, was die Eierkopf-Frau denn hätte machen können, um sich zu wehren, antwortete ein Mädchen: »Die könnte doch selber leben.« Darauf ein Junge: »Mit nix?!« Ein anderes Mädchen: »Sie hätte weglaufen sollen.« Die Frage, warum die Kinder bei dieser Szene so Angst gehabt hätten, beantwortete ein Mädchen bezeichnenderweise so: »Weil er ihr immer alles abgenommen hat.«
Fernsehen als Orientierungshilfe für Mädchen und Jungen: Hier werden die ersten Rollenzuweisungen deutlich, hier lernen Jungen und Mädchen, was sie später sein sollen - Schöpfer und Geschöpfe.
In allen Programmbeiträgen des Fernsehens werden Tag für Tag, Abend für Abend solche Geschöpfe gezeigt, die wir Frauen sein sollen. Greifen wir die eingangs zitierte programmatische Erklärung auf, daß Fernsehen für die Zuschauer gemacht wird, so stellt sich die Frage: wer sind denn überhaupt
»die Zuschauer«?
Zuschauer des Fernsehprogramms in der BRD sind zu 54% Frauen.[3] Von diesen Frauen haben die meisten, nämlich 39%, eine Volksschule ohne Lehre absolviert und sind zu 39% älter als 50 Jahre. Im Klartext: Frauen, die überwiegend in ökonomischer Abhängigkeit vom Mann sind und in ihrer Arbeit entweder gleich ganz auf den häuslichen, unbezahlten Reproduktionsbereich verwiesen wurden oder in Verbindung mit unqualifizierten und schlechtbezahlten Berufen die berühmte »Doppelbelastung« erfahren durften.
Für diese Zuschauermehrheit wird ein Programm realisiert, das den Anspruch formuliert »... den Fernsehteilnehmern in ganz Deutschland einen objektiven Blick über das Weltgeschehen, insbesondere ein umfassendes Bild der deutschen Wirklichkeit ...«[4] zu vermitteln. Weiterhin soll die Berichterstattung »... umfassend, wahrheitsgetreu und sachlich sein«[5].

20 Uhr: Eine ganz umfassende Tagesschau[6]

Bild

1  Sprecher  Köpke vor der Landkarte Polen. Schmidt im Wintermantel vor dem Mahnmal des KZ Auschwitz.

Schnitt

Schmidt legt den Kranz nieder. Überall Männer:  Soldaten,  Politiker, Journalisten, Sicherheitsbeamte. Ein bißchen männliches >Volk<.

 

Ton

Bundeskanzler Schmidt in Polen. Er spricht von seiner und aller Deutschen Versöhnungsbereitschaft gegenüber dem polnischen Volk.

 

Eine weibliche Stimme kommentiert die Kranzniederlegung.

 

 

Schnitt

Als ob nicht von den hunderttausenden von Opfern  in  Auschwitz mindestens die Hälfte Frauen waren ...

Schmidt hält eine Rede.

Einige Worte über Geschichtlichkeit, Verantwortung und Schuld des
deutschen Volkes.

Schnitt
Meine Verantwortung ist das nicht, denke ich. Wieso muß ich als Frau mitschuldig sein an den bestialischen Vernichtungsaktionen, die Männer geplant und ausgeführt haben?

Standbild  Schmidt/Gierek  hinter  dem
Sprecher Köpke.

2 Sprecher Köpke, Hintergrundbild: ein
Stromzähler.

Schnitt
Hintergrundbild: ein Öltankwagen

Am selben Abend gab es in Warschau ein
Bankett.

Die Bundesregierung hat Sparpläne entwickelt. In Zukunft wird es höhere Stromrechnungen in den Haushalten geben. Energie ist eben knapp. Auch die
Heizölkosten sollen erhöht werden.

Kein Wort darüber, was das für Hausfrauen heißt, diese Sparpläne. Wie sie ihre ohnehin unbezahlte Hausarbeit noch besser durchorganisieren und rationalisieren können. Schließlich gehen solche Maßnahmen zu Lasten des von Frauen verwalteten Haushaltsgeldes. Mütter, achtet auf eure Kinder, daß sie das Licht ausmachen! Hätte man(n) hier wirklich mal Frauen interviewt, die es wissen müssen ...

3 Sprecher Köpke. Hintergrundbild:
CSU-Chef Strauß' Foto auf der Süd-
amerika-Karte
 

Schnitt
Ein männlicher Interviewer
mit Strauß.
 

Strauß ist aus Südamerika zurück. Er war
auch mehrere Tage in Chile, was zu
Kontroversen zwischen den Bundestags-
parteien geführt hat.

Frage: »Wie bewerten Sie die Militärregierung von Chile?«
Antwort: »Die Militärregierung von Chile ist eine autoritäre Regierung, keine totalitäre Regierung ... Sie betrachtet sich als eine Übergangsregierung ... Was
sie (die Militärs) offensichtlich nicht wollen, ist die Rückkehr zu einem Parteien-
system, das leider einem Bürgerkriegskämpier, nämlich Allende, die Macht in
die Hände gegeben hat ...«

Ja: Ruhe und Ordnung haben die Militärs gebracht. Zum Beispiel herrschen Ruhe und Ordnung im KZ Tres Alamos, wenn die Schreie verhallt sind. (Stop: hat nicht eben noch ein deutscher Bundeskanzler in einem anderen KZ einen Kranz niedergelegt?)
Haftbedingungen von Frauen im KZ Tres Alamos[7]: winzige Zellen, jeweils drei übereinanderliegende Betten. Morgens eine Tasse Tee, ein Stück Brot. Mittags Suppe mit Ei. Abends wieder Tee und Brot. Einmal im Monat zum Waschen warmes Wasser.
Folter in Tres Alamos sowie im berüchtigten Verhör-Hauptquartier Villa Grimaldi: Elektroschocks, vor allem an den Genitalien, Nachlassen stets erst vor der Todesschwelle. Einsperrung in schrankähnliche Kästen über zwei bis drei Tage ohne Nahrung. Sexuelle Folterungen wie Vergewaltigungen, Einsetzen von hungrigen Ratten in die Vagina. Viele schwangere Frauen verlieren ihre Kinder durch die Folter, viele Frauen bekommen Kinder von den Folterknechten ...
Das fette Gesicht von Strauß. »Die Militärregierung von Chile ist eine autoritäre Regierung.«

4 Sprecher Köpke, Hintergrundbild:
CSU-Mitglied Zimmermann.

5 Sprecher Köpke vor der Landkarte
Südafrika.

6 Sprecher  Köpke vor der Landkarte
Nahost.

7 Sprecher Köpke vor der Landkarte
DDR.
Ein männlicher Kommentator im Ge-
richtssaal.
Überall Männer, Militärs. Vor dem
Richtertisch ist ganz kurz eine Frau im
Bild.

Zimmermann meint, daß die Möglichkeit einer Kanzlerkandidatur des CSU-Chefs Strauß für die nächste Bundestagswahl nicht auszuschließen sei.

FDP und CDU/CSU-Bundestagsmit-
glieder wollen eine Reise nach Südafrika
machen. Die SPD hat Bedenken.

Nach Meinung von Außenminister
Dayan riskiert Israel einen neuen Krieg,
wenn es die besetzten Gebiete nicht
zurückgibt und somit Ägypten einen
neuen Kriegsvorwand liefert.

In Ost-Berlin wurden drei Männer wegen angeblicher Spionage von einem Militärgericht zu hohen Freiheitsstrafen verurteilt.
Hintergründe und Konsequenzen dieses Urteils

Eine Beisitzerin? Sicher die Protokollantin ...

8 Sprecher    Köpke,    Hintergrundbild:
Haftanstalt Stammheim.

9 Sprecher Köpke, Hintergrundbild:
Fabrikhalle mit männlichen Arbei-
tern.

In der ehemaligen Stammheimer Zelle
des Anwalts Croissant wurden Rasier-
klingen entdeckt, obwohl die Zelle vor-
her gut abgesucht wurde. Croissant gilt
als selbstmordgefährdet.

Alle 17 Sekunden passiert in der BRD
ein Unfall am Arbeitsplatz, alle drei
Stunden geht er tödlich aus. Ernste Be-
sorgnis des Arbeitsministers.

Wie hoch ist dabei der Anteil der Frauen und bei welcher Arbeit sind Frauen z.B. besonders gefährdet? Ich denke an die türkischen Arbeiterinnen in Berlin in einer Abteilung bei Siemens, wo sie unter katastrophalen Sicherheitsbedingungen mit radioaktivem Material arbeiten müssen. Sie sind akut krebsgefährdet, scheiden vorzeitig aus, haben Frühgeburten und es gab auch schon einen Todesfall.[8] Betriebsunfälle, die sich so gut hinter Zahlen und ministerieller Besorgnis verstecken lassen.

 

10  Sprecher Köpke, Hintergrund: Welt-
karte
Schnitt
Montagehalle in Canaveral, der Sa-
tellit. Männlicher Kommentar.

11  Die Wetterkarte.   Ein männlicher     
Kommentar.
 

Start des europäischen Gemeinschafts- Wettersatelliten Meteosat in Cape Cana-
veral.
Hintergründe und Prognosen des Unter-
nehmens.

Das Wetter morgen.

 11 Sequenzen in dieser Tagesschau. 16mal sprach oder kommentierte eine männliche Stimme, ein einziges Mal war eine weibliche Stimme zu hören, und die kommentierte männliche Aktionen.
Die Flut der Bilder und Standbilder zeigte bis auf eine einzige Ausnahme ausschließlich das männliche Geschlecht. Die einzige Frau ist zufällig im Bild, sie hat keinen Handlungs- und Informationswert, sie spricht auch nicht. Ihre Funktion bleibt absolut nebensächlich.
Was kommt für Frauen über die Mattscheibe rüber von diesem Gemisch aus großem Weltgeschehen und Politiker-Statements über faschistische Staaten? Welche »Orientierungshilfe« sollen Staatsbesuch und Weltraumgeprotze sein? Für die Frauen muß sich im Grunde nur Ohnmacht breit machen neben der Langeweile, denn nirgends finden Frauen sich mit ihren täglichen Erfahrungen und Lebensbedingungen in Bild und Ton wieder, ja sie sind nicht einmal physisch anwesend. Auf nichts haben sie Einfluß: In der duftigen Welt der Kriegsschauplätze, der politischen Einschätzungen und der Zukunftsprognosen sind sie keine Handlungsträger, ja nicht einmal
wichtig genug für Rahmen- oder Nebenhandlung. Selbst ihre Funktion als emotionale und sexuelle Stichwortbringer für männliche Helden, wie wir sie so schön aus allen möglichen Serien, Krimis und Western kennen, bleibt ihnen in Nachrichtensendungen versagt. Ihre dergestalt dokumentierte Un-Existenz wird noch dadurch unterstrichen, daß natürlich auch alle Auswirkungen auf Frauen der von Männern gezimmerten Tatsachenwelt niemals gezeigt werden: weder in Chile noch im Libanon, noch zu Hause anläßlich der Strompreiserhöhung. Kriegsschauplätze sind zu erkennen an vorübereilenden Männern mit Knarre oder am männlichen Korrespondenten, der im Grollen des Geschützfeuers mutig kommentiert und analysiert - und nicht an einer erschossenen oder mißhandelten Frau, neben der ein kleines Kind weint.
Ich denke, daß ich bei diesem abendlichen Unterdrückungsspektakel auf etwas warte, auf ein Ereignis, daß mich nicht so brutal ausschließt und uns Frauen zeigt: Euch gibt es ja gar nicht. Einen Bericht, der die mir aufgezwungene Marginalisierung für einen Moment aufhebt, der etwas damit zu tun hat, daß wir Frauen atmen, leben, arbeiten, kämpfen, schreien, sterben können; wo wir vorkommen, als Handelnde, als Betroffene oder wenigstens als Zuschauerinnen.
Vielleicht warten die Frauen vor den deutschen Bildschirmen in aller Banalität auf eine Brandkatastrophe in Niedersachsen.

21 Uhr: Hilde ach Hilde
Das grobgeschnittene Bild der schönen, jungen und scheinbar unabhängigen Frau, wie es hauptsächlich in Unterhaltungssendungen und Sendungen mit Spielhandlungen vermittelt wird,[9] springt zu sehr ins Auge und ist so offensichtlich realitätsverfälschend, daß es hier nicht weiter untersucht werden soll. Unser sexuelles Objektsein kennen wir nur allzu gut, und nicht erst vom Bildschirm her.
Die patriarchalischen Fernsehmacher haben hin und wieder ein schlechtes Gewissen. Dann wollen sie mal was für Frauen tun, wie z. B. im Jahr der Frau, als sich mit diesem Thema besonders gut Geld verdienen ließ. Auch Radio Bremen gab sich frauenfreundlich und produzierte ein Fernsehspiel, das vorgab, die Emanzipation der Frau exemplarisch am Beispiel einer Arbeiterin zu demonstrieren.

Hilde BREITNER, erfunden von Peter STRIPP,[10] ein Mann, der sich auf Anhieb zutraute, die Sensibilität und den Durchblick für die täglichen Sorgen einer Hausfrau, Mutter und Berufstätigen zu haben.[11] Im folgenden will ich diesem Frauenbild ein wenig nachgehen, weil es auch in den Zuschauerinnen wohl besondere Erwartungen erweckt hat.
Hilde Breitner, verheiratet, zwei erwachsene Töchter, ist Fließbandarbeiterin. Ihr Mann ist ebenfalls Arbeiter. Im Verlauf des Films stirbt er, weil erstens seine Pumpe sowieso durch die lebenslange Maloche angeknackst ist und weil zweitens die Tochter Ilona durch ihr bockiges Verhalten (sie ist politisch links) den todbringenden Herzinfarkt des Vaters direkt ausgelöst hat. Ilona ist Studentin der Psychologie und liiert mit Johannes, einem linken Anwaltssohn aus reicher Familie. Statt zu studieren und ihre Karriere im Kopf zu haben, engagiert sie sich politisch - auch wenn der Autor Peter Stripp dieses Engagement ausschließlich als Liebesbeweis für Johannes, also als fremdbestimmt, denunziert. Mit Freund Johannes zieht sie sogar in eine Wohngemeinschaft, die sich durch besonders feindseliges Verhalten der einzelnen Mitglieder untereinander auszeichnet. Hier schlägt dann der Regisseur gleich einmal kräftig zu: Ganz kurz ist im Flur der Wohngemeinschaft ein Plakat der RAF zu sehen, mit der typischen Kalaschnikoff - offenbar Attribut von Linken oder Wohngemeinschaften schlechthin.
Hildes älteste Tochter hat ein kleines Mädchen und ist verheiratet mit einem Würstchenbudenbesitzer, der laufend Schulden macht.
Nach dem Tod ihres Mannes beginnt für Hilde scheinbar der Emanzipationsprozeß: Sie kandidiert als Vertrauensfrau für den Betriebsrat. Dialog mit den Kolleginnen: Och Kinder - ich kann das doch gar nicht. - Kichern. Hilde nippt kokett an ihrem Glas. - Die anderen überreden sie - Na komm schon, klar kannst du das!
So einfach wie ein Kaffeekränzchen ist Emanzipation.
Autor und Regisseur zeigen im Film vorwiegend Konflikte, die Hilde im privaten Reproduktionsbereich hat. Der schwere 8-Stunden-Tag in der Fabrik bleibt in seinen körperlichen und seelischen Auswirkungen draußen, wird nur in zwei kurzen Sequenzen gezeigt.
Die Konflikte im Privatbereich löst Hilde mit besonderer »weiblicher« Einsatzfreude. Stets handelt sie völlig selbstlos, ist fröhlich, muntert den Mann auf und geht noch auf die muffelige Ilona ein. Hilde gleicht aus zwischen Vater und Tochter, und auch nach dem Tod ihres Mannes wird ihr Leben von der Sorge um andere bestimmt. Ein typisches Frauenleben, so scheint es - auf den ersten Blick.
Aber wird überhaupt gezeigt, daß Hilde doppelbelastet oder gar überlastet ist? Nein, denn der Autor analysiert nicht oder zeigt auch nur andeutungsweise die psychischen und physischen Konsequenzen eines solchen Lebens. Hilde meistert scheinbar alles mühelos, die Fließbandarbeit plus emotionale Aufbauarbeit plus Hausarbeit. Ihre Kraft bleibt ungebrochen. Ihr unverwüstlicher Optimismus, ihre naive Mütterlichkeit à la Inge Meysel und ihre volle Einsatzfähigkeit sind einfach eine Verfälschung von Realitäten, wie sie Millionen Frauen tagtäglich erleben. Denn immer mehr Frauen schaffen die Belastungen und Ausbeutungen nicht, verweigern sich mehr und mehr. Frauen werden krank, haben Depressionen, brechen aus ihren Ehen aus, schmeißen die psychische und sexuelle Stabilisierung für Männer hin. Hilde aber läuft und läuft und läuft.
Die Macher verfälschen nicht nur die Wirklichkeit aller Frauen im Hinblick auf die realen Arbeitsbedingungen und Belastbarkeiten. Sie hauen die Frauen noch zusätzlich in die Pfanne: Hilde zum Beispiel ist ja ein bißchen blöd, strebt nach Höherem, z.B. daß ihre Tochter mal das kleine Milieu verlassen soll. Sie kapiert im Film keinen einzigen politischen Zusammenhang, was dem Autor die Möglichkeit gibt, mit Hilfe ihres »gesunden Menschenverstandes« die politischen Ideen der Studenten zu liquidieren. Hilde wirkt vor allem nie selbständig, obwohl ihre ganzen Fähigkeiten im Film ein hohes Maß an Selbständigkeit, Kraft und Intelligenz voraussetzen.
Der intuitiven Mutter wird die kalt-intellektuelle Tochter entgegengestellt, die durch die politischen Parolen ihres Freundes total verblendet ist. Zum Schluß verläßt sie diese Ideen denn ja auch wie die Ratten das sinkende Schiff, um heim zu Muttern zu kehren, die es ja von Anfang an gewußt hat.
Mit solchen Vorurteilen, ja Verurteilungen entlarven die Macher endgültig ihre tief sitzende Frauenverachtung. Mit der Spaltung der Frauen untereinander und durch die reumütige »Einsicht« Ilonas werden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Erstens wird Frauensolidarität gezielt verhindert und zweitens kann Hilde als dramaturgisches Transportmittel einer reaktionären Ideologie benutzt werden.
Was können die Zuschauerinnen, die sich gerade erst vom Schock der Tagesschau erholt haben, von einem solchen Film lernen? Sie lernen auf jeden Fall, wie ein Autor geschickt einige Versatzstücke ihres realen Lebens mit seinen eigenen Vorstellungen und Interpretationen vermengt hat. Einige wenige richtige Beobachtungen »im Milieu« wurden mit chauvinistischer und bourgeoiser Arroganz problematisiert - und heraus kam das Phantom-Bild einer Super-Frau, dem alle Zuschauerinnen nachstreben sollen. Hilde Breitner - ein Durchhaltefilm.
Die Lösung, sich im Betrieb zu engagieren und sich dadurch automatisch »zu befreien«, ist ein Hohn. Denn Hilde setzt das fort, was die Zuschauer schon seit über neunzig Minuten kennen: Sie ist mütterlich und verständnisvoll, ohne einmal schlapp zu machen. Hilde wird's schon machen. Die unverwüstliche Hilde - zum Leben erweckt am patriarchalischen Schreibtisch.

Frauengruppe im ZDF

Eine Selbstdarstellung

Warum haben wir angefangen
Während der Personal Versammlung des ZDF im Dezember 1976 meinte der Fernsehratsvorsitzende auf die Frage einer Kollegin,
warum
es keine Direktorinnen,
es keine Hauptabteilungsleiterinnen,
es nur eine einzige Abteilungsleiterin
und
warum es keine Frau im Verwaltungsrat
gäbe, ganz erstaunt, ihm sei noch gar nicht aufgefallen, daß beim Sender nur ganz wenige Frauen in leitenden Positionen wären. Er räumte schließlich ein, daß Frauen existieren (und er denke da speziell an die vielen hübschen Ansagerinnen!), man habe sie aber beim ZDF wohl im Sturm und Drang des Aufbaues (das ZDF existiert seit 1963) übersehen.
So grotesk es klingen mag - eigentlich provozierten gerade diese Äußerungen des Fernsehratsvorsitzenden die Gründung der Frauengruppe im ZDF, denn unter den anwesenden Frauen machte sich Empörung breit, und wir empfanden wohl zum erstenmal so etwas wie Solidarität im großen Rahmen, ein kollektives Betroffensein.

Die Entstehung

Zunächst fanden sich einige Frauen zusammen, um ihrer Empörung Luft zu machen. Und da man bald feststellte, daß man sehr viele gemeinsame Probleme hatte und es eine ungemein wichtige und befriedigende Erfahrung war, sich nicht nur im Freundes- oder Familienkreis artikulieren zu können, und man sich sehr schnell bewußt wurde, daß gegen diesen schwelenden Zustand des Unbehagens endlich etwas getan werden müsse, wurde von diesem kleinen Frauenkreis die Idee der Frauengruppe im ZDF entwickelt.
Aufgabe dieser ZDF-Frauen war es nun, möglichst viele Frauen zu motivieren. Im Rahmen einer Bildungsveranstaltung luden wir Prof. H. E. Richter, Psychoanalytiker in Gießen, ein. Im März 1977 fand ein Treffen mit ihm statt, zu dem über 100 Frauen kamen. Vielleicht war der Erfolg dieses meetings so groß, weil die Frauen unter sich waren und sich frei über ihre Probleme unterhalten konnten.
Das bestätigte die Notwendigkeit einer Frauengruppe im ZDF. Der Anfang war gemacht.

Die Gründung

Im April 1977 haben wir uns dann konstituiert. Wir waren ca. 80 Frauen.
Wie funktioniert es seitdem? Wir haben bewußt keine Geschäftsordnung, keinen Kassenwart, keine Schriftführerin etc., um so offen und flexibel wie möglich zu sein. Vor allem wollten wir autonom bleiben, d. h. als unabhängige Gruppe arbeiten. Dazu gehören lebendige Kontakte zu Gewerkschaften und Personalrat.
Die Vollversammlung findet jeden ersten Donnerstag im Monat statt. Wir haben ein ständiges Gremium von acht, vom Plenum jeweils für vier Monate gewählten Vertrauensfrauen; alle zwei Monate scheiden vier aus und vier neue werden hinzugewählt. So hat jede Frau die Chance und die Verpflichtung, vier Monate aktiv mitzuarbeiten; die Flexibilität der Gruppe bleibt erhalten. Die Vertrauensfrauen haben jeweils »Lokomotiv«- und Verantwortungsfunktion für die nächste Plenarsitzung bzw. für Aktivitäten während ihrer »Legislaturperiode«.

Themen, die Frauen auf der Gründungsversammlung vorschlugen, waren
u.a.:
Chancengleichheit;
gerechtere Eingruppierungen;
Stellenverteilung;
Tarifvertrag, Tarifrecht, Arbeitsrecht;
Halbtagsbeschäftigung für Frauen (und Männer;)
Konkurrenzverhalten unter Frauen, Solidarität lernen;
Genereller Überblick über die allgemeinen Arbeitsbedingungen von Frauen, z.B. auch in der »freien Wirtschaft«;
Informations- und Vortragsabende über die Dinge, die uns Frauen angehen.

Wir haben bisher eingeladen:
Karin Roth vom DGB zum Thema »Frauen in der Gewerkschaft«, Dorothea Dorsch, Richterin am Arbeitsgericht, zum Thema »arbeitsrechtliche Fragen», Jürgen Lücking, ZDF-Redakteur, Gesellschaftspolitik, zum Thema »Rationalisierungsmaßnahmen«.
Wir haben Kontakte zu Frauenzentren in Mainz und Frankfurt und zu Frauengruppen in den ARD-Anstalten  aufgenommen. Einige  unserer Vertrauensfrauen besuchten die WDR-Frauengruppe und die Frauengruppe
im Hessischen Rundfunk, um Erfahrungen auszutauschen.

Was haben wir erreicht, was wollen wir tun

Arbeitsgruppen wurden gebildet, um Probleme aufzuarbeiten und möglichst vielen Frauen Gelegenheit zur Mitarbeit zu geben, z.B. die Arbeitsgruppe »Zur Situation der Frau im ZDF«.
Bereits im Plenum am 5.5.1977 berichteten betroffene Kolleginnen über eine betriebswirtschaftliche Analyse. In der anschließenden Diskussion erkannten die Frauen die Gefahr einer solchen Untersuchung und es wurde spontan die Gründung einer Arbeitsgruppe »Betriebswirtschaftliche Analyse« beschlossen. Ziel der Arbeitsgruppe war es, sich Informationen über betriebswirtschaftliche Analysen im ZDF zu beschaffen und sich mit den Problemen der Rationalisierung auseinanderzusetzen. Kontakt mit Personalrat und Gewerkschaft wurde bereits zu diesem Zeitpunkt aufgenommen. Um unsere Arbeit besser darstellen zu können und noch mehr Frauen zu motivieren bei uns mitzuarbeiten, haben wir eine Informationsgruppe gebildet. Für den Herbst ist ein Treffen der Frauengruppe in ARD und ZDF geplant.
Viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen leiden unter den Auswirkungen der Klimaanlage: Wir haben den Personalrat gebeten, für eine Überprüfung der Klimaanlage zu sorgen.
Unsere Forderungen an die Gewerkschaft in bezug auf Tarifverträge waren:
Mutterschutz für freie Mitarbeiterinnen;
Tarifvertrag für Auszubildende;
Tarifvertrag für Halbtagsbeschäftigte;
Sonderurlaub von 18 Monaten nach Ablauf der Mutterschutzfrist, wobei das Arbeitsverhältnis während des Sonderurlaubs nicht gekündigt werden und durch ihn kein beruflicher und betrieblicher Nachteil entstehen darf, und der Arbeitgeber während des Sonderurlaubs die Beiträge zur Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung übernehmen muß; nach Ablauf der Mutterschutzfrist haben die Eltern zu entscheiden, wer den Sonderurlaub in Anspruch nimmt, soweit diese Arbeitnehmer des ZDF sind.
Diese Forderungen sind inzwischen in die Tarifverhandlungen aufgenommen worden.
All diese Aktivitäten haben Arbeit, jedoch mächtig Spaß gemacht. Sie haben die Frauen zusammengeführt und das Selbstbewußtsein gesteigert. Viele neue Kontakte ergaben sich, man lernte sich kennen, und viele Kolleginnen sind jetzt nicht mehr anonyme Wesen am anderen Ende der Telefonleitung, sondern manchmal sogar schon gute Bekannte. Wir meinen, daß die Frauengruppe zumindest unter den weiblichen Mitarbeiterinnen im Hause die Kommunikation erheblich verbessert hat, wodurch auch die Arbeitwesentlich erleichtert wird.
Wir haben einiges in Frage gestellt. Wir haben inzwischen einiges erreicht. Wir machen weiter. Die Arbeit unserer Frauengruppe soll dazu beitragen, die immer noch vorhandene Diskriminierung der Frau am Arbeitsplatz abzubauen und mehr Einfluß als bisher auf das Programm nehmen zu können.
………….

Frauengruppe im ZDF

Das Frauenbild des bundesdeutschen Fernsehens[1]

»Obwohl Frauen mehr als die Hälfte der Bevölkerung der Bundesrepublik stellen, sind sie im Fernsehen eindeutig quantitativ unterrepräsentiert... In diesem Sinne bildet das Fernsehen die patriarchalische Struktur dieser Gesellschaft durchaus realitätsgetreu ab.«
Dieses Zitat stammt nicht etwa von einer aufmüpfigen Fernsehfrau, sondern ist das Ergebnis der empirischen Untersuchung eines Forschungsteams unter Leitung von Professor Dr. Erich Küchenhoff. Ziel der Untersuchung war, die Darstellung von Frauen und die Behandlung von Frauenfragen bei ARD und ZDF zu überprüfen. Das Pressereferat des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit hat diese Untersuchung 1975 herausgegeben.[2]

Die wichtigsten Ergebnisse der Untersuchung lassen sich nach Küchenhoff in 7 Thesen fassen:

  1. Frauen sind im westdeutschen Fernsehen erheblich unterrepräsentiert.
  2. Die Mittelschichtorientierung in der Darstellung von Frauen steht im Gegensatz zur gesellschaftlichen Realität.
  3. Neben dem traditionellen Leitbild der Hausfrau und Mutter steht das Leitbild der jungen, schönen und unabhängigen Frau.
  4. Charakteristisch ist die mangelnde Thematisierung der Berufstätigkeit und die Nichtbehandlung von Problemen der Frauenarbeit und die Nichtbehandlung von Problemen der Frauenarbeit und der Doppelbelastung - Berufstätigkeit von Frauen in Sendungen mit Spielhandlung dient im wesentlichen der Zuweisung des sozialen Status und der Legitimierung des Lebensstandards.
  5. Die Fernsehfrau ist unpolitisch. Sie zeigt sich wenig informiert und wird daher auch nicht politisch oder gesellschaftlich aktiv.
  6. Die Behandlung von Frauenfragen, das heißt die kritische Auseinandersetzung mit der besonderen Situation der Frau wird in den Programmen des bundesdeutschen Fernsehens vernachlässigt.
  7. Auch die medieninterne Rollenverteilung in den Fernsehanstalten weist eine deutliche Benachteiligung der Frau auf.

Bis 1978 hat sich an der Mediendarstellung der Frauen und ihrer Situation nichts Wesentliches verändert, so daß die Ergebnisse der KüCHENHOFF-Studie nach wie vor ihre Gültigkeit haben. »Das Muster >Männer handeln - Frauen kommen vor«, heißt es in der Untersuchung, »wird durch das Fernsehen entscheidend zementiert. Der aufklärerische Anspruch der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bleibt im Hinblick auf Frauen eine leere Formel.« (S. 5).
Im einzelnen fand das Team heraus:

  • In Spielfilmen, Kriminalstücken und Fernsehspielen besetzen Frauen nur ein gutes Drittel aller Haupt- oder bedeutenden Nebenrollen. Filme mit nur wenigen oder gar keinen Frauen machen mehr als die Hälfte aller Filme aus (S. 3).
  • Der Anteil von Frauen an der Moderation beträgt nur 23,7%, an Autoren 15%, an Reportern 14,5%. In nur 3% der Beiträge kommen Politikerinnen vor, in 7,1% Expertinnen und in 2,3% Funktionärinnen (S. 4).
  • Die Nachrichtensendungen bilden die fast uneingeschränkte Domäne des Mannes. Der Anteil von Frauen beläuft sich in diesem Bereich auf lediglich 5-7% (S. 5 und 14).
  • Frauen aus den unteren Schichten, aus dem in der unmittelbaren Produktion arbeitenden Teil der Bevölkerung, werden so gut wie nie dargestellt. Unter den 233 untersuchten Frauenrollen waren nur 3 Arbeiterinnen zu finden. Diese stellen jedoch den Anteil von 35% aller erwerbstätigen Frauen in der Bundesrepublik (S. 6).
  • Die zentralen Tätigkeiten vieler Frauen - Hausarbeit, Kindererziehung, Berufstätigkeit - werden nur selten dargestellt (S. 12). Fast 70% der untersuchten Frauenrollen wurden nie, 15% nur selten bei der Ausführung von Hausarbeiten gezeigt. Nur 15 % der Frauen treten ausgesprochen oft mit Kindern auf. Die Erziehungsfunktion wurde - wenn überhaupt - nur ganz am Rande dargestellt (S. 8). Die Berufstätigkeit der Frau und ihre daraus erwachsene Zweifachbelastung wird im Fernsehen kaum abgebildet (S. 7).
  • Typische Fernsehberufe von Frauen sind die Prostituierte, Kriminelle und Detektivin. Dies geht genauso an der Realität vorbei wie die Tatsache, daß die Arbeiterinnen nur mit 1% vertreten sind, die immerhin 36% aller erwerbstätigen Frauen stellen (S. 10).
  • Das ZDF läßt seine Sendungen grundsätzlich von Frauen ansagen, die ARD hingegen setzt auch Männer ein, allerdings auf die »ernsteren« Themen wie Wirtschaft, Politik und Parteien konzentriert (S. 13).
  • Frauenfragen und Emanzipation werden nur selten thematisiert. Stattdessen tragen die Fernsehanstalten viel zur Zementierung von Rollenklischees bei (S. 7). Im Bereich der Non-Fiction-Sendungen wurden »Frauenfragen« nur in 3% aller Beiträge erwähnt bzw. waren sie Thema des gesamten Beitrags (S. 12). Darüber hinaus muß die Tatsache zu denken geben, daß die Themenbeiträge zu »Frauenfragen« nur zu 11% von Frauen selbst geschrieben werden (S. 14).

Fazit der KüCHENHOFF-Studie:

In allen Untersuchungsbereichen ist eine Benachteiligung der Frau aufzufinden. »Das Fernsehen als öffentlich-rechtliche Anstalt«, resümiert das Forschungsteam, »könnte sich nachhaltiger und wirkungsvoller für die von der Verfassung gewollte Gleichheit von Mann und Frau, d.h. auch für die stärkere politische Beteiligung der Frau einsetzen. Nicht die Unterstützung und Zementierung traditioneller Verhaltensnormen, sondern das Angebot von neuen Identifikationsmodellen für Frauen sollten zu den Inhalten von
Fernsehprogrammen gehören, um Frauen zur Erkenntnis politischer Zusammenhänge und zur aktiven Teilnahme am gesellschaftlichen Geschehen anzuleiten« (S. 14).
Soweit die Darstellung der Frauen in den Fernsehanstalten. Wie ist aber die Situation der bei diesen Fernsehanstalten beschäftigten Frauen? Spiegelt sich die patriarchalische Gesellschaftsstruktur intern ebenso wider? Die Mitarbeiterinnen verschiedener Fernsehanstalten haben ihre Situation untersucht und analysiert. Die Ergebnisse sind analog zu der Küchenhoff-Studie: »Auch die medieninterne Rollenverteilung in den Fernsehanstalten weist eine deutliche Benachteiligung der Frau auf.«
Bisher gibt es Untersuchungen der Kolleginnen im Rias, der Deutschen Welle und des Westdeutschen Rundfunks. Auch in der Frauengruppe im ZDF hat sich vor einem Jahr eine Arbeitsgruppe gebildet, welche die Situation der Mitarbeiterinnen im ZDF untersuchen will.

Demokratische Fraueninitiative München

Film - mehr als ein paar schöne Stunden

Die Münchner Gruppe der Demokratischen Fraueninitiative existiert seit Januar 1977. Bei der Gründung waren wir 15 Frauen-jetzt sind wir fast 300. Regelmäßig und aktiv arbeiten etwa 30 Frauen in drei Arbeitskreisen: Frau und Familie, Frau und Beruf, Frau und Medien.

Von Anfang an haben wir das Medium Film in unsere Arbeit miteinbezogen. Knapp drei Monate nach unserem ersten Treffen veranstalteten wir die Ersten Frauenfilmtage der Demokratischen Fraueninitiative München. Wir beabsichtigten mit diesem »Festival«, die Benachteiligung der Frauen und Mädchen in Beruf, Familie, Schule und Ausbildung und auf anderen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens anschaulich zu machen und zu diskutieren, darüber hinaus möglichst viele Frauen anzusprechen und für die Arbeit in unserer Gruppe zu interessieren und natürlich auch, von der »Öffentlichkeit« wahrgenommen zu werden.
Wir zeigten an vier Tagen dreizehn Filme, die sich um eine problembewußte Darstellung der Frau bemühen. Denn im herkömmlichen, kommerziellen Kino wird im allgemeinen ein Bild der Frau vermittelt, das mit der Realität nur selten übereinstimmt. Aber es gibt auch andere Filme - Filme, von denen die Öffentlichkeit kaum Notiz nehmen kann, weil sie von kommerziellen Verleihstellen nicht ins Programm aufgenommen werden. Als Ausweg sieht z.B. die Filmemacherin Jutta Brückner (Filme: Tue recht und scheue niemand. Ein ganz und gar verwahrlostes Mädchen): »Über die Frauengruppen muß sich der >Frauenfilm< langsam eine Öffentlichkeit erarbeiten. Das
Kommunikationsnetz der Gruppen verstärkt aufzubauen und zu erweitern, ist die Voraussetzung dafür, Frauenfilme zu denen zu bringen, für die sie in erster Linie heute gemacht werden.«
Als Demokratische Fraueninitiative wenden wir uns zunächst an die Frauen - was aber nicht ausschließt, auch Männer mit in die Diskussion einzubeziehen, wie bei den Frauenfilmtagen.
Mit dieser Veranstaltung gelang uns der Schritt in die Öffentlichkeit. Wir hatten nicht damit gerechnet, daß das Interesse gerade im »Kulturbetrieb München« an einer solchen Veranstaltung so groß ist. Die Münchner Stadt- und Tageszeitungen berichteten vorab über die Filmtage, der Bayerische Rundfunk brachte in seinem »Notizbuch« zum Start ein Interview mit uns. Jede unserer Vorstellungen - das gemietete Kino hat 90 Plätze - war ausverkauft. Wichtiger Bestandteil unserer Filmvorführungen waren die anschließenden Gespräche, zu denen etwa die Hälfte des Publikums blieb. Nicht zuletzt hatten damit auch Studentinnen und Absolventinnen der
Münchner Hochschule für Fernsehen und Film sowie die Filmemacherinnen Erika Runge, Jutta Brückner, Charlotte Kerr u.a. Gelegenheit, ihre Filme mit dem Publikum zu diskutieren. Diese Filmtage haben anderen engagierten Kinoleuten in München Mut gemacht, ebenfalls Frauenfilme zu zeigen. Auch die Zweiten Frauenfilmtage, die wir nach einem Jahr durchführten, fanden großes Interesse. Wir hatten u.a. drei Kinoerstaufführungen im Programm: Ich bitte ums Wort von Gleb Panfilow (UdSSR 1976), Harlan County von Barbara Kopple (USA 1972-76) und Union Maids von Julia REiCHERT/James Klein/Miles Mogulesco (USA 1976).
Die Frauen, die die Filmtage vorbereiteten und organisierten - teilweise Frauen »vom Fach« bzw. mit anderen beruflichen Erfahrungen - gründeten den Medienarbeitskreis der Demokratischen Fraueninitiative München.
Unserer Erfahrung nach sollten die audiovisuellen Medien verstärkt in der politischen Arbeit genutzt werden. In Verbindung mit Informationsschriften, Referaten, Vorträgen von Fachleuten, Podiumsgesprächen ist es möglich, konkret und anschaulich über das jeweilige Thema zu informieren. Gerade am Beispiel »Frauenfilm« zeigt sich, daß eine spontane Gesprächsbereitschaft bei Frauen (und Männern) viel eher zu erwarten ist, weil in diesen Filmen zumeist Identifikationsmöglichkeiten zu finden sind oder die
angebotenen Verhaltensmuster zum Widerspruch herausfordern. Über dieses »Aha«- oder »So-geht-es-nicht«-Erlebnis hinaus muß diese Gesprächsbereitschaft aber durch gut vorbereitete Diskussionen erhalten werden.
Ein Beispiel zum Thema »arbeitslose Mädchen«: Auf einer Veranstaltung zeigten wir zuerst den Film Rosinen im Kopf von Rita QUITTEK/Theo GALLEHR (BRD 1976). Danach sprachen Jugendvertreterinnen der Gewerkschaft über die spezifische Münchner Problematik. Dazu verteilten wir ein vierseitiges Flugblatt. Diese Veranstaltung war zusammen mit unserem Arbeitskreis »Frau und Beruf« vorbereitet und durchgeführt worden.
Oder: Zum Einstieg in die Diskussion um den reformierten §218 und seine Auswirkungen in München und Umgebung brachten wir ebenfalls ein Filmbeispiel, und zwar: §218 und was wir dagegen haben von Sabine Eckhard (BRD 1976/77).
Über die bürgerlich-radikale Frauenbewegung Anfang unseres Jahrhunderts informierten wir einen größeren Kreis von Frauen mit dem Film Getrud Baer - ein Leben für die Gleichberechtigung der Frau, für Frieden und Freiheit von Michaela Belger (BRD 1977). Anschließend berichteten Frauen der Frauenliga für Frieden und Freiheit über ihre Erfahrungen.
Aufgrund unserer positiven Erfahrungen hatten wir den Wunsch, andere Gruppen zu ermuntern, ähnliche Filmveranstaltungen oder Frauenfilmtage zu machen.
Wie sollte das im praktischen aussehen? Wir entschlossen uns,unsere Erfahrungen und Kenntnisse zu veröffentlichen - in Form eines
Buches. Im April 1978 - zum Start der Zweiten Frauenfilmtage - erschien unser Frauenfilmbuch im Selbstverlag. Es enthält über 130 Filmbeschreibungen zu verschiedensten frauenspezifischen Themen. Auf 20 Seiten beschreiben wir die Organisation von Frauenfilmtagen - von der Suche nach einem geeigneten Vorführraum bis hin zu Bezugsquellen von Filmen und Arbeitshilfen. Wir forsteten das gesamte Verleihermaterial durch, sprachen über die einzelnen Filme. Und alles, was für uns Frauen wichtig und
interessant war, wurde ins Buch aufgenommen. Im Lauf dieser Arbeit erfuhren wir dann von den unterschiedlichen Interpretationen des Begriffs »Frauenfilm«, mit denen sich andere Frauengruppen auseinandersetzen.
Wir nehmen für uns nicht in Anspruch, die Definition - sofern das überhaupt möglich sein kann - gefunden zu haben. Wir wissen, daß wir mit unserer Auswahl Angriffspunkte liefern, meinen aber, mit diesem Buch einen Beitrag zur praktischen Arbeit geleistet zu haben. Um den Verkaufspreis niedrig zu halten, übernahmen wir den Vertrieb selbst. Würden wir die von den Verlagen angebotenen Vertriebswege mitbenutzen, müßte das Buch im Endverkauf doppelt soviel kosten. Das ist aber nicht unser Interesse, denn dieses praxisorientierte Buch sollte für viele Frauen und Gruppen erschwinglich sein. Wir wandten uns daher direkt an Journalisten in Tageszeitungen, Zeitschriften, Stadtteilzeitungen, Fachblättern und internen Mediendiensten, und aufgrund der bisherigen Bestellungen können wir davon ausgehen, daß das Buch »ankommt« - bei Frauengruppen, Hochschulgruppen, in Frauenbuchläden, Filmbuchläden, in konfessionellen Medienzentralen, Bibliotheken, Volkshochschulen, Gewerkschaftsgruppen und bei Frauen, die selbst aktiv werden wollen. Es wäre gut, wenn der in unserem Buchvorwort gewünschte Erfahrungsaustausch in Gang käme. Denn wir sind sehr daran interessiert, Ergänzungen und Anregungen aufzunehmen.
Frauenfilme, die Denkanstöße geben, Mißstände aufdecken, Alternativen aufzeigen und mit dem traditionellen Rollenverhalten konfrontieren - leider gibt es noch zu wenige - sind Bestandteil unserer gesellschaftspolitischen Arbeit. Alle Mittel, die dem Ziel »Gleichberechtigung der Frau in einer humanen Gesellschaft« dienen, müssen von uns Frauen der Demokratischen Fraueninitiative genützt werden!
Dagmar Holzer/Gudrun Lukusz-Aden/Christel Strobel

Frauenerfahrungen - Frauenselbstbilder

Erfahrungsbericht über das Reutlinger Frauenzentrum

Zu meiner Person: Ich bin Jahrgang 1939, von Beruf Sekretärin, seit 12 Jahren verheiratet, habe 2 Kinder von 11 und 7 Jahren, arbeite halbtags im Büro und bin seit Herbst 1975 im Reutlinger Frauenzentrum.
Bis vor ca. 3 Jahren hatte ich mich nicht bewußt für die Frauenbewegung interessiert und auch wenig darüber gehört. Frauenzentren gab es damals ja auch höchstens in Großstädten. Meine Frauenrolle und alles, was ich so als Ehefrau, Hausfrau, Mutter, Sekretärin täglich zu fühlen und zu tun hatte, reizte mich jedoch schon seit langem zum Widerspruch. Diese Unzufriedenheit hielt ich aber eher für ein Zeichen meines persönlichen Versagens.
Dann - im Herbst 1975 - wurden durch die Zeitung Frauen mit Interesse an einer Frauengruppe zu einem Kontakttreffen in ein Reutlinger Gasthaus eingeladen. Ich ging noch mit ziemlichen Vorbehalten, aber sehr gespannt hin. Die Frauen, die ich dort traf, schienen mir viel sicherer, redegewandter und kontaktfreudiger zu sein als ich, und ich fühlte mich bei den Kennenlern- und Rollenspielen an diesem Abend recht unwohl, hielt aber tapfer mit. Da ich das Bedürfnis spürte, meine Hemmungen zu überwinden, meldete ich mich zu einem »Verhaltensänderungskurs«. Dabei erfuhr ich, daß es seit kurzem in Reutlingen ein sogenanntes »Frauenzentrum« gab und daß die neugegründeten Gruppen sich dort treffen sollten (u.a. hatten sich noch Interessentinnen für Gesprächsgruppen, einen Literaturkreis, eine Jazzgymnastik-Gruppe und einen Kommunikationskurs gefunden).
Wie ich später hörte, war die Idee, ein Frauenzentrum zu gründen, in dem Arbeitskreis für Frauengesprächsgruppen an der Reutlinger Volkshochschule aufgetaucht (die erste »Interessengruppe Frauenzentrum« bestand nach einer alten Anwesenheitsliste aus 25-30 Frauen). Die Initiatorin dieser Gesprächs- oder Selbsterfahrungsgruppen setzte sich aktiv für die Idee des Frauenzentrums ein und ist bis heute Mitglied. Das Frauenzentrum war zum damaligen Zeitpunkt eben zum ersten Mal umgezogen (vorher war es ca. 2 Monate lang in einer ungeeigneten und zu kleinen Wohnung untergebracht gewesen), und die »Frauen der ersten Stunde« waren dabei, die Räume der
neuen Wohnung einigermaßen gemütlich auszustatten.
Der »Verhaltensänderungskurs«, an dem ich teilnahm, wurde von einer Studentin geleitet, die die Erfahrungen mit uns Frauen in ihrer Examensarbeit verwenden wollte. Leider ging die Gruppe nach einigen Abenden an Mitgliederschwund zugrunde. Aber ich war auf diese Weise mit dem Frauenzentrum in Berührung gekommen, hatte die Räume und die Programmpläne kennengelernt und kam nun auch zu anderen Veranstaltungen.
Inzwischen hatte ich einige der Zentrums-Frauen näher kennengelernt und festgestellt, daß sie ähnliche Probleme hatten wie ich und absolut nicht so selbstsicher waren, wie sie anfangs auf mich gewirkt hatten. Es war mir ein echter Trost zu hören, daß es noch andere Frauen gab, die wie ich ungern Hausarbeit machten und sich gegen ihre Frauen- und Mutterrolle auflehnten.
Im Gegensatz zu anderen - oft rein studentischen - Frauenzentren verstand sich das Reutlinger Zentrum von Anfang an als Treffpunkt für Frauen aller Berufe, Stände, Altersklassen, religiösen und politischen Anschauungen.
Das kam in Selbstdarstellungen und Presseberichten immer wieder zum Ausdruck: Alle Frauen sollten sich hier zu Hause fühlen und das tun, was ihnen Spaß macht. Trotzdem ist es uns kaum gelungen, »echte« Arbeiterinnen zu gewinnen; die meisten Frauen kommen aus der sogenannten Mittelschicht. Es wurde auch nie ein radikaler (frauen)politischer Standpunkt vertreten - was uns des öfteren von überzeugten Feministinnen angekreidet wird.
Im ersten Jahr war ich eher »Mitläuferin« und übernahm noch kaum Aufgaben, erschien jedoch bald pünktlich an jedem Mittwochabend zu den allgemeinen Veranstaltungen. Das war und ist der feste Abend, an dem das Frauenzentrum immer geöffnet ist - sei es eine Vollversammlung (einmal monatlich seit Vereinsgründung), zum »Offenen Abend« (an dem hauptsächlich neue Frauen eingeführt werden) oder zu Diskussionen, Festen und sonstigen Anlässen. Seit Oktober 1975 ist das Frauenzentrum eingetragener Verein und neuerdings auch als gemeinnützig anerkannt (was man uns lange nicht zubilligen wollte). Damit jede einzelne Frau sich verantwortlich fühlt und die übliche hierarchische Vereinsordnung vermieden wird, hat der Vorstand (bestehend aus 3 gleichberechtigten Mitgliedern) nur die Aufgabe, bei offiziellen Anlässen die Außenvertretung zu übernehmen. Diese idealen Vorstellungen weichen zwar oft erheblich von den Tatsachen ab, denn daß jede Frau sich verantwortlich fühlen soll, heißt manchmal im Klartext, daß eben niemand zuständig ist. In dieser Beziehung sind wir Frauen sicherlich nicht kraft Geschlechts besser als Männer.
Anfangs blieb ich bei Diskussionen stumm, weil ich es mir nicht zutraute, vor einer größeren Gruppe etwas Zusammenhängendes von mir zu geben. In Situationen, wo wir reihum unsere Meinung zu einem Thema sagen sollten, hatte ich vor lauter Lampenfieber das meiste von dem, was ich sagen wollte, vergessen, wenn die Reihe an mich kam. Aber die erwarteten Blamagen blieben aus - niemand lachte, wie ich befürchtet hatte -, und so gelang jeder Versuch, mich in der Gruppe zu äußern, etwas besser. Parallel dazu übte ich das Sprechen auch im kleineren Kreis einer Gesprächsrunde, der ich Anfang 1976 beigetreten war.
Ein recht gutes Echo unter den Reutlinger Frauen fand ein »Offener Nachmittag«, zu dem wir durch die Presse einluden. Vorher hatten wir Vorschläge für Gruppen und Arbeitskreise gesammelt, für die je eine Frau verantwortlich zeichnete (ich fing an, eine »Bücherecke« mit feministischer Literatur aufzubauen). Geplant und den zahlreich erschienenen neuen Frauen vorgestellt wurden etwa folgende Gruppen: Literaturkreis (gemeinsames Lesen und Diskutieren von feministischer Literatur), Rechtsgruppe (Eherecht, Scheidungsrecht, §218), Kommunikationskurs (Gesprächstechniken, Rollenspiele etc.), Gruppe alleinstehender Frauen, Wochenend- und Wandergruppe, Spielgruppe, Jazz-Gymnastik, Medizingruppe (Verhütungsmittel, Beratung, §218), Kinderbetreuungsgruppe, Gesprächsgruppen. Davon kamen einige mangels Beteiligung nicht zustande - darunter leider die Rechts- und Medizingruppe -, andere liefen sich nach einiger Zeit leer. Wieder andere, z.B. der Kommunikationskurs, fanden großes Echo und wurden mehrfach wiederholt. Im Mai 1976 war der befristete Mietvertrag für unsere Wohnung abgelaufen und wir hatten erreicht, daß die Stadt Reutlingen dem Frauenzentrum eine geeignete große Wohnung gegen geringe Miete zur Verfügung stellte: Der Oberbürgermeister hatte vor dem Ansturm von Frauen, die mit ihrem Anliegen in die Bürgersprechstunde gekommen waren, kapituliert. Zu dieser Zeit führte die gemeinsame Arbeit beim Renovieren und Einrichten der neuen Wohnung zu einem starken Zusammenwachsen der Gruppe - wir hatten eine konkrete Aufgabe und erreichbare Ziele.
Intern fanden diese Arbeiten ihren Abschluß in einem großen Frauenfest im neuen Zentrum. Mein Selbstvertrauen war nun schon so gewachsen, daß ich die Pressearbeit für das Frauenzentrum übernahm, die jeweiligen Wochenveranstaltungen in den Reutlinger Zeitungen (abwechselnd mit einer anderen Frau) ankündigte und auch mal einen größeren Artikel verfaßte (z.B. zur offiziellen Einweihung des neuen Frauenzentrums unter dem Motto: »Neue Räume - neues Programm« im Herbst 1976). Als private Konsequenz meiner Zugehörigkeit zur Frauenbewegung betrachte ich meinen Kirchenaustritt im Frühjahr 1976, da ich feministische Einstellung und Mitgliedschaft speziell in der katholischen Kirche für unvereinbar hielt und halte. Ich habe darüber mit anderen Frauen diskutiert, die zum großen Teil meine Entscheidung verstehen konnten oder selbst den gleichen Schritt taten.
Im ersten Jahr des Bestehens ließen sich relativ viele Mitglieder scheiden oder trennten sich von ihren Partnern - das brachte das Frauenzentrum außerhalb und auch bei weniger »radikalen« Frauen in den Ruf, ein »Scheidungsverein« zu sein - manche blieben ganz weg aus Angst, von dieser Scheidungswelle angesteckt zu werden. Aber ich weiß aus Gesprächen, daß die betreffenden Ehen schon vorher zerrüttet waren - das gewonnene Selbstvertrauen und die Unterstützung durch die Gruppe befähigten diese Frauen zum letzten entscheidenden Schritt.
Manche Frauen entdeckten ihre Neigung für andere Frauen und es fanden sich einige lesbische Paare - auch ein umstrittenes Thema, das wir verschiedentlich mit mehr oder weniger Offenheit in der Gruppe besprachen und das bei vielen - auch bei mir - noch auf gefühlsmäßige Vorbehalte stößt, obwohl es verstandesmäßig akzeptiert wird.
Ein etwas wunder Punkt ist das politische Bewußtsein in unserem Frauenzentrum: Mehrmals wurde ohne Erfolg versucht, einen politischen Arbeitskreis ins Leben zu rufen. Vielen Frauen - darunter leider auch mir - war es bisher »politisch« genug, wenn wir unsere neue Einstellung zu Hause und soweit möglich auch in der Öffentlichkeit vertreten, uns dagegen wehren, daß Frauen beruflich und privat als Menschen zweiter Klasse behandelt werden. Von anderer Seite wird uns sicher berechtigt vorgeworfen, wir seien für ein Frauenzentrum zu unpolitisch. Die einzige größere Veranstaltung in dieser Richtung (abgesehen von internen Diskussionen) war ein »politischer Abend« im Herbst 1976 mit Vertretern der verschiedenen Parteien. Dieser Abend war von der Besucherzahl her eine unserer erfolgreichsten Veranstaltungen.
Politisch ist auch das Bemühen der ca. Anfang 1977 aus dem Frauenzentrum hervorgegangenen Frauenhausgruppe, ein Haus für mißhandelte Frauen einzurichten und die Öffentlichkeit auf das Problem der Frauenmißhandlungen aufmerksam zu machen. Inzwischen hat sie fast mehr Mitglieder bzw. Mitarbeiterinnen als das Frauenzentrum, was sicher an ihrem konkreten Ziel liegt. Wer wie ich sowohl im Frauenzentrum als auch in der Frauenhausgruppe mitarbeiten möchte, muß seine Kräfte und seine Zeit notgedrungen einteilen - und dabei kommt oft das Frauenzentrum zu kurz, weil es hier keine unmittelbar drängenden Aufgaben gibt. Es dient ja in erster Linie der persönlichen Entwicklung, dem Sich-Klarwerden über sich selbst, und wenn man auf diesem Gebiet einigen Erfolg sieht, sucht man ein neues Betätigungsfeld.
Sehr wichtig für meine persönliche Entwicklung war der Selbstbehauptungskurs, an dem ich Anfang 1977 teilnahm: Unter fachkundiger Leitung übten wir Methoden und Techniken, die uns befähigen sollten, uns als Frauen besser durchzusetzen und unsere Meinung nachdrücklicher zu vertreten. Eine kleine Gruppe führte diesen Kurs ohne Leitung und etwas aufgelockert weiter - ich gehörte ebenfalls zu diesem Kreis. Das offizielle Kursprogramm, das von unserer Psychologin speziell für Frauen zusammengestellt war, wurde im Herbst 1977 in mehreren Folgen in der Zeitschrift »Brigitte« veröffentlicht. Zur Veranschaulichung erschienen Interviews und Fotos einiger Reutlinger Frauen, die den ersten Kurs nach diesem Programm mitgemacht hatten (ich konnte mich und meine Äußerungen auch in »Brigitte« bewundern!). In der Zwischenzeit wurde die »Selbstbehauptung« wegen großer Nachfrage mehrmals wiederholt und ist einer der erfolgreichsten Kurse an unserem Frauenzentrum geblieben.
Diese »Erfolge« dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß das Interesse am Frauenzentrum seit einiger Zeit sichtbar nachläßt. Von den Frauen, die im ersten Jahr aktiv dabei waren, kommen nur noch sehr wenige regelmäßig. Viele haben den neugewonnenen Schwung dazu benutzt, den Beruf zu wechseln, eine Ausbildung zu beginnen, sich aus alten Beziehungen zu lösen oder neue einzugehen. Man könnte sagen, das Frauenzentrum hat seine Pflicht getan - sie kommen jetzt allein weiter.
Und die »Neuen«? Mich deprimiert es manchmal, wenn sie kommen und fragen, was denn bei uns »läuft«. Entspricht es nicht ihren Erwartungen, werfen sie uns vor, wir seien zu wenig politisch, zu wenig feministisch, zu wenig aktiv - aber auf die Idee, selbst etwas zu tun, kommen nur wenige. Deshalb wurden eine Fragebogenaktion und ein »Ideenmarkt« gestartet: Alle Frauen, die jemals bei uns aufgetaucht sind und deren Adressen uns vorliegen, werden nach ihren Wünschen, Interessen und ihrer Einstellung zum Frauenzentrum befragt, um Anregungen für weitere Arbeit zu bekommen.
Ich bin sicher, daß das, was bisher getan wurde, sinnvoll und wichtig war. Für die Zukunft brauchen wir aber meiner Meinung nach konkrete Ziele, die über die persönliche Entwicklung und Selbstentfaltung der einzelnen Frau hinausgehen.
Zum Schluß möchte ich noch sagen, daß meine Ausführungen als subjektiver Bericht zu verstehen sind; andere Frauen hätten sicher andere Schwerpunkte gesetzt. Was die Daten von der Gründung des Frauenzentrums an bzw. die einzelnen Veranstaltungen angeht, so konnte ich auf schriftliche Unterlagen und Protokolle zurückgreifen, die ich von Anfang an gesammelt habe.

Erfahrungsbericht über die Gruppe »Offensives Altern«

Zu meiner Person: Ich bin 48 Jahre alt, war 25 Jahre verheiratet und habe 5 Kinder.
Seit 2 Jahren lebe ich getrennt von meinem Mann, in Berlin. Hier verwirkliche ich mich durch Schreiben und intensive Arbeit in der Gruppe »Offensives Altern«.

Betroffen geworden durch Jobs in Berliner Alten- und Pflegeheimen, machten sich einige Studentinnen Gedanken über die Diskriminierung der älteren Frauen und deren Fehlen in der Frauenbewegung. Sie wollten der Sache auf den Grund gehen und beschlossen, ihre Diplomarbeit darüber zu schreiben. Sie machten einige Interviews mit älteren Frauen, man kam sich darüber näher. Beide Seiten begriffen, daß man sich vieles zu sagen hatte und daß beide voneinander lernen konnten. Ein Artikel für den Tagesspiegel wurde erarbeitet, worauf ungefähr 70 Frauen im Alter von 40-80 Jahren ins Frauenzentrum kamen, von denen die Hälfte aber wieder wegblieb. Die Erwartungen waren zu unterschiedlich, ebenso die Einstellung der Frauen zueinander.
Den Jüngeren war es nicht möglich, die Absichten und Möglichkeiten dieser entstehenden Gruppe zu vermitteln. Nicht nur aus Zeitmangel, sondern auch aus dem Gefühl heraus, sie dürften den Älteren nicht zuviel zumuten und sie müßten den Anschein jeglicher Bevormundung vermeiden. Wir aber beschlossen, uns jede Woche einmal zu treffen.
Zu unseren Gesprächsthemen gehörte unter anderem das Mutter-Tochterproblem. Junge Frauen stellten fest, daß viele ältere Frauen genauso unter ihrer Mutter leiden wie sie, und die älteren begriffen, daß ihr Problem nicht so einmalig ist, wie sie annahmen.
Ebenso erging es uns mit dem Thema Sexualität. Erstaunlich ist dabei die Offenheit, mit der manche Frauen über sich zu sprechen bereit sind. Wenn auch nicht alle Probleme zu lösen sind, so ist es für viele Frauen doch tröstlich zu wissen, daß sie verstanden werden und daß sie nicht allein damit dastehen.
Für eine Ältere war die Erkenntnis wichtig, wie weit die politischen Verhältnisse in das Leben der Jüngeren einwirken und daß nicht nur irgendwelche Unbekannte davon betroffen sind, sondern Leute, die sie kennen, und daß Politik sie selbst auch angeht.
Jüngere hingegen lernen Alter nicht nur als Krankheit und Passivität zu sehen, sondern, daß es auch als Sammlung von Erfahrung und Befreiung von vielen alltäglichen Pflichten erlebt werden kann.
Frauen um fünfzig, denen man einredet, sie seien am Ende, begreifen, daß nur ein Lebensabschnitt beendet ist, daß sie in der Mitte, als Bindeglied zwischen Jugend und Alter, stehen und daß dies etwas Positives sein kann.
Trotz der Entdeckung vieler Gemeinsamkeiten sind wir im Laufe eines Jahres auch auf viele Widersprüche in uns und auf festgefahrene Vorurteile gestoßen. Umwelt, Erziehung und Gewohnheit sind einflußreicher als unsere neuerarbeiteten Erkenntnisse. Es kommt mitunter vor, daß zwei verschiedene Meinungen heftig aufeinander prallen, doch auch das betrachten wir als etwas Positives: Es beweist, daß wir uns ernst nehmen und daß auch Frauen bereit sind, ihre Schwierigkeiten offen auszutragen, anstatt sich wie erwartet hinter dem Rücken zu bekämpfen und ihren Unmut hinter geheuchelter Freundlichkeit zu verbergen.
Aber es gibt nicht nur Schwierigkeiten. Einige Freundschaften entstanden in der Gruppe, einige Frauen verreisten gemeinsam, Krankenbesuche haben stattgefunden, Telefongespräche werden geführt - für viele ist das Gefühl der Vereinsamung aufgehoben. Die typische Ghettosituation des Alters soll für uns erst gar nicht entstehen. In etlichen Jahren hoffen einige so weit zu sein, um  eine Wohngemeinschaft zu gründen. Andere betrachten die Veränderung des Begriffs Altern und die Darstellung der älteren Frau in der Öffentlichkeit als besonders wichtig. Es leuchtet nicht ein, daß für Frauen das Leben zu Ende sein soll, wenn die Männer behaupten, sie seien in den besten Jahren und fingen an, interessant zu werden. Es ist an der Zeit, daß Frauen begreifen, daß sie niemand zu einem Mauerblümchenleben zwingen kann, daß nicht verordneter oder unverordneter Tablettenkonsum, Alkohol Depressionen und Einsamkeit das einzige sind, was bleibt, wenn die Kinder erzogen, der Mann sich einer Jüngeren zugewandt und die Berufslaufbahn verfahren ist. Frauen müssen nicht ein Leben lang Konkurrentinnen sein miteinander ist es leichter, die Schwierigkeiten zu erkennen und mit ihnen fertig zu werden. Wichtig für uns wäre es, wenn in anderen Städten ebensolche Gruppen entstünden und wir ebenfalls von deren Erfahrungen profitieren könnten.
Denn wir haben inzwischen begriffen, daß es zwischen jungen und alten Frauen mehr Verbindendes als Trennendes gibt.
…………..
Rezept

1
Nicht abkochen lassen
kochen vor Wut.
Nicht Mahlzeit sagen
sagen
mal ist es Zeit
den Hausherrn zu richten
nicht den Tisch

2
Nicht weggeputzt werden
Putz machen
nicht mehr putzig sein
aufräumen
mit dem Putzen.

3
Nicht
Mann nehme
ich nehme mir die Freiheit.

Lesbischsein, unser unbewußter politischer Widerstand

Zu uns: Ulrike (33 Jahre) ist gelernte Graphikerin, hat 6 Jahre in diesem Beruf gearbeitet und studiert jetzt im 2. Semester Psychologie. Sie ist nach 4 Jahren Ehe geschieden und seit 2 Jahren in der Frauenbewegung. Ute (38  Jahre) war Fremdsprachenkorrespondentin und ist jetzt Studienrätin an einer Gesamtschule Nach 3 Jahren Ehe geschieden und seit 7 Jahren in der Frauenbewegung.
Wir stehen zu unserer Biographie.

Lesbischsein wird, auch in der Frauenbewegung, immer noch fast ausschließlich als emotionale, sexuelle und persönliche Angelegenheit verstanden Noch zu wenig wird der Zusammenhang zwischen der psychischen Widerstandsform Lesbischsein und anderen politischen Kampfformen gesehen. Wir begreifen Lesbischsein als psychische Antwort auf Männermacht und Gewalt. Die Geschichte des Patriarchats[1] zeigt, daß die Unterdrückung der Frau sich im Verlauf des Geschlechterkampfs mehr und mehr von der physischen Gewalt (deren Höhepunkt vielleicht die Hexenverbrennungen waren) auf den Bereich der psychischen Gewalt verlagert hat. Das läßt sich sehr gut an der Klitorisbeschneidung verdeutlichen: In den sogenannten rückständigen Kulturen wird die Klitorisbeschneidung auch heute noch physisch durchgeführt; in den westlichen Kulturen wurde eine derartige ärztliche Praxis zu Beginn des 20. Jahrhunderts »überwunden«, das heißt durch eine subtilere psychische Praxis ersetzt, nämlich durch kulturell hergestellte Frigidität von Frauen und durch den Mythos vom vaginalen Orgasmus, eine »massenhysterische Anpassungsleistung«[2] von Frauen an die männliche sexuelle Norm. Wo aber die psychische Anpassung nicht klappt, beispielsweise beim Vaginismus von Frauen, greifen die Ärzte auch heute bei uns noch zum Messer!
Was können wir Frauen heute dagegen tun? Für uns lautet die Antwort: Lesbischsein als politische Widerstandsform bewußt begreifen, leben und verbreiten. Es ist ein gewaltloses Mittel des Widerstandes. Wir können uns den Männern entziehen. Wir können mit Frauen leben. Wir können uns ganz auf Frauen beziehen, und das heißt auch endlich auf uns selbst. Lesbische Frauen entziehen den Männern ihre Kraft und Liebe, beides geben sie Frauen. Damit stärken sie Frauen und sich selbst. Sie entziehen ihren Unterdrückern ihre Unterstützung. Viele Frauen werden sagen: »Wir werden nicht unterdrückt, und wir lieben unsere Männer.« Auf dem Brüsseler Tribunal Gewalt gegen Frauen haben wir die scheußlichsten Verbrechen gehört - tagelang -, die an jedem Tag an Frauen in dieser Welt begangen werden. Diese Verbrechen werden von Männern begangen - die Frauen sind die Opfer. Sie werden verachtet, verhöhnt und geschlagen. Das ist die Liebe der Männer für Frauen. Das sind keine individuellen Schicksale! Der Phallokratismus, die Männerherrschaft, macht diese Verbrechen gegen Frauen möglich. Er braucht sie sogar, um die Angst in uns Frauen, die uns klein hält, immer neu zu erzeugen. Diese Angst können wir nur zusammen mit anderen Frauen bekämpfen und überwinden, diese Angst, die uns gefesselt hält, diese Angst, die uns zwingt, uns zu Objekten erniedrigen zu lassen.
Frauen, wir müssen unsere Liebe, unsere Zärtlichkeit, unser Verstehen und unsere Kraft unseren Schwestern geben, um für uns alle eine Welt zu erschaffen, in der wir alle leben können. Es ist nicht mehr viel Zeit, diesen Planeten bewohnbar zu erhalten. Auch für die Kinder müssen wir diesen Kampf führen, gegen eine Männerherrschaft, die den Menschen und die Natur zerstört hat und immer weiter zerstört.
Frauen, wir können nur auf uns selbst zählen. Wir müssen zusammen kämpfen, zusammen arbeiten, zusammen leben und lernen, uns selbst zu lieben. Dann können wir auch andere Frauen lieben. Erst dann werden wir stark sein!
Frauen, Lesbischsein ist die Fortsetzung der autonomen Frauenbewegung im privaten Bereich. Das ist lesbische Politik. Diese Politik ist radikaler als alles, was sozialistische Bewegungen bisher erdacht haben, weil sie an die Wurzel des Patriarchats und damit auch an die Wurzel des Kapitalismus geht.

Was, Lesbischsein soll Politik sein? Ihr seid wohl toll geworden?

Wir Frauen wollten eigentlich immer schon toll sein, aber wir durften nicht. Unsere Mütter, Väter, Tanten, Großtanten und Onkels, unsere Lehrerinnen und Lehrer verboten es uns. Wie schade. Trotzdem überlebten einige superverrückte Frauen den Psychoterror, die  Gehirn-  und  Gefühlswäsche  unserer Erziehung. Wir glauben, sie machten im Untergrund weiter, im Unterbewußtsein, machten einfach, was sie wollten: starke Menschen sein, gleichberechtigt sein, Macht haben und kein schwaches Weibchen sein. Und plötzlich - waren sie als Lesben verschrien!
Tja, Frau, was wird dann aus dir, wenn du so ein Selbstwertgefühl hast, daß du keine minderwertige Frau werden willst? Erstmal bis du weder Fisch noch Fleisch, weder Mann noch Frau, ein Zwitter. Aber sie zwingen dich: Du hast ja ein biologisches Geschlecht, basta. Du bist biologisch Frau, also füge dich in Machtlosigkeit, Unterwerfung, Ehe, Kinderkriegen, Männer anhimmeln, also lieben. Willst du dennoch deine Richtung, weil du dich zu gut dafür fühlst, willst du Frau sein und Frauen lieben, wirst du gezwungen, halb Mann zu werden, psychisch.
Als ich soweit war, habe ich von einer Frau gehört: »Du bist irgendwo Klasse, wenn du'n Mann wärst, könnte ich dich akzeptieren.«
Wenn eine Lesbe doch eigentlich nur eine starke Frau sein will, warum wird sie dann verfolgt? Ganz einfach. Weil eine Lesbe der Männergesellschaft das verweigert, was eine Frau zu bringen hat, nämlich:

  • Wenn Frau Männer nicht anhimmelt, sich nicht in sie verliebt, wenn Frau nicht dauernd das Signal gibt: »Hilfe, ich bin eine schwache Frau!«, dann kann Mann sich nicht mehr groß fühlen. Muß er doch selbst mit uns zwangsneurotisch Eifeltürme bauen, Hochhäuser, Denkmäler, Raketen, Pistolen, Gewehre, Autos - alles wie monumentale Pimmel, aus denen es möglichst auch noch rausschießt. Diese organisierte Kriminalität pimmelähnlicher Waffen-, Wohn-, Kunst- und Fahrsysteme müssen wir Frauen dann auch noch gut finden, damit er sich groß fühlen kann.
  • Wo sollten denn die Kinder herkommen, wenn alle Frauen wüßten, wie toll sie sind, daß sie Männer nur brauchen, weil die uns abhängig gemacht haben in einer jahrtausendelangen Geschichte.[3] Klar kann Mann das nicht gut finden, wenn eine Frau als Lesbe was gegen Verkehr mit Pimmeln hat. Ihr Sexualorgan ist ihre Klitoris und ihr ganzer Körper, nicht nur die Vagina. - Wie sollte der Mann sich dann aber fortpflanzen, wenn alle Frauen wüßten, daß sie lesbisch sein könnten? Also muß man(n) sie verfolgen. Denn wo sollten sonst die Arbeitskräfte, das Kanonenfutter und »unsere« Renten herkommen, wenn nicht aus unserem Bauch?
  • Der Mann müßte in den bezahlten Puff gehen, wenn es den kostenlosen Ehepuff mit Schlafzimmer, Hausarbeit, Kindererziehung, Wäschewaschen, Krankenpflege und Seelenmassage - alles unbezahlt, nur aus Liebe - nicht mehr gäbe.

Kurz gesagt: Lesben sind eine Gefahr für die wirtschaftliche Macht der Männer, deshalb werden sie verfolgt. Bei ihnen klappt die totale Ausbeutung und Versklavung von Frauen nicht: hauswirtschaftlich nicht und sexualwirtschaftlich, erziehungswirtschaftlich, psychowirtschaftlich, pflegewirtschaftlich und menschenmaterialwirtschaftlich nicht. Und so werden sie verfolgt: Mann raubt Frau das gesamte Bewußtsein dieser Zusammenhänge und verfolgt, verurteilt, verhöhnt Lesben moralisch und wissenschaftlich, indem er Lesbischsein beispielsweise in der Medizin als Krankheit behandelt, so daß die normalen Frauen und auch die Lesben vor diesem Zustand tüchtig Angst haben müssen. So sichert der Mann seine Macht.
Und wenn ich nun als Frau die politische Bedeutung von Lesbischsein eingesehen habe, was hab' ich dann davon? Ich kann doch nicht lesbisch werden, nur um durch Frauenstreik die Männermacht anzugreifen! Das kann Frau doch nicht über den Kopf machen!! - Stimmt. Aber bislang können nur wenige Frauen den Schaden ermessen, der unseren Köpfen und Gefühlen angetan wurde. Wir müssen uns wiederentdecken, und mit mehr Wissen und weniger Angst kann Frau leichter auf ihre angeborenen Möglichkeiten, auf sich und andere Frauen zugehen, sich und andere Frauen lieben. Wenn übrigens die Frauenbewegung diesen Machtfaktor des Lesbischseins nicht begreift und für sich nutzbar machen kann, wird sie von den Männern nur Anpassungen des patriarchalischen Systems erreichen, aber kein gleiches Recht für Frauen. Vielleicht wird sie sogar untergehen wie die alte Frauenbewegung zu Beginn dieses Jahrhunderts, weil sie kein Bewußtsein von der wahren Macht von Frauen entwickelte. Die Frauenbewegung ist zwar augenblicklich die revolutionäre Bewegung mit dem größten Wachstum, wird das aber kaum bleiben können. Die patriarchalischen Staatsapparate geben sich durch winzige Zugeständnisse wie verschlimmbesserte Abtreibungsparagraphen oder die Einführung von Erziehungsgeld und Schwangerschaftsjahr schon jetzt alle Mühe, der Frauenbewegung den Wind aus den Segeln zu nehmen und der Masse der Frauen Sand in die Augen zu streuen. Wenn Frauen aber lesbisch werden oder wenigstens verstehen und sympathisieren, hätte die Frauenbewegung ein mächtiges Kampfmittel.

Erfahrungen mit Frauengesprächsgruppen

In meine erste Frauengesprächsgruppe geriet ich 1970 in den USA eher zufällig durch eine Kollegin. Ich weiß noch, daß ich ihr lautstark erklärte, daß ich persönlich das nicht nötig hätte, weil ich selbst mich als Frau nicht benachteiligt fühlte. Aus Neugier ging ich trotzdem mit. Ich fand die anderen Frauen sympathisch, und ich entdeckte allmählich, daß vieles von dem, was ich für meine persönlichen Probleme hielt, in Wirklichkeit die gemeinsame Erfahrung von allen Frauen war. Das war eine große Erleichterung für uns
alle, und es bewirkte langsam so etwas wie eine Bewußtseinsänderung: Vieles, was für uns vorher selbstverständlich war, erschien plötzlich in einem neuen Licht.

Beschreibung der Gesprächsgruppen

Die amerikanischen Gruppen nennen sich »consciousness-raising groups«, »bewußtseins-hebende« Gruppen, auch kurz CR genannt - eine Bezeichnung, die von manchen deutschen Frauengesprächsgruppen übernommen worden ist.
In solchen Gesprächsgruppen, Selbsterfahrungs- oder auch Kleingruppen[1] treffen sich einige Frauen (etwa vier bis acht) ohne eine spezielle Gruppenleiterin regelmäßig - meist einmal die Woche - reihum, um über ihre persönlichen Erfahrungen zu sprechen. Bei jedem Abend steht ein Thema im Mittelpunkt, z.B. die eigene Erziehung als Mädchen, Berufstätigkeit, Ehe, Mutterschaft, Alter, Beziehung zu anderen Frauen usw. Die Aufgabe der Gruppe ist es, zuzuhören und die gemeinsamen Erfahrungen als Frauen in unserer Gesellschaft zu verstehen.

Ziele und Ergebnisse

Bei den Gesprächsgruppen geht es um gegenseitige Unterstützung, nicht um Konfrontation. Sie bilden einen »freien Raum«,[2] in dem wir unsere Erfahrungen aussprechen können, ohne von anderen unterbrochen oder dafür kritisiert zu werden. Die Gruppen sind themenzentriert, es geht um unsere gemeinsamen Erfahrungen als Frauen. Persönliche Probleme werden nicht wie in der Therapie als Ergebnis der individuellen Lebensgeschichte gesehen, sondern im Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Rolle von Frauen. Dies wird jedoch nicht in erster Linie theoretisch diskutiert, sondern ergibt sich allmählich aus den vielen einzelnen Erfahrungsberichten.
Die wichtigste Erfahrung in solchen Gruppen ist die Entdeckung, daß vieles von dem, was frau für ihr persönliches Problem hält, in Wirklichkeit ein gemeinsames ist. Wir alle haben Schwierigkeiten, und meistens glauben wir,daß wir an diesen Schwierigkeiten selber schuld sind. Wenn sich in der Gruppe dann herausstellt, daß andere genau dasselbe Problem haben, ist das zunächst eine große Erleichterung - und es hilft, mit den Schwierigkeiten auch durch die gegenseitige Unterstützung besser fertig zu werden.
Ein weiteres Ergebnis ist die allmähliche Veränderung des Selbstbewußtseins. Viele Frauen gewinnen durch die Gespräche mit anderen, durch die Unterstützung und Anerkennung in der Gruppe ein großes Selbstbewußtsein, das sie dann befähigt, auch außerhalb der Gruppe Veränderungen anzustreben. Teilweise können Gesprächsgruppen auch therapeutische Wirkung haben, weil in diesen Gruppen zum ersten Mal all die verschütteten Gefühle des Ärgers, des Sich-Nicht-Ernstgenommen-Fühlens, des Selbstzweifels, der Minderwertigkeitsgefühle, die mit der Rolle der Frau verbunden sind, ernstgenommen, verstanden und geteilt werden (was bei manchen männlichen Therapeuten nicht der Fall ist).
Dennoch sind Gesprächsgruppen nicht in erster Linie Therapiegruppen (und können auch durch bestimmte Probleme überfordert werden). Schließlich sind Gesprächsgruppen oft sehr anregend. Frau nimmt sich Zeit, einmal in der Woche über bestimmte Erfahrungen nachzudenken, zu sprechen und zu hören, wie sich andere in ähnlichen Situationen verhalten. Das Wichtigste aber ist, daß sich in solchen Gruppen die Einstellung zu anderen Frauen verändert: Statt Konkurrenzdenken entwickeln sich Solidarität und Zuneigung zueinander.

Rolle in der Frauenbewegung

Für viele Frauen ist die Frauengesprächsgruppe der Einstieg in die Frauenbewegung. Frauengesprächsgruppen spielen deshalb eine wichtige Rolle in der Frauenbewegung, in den USA ebenso wie bei uns. In der Gesprächsgruppe wird bewußt, was die allgemeinen Aussagen über die Rolle der Frau mit dem eigenen persönlichen Leben zu tun haben.
Die Idee wurde 1968 von den New York Radical Women[3] entwickelt, die auf einmal entdeckten, daß ihre eigenen Erfahrungen viel spannender waren als das, was sie bisher an Theorien in Büchern gelesen hatten. Die Frauengesprächsgruppen breiteten sich dann mit großer Schnelligkeit aus; bald gab es zehntausende solcher Gruppen überall in den USA.
Bei uns in der Bundesrepublik wurden die ersten Gruppen wahrscheinlich 1971 oder 1972 gegründet. Durch verschiedene Veröffentlichungen in den Massenmedien stieg ihre Zahl immer schneller an; die Initiativgruppe Frauengesprächsgruppen, die wir 1975 in Reutlingen gründeten, hat inzwischen tausende von Anfragen nach Kontaktadressen und Informationsmaterial beantwortet. Viele Gesprächsgruppen entstehen ganz spontan, andere finden sich durch eine Zeitungsannonce, über die Volkshochschule oder in Frauenzentren zusammen. Eine Reihe von Frauenzentren sind aus Frauengesprächsgruppen entstanden;  andere Frauen haben sich darauf beschränkt, »nur« Veränderungen in ihrer Familie vorzunehmen, oder sie haben sich in anderen Gruppen (Gewerkschaften, Parteien) engagiert.

Die Gesprächsgruppen sind von der Zusammensetzung und von der Orientierung her sehr unterschiedlich; Hausfrauen, Berufstätige, Schülerinnen und Studentinnen aller Altersgruppen, wenn auch die Mittelschicht wohl überwiegt. Manche Gruppen bleiben ein paar Monate zusammen, andere mehrere Jahre. Die meisten treffen sich reihum privat zu Hause. 1976 veranstaltete die »Initiative Frauengesprächsgruppen« die erste Tagung über Gesprächsgruppen in Göppingen; zu dieser Tagung kamen über 80
Frauen überwiegend aus dem süddeutschen Raum zu einem Erfahrungsaustausch zusammen. Zum gegenwärtigen Zeitraum (1978) gibt es schätzungsweise 10 000-15 000 solcher Gesprächsgruppen in der Bundesrepublik. Inzwischen sind auch die ersten Männergesprächsgruppen entstanden. Oft sind es Männer, deren Frauen längere Zeit in einer Gesprächsgruppe waren.

Weiterentwicklung

Die Frauengesprächsgruppen bildeten auch den ersten Schritt in der Entwicklung zu einer speziellen feministischen Therapie. Frauen in Therapie lernten durch die Gesprächsrunde verstehen, was in der normalen Therapiesituation zwischen (meist männlichen) Therapeuten und weiblicher Klientin oft abläuft: verborgene oder offene Verachtung von Frauen, Anpassung an die herkömmliche Frauenrolle usw.
Einige Frauen begannen daraufhin, sich zu eigenen Therapie-Selbsthilfegruppen (z.B. in München) zusammenzuschließen, wo ohne eine spezielle Expertin versucht wird, auf dem Hintergrund der eigenen Erfahrungen mit Therapieformen, gemeinsam persönliche Probleme zu lösen. In Berlin gibt es ähnliche Versuche mit Problemlösungsgruppen. In Reutlingen machen wir seit 1976 in kleineren Gruppen im Reutlinger Frauenzentrum Selbstbehauptungstrainings; ähnliche Versuche mit der Weiterentwicklung des therapeutischen Ansatzes gibt es auch in anderen Frauengruppen und -Zentren; in einigen Städten entstehen zur Zeit bereits eigene Frauentherapiezentren.
Den Ausgangspunkt dazu bildeten die Frauengesprächsgruppen, in denen wir gelernt haben, persönliche Erfahrungen und allgemeine Analysen aufeinander zu beziehen. Die Gesprächsgruppen selber erheben nicht den Anspruch, Therapiegruppen zu sein - wenn auch die Veränderung des Bewußtseins durchaus therapeutische Nebenwirkungen (Verringerung von Angst, Depression und Schuldgefühlen, mehr Selbstbewußtsein) haben kann.

Vorgehensweise und »Regeln«

Die erste Frauengesprächsgruppe in Reutlingen, die 1972 auf meine Anregung hin zustande kam, scheiterte sehr schnell an inneren Schwierigkeiten. Der allgemeine Hinweis, »sich zusammenzusetzen und über Erfahrungen als Frauen zu reden«, war zu pauschal, um deutlich zu machen, was das Besondere an Frauengesprächsgruppen ist.
Aus Erfahrungen in den USA und in Deutschland entstanden deshalb eine Reihe von »Regeln« oder besser Hinweisen, die Gesprächsgruppen helfen sollen, bestimmte Schwierigkeiten (wie Dominanz, mangelndes Vertrauen, usw.) zu vermeiden. Diese »Regeln« sind inzwischen mehrfach veröffentlicht worden.[4] Im folgenden möchte ich die wichtigsten von ihnen anhand des Ablaufs eines Abends (oder eines Nachmittags) zusammenfassen, bevor ich dann auf die Schwierigkeiten in Gruppen eingehe.

  1. Am besten treffen sich fünf bis sechs Frauen einmal die Woche reihum privat für mindestens zwei bis drei Stunden. Wichtig ist die regelmäßige Teilnahme, damit das Zusammenwachsen der Gruppe nicht gestört wird; aus demselben Grund sollten nach zwei Sitzungen keine neuen Mitglieder mehr dazukommen, weil sonst die Gruppe wieder »von vorne« anfangen muß.
  2. Jede Sitzung sollte ein bestimmtes Thema haben, das am besten schon am Ende der vorhergehenden Sitzung vereinbart wird. Dieses Thema hilft, die Gespräche auf einen gemeinsamen Mittelpunkt zu konzentrieren und sie dadurch intensiver zu machen. Gruppen, die sich sehr gut kennen, verzichten manchmal darauf, ein Thema festzulegen; das wird auf die Dauer jedoch unbefriedigend, weil frau dann das Gefühl hat, »es kommt nicht viel dabei heraus«. Deshalb ist es sinnvoller, jeweils ein Thema festzulegen. Wenn die Zeit an einem Abend nicht für ein bestimmtes Thema ausreicht, so kann frau einen zweiten Abend hinzunehmen.
  3. Zu diesem Thema erzählt reihum jede Frau von ihren persönlichen Erfahrungen. Dabei entscheidet sie selbst, was sie erzählen möchte und was nicht. Das heißt, daß ein Mitglied anfängt und die anderen zuhören und auf sie eingehen, indem sie nachfragen, Anteilnahme ausdrücken und versuchen, das Gesagte besser zu verstehen. Nach vielleicht zwanzig Minuten kommt dann die nächste dran, und so reihum. Vielen erscheint dieses Reihum-Prinzip künstlich. Sicher macht es mehr Spaß, einfach spontan zu erzählen, doch meist führt das dazu, daß einige Frauen sehr viel sagen und andere fast gar nichts. Diese Dominanz führt zu erheblichen Spannungen. Dem soll die Regel des Reihum-Sprechens vorbeugen, wobei natürlich jede, die »dran« ist, das Recht hat zu sagen, »dazu möchte ich nichts sagen«.
  4. Bei diesen Erfahrungsberichten soll möglichst niemand unterbrochen oder kritisiert oder mit unerbetenen Ratschlägen überschüttet werden. Für viele Frauen ist die Gesprächsgruppe der einzige Ort, wo sie einmal in Ruhe von sich reden können; deshalb ist es wichtig, daß sie niemand unterbricht. Auch mit Kritik und Ratschlägen sollte die Gruppe außerordentlich zurückhaltend sein, es sei denn, daß jemand ausdrücklich darum bittet. Kritik drängt die andere in die Verteidigung und erschwert es ihr, von selbst zu neuen Einsichten zu kommen. Auch Fragen können versteckte Kritik enthalten (»Machst du dir da nichts vor?«). Statt dessen ist es besser, direkt von eigenen Erfahrungen zu sprechen (»Ich habe ...«). Bei Gesprächsgruppen geht es um die gegenseitige Unterstützung, nicht um Konfrontation. Ein wichtiges Ziel ist es zu lernen, uns gegenseitig auch in all unserer Verschiedenheit zu akzeptieren. Ähnlich problematisch wie mit Kritik ist es mit Ratschlägen; viele von uns neigen dazu, mit schnellen Ratschlägen Probleme einfach »zuzudecken«. Ratschläge sollten-wenn überhaupt-erst dann gegeben werden, wenn das Problem für alle klar ist und wenn die Betreffende ausdrücklich darum bittet. Außerdem sollte frau bei diesen Erfahrungsgesprächen nicht »man« sondern »ich« sagen. Verallgemeinerungen machen das Gespräch unpersönlich. Hinter den meisten Verallgemeinerungen stehen persönliche Erfahrungen. Oft hilft es, wenn frau fragt: »Kannst du dazu ein Beispiel bringen?«
  5. Zum Abschluß sollte die Gruppe eine Viertelstunde darüber sprechen: »Wie habe ich mich heute Abend gefühlt?« Dazu sollte wiederum jede reihum kurz etwas sagen, und die Gruppe kann dann anschließend darauf eingehen. Dies hilft der Gruppe, ihren eigenen Prozeß besser zu verstehen und Probleme in der Gruppe von Anfang an zu besprechen, bevor sich daraus ernsthafte Schwierigkeiten entwickeln können.

Gesprächsleitung und Gründung von Gesprächsgruppen

Die meisten Frauengesprächsgruppen haben keine spezielle Gruppenleiterin oder Expertin. Ein Ziel dieser Gruppen ist es ja gerade, die Gewohnheit, sich unterzuordnen, zu überwinden. Falls eine Gruppe dennoch das Gefühl hat, eine Gesprächsleitung zu brauchen, so können die Mitglieder abwechselnd reihum diese Funktion übernehmen: die Gruppe zum Thema zurückbringen; darauf achten, daß auch schüchterne Mitglieder zu Wort kommen und nicht unterbrochen werden; an die Regeln erinnern; und am Schluß des Abends fragen, wie die einzelnen sich gefühlt haben.
Diese Unabhängigkeit von einer offiziellen Leiterin ist eine der Stärken der Gesprächsgruppen, weil sie es möglich macht, daß sich Gruppen spontan bilden können, ohne auf eine »Expertin« warten zu müssen. Andererseits fällt es vielen Frauen nicht leicht, selber eine Gruppe zu gründen. Hier können Frauenzentren oder Volkshochschulen Hilfestellung leisten. In Reutlingen veranstalten wir seit 1974 in jedem Semester Einführungsveranstaltungen an der Volkshochschule, in denen die Idee der Frauengesprächsgruppen vorgestellt und neue Gruppen gebildet werden. Die Gruppen treffen sich dann außerhalb der Volkshochschule privat, kommen aber gelegentlich zu einem Erfahrungsaustausch in der Volkshochschule wieder zusammen, wo vor allem auch über Schwierigkeiten in den einzelnen Gruppen gesprochen und nach Lösungsmöglichkeiten gesucht wird, oft verbunden mit einem Kommunikationstraining.
Eine andere Möglichkeit ist, daß Frauen, die bereits Erfahrung mit Gesprächsgruppen haben, bei den ersten zwei oder drei Abenden in der neuen Gruppe mitmachen, um ihnen den Anfang zu erleichtern.
Bei der Zusammensetzung der Gruppen hat sich gezeigt, daß es Frauen, die sich ähnlich sind (Alter, Familienstand, Kinder, Berufstätigkeit) im allgemeinen leichter haben. Andererseits können Gruppen mit unterschiedlichen Frauen interessanter sein. In jedem Fall sollte jedoch nach Möglichkeit vermieden werden, daß eine Frau »anders« ist als die anderen (z.B. eine
Hausfrau mit Kindern unter lauter alleinstehenden Berufstätigen), weil dann die besonderen Erfahrungen dieser Frau leicht zu kurz kommen.

Umgang mit Schwierigkeiten in der Gruppe

In vielen Gesprächsgruppen gibt es früher oder später einen Tiefpunkt.
Vielleicht hilft es bereits, sich klar zu machen, daß nicht jede Sitzung gleichermaßen aufregend und interessant sein kann und daß jede Gruppe verschiedene Phasen durchläuft. Das Gefühl, daß es »nicht mehr so richtig läuft«, kann verschiedene Ursachen haben.

  1. Die »Lätschigkeit>;«-Falle
    Nach einiger Zeit scheint es vielen Gesprächsgruppen leichter und angenehmer, »nur so« miteinander zu reden und dabei vom Hundertsten ins Tausendste zu kommen. Aber weil die Gruppe sich kein bestimmtes Thema vornimmt, sondern »nur so« miteinander redet, hat frau hinterher das Gefühl, daß sowieso »nicht viel dabei herauskommt«, und deshalb fehlt häufiger jemand, und wenn jemand fehlt, haben die anderen das Gefühl, daß die Gruppe nicht mehr so ernst genommen wird, und dann wird sowieso nur noch »geschwätzt», und so entsteht ein Teufelskreis.
    Also: Sich jedesmal ein festes Thema vornehmen und dabei bleiben, auch wenn einige fehlen! Wenn das Bedürfnis nach allgemeinem Erzählen trotzdem groß ist, empfiehlt es sich, beides zeitlich zu trennen.
  2. Spannungen in der Gruppe
    Je länger sich eine Gruppe trifft, desto eher kommt es zu Spannungen. Am besten ist dem vorzubeugen, indem frau von Anfang an am Ende des Abends darüber spricht, wie der Abend gelaufen ist und wie frau sich gefühlt hat (s.oben). Aber das vernachlässigen viele Gruppen, und so kann es allmählich zu größeren Spannungen kommen. Dann sollte frau einen Abend lang über die Beziehungen zueinander sprechen. In diesem Gespräch sagt zunächst jede, was ihr an anderen bzw. an der Gruppe insgesamt gut gefällt, und anschließend erst, was ihr nicht so gut gefällt. Auf jeden Fall sollte man aufpassen, daß nicht nur Probleme, sondern auch das Positive ausgesprochen wird, sonst endet so ein Gespräch leicht in einer gemeinsamen Depression. Eine Gruppe machte das regelmäßig alle 4-5 Monate und anschließend fühlten sich alle wieder sehr wohl.
    Anderen Frauen fällt es jedoch sehr schwer, miteinander offen über die Prozesse in der Gruppe zu sprechen. Sie haben Angst, andere durch ihre Kritik zu verletzen, oder Angst, es könne sich plötzlich herausstellen, daß sie selber eigentlich Außenseiter sind. In diesem Fall könnte die Gruppe erst einmal darüber sprechen, »warum es uns schwer fällt, über die Gruppe zu reden«, wie das Gespräch verlaufen soll und in welcher Form Kritik vorgebracht werden kann.
    Eine zweite Möglichkeit wäre, zunächst einmal allgemein einen Abend lang über »Schwierigkeiten, andere Leute zu kritisieren« zu reden oder auch über das Thema »Inwieweit fühle ich mich in dieser Gruppe als Außenseiter?« (Wir haben mit Erstaunen festgestellt, daß in manchen Gruppen jede Frau insgeheim meint, sie sei die Außenseiterin ihrer Gruppe.)
    Nun gibt es Gruppen, die schon öfter über Schwierigkeiten gesprochen haben, ohne daß sich viel geändert hat. Das kann daran liegen, daß in den Gesprächen nicht klar geworden ist, was sich eigentlich konkret ändern soll.
    Dann kann die Gruppe folgendes gemeinsam überlegen:
  • Was soll sich konkret in der Gruppe bzw. im Verhalten der einzelnen ändern (z.B. jemanden nicht unterbrechen.)
  • Was können wir tun, um diese Änderung zu erleichtern? (Z. B. darauf hinweisen, wenn es wieder geschieht.)
  • Wann hat sich die Gruppe oder eine einzelne so verhalten, wie ich es möchte? (Dann ihr das auch sagen!)

Allgemein gibt es für Rückmeldung und Kritik noch folgende Regeln:

  • Spezifisch sein, statt allgemein. (Statt »Du bist dominant« sagen: »Du hast vorhin J. dreimal unterbrochen und jedesmal das Thema auf Deine Probleme gelenkt«.)
  • Beschreiben statt werten. (Statt »Ich finde das ziemlich schlimm« sagen: »Mich macht es nervös ...«)
  • Deutlich machen, wie ich darauf reagiere. (Statt »Du bist dominant« sagen: »Ich fühle mich eingeschüchtert, wenn Du ...«)
  • Möglichst bald Rückmeldung geben, statt lange Zeit zu warten.
  •  
  • 3. Mal was anderes machen
  • Gelegentlich läßt sich ein Tiefpunkt in der Gruppe auch dadurch überwinden, daß man gemeinsam etwas anderes macht: z.B. ein gemeinsames Wochenende verbringt, Entspannungs-, Gymnastik-, Yogaübungen macht, zusammen etwas anfertigt (Puppen bastelt, kocht etc.) oder in die Sauna geht, einen Abend nur über Positives redet, zusammen tanzt oder wandern geht usw.
    Man kann auch die Gruppe »umfunktionieren« und beschließen, gemeinsam etwas zu tun, wie z.B. neue Gesprächsgruppen organisieren, eine Aktion starten oder ein Frauenzentrum gründen.
    Auch wenn es in Gesprächsrunden manchmal Schwierigkeiten gibt, so sind sie doch insgesamt eine aufregende und faszinierende Sache. Für viele von uns war die Frauengesprächsgruppe in den letzten Jahren die wichtigste Erfahrung überhaupt, weil wir gemeinsam gelernt haben, uns selber und unsere gesellschaftliche Situation als Frauen besser zu verstehen, und weil wir zusammen angefangen haben, sie zu verändern.

frau
es hat sich eingebürgert
(bei bürgerinnen)
zu schreiben frau statt man
das soll ein beweis sein
für gute feministische gesinnung
ich frag mich:
welche realität entspricht diesem: frau?
mann ist konkret, erfahrbar
in vielen wirklichen männern.
auch man ist wirklich,
wirkt als norm, erwartung, tradition:
man tut dies und das und jenes auf keinen fall!
frau dagegen ist ein mythos:
um ihn zu verwirklichen,
müssen wir ihn abschaffen,
müssen die in frau vorweggenommene
einheit aller frauen herstellen
durch die abschaffung der unterschiede
von:
über-frauen, unter-frauen,
verängstigten frauen, überheblichen frauen,
polit-frauen, autonomen frauen,
haus-frauen, straßen-frauen,
gefangenen frauen, richter-frauen!
frau ist konkrete utopie.
Sie wird erst wirklich sein
durch die rebellion gegen die herrschaft,
die in den unterschieden liegt.
wenn frauen den kampf beginnen
gegen die herrschaft dieser unterschiede,
werden frauen frau sein,
wird frau mensch sein,
und dann wird auch mann mensch sein können.
wenn aber dieses frau nicht mythos ist,
dann ist frau nur grammatik:
dritte weibliche unperson
anstelle dritter männlicher unperson!
wohin aber führt uns ein kampf
zwischen unpersonen?