Selbsthilfeladen »Im 13. Mond«
Im folgenden will ich versuchen, die Geschichte unseres Selbsthilfeladens nachzuzeichnen, über die einzelnen Gruppen zu berichten, über unseren Selbsthilfeansatz (im Gegensatz zum Dienstleistungsprinzip) und unsere Schwierigkeiten, die letztendlich zum Scheitern unseres Projektes führten. Ich nehme dabei ein Flugblatt zu Hilfe, das wir kurz vor der Aufgabe unseres Ladens an alle Frauen und Frauengruppen gerichtet hatten, die Lust und Initiative hätten aufbringen können, um den Laden - natürlich mit Hilfe der noch interessierten Ladenfrauen - wieder auf die Beine zu bringen! Unser Selbsthilfeladen bestand vom Sommer 1976 bis zum Juli 1978 und war Treffpunkt unterschiedlicher Selbsthilfegruppen. Initiiert wurde er von zirka 10 Frauen, die im Zusammenhang mit dem Frauenzentrum standen und schon länger in Selbsthilfe- und Selbstuntersuchungsgruppen oder einzeln arbeiteten, außerdem von der Kräuter- und Geburtengruppe. Wir hielten eigene Räume außerhalb des Frauenzentrums für nötig, um auch Kräuter lagern, ungestört Selbstuntersuchung machen und genug Platz für Material und neue Gruppenaktivitäten haben zu können. Unseren Laden finanzierten wir selber, indem jede Frau einen monatlichen Beitrag von mindestens fünf Mark zahlte, außerdem durch den Verkauf von Spekula und durch Spenden. Insbesondere im Bereich der Gynäkologie wurde uns die frauenfeindliche Behandlung und Forschung bewußt. Wir waren nicht mehr länger bereit, die Pille zu schlucken, andere schädliche Verhütungsmittel anzuwenden oder als Versuchskaninchen für neue Schwangerschaftsabbruchmethoden zu fungieren, und wir lehnten die Rolle der unmündigen Patientin — besonders während der Schwangerschaft und Geburt - ab.
Es gab mehrere Selbstuntersuchungsgruppen in unserem Laden. Durch Selbstuntersuchung mit dem Spekulum lernten wir unseren Muttermund kennen, erfuhren, daß unsere Vagina kein »dunkles Loch« ist, zu dem nur Frauenärzte und andere Männer Zutritt haben. Wir lernten unseren Zyklus kennen und können Erkrankungen frühzeitig feststellen und einige selbst behandeln. Wir lernten, daß vieles normal ist, was uns bisher als krankhaft dargestellt wurde, wie z.B. Ausfluß oder die Lage der Gebärmutter. Wir befreiten uns nicht nur von der Ohnmacht auf dem Gynäkologenstuhl, sondern bauten auch Tabus und Hemmungen unter uns Frauen ab. Unweigerlich fingen wir in den Selbstuntersuchungsgruppen an, über unsere Sexualität zu reden. Unsere Gespräche halfen uns, eigene Vorstellungen zu entwickeln, Forderungen zu stellen und Bedürfnisse anzumelden. Vor allem aber änderte sich unser Verhältnis zu unserem Körper. In dieser Gesellschaft wird unser Körper auf seine Funktionen als Sexualobjekt und auf seine Gebärfähigkeit reduziert. Frauenunterdrückung macht sich außerdem fest an der gesellschaftlich definierten »Schwäche« des Frauenkörpers. Darüber nun bestimmt sich unsere »Körperidentität« und unser Selbstwertgefühl. Es ist gar nicht so einfach, die gesellschaftlich definierte »Körperidentität« in Frage zu stellen, eine andere, eigene Identität zu finden, unseren Körper also so zu akzeptieren, wie er ist, und damit auch gegen die Schönheitsnormen anzukämpfen, die die männliche Gesellschaft produziert hat. Oft reagieren wir Frauen mit Selbsthaß auf unseren eigenen Körper, um unsere Verdinglichung zu verdrängen und von uns zu weisen.
Durch Selbstuntersuchung fanden wir eine Form, ein anderes, von uns gesetztes Verhältnis zu unserem Körper zu erlangen. Andere Formen sind Massage und Bioenergetik. Eine Zeitlang bestanden im Laden vier Massagegruppen und eine Bioenergetikgruppe, die Fußreflexzonen-, Bindegewebs- und andere Arten von Massage als natürliche Heilmethoden gegen Schmerzen und Krankheit ausprobierten. Außerdem machten wir in diesen Gruppen zusammen Entspannungs- und Atemübungen. Dabei lernten wir unseren Körper in seinen Funktionen und Bewegungen noch besser kennen, erfuhren Schwingungen, spürten Muskeln. Indem wir spürten, daß es in uns Energie und Stärke gibt, konnten wir auch unseren Körper als kraftvoll empfinden.
Daß wir alle an Verspannungen der Muskulatur - besonders im Nacken und Rücken - leiden, ist uns nichts Neues. Die Massage löst diese Verspannungen, beruhigt uns und gibt uns schöne Gefühle. In den Massage-Gruppen haben wir gelernt, daß bestimmte »Massage-Techniken« gar nicht so wichtig für uns sind. Viel wichtiger ist es, auf die Frau, die wir massieren, einzugehen und eine Sensibilität dafür zu entwickeln, was ihr guttut. Gesundheit ist weder käuflich noch konsumierbar, sondern abhängig von unseren Lebensbedingungen. Wenn wir gesund leben wollen, müssen wir lernen, unsere körperlichen Empfindungen ernstzunehmen, erkennen lernen, was uns fehlt und Alternativen zur herrschenden Medizin entwickeln und verwirklichen. D.h., wir müssen uns Wissen über unseren Körper aneignen, selber forschen, Krankheiten vorbeugen (gesunde Ernährung und Lebensweise) und heilen (Massage, Atmung, Akupunktur, Kräuter). In der Kräutergruppe versuchten Frauen das alte Wissen, das früher die weisen, oft als Hexen verfolgten Frauen über Kräuter und Heilmittel hatten, sich wieder anzueignen. Sie arbeiteten an einer Kräuterkartei und probierten verschiedene Kräutertees aus. Sie sammelten Erfahrungsberichte von Frauen, die Erfahrungen mit Kräutern als Heilmittel hatten und stellten natürliche Hautpflegemittel her.
Die Geburtengruppe umfaßte zeitweise zirka 30 Frauen, die sich inhaltlich mit verschiedenen Themen auseinandersetzten. Um einen Überblick über die unterschiedlichen Geburtsverläufe in den verschiedenen Berliner Krankenhäusern zu bekommen, führten sie eine Fragebogenaktion durch, informierten darüber und über natürliche Geburt. Zweimal wöchentlich fand eine Beratung für schwangere Frauen statt; es erschienen jeweils 10-25 Frauen. Außerdem begannen einige Frauen eine Broschüre über das Stillen zu erstellen. In der Ernährungsgruppe versuchten Frauen, sich Wissen über gesunde Ernährung und den Verdauungsvorgang anzueignen; außerdem wurde zusammen gekocht und Brot gebacken. Hin und wieder führte dies auch zu gemeinsamem Schmaus im Laden.
Im Zusammenhang mit dem geplanten Kraftwerk Spandau und dem Bau von Atomkraftwerken entwickelte sich auch ein stärkeres ökologisches Interesse. Zeitweise arbeiteten Frauen aus dem Laden über dieses Thema, z.B. für den Frauenkalender »Tag für Tag«. Es gab keine kontinuierliche Gruppe, aber das Bedürfnis, über den Gesundheitsbereich im Laden hinaus gemeinsam gegen die Umweltzerstörung zu kämpfen. Die Frauen fanden es wichtig, nicht einzeln in AKW-Gruppen unterzugehen, sondern sich bei gemeinsamen Aktionen aufeinander beziehen zu können. Unser Anspruch war, für die einzelnen Gruppen im Laden insgesamt anzustreben, daß alle Frauen mehr Wissen über ihren Körper und starkes Selbstvertrauen und Identität gewinnen, so daß wir in der Lage sind, uns wirksam zu wehren und unsere Vorstellungen von menschlicheren Lebensverhältnissen zu erkämpfen.
Wir wollten anderen Frauen Starthilfe geben, selbst Gruppen im Laden zu bilden. Es gab z.B. offene Diskussionen über spezielle Themen; manchmal organisierten wir Diskussionstreffen. Die verschiedenen Gruppen boten offene Abende an, einmal wöchentlich konnten Frauen sich im Laden treffen, Fragen stellen und andere Frauen kennenlernen. Neue Gruppen hätten nach längerer Einarbeitung z. B. selbst offene Termine machen können, Anregungen bringen, inhaltliche Weiterentwicklung fördern können. Das geschah fast nie. Solche Gruppen lösten sich so schnell auf, wie sie sich gebildet hatten. Wenn sie weiterarbeiteten, dann für sich, ohne feedback zum Laden, obwohl Kommunikation im wöchentlichen Plenum möglich gewesen wäre. Das hieß für diejenigen von uns, die offene Termine gemacht hatten, immer wieder dasselbe zu erzählen, eigene Erfahrungen wiederzukäuen, Energien in die Bildung neuer Gruppen zu stecken, ohne daß Energien von diesen Frauen zurückgeflossen sind: also Dienstleistungen. Konsumierende Frauen nahmen das, was sie für sich brauchen konnten, vom Laden mit - mit all unseren Problemen saßen wir immer wieder alleine da, drehten uns im Kreis.
Es stellt sich die Frage, wo die Gründe für diese Entwicklung liegen. Zum einen liegt es wohl an dem, was sich so »Alternativbewegung« nennt, d. h. an dem subjektiven Ansatz dieser Bewegung. Frau kann lernen, gesünder zu leben, Kräuter anzuwenden, zu Hause zu gebären, Massage, Bioenergetik als Techniken der Entspannung einzusetzen, kann lernen, daß Selbstuntersuchung neues Körper-Bewußtsein vermittelt. Wenn sie das alles gelernt hat, kann sie besser überleben. Es entsteht daraus bislang kaum eine Dynamik, die zu weiterführenden Veränderungen drängt -zu gesamtgesellschaftlichen Veränderungen, z. B. zu Angriffen auf das herrschende Gesundheitssystem. Aus dieser Alternativbewegung sind viele Frauen zu uns gekommen, und der 13. Mond hat sich immer mehr zu einem Frauenprojekt innerhalb dieser Bewegung entwickelt. Das Bedürfnis dieser Frauen war es, die angenehmen Seiten alternativer Heilmethoden und Medizin kennenzulernen und sie selbst anwenden zu können - das war alles. Deshalb gab es auch kein feedback zum Laden, denn irgendwann sind diese Bedürfnisse befriedigt: Frau weiß, wie sie sich besser ernähren kann, welche Massage ihr wann guttut, hat ihren Muttermund kennengelernt. Von hier aus ist ein verständlicher Schritt zur bezahlten Vermittlung von Kenntnissen und Erfahrungen. In den letzten Monaten ist uns klar geworden, daß wir nur noch eine Art Frauenprojekt waren, weil es eben angenehmer ist, Körpersachen mit Frauen zu entwickeln und Selbstuntersuchung eine frauenspezifische Erfahrung ist. Es kam nicht mehr zum Ausdruck, daß wir Teil einer Frauenbewegung waren; was heißen würde, immer wieder unsere spezifische Unterdrük-kung als Frau zum Ausgangspunkt unseres Handelns zu machen. Das mag auch daran liegen, daß wir uns schlecht als Teil einer Bewegung begreifen können, in der sich fast nichts mehr bewegt, zumindest aber die Auseinandersetzung darüber, was Frauenbewegung konkret bedeutet, fehlt - und damit auch die Erarbeitung eines eigenen Standpunktes. Daß inhaltliche Auseinandersetzungen nicht mehr geführt wurden, lag wohl auch daran, daß für einige von uns das Zusammensein mit Frauen, mit denen wir gute, neue Erfahrungen gemacht hatten, vorrangig wurde, um beispielsweise aufs Plenum zu kommen, und nicht die inhaltliche Arbeit im Laden. So wurde alles, was mit dem Laden zusammenhing, immer mehr technisch erledigt, Termine abgehakt, um bald zum persönlichen Teil übergehen zu können. Plenumstermine wurden müde und schal oder sehr hektisch, weil so viel erledigt werden mußte, zu dessen Klärung keine so richtig Lust hatte. Diese »Dynamik«, die sich mehr unterschwellig durchgesetzt hatte, schließt natürlich neue, interessierte Frauen weitgehend aus, so daß nur einige zur Mitarbeit sehr entschlossene Frauen dazu gekommen sind. Im Mai 1978 schrieben wir einen Artikel, der in der »Courage« und einer alternativen Gesundheitszeitung erschien, sowie ein Flugblatt, in denen wir Frauen und Frauengruppen aufforderten, im 13. Mond aktiv mitzuarbeiten. Wir wollten nicht, daß unser Laden sang- und klanglos untergeht. Andererseits wollten wir uns aber auch nicht länger in dem Maße engagieren, wie wir es zuvor getan hatten. - Wir bekamen viel Resonanz: Viele Frauen hatten spezielle Fragen an uns und auch sehr großes Interesse, in den bestehenden Gruppen mitzuarbeiten, nicht aber neue zu gründen und sich um die allgemeinen formalen Angelegenheiten des Ladens zu kümmern, geschweige denn sich auch noch inhaltlich auf dem Plenum auseinanderzusetzen oder offene Abende mit zu organisieren. So entschlossen wir uns im Juli 1978, die Konsequenzen zu ziehen und unseren Laden aufzugeben. Privat treffen sich nur noch eine Kräuter- und zwei Bioenergetik-Gruppen. Die Geburtsgruppe arbeitet weiter; einige Frauen gründeten die »Rosa Linde«. Frauen, die in einer schlechten Wohnsituation sind, die Pflege brauchen oder deren Kinder versorgt werden müssen, können dort mit ihrer Hebamme eine Hausgeburt machen. In der »Rosa Linde« leben Frauen, die andere in der Schwangerschaft beraten. Sie sammeln Erfahrungen über Hausgeburten und stehen mit Hebammen in Kontakt. Sie geben eine Stillbroschüre heraus und arbeiten über alternative Kinderernährung.
Feministisches Frauen Gesundheits Zentrum e. V.
Der alternativen Gesundheitsvorsorge für Frauen eine Chance
Unser Konzept
Am 30. 11. 1977 wurde das Feministische Frauen Gesundheits-Zentrum e.V. (FFGZ) im Kadettenweg 77 in Berlin-Lichterfelde eröffnet. Die Gruppe FFGZ hatte diese Eröffnung seit vier Jahren vorbereitet. Sie hat in dieser Zeit Informationen und Erfahrungen zu Fragen der Frauengesundheit gesammelt, diese während ihrer Beratung im Frauenzentrum Berlin mit anderen Frauen geteilt und auch in der Zeitschrift »Clio« und im Buch »Hexengeflüster«, das drei Frauen aus der Gruppe schrieben, veröffentlicht. Außerdem hat die Gruppe nationale und internationale Kongresse der autonomen Frauenbewegung mit gestaltet, Kurse zum Thema »Frau und Gesundheit« u.a. in den Volkshochschulen Berlin-Kreuzberg und Berlin-Charlottenburg veranstaltet und Selbsthilfekurse durchgeführt, die in zunehmendem Maß gefragt sind.
Der Arbeit des FFGZ liegt die aus der amerikanischen Frauenbewegung stammende Idee der Selbsthilfe zugrunde, die bedeutet, daß jede Frau in der Lage ist, ihren Körper kennenzulernen sowie Störungen und Erkrankungen durch gezielte Gesunderhaltung zu vermeiden bzw. so früh wie möglich selber zu erkennen.
Dieses Wissen um unseren Körper sehen wir als Voraussetzung der Selbsthilfe an, die zur Inwertsetzung der eigenen Person und damit des Geschlechts hinführen soll. Das erfordert über den Gesundheitsaspekt hinaus allerdings eine mehr ganzheitliche Sicht, die die gesamten Lebensumstände, psychische und physische Faktoren mit einbezieht. Das Selbsthilfekonzept ist also eine Möglichkeit für Frauen, sich selber zu erkennen und damit ein neues Bewußtsein zu entwickeln. Es ist ein Weg, ein natürliches Verhältnis zu unserem Körper zu bekommen. Indem wir die Probleme, die unseren Körper und unsere Gesundheit betreffen, wichtig nehmen, lernen wir, uns als Person ernst zu nehmen. Wir können die Scham vor unseren Geschlechtsorganen abbauen und werden uns unseres Geschlechts und unseres Wertes als Frau stärker bewußt. Dieses Selbstbewußtsein überträgt sich dann auch auf alle anderen Lebensbereiche. Selbsthilfe schließt also auch ein, daß wir die Fremdbestimmung über unseren Körper weitgehend abbauen. Eine Voraussetzung dazu ist der Abbau der Autoritätsgläubigkeit, die Infragestellung der bestehenden Gesundheitsversorgung. Wir wollen selber entscheiden: Kinderwunsch - ja oder nein, Schwangerschaft - ja oder nein, Schwangerschaftsabbruch - ja oder nein, Lustobjekt sein - ja oder nein.
Mit einem so veränderten Bewußtsein sind wir auch beim Frauenarzt nicht mehr nur passive Patientinnen, die die Untersuchung über sich ergehen lassen, sondern wir sind in der Lage, uns mit unserem Arzt auseinanderzusetzen, bei Unklarheiten nachzufragen, die von ihm verordnete Behandlungsmethode nicht als unabdingbar hinzunehmen. Aufgrund von Frauenaktivitäten ist es z. B. auch möglich geworden, in den Entbindungsstationen anstelle der Trennung von Mutter und Kind nach der Geburt teilweise das »rooming in« einzuführen.
Wir Frauen vom FFGZ verstehen somit unsere Arbeit als Alternative und notwendige Ergänzung zur herkömmlichen Gesundheitsversorgung. Aus dem Konzept der Selbsthilfe ergibt sich auch die Gruppenzusammensetzung des FFGZ: Frauen aus medizinischen und Frauen aus anderen Berufen arbeiten gleichberechtigt zusammen, denn jede Frau kann Selbsthilfe praktizieren und sie anderen Frauen vermitteln.
Wir sind z. Z. 25 Frauen. Einige sind medizinisch ausgebildet, z. B. als Ärztin, MTA, Krankenschwester, Beschäftigungstherapeutin und Krankengymnastin, andere sind Sozialarbeiterin, Diplom-Pädagogin, Erzieherin, Erzie-hungswissenschaftlerin, Grafikerin, Diplom-Geographin.
Unsere Arbeitsbereiche
Wir beginnen die Beratung, die in Gruppen stattfindet, mit einem Erfahrungsaustausch und einem Gespräch über die Probleme der Frauen. Wir zeigen, wie sie sich selber untersuchen, wie sie selber anhand bestimmter Merkmale ihren körperlichen Zustand erkennen können. Über die Behandlung von Störungen oder Krankheiten geben wir ihnen alle Informationen, die wir besitzen, so daß sie in solch einem Fall selber entscheiden, welche Heil- und Gesunderhaltungsmethoden sie benutzen wollen. Wenn sie sich dann für eine medikamentöse Behandlung oder, im Bereich der Empfängnisverhütung, für die Pille oder Spirale entscheiden, vermitteln wir sie an Ärztinnen und Ärzte weiter, mit denen wir gute Erfahrungen haben, nicht ohne sie über Nebenwirkungen und Schäden bestimmter Medikamente bzw. Verhütungsmittel informiert zu haben.
In unserer bisherigen Arbeit sowie durch persönliche Erfahrungen sind wir in einigen Bereichen der Gesundheitsversorgung auf besonders gravierende Mängel und Mißstände gestoßen und haben sie daher zu Schwerpunkten unserer Beratungsarbeit gemacht:
- Krebsvorsorge: Das FFGZ unterstützt durch Aufklärung über das Auftreten von Krebs und durch Anleitung zur Selbstuntersuchung -Tastuntersuchung der Brust und Spekulumuntersuchung — die Frauen darin, die Krebsvorsorgeuntersuchung wahrzunehmen. Darüber hinaus führen wir auch Krebsabstriche durch.
- Empfängnisverhütung: Obwohl die gesundheitsschädigenden Wirkungen von Pille und Spirale inzwischen hinreichend bekannt sind, werden diese weiterhin von den meisten Ärzten bevorzugt empfohlen. Wir informieren dagegen über unschädliche Methoden wie Temperatur- und Schleimbeobachtungsmethode sowie Diaphragma. Gegebenenfalls passen wir das Diaphragma auch an und verkaufen es.
- Alternative Heilmethoden und Ernährung: Die gängige Medizin greift unserer Meinung nach auch in dem uns Frauen vorwiegend betreffenden Bereich der Gynäkologie viel zu schnell zu Antibiotika und anderen Medikamenten, die das Gleichgewicht und die Widerstandsfähigkeit des Körpers beeinträchtigen und gleichzeitig die eigentlichen Ursachen der Störungen verdecken. Wir arbeiten daher an der Erprobung und Vermittlung nicht-medikamentöser Heilmethoden. Ein entscheidendes Moment bei der Gesunderhaltung sehen wir in der meist viel zu wenig beachteten Vorsorge durch gesunde Ernährung und Lebensweise.
- Schwangerenberatung: Die Neugeborenensterblichkeit in der Bundesrepublik Deutschland und in West-Berlin ist noch immer vergleichsweise hoch, bedingt durch unzureichende vorgeburtliche Kontrolle. Das FFGZ plant, regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen nach dem Mutterschaftspaß durchzuführen und durch Beratung und Gymnastik den schwangeren Frauen bei der intensiven Vorbereitung auf die Geburt zu helfen.
- Schwangerschaftsabbruch: Für einen späteren Zeitpunkt planen wir, für ambulante Schwangerschaftsabbrüche mit Hilfe der schonenden Absaugmethode die Zulassung zu erreichen.
- Beratung lesbischer Frauen: Gerade lesbische Frauen sind beim Frauenarzt Repressionen ausgesetzt. Deswegen planen wir, in absehbarer Zeit Beratung für lesbische Frauen von lesbischen Frauen anzubieten.
Die direkte Beratung der Frauen ist aber nur ein Schwerpunkt unserer Arbeit als Feministisches Frauengesundheitszentrum. Darüber hinaus konzentriert sich die Arbeit ebenso auf folgende Bereiche: Selbsthilfekurse: Gewöhnlich treffen wir uns sechsmal mit Frauen, die dann oft weiter als Gruppe zusammenbleiben. Seit 1976 leiten einige von uns diese Kurse auch in den Volkshochschulen. In der Bundesrepublik Deutschland und im europäischen Ausland haben wir Selbsthilfeeinführungen für Frauengruppen und Frauen in Institutionen wie der Evangelischen Studentengemeinde, dem Deutsch-französischen Jugendwerk, an Volkshochschulen und Universitäten gegeben. Frauen können uns schreiben, wenn sie mit uns zu »Frau und Gesundheit« eine Veranstaltung machen wollen. Archiv: Wir haben ein Archiv aufgebaut mit Informationen über medizinische Fragen. Diese Informationen sind zu unserer Beratungszeit im Frauengesundheitszentrum allen Frauen zugänglich. Wir freuen uns auch immer, wenn Frauen uns Zeitungsartikel und Informationen schicken. Veröffentlichungen: Das Buch »Hexengeflüster« behandelt Bevölkerungsund Familienpolitik, Sexualität, Selbsthilfe, alternative Heilmethoden und Gesundheitsversorgung von Frauen für Frauen in den USA. Wir veröffentlichten eine »Selbsthilfemappe« zur praktischen Anleitung mit Selbstunter-suchungs- und Temperaturmessungstabellen. Seit 1976 geben wir »Clio -eine periodische Zeitschrift zur Selbsthilfe« heraus; sie erscheint vierteljährlich. Die Hälfte jeder Ausgabe ist einem Schwerpunktthema gewidmet, z.B. Bevölkerungspolitik und Sterilisationsmißbrauch, Menopause, alternative Heilmethoden, Schwangerschaftsabbruch - § 218, Empfängnisverhütung. Außer Informationen bietet die Zeitschrift Frauen die Möglichkeit, Erfahrungen auszutauschen.[1]
Öffentlichkeitsarbeit:
Über unsere eigenen Veröffentlichungen hinaus haben wir unsere Arbeit in Fernseh-, Rundfunk- und Zeitungsinterviews dargestellt. Wir sind auf allen Frauenkonferenzen und auf vielen Veranstaltungen von und für Frauen mit Informationen, Selbsthilfeeeinführungen und Veröffentlichungen vertreten.
Öffentlichkeitsarbeit bedeutet für uns auch z.B. die Verbreitung von Informationen über schädliche Medikamente. So waren wir die ersten, die in der Bundesrepublik Deutschland das Hormonpräparat DES als krebsfördernd bekanntmachten und über die mit DES verbundenen Gefahren für Frauen berichteten (»Hexengeflüster«, 1975). Erst im Februar 1977 warnte die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft vor dem synthetischen Hormon. Das Bundesgesundheitsamt sollte »in Kürze die notwendigen Maßnahmen mit den Herstellern festlegen« (Frankfurter Rundschau 19. 2. 1977), was bisher unseres Wissens nicht geschah.
Ebenso halten wir es für unvertretbar, daß die Frauen, die auf legalem Weg einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen, dabei in den Kliniken teilweise als »Versuchskaninchen« mißbraucht werden, indem bei ihnen die noch in der Erprobungsphase befindlichen Prostaglandine (Wehenmittel) angewandt werden. Die Frauen werden bei dieser Methode bewußt großen Schmerzen sowie der Gefahr von Schock und Kreislaufkollaps ausgesetzt. Wir planen, Informationen über solche Mißstände mit mehr Nachdruck und möglichst in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen zu verbreiten, Veränderungen zu fordern und durchzusetzen.
Auch die Diskussion um den § 218 und seine Durchführungsbestimmungen sowie Kontakte zu öffentlichen und politischen Institutionen fallen in den Bereich unserer Öffentlichkeitsarbeit.
Unsere Situation
Drei der oben genannten Schwerpunkte der Beratungsarbeit können wir noch nicht abdecken, u.a. deshalb, weil uns eine wichtige Voraussetzung fehlt: die Kassenzulassung.
Bisher finanzierten wir das FFGZ aus Spenden und aus Beiträgen der Frauen, die zur Beratung kommen. Wir finden es aber falsch, daß Frauen neben den Krankenkassenbeiträgen bei uns extra zahlen. Um auch über Krankenschein abrechnen zu können, haben wir bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) einen Antrag auf Kassenzulassung als medizinische Beratungsstelle gestellt. Wir begründeten den Antrag mit dem Bedarf an solchen Einrichtungen für Frauen. Die bisher existierenden Stellen in Berlin (Pro Familia und Sozialmedizinische Beratungsstelle in Kreuzberg) sind von ratsuchenden Frauen völlig überlaufen. Dem Anspruch neuerer gesundheitspolitischer Konzepte, mehr Vorsorge und Beratung zu bieten, wird also bisher nicht genügt. Unser Antrag wurde jedoch von der KÄV von vornherein zurückgewiesen mit der Begründung, der Bedarf an niedergelassenen Gynäkologen sei in Berlin gedeckt.
Ein weiteres Problem, das eng mit der Frage der Kassenzulassung zusammenhängt, ist für uns das der unbezahlten Arbeit der im FFGZ mitarbeitenden Frauen. Jede Frau arbeitet mehr oder weniger unentgeltlich. Je nach ihren zeitlichen Möglichkeiten arbeiten manche von uns 5, andere 20 Stunden in der Woche für das FFGZ.
Wir stehen auf dem Standpunkt, daß Frauen grundsätzlich bezahlte Arbeit verrichten sollen. Eine Abrechnung über Kasse würde einen erheblich größeren Teil der von uns erbrachten »Leistungen« honorieren. Vor allem würden damit einige Frauen von anderen Einkünften unabhängig und könnten damit ihre Arbeitskraft voll in den Dienst des FFGZ stellen. Wir sind gegenwärtig im Begriff, Gemeinnützigkeit zu beantragen, denn wir sind der Meinung, daß unsere Arbeit zum Nutzen des Allgemeinwohls ist, weil wir 52% der Bevölkerung, nämlich alle Frauen, direkt ansprechen. Um die öffentliche Anerkennung und Kassenzulassung als Beratungseinrichtung zu erreichen, brauchen wir Unterstützung, die die Notwendigkeit einer solchen Einrichtung bekräftigt. Daher fordern wir alle Leser/innen auf, uns in irgendeiner Form zu unterstützen, durch Unterschriften[2] oder finanziell in Form von regelmäßigen oder einmaligen Spenden (Konto Nr. 064000300 Sparkasse Berlin/West).
Ursula Busch
Jutta Lauterbach