Gewalt gegen Frauen

Der Gewaltbegriff in der Frauenbewegung

Was verstehen Frauen darunter, wenn sie von Gewalt sprechen, die sich in spezifischer Form gegen Frauen richtet? Worin sehen sie die Ursachen dieser Gewalt? Welche Vorstellungen haben Frauen entwickelt, wie ihr zu begegnen, wie sie in ihren Ursachen zu bekämpfen ist? Und welche Widerstandsformen und Strategien gibt es, die als ein Beitrag zu einer gesellschaftlichen Veränderung durch die Frauenbewegung anzusehen sind? Diese Fragen will ich mit Hilfe von drei Thesen zu beantworten versuchen.

1. »Gewalt gegen Frauen« umfaßt im weitesten Sinne all das, wodurch Frauen aufgrund ihres Geschlechts daran gehindert werden, ihre Fähigkeiten und Entwicklungsmöglichkeiten zu realisieren.
Das Tribunal »Gewalt gegen Frauen« in Brüssel im März 1976 stellte zum ersten Mal im Rahmen der Neuen Frauenbewegung einen Versuch dar, auf einer internationalen Veranstaltung öffentlich Anklage zu erheben gegen die vielfältigen Erscheinungsformen von Gewalt, denen Frauen in spezifischer Weise bis heute ausgesetzt sind. Die Berichte von betroffenen Frauen sowie die Themenschwerpunkte von Arbeitsgruppen befaßten sich im besonderen mit folgenden Bereichen:

  • Gewalt gegen Frauen in der Medizin im allgemeinen, in der Gynäkologie und Psychiatrie im besonderen;
  • wirtschaftliche und rechtliche Gewalt gegen Frauen (Gratisarbeit, Unterbezahlung, Frauenarbeitslosigkeit, geringere Aufstiegschancen, Arbeitsverbote, rechtliche Diskriminierung, Familienrecht);
  • Frauen in der Dritten Welt (Sklaverei, Polygamie, Klitorisbeschneidung);
  • politische Gefangene, sexistische Foltermethoden;
  •  physische Gewalt gegen Frauen (Vergewaltigung, Frauenmord, Frauenmißhandlung, genitale Verstümmelungen)
  • Pornographie, Prostitution, Diskriminierung von Lesben;
  • Frau sein und Altwerden.

Das Verständnis von Gewalt, das diesem Tribunal zugrunde lag, spiegelt sich in der folgenden Resolution wider:

»... Gewalt ist ... jeglicher Angriff auf die Integrität des Körpers der Frau und die Freiheit ihrer Entscheidungen. Die in allen Gesellschaften der Frau zugedachte Stellung ist ein einheitlicher Komplex von psychischer, physischer, sozialer und wirtschaftlicher Gewalt. Jede Frau ist ihr - je nach Klassenlage und nationaler Herkunft in verschiedener Form - von Geburt an täglich ausgeliefert. Eine wichtige Funktion nimmt tatsächlich - in den westlichen Industrieländern ebenso wie in der Dritten Welt - die physische Gewalt ein. Zwischen den extremen Formen der physischen Gewalt und den subtileren psychischen und sozialen besteht ein enger Zusammenhang. ... Sie sind eine Form der Mißachtung der Frau, die zu einem solchen Maße gesellschaftlich akzeptiert ist, daß sie von Männern überhaupt nicht wahrgenommen und von Frauen als notwendiges Übel ihres Frauseins oder als biologisch berechtigte Form der sexuellen Beziehung zwischen Mann und Frau hingenommen wird. Physische Gewalt steht in den meisten Fällen in direktem Zusammenhang mit dem weiblichen Körper, der Reproduktionsfunktion der Frau und ihrer Sexualität. Sie ist somit die extremste Form des in allen Gesellschaften vorhandenen Frauenhasses als Ausdruck patriarchalischer Herrschaft. Die anderen Formen der Gewalt - auf psychischem, sozialem und wirtschaftlichem Gebiet - stützen sich auf diese Verachtung des weiblichen Körpers, auf Angst der Frauen vor Bestrafung für ein Ausbrechen aus ihrer vorgegebenen Rolle. Die Angst ist erwünscht und wird durch männlichen Schutz honoriert. Furchtlosigkeit bei Frauen wird als Provokation gegen die Männerwelt verstanden und entsprechend sanktioniert. Alle diese Formen von Gewalt sind der direkte Ausdruck einer gewaltsamen Gesellschaft. Die Vergewaltigung kann als klassischer Akt der Unterdrückung gesehen werden, durch die ... die Aneignung fremden Eigentums sexuell veranschaulicht und vollzogen wird«.[1]

Betrachtet man die Gewaltdefinition während des Brüsseler Tribunals, so wird deutlich, daß es sich um einen sehr weit gefaßten Gewaltbegriff handelt, der nicht nur die unmittelbar sichtbare Gewalt, sondern auch subtile Formen von Gewalt, die in der Organisation der Gesellschaft verankert sind, einbezieht. Der Definition von Gattung[2] folgend unterscheiden Frauen personale und strukturelle Gewalt. Danach ist personale oder direkte Gewalt gebunden an ein handelndes Subjekt, wogegen strukturelle oder indirekte Gewalt im gesellschaftlichen System eingebaut ist und sich in ungleichen Macht- und Besitzverhältnissen und davon abhängig in ungleichen Lebenschancen äußert. Allgemein bezeichnet Galtung mit Gewalt den Einfluß auf Menschen,   der   ihre   aktuelle  somatische  und  geistige  Verwirklichung geringer hält, als die ihnen prinzipiell zur Verfügung stehenden Entfaltungsmöglichkeiten. Diese potentielle Verwirklichung kann in den verschiedenen Gesellschaften unterschiedlich sein, denn sie wird bestimmt durch den jeweiligen historischen Stand der Entwicklung gesellschaftlicher Produktions- und Reproduktionsbedingungen. Die verschiedenen Erscheinungsformen von Gewalt, die Frauen in der Folgezeit auf Veranstaltungen, Kongressen und in Veröffentlichungen sichtbar machten, sollen hier nicht im einzelnen aufgeführt werden.[3] Zusammenfassend läßt sich sagen, daß in der Frauenbewegung ein sehr weit gefaßter Gewaltbegriff verwendet wird. Zu den verschiedenen Ebenen von Gewalt existieren bereits mehr oder weniger detaillierte Einzelanalysen.

2. Bis heute ist keine umfassende feministische Gesellschaftstheorie entwickelt worden. Deshalb kann die Frage nach den Ursachen von »Gewalt gegen Frauen« nur unzureichend beantwortet werden.
Sensibilisiert in Selbsterfahrungsgruppen bzw. qualifiziert durch themenorientierte Theoriegruppen oder durch praktische Arbeit mit betroffenen Frauen (z.B. mißhandelten oder vergewaltigten Frauen) stellen Frauen immer häufiger die Frage nach den tieferen Ursachen dieser Gewalt. Die spezifische Gewalt gegen Frauen ist bisher nicht in einem Erklärungszusammenhang - ihren gesellschaftlichen Ursachen und ihren Auswirkungen bzw. Wechselwirkungen auf Frauen - bestimmt worden. Die Folge davon ist, daß die Betonung einzelner Aspekte dieser Gewalt immer auch eine Verkürzung des Problems beinhaltet und damit zur Isolierung eines einzelnen Phänomens führen kann. Wenn Frauen die Ursachen in einer »gewaltsamen Gesellschaft« sehen, in »männlicher Vorherrschaft« oder in »männlichen Prinzipien«, in »sozio-ökonomischenStrukturen« und »bestehenden Machtverhältnissen«, so ist damit noch sehr wenig ausgesagt. Eine umfassende Ursachenanalyse läßt sich letztlich nur mit Hilfe einer feministischen Gesellschaftstheorie durchführen. Ansätze dazu werden gegenwärtig z.B. dort entwickelt, wo sich Frauen um eine Neubestimmung der Funktion von Hausarbeit bemühen. Um zu den Ursachen der Gewalt zu gelangen und gleichzeitig einen Beitrag zur Beseitigung dieser Ursachen zu leisten, bedarf es außer Reflexionen und theoretischen Analysen vor allem auch anderer Eingriffsmöglichkeiten wie z.B. anderer wissenschaftlicher Methoden im Rahmen feministischer Forschung. »Die Aneignung der eigenen Geschichte als Subjekt und als Voraussetzung der Frauenemanzipation bedeutet..., daß die Entwicklung einer feministischen Gesellschaftstheorie nicht in den Forschungsinstitutionen entstehen kann, sondern in der Teilnahme an den Aktionen und Kämpfen der Bewegung, in der theoretischen Auseinandersetzung über Ziele und Strategien und der dauernden Diskussion mit den ehemaligen Forschungsobjekten. Das bedeutet, daß engagierte Wissenschaftlerinnen die ideologischen Klärungsprozesse innerhalb der Frauenbewegung vorantreiben müssen«.[4]

3. Die von Frauen entwickelten Widerstandsformen sind in besonderem Maße ein Angriff auf verschleierte Gewalt. Sie bergen in sich die Möglichkeit, selbst »vom bloß spontaneistischen Aktivismus zu langfristigen Strategien (zu) gelangen«.[5]
Folgt man der These von Schenk,[6] daß - in einer Gegenüberstellung der Erscheinungsformen von Frauendiskriminierung in Vergangenheit und Gegenwart - die gegenwärtige Diskriminierung in besonderer Weise verschleiert ist, so kommt der Frauenbewegung eine bedeutende Rolle zu. Während Selbsterfahrungs-, Conciousness-Raising-Gruppen sowie Theorie- und Lesegruppen die subtilen Formen von Gewalt aufspüren und bewußt machen können, führen sie doch nur in seltenen Fällen dazu, auch kollektive Handlungsschritte zu entwickeln. Auf diese Weise dient die Frauenbewegung lediglich als eine Art »Durchlauferhitzer« ohne wirkliche Konsequenzen für Veränderungen. Ich sehe gegenwärtig vor allem drei unterschiedliche Ansätze von Widerstandsformen:

  • Relativ spontane, kurzfristige Aktionen wie z.B. die legendäre Abtreibungskampagne 1971, Plakataktionen und Demonstrationen (z.B. gegen Vergewaltigungen, den Film »Geschichte der O.«) sowie Tribunale und Veranstaltungen während der letzten Jahre. Diese aus unmittelbarer Betroffenheit heraus entstandenen Aktionen sind vor allem dann notwendig, wenn Probleme öffentlich gemacht werden sollen und Frauen damit zeigen wollen, daß sie nicht mehr bereit sind, bestimmte Probleme widerspruchslos hinzunehmen. Damit schaffen sie die Voraussetzungen, weiterführende Widerstandsformen zu entwickeln.
  • Alternative feministische Projekte wie z. B. Frauenzentren, Frauenhäuser, Alternativeinrichtungen zu medizinischen und psychiatrischen Diensten (z.B. das Frauengesundheitszentrum und das Beratungs- und Informationszentrum, BIFF, in Berlin), Frauenverlage, -buchläden, -Zeitschriften sowie Kneipen und Cafes. Alternativ an diesen Projekten im Sinne einer feministischen Utopie ist der Abbau von hierarchischen Strukturen, von Leistungs- und Konkurrenzdenken und der Ausrichtung auf kapitalistische Marktprinzipien. Gleichzeitig werden Frauen gezwungen, Konflikte auszutragen, die sich bei der finanziellen Absicherung und der inneren Organisation in der Konfrontation mit der politischen und wirtschaftlichen Realität notwendigerweise entwickeln. Damit sind Möglichkeiten kollektiver Lern-und Handlungsschritte gegeben.[7] So liegen die Schwierigkeiten und Möglichkeiten von alternativen Frauenprojekten immer eng beieinander.
  • Eine weitere Widerstandsform stellen jene Versuche dar, Veränderungen im beruflichen Alltag, d.h. in häuslichen oder außerhäuslichen Arbeitsbereichen zu erzielen, sei es im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen von Frauen und damit ihre materielle Situation oder eine Veränderung der Arbeitsinhalte. Dazu gehören Frauengruppen in Betrieben und Gewerkschaften, Initiativen alleinerziehender Mütter und Väter, Tagesmütter, (im Ausland auch von Prostituierten) und Frauengruppen im Stadtteil. Versuche vor allem auf die Inhalte ihrer Arbeit verändernd einzuwirken, sehe ich bei Frauen in den Medien (z.B. WDR-Frauengruppe, Gruppe »Frauen und Film«) und Frauen im Bereich von Wissenschaft und Bildung (z.B. Sommeruniversität, Projektgruppe »Sozialwissenschaftliche Forschung und Praxis für Frauen e.V.«), Dozentinnen von Frauengesprächskreisen an Volkshochschulen). Da die bestehenden gesellschaftlichen Einrichtungen nicht einfach abgeschafft oder ersetzt werden können, ermöglichen diese Widerstandsformen eine relativ große Breitenwirkung und bereits heute tendenzielle Verbesserungen in den Einrichtungen selbst.
    Die Diskussion um »Gewalt gegen Frauen« gewinnt erst dort ihre Bedeutung, wo Gewalt bekämpft und in ihrem ursächlichen Zusammenhang begriffen wird.

Gruppe »Notruf und Beratung für vergewaltigte Frauen«
Frauenzentrum West-Berlin
»Die Mythen über Vergewaltiger und Opfer entkräften«
Eine Selbstdarstellung unserer Arbeit

Im März 1977 fand in Berlin eine spontane Nachtdemonstration statt, die die Betroffenheit und den Protest über den Tod einer Frau an den Folgen einer Vergewaltigung ausdrücken sollte. Im Anschluß daran bildete sich unsere Gruppe und setzte sich mit dem Problem Vergewaltigung auseinander. Aus ihrer Arbeit entstand im Januar 1978 nach englischem Vorbild der »Notruf und Beratung für vergewaltigte Frauen«, für Deutschland das erste Projekt dieser Art.
Um den vergewaltigten Frauen psychische und physische Unterstützung zu geben, richteten wir ein Telephon ein, über das wir 12 Stunden täglich zu erreichen sind. Die Beratung schließt mit ein:

  1. Psychische Unterstützung in Form von Gesprächen. Wir versuchen die Frau zu stärken und ihr die Schuldgefühle zu nehmen. Unser Ziel ist es, eine Selbsterfahrungsgruppe zu initiieren, damit die Vergewaltigung besser verarbeitet werden kann.
  2. Wenn eine Frau sofort nach der Vergewaltigung zu uns kommt, besprechen wir mit ihr die Vor- und Nachteile einer Anzeige. Wir klären sie über den weiteren Instanzenweg auf und begleiten sie zu Arzt und Polizei. Leider wird es uns meistens verwehrt, bei der Vernehmung dabeizusein. Deshalb fordern wir eine gesetzliche Regelung, daß wir auf Wunsch der Frauen an der Vernehmung teilnehmen können. Nach der Vernehmung machen wir mit ihr ein Gedächtnisprotokoll, weil der Prozeß in der Regel erst ein Jahr später folgt.
  3. Vor dem Prozeß bereiten wir die Frau in Form eines Rollenspiels auf den Schock vor, alles noch einmal detailliert erzählen und voyeuristische Fragen beantworten zu müssen.
    Nach unseren Erfahrungen wird der Frau grundsätzlich nicht geglaubt, sie wird sogar in die Rolle der Angeklagten gedrängt. So empfindet die Frau den Prozeß oft als entwürdigender als die Vergewaltigung. Wir arbeiten mit einer Rechtsanwältin zusammen, die die Nebenklage für die Frau übernimmt, denn nur so ist der Prozeß zu beeinflussen. (Für diese Fälle haben wir einen Rechtshilfefond.) Wir fordern nicht höhere Strafen, sondern daß Vergewaltigung als Straftat anerkannt und nicht als Verbrechen weniger Triebtäter oder als Kavaliersdelikt abgetan wird.

Die Beratung ist nur ein Teil unserer Arbeit, der andere Schwerpunkt liegt in der Öffentlichkeitsarbeit. Durch Vortragsreihen in Schulen, Volkshochschulen und Jugendzentren, Filme und Veröffentlichungen versuchen wir, das Problem Vergewaltigung als einen Ausdruck von Gewalt von Männern gegen Frauen bewußt zu machen.
Wir begreifen Vergewaltigung über den juristischen Straftatbestand hinaus. Nach ihm ist - wie sollte es anders sein - Vergewaltigung in der Ehe nicht strafbar. Jedes Anmachen auf der Straße, jedes ungewollte Anfassen, jede Werbung, die die Frau zum Lustobjekt erniedrigt, jede ungewollte Sexualität sind eine Form von Vergewaltigung.
Wir wollen mit unserer Öffentlichkeitsarbeit die Mythen über Vergewaltiger und Opfer entkräften. Weder der Mythos, daß Vergewaltiger Triebtäter sind, noch der, daß Frauen unbewußt oder bewußt die Vergewaltigung provozieren, ist haltbar. Der Kriminologe Amir (USA) kommt in einer psychologischen Untersuchung zu dem Ergebnis, daß Vergewaltiger »normale« Männer sind. Dafür spricht auch die Tatsache, daß in der BRD und West-Berlin alle 15 Minuten eine Frau vergewaltigt wird. Es gibt auch keinen Typ Frau, der vergewaltigt wird. Jede Frau wird ständig und überall von Vergewaltigung bedroht, ganz gleichgültig, wie alt sie ist, wie sie aussieht, sich verhält. Ihr »Frausein« allein ist provozierend genug. 70% der Vergewaltigungen sind geplant. Vergewaltigt wird nicht, entgegen landläufiger Meinung, vor allem nachts in dunklen Parks, sondern ebenso oft von Bekannten, Freunden, Vätern, in Ehen und Beziehungen. Die Ursachen der Schuldgefühle der Frau sind unter anderem in der geschlechtsspezifischen Erziehung und in der allgemein anerkannten Rollenverteilung unserer Gesellschaft zu suchen. Der Frau wird von klein auf eingetrichtert, daß sie an einer etwaigen späteren Vergewaltigung selbst schuld ist, z. B. durch Verhaltensweisen wie »Wenn du so einen kurzen Rock anziehst, ist es kein Wunder, wenn dir etwas passiert« oder »Nimm von keinem Fremden etwas an, geh mit keinem Fremden mit«. Der erste Satz drückt unterschwellig aus, daß die Frau in dem Moment, wo ihr etwas passiert, selbst schuld ist, weil sie aus der ihr zugeschriebenen Rolle ausbricht. Der zweite Satz impliziert, daß, wenn man etwas annimmt, man eine Gegenleistung erbringen muß. Eine Frau bezahlt immer mit ihrem Körper!
Ein weiteres wesentliches Element ist die Erziehung zur Angst. Durch Verbote wie »Mädchen schlagen sich nicht« werden wir daran gehindert, unsere Kräfte zu entwickeln und zu erproben. Dadurch wird uns die Möglichkeit genommen, uns zu wehren. Aber selbst wenn wir es körperlich könnten, haben wir noch zusätzlich eine psychische Barriere. Durch die Erziehung zur Einfühlsamkeit, Geduld, Passivität können wir oft unsere eigenen Bedürfnisse nicht definieren und unseren Willen nicht adäquat durchsetzen.
Unser Ziel ist es, sensibel für die alltägliche Gewalt zu werden und uns nicht durch die Angst lähmen zu lassen, sondern sie in Wut umzukehren. Ein Schritt auf diesem Weg ist der »Notruf«. Daher begreifen wir uns nicht als karitative Institution, die bestehende Verhältnisse festschreibt, sondern als ein Projekt der autonomen Frauenbewegung.

Frauenhäuser
Entstehung - Ziele - Strategien

Nach einer langen Phase der Sensibilisierung innerhalb der Frauenbewegung sind Frauenhäuser zum ersten Mal ein Versuch relativ vieler Gruppen gleichzeitig, eine besonders gravierende Form von Gewalt gegen Frauen -das Problem der körperlichen Mißhandlung durch den (Ehe-)Mann -konkret aufzugreifen. Das bemerkenswert Neue an diesen Projekten ist dabei, daß sie zwar von einer ähnlichen Betroffenheit aller Frauen ausgehen, ihre Arbeit sich aber spezifisch auf die Probleme jener Frauen richtet, die bisher nicht in der Frauenbewegung integriert sind. Indem die Arbeit der Initiativen nach außen gerichtet und längerfristig angelegt ist, besteht von Anfang an ein großes Maß an Verantwortung und Verbindlichkeit in der Arbeit selbst.
Bei der Beschäftigung mit der Entstehung der Frauenhäuser, ihren Zielen und Strategien sowie den Schwierigkeiten bei der Umsetzung in die Praxis werden grundlegende Probleme sichtbar, mit denen alle Frauen in ähnlicher Weise konfrontiert sein werden, wenn sie feministische Inhalte im Rahmen alternativer Projekte zu konkretisieren versuchen. Mit diesen Problemen, ihren möglichen Ursachen und Auswirkungen, will ich mich näher beschäftigen.

Entstehung
Die Idee von Frauenhäusern geht zurück auf Erin Pizzey,[1] die bereits 1971 in London das erste Haus für mißhandelte Frauen initiierte. Es gilt als Vorläufer von Frauenhausprojekten, die in den letzten fünf Jahren in Europa, Nordamerika und Australien in großer Zahl ins Leben gerufen worden sind. Die Ausdehnung dieser Projekte auf nationaler und internationaler Ebene läßt sich nur vor dem Hintergrund einer wieder erstarkten Frauenbewegung verstehen, die mit der Errichtung von Frauenhäusern gesellschaftliche Alternativen einzurichten versucht, in denen - als eine mögliche Widerstandsform gegen die massiv erfahrene Unterdrückung der Frau - neue Lebens- und Kommunikationsformen durch kollektiv organisierte Lernprozesse geschaffen werden sollen.
In der BRD entsteht die erste Initiative zur Gründung eines Frauenhauses Ende 1974 in Berlin, ca. ein Jahr später folgen weitere Initiativen u.a. in Köln, Bremen und Bielefeld. Vor allem von der Berliner Gruppe geht eine breit angelegte überregionale Öffentlichkeitsarbeit aus, die u.a. ihren Niederschlag in Rundfunk, Fernsehen und Presse findet.[2]
Erste Vorstellungen vom aktuellen Ausmaß des Problems geschlagener und mißhandelter Frauen kristallisieren sich heraus. Obwohl bisher dazu keine genauen Statistiken existieren, lassen sich mittlerweile anhand von regionalen und lokalen Untersuchungen allgemeine Schätzungen nachweisen, wie weit verbreitet und alle Bevölkerungsschichten betreffend das Problem ist. Nach Schätzungen sollen in der BRD jährlich zwischen 100 000 und 4 Millionen Frauen von ihren Ehemännern mißhandelt bzw. geschlagen werden, d.h. nahezu jede dritte Frau. Das Statistische Bundesamt kommt sogar auf eine Zahl von 5 Millionen schweren Prügeleien in bundesdeutschen Haushalten. Abgesehen von der hohen Dunkelziffer, liegt diesen Untersuchungen ein Begriff von Mißhandlung zugrunde, der sich auf die sichtbaren Folgen körperlicher Gewaltanwendung reduziert.[3]
Über die schweren körperlichen Schäden hinaus sind die Folgen für die Frau jedoch weitaus vielschichtiger. So sind es eben nicht nur die körperlichen Schmerzen, die einer Frau zugefügt werden, sondern das Gefühl von Ohnmacht, Hilflosigkeit und Ausgeliefertsein gerade gegenüber dem Menschen, von dem sie sich ursprünglich einmal Liebe, Anerkennung und Geborgenheit erhofft hat.
Oft sind es banale Anlässe wie Unordnung, Kindergeschrei, »schlechtes« Essen u.a., nicht selten auch die sexuelle Verweigerung der Frau, die zum Ausbruch von Mißhandlungen führen. Nimmt die Frau die Gewalttätigkeiten vor diesem Hintergrund wahr, so wird sie letztlich das Gefühl haben, selbst Schuld zu sein, da sie ihm keine gute Ehefrau, Partnerin bzw. gute Mutter »seiner Kinder« ist.
Dieses Schuldgefühl infolge der Mißhandlung ist ebenso erdrückend, wie die Angst vor erneuten Ausbrüchen. Befindet sich eine Frau erst einmal in diesem Zirkel aus Abhängigkeit, Isolation, Angst und Schuldgefühlen, so gibt es für sie kaum noch die Möglichkeit, den notwendigen Antrieb aufzubringen, finanzielle und rechtliche Voraussetzungen zu schaffen, sich von ihrem Mann zu trennen und einen neuen Anfang zu machen. Hat eine Frau Kinder, so sind ihre Möglichkeiten, aus diesem Teufelskreis auszubrechen, um vieles schlechter. Hinzu kommt, daß von Seiten öffentlicher Sozialeinrichtungen bisher keine adäquaten Hilfsangebote existieren. Umfangreiche Erfahrungsberichte zeigen, daß bis heute weder rechtliche Voraussetzungen geschaffen sind noch Einrichtungen existieren, die auf unbürokratische Weise der Frau in ihrer aktuellen Notsituation Hilfen anbieten können.[4]
Um zu verhindern, daß Frauen mit zuviel Vertrauen auf grundlegende Verbesserungen durch zukünftige Reformen an die Arbeit gehen, ist es notwendig, sich mit den strukturellen Ursachen dieses Defizits von Seiten institutioneller Sozialarbeit zu beschäftigen. Hierzu gehört die Auseinandersetzung mit den Funktionen staatlicher Sozialpolitik innerhalb gesellschaftlicher Produktions- und Reproduktionszusammenhänge. Zu diesen strukturellen Bedingungen, unter denen sozialpolitische Maßnahmen überhaupt erst verständlich werden,[5] gehört, daß die Notlage bestimmter Gruppen erst dann zum Gegenstand sozialpolitischer Maßnahmen wird, wenn dadurch gesellschaftlich bedeutende Teilbereiche oder Gruppen betroffen sind und daraus wiederum hohe Folgekosten entstehen können oder der Druck der Öffentlichkeit bereits soweit angewachsen ist, daß man das Problem nicht mehr ohne weiteres ignorieren kann.[6] Aus der Erkenntnis, daß mißhandelte Frauen kaum in der Lage sind, sich allein mit ihrem Problem auseinanderzusetzen und außerdem Druck notwendig ist, um öffentliche Gelder bei der Einrichtung von Frauenhäusern zu erhalten, beginnen die Initiativen mit ihrer Arbeit. Dabei reagieren die Gruppen jeweils auf unterschiedliche lokale Ereignisse, die den Verlauf der Entwicklung der jeweiligen Initiativen entsprechend prägen.

Ziele und Strategien
In ihren Zielen und Strategien weisen die Projekte Gemeinsamkeiten auf,
die hier in ihren Grundzügen und mit den wesentlichen Kontroversen
dargestellt werden sollen.[7]
Dabei lassen sich drei Zielebenen voneinander unterscheiden:

    die akute, konkrete Hilfe
    die Hilfe zur Selbsthilfe
    Fernziele.

Auf der Ebene der akuten, konkreten Hilfe gehen alle Gruppen davon aus, daß das Frauenhaus als erstes eine Zufluchtsstätte sein soll, in der mißhandelte Frauen und ihre Kinder vorübergehend Unterkunft finden. Dabei soll das Haus - alternativ zu Heimen - keinen Fürsorgecharakter haben, sondern Frauen auf unbürokratische Weise in einer akuten Notsituation Schutz vor weiteren Mißhandlungen durch den Mann bieten. Dazu ist es notwendig, daß die Gruppen über ein eigenes Haus bzw. eine Wohnung verfügen, in der zu jeder Tages- und Nachtzeit alle betroffenen Frauen, die Hilfe suchen, aufgenommen werden. Zur Sicherheit der Frau soll die Adresse des Frauenhauses geheimgehalten und Männern der Zutritt grundsätzlich verwehrt werden.
Notwendige Informationen zu juristischen, medizinischen und finanziellen Problemen sollen an die Frauen weitergegeben bzw. mit ihnen zusammen erarbeitet werden, damit sie in der Folgezeit selber eigenständige Entscheidungen treffen können.
Die Frage, welche weiteren Hilfen den Frauen im Haus zur Verfügung stehen sollen, läßt sich nicht mehr einheitlich beantworten. So betonen einige Frauenhäuser (vor allem London und Berlin) die Notwendigkeit von Einrichtungen innerhalb des Projektes, die zunächst Entlastungsfunktionen haben sollen. Dazu gehören beispielsweise die Kinderbetreuung durch qualifizierte Mitarbeiter (London), juristische, psychologische, medizinische Beratung bzw. Betreuung (Berlin). Die Einrichtung derartiger Hilfsmöglichkeiten basiert auf der Annahme, daß Frauen, die ins Frauenhaus kommen, sich zunächst in einem Zustand physischer und psychischer Erschöpfung befinden und nicht gleich mit Anforderungen und Aufgaben überfordert werden dürfen. In anderen Häusern existieren solche Einrichtungen nicht, da sie zwar die Frauen unterstützen, ihnen dabei aber das Gefühl, für sich selbst Verantwortung zu tragen, nicht abnehmen wollen. Die wesentlichen Kontroversen auf dieser Ebene drehen sich um die Integration von fachlich qualifizierten Mitarbeitern innerhalb und außerhalb des Hauses, um die pädagogische Betreuung der Kinder und die Hilfen bei der Organisation des Zusammenlebens.
Auf der Zielebene Selbsthilfe bzw. Hilfe zur Selbsthilfe geht es den Gruppen vor allem darum, daß die Erfahrungen im Haus den Frauen die Möglichkeiten geben, ihr Selbstbewußtsein wiederzufinden, Selbstsicherheit und damit eine Identität zu entwickeln, von der aus sie ihre Interessen erkennen, um ihre Rechte wissen und tatsächlich danach handeln können, um nicht wieder in der gleichen Hilflosigkeit einer Mißhandlung ausgeliefert zu sein wie vorher. Der Weg zur Erreichung dieses Ziels ist die gegenseitige Hilfe und der Kontakt der Frauen untereinander, damit sie ihre Isolation überwinden und so die Objektivierung ihrer individuellen Probleme möglich wird. Diese Ziele lassen sich nach Auffassung aller Projekte nur verwirklichen auf der Basis von:

  • Selbstorganisation und Selbstbestimmung: Die Frauen regeln alle Angelegenheiten, die ihre Situation innerhalb und außerhalb des Hauses betreffen, in eigener Verantwortung. Das Haus soll von den Frauen möglichst selbst verwaltet werden, Mitarbeiterinnen müssen von ihnen kontrolliert werden können.
  • Autonomie des Frauenhauses: Einfluß- und Kontrollversuche von außen müssen so gering wie möglich gehalten werden.
  • Gleichstellung und Gleichberechtigung der betroffenen Frauen und Mitarbeiterinnen. Diese Forderung wendet sich gegen mögliche Bevormundungen und Hierarchie innerhalb des Hauses.

Kontrovers im Rahmen dieser allgemeinen Prinzipien sind

  • der Anschluß an Dachverbände zur finanziellen Absicherung des Projektes und
  • die Frage der fachlichen Qualifikation von Mitarbeitern sowie ihr Status als ehrenamtliche oder bezahlte Mitarbeiter. Darüber hinaus die Frage der Beteiligung männlicher Mitarbeiter.

Auf der Ebene der Fernziele liegen bisher wenige konkrete Vorstellungen vor. Einerseits beziehen sie sich auf Perspektiven für die betroffenen Frauen nach ihrem Aufenthalt im Haus, andererseits geht es um Ziele, die mit dazu beitragen, die Ursachen gesellschaftlicher Gewalt zu beheben. Gegenwärtig zeichnen sich dazu folgende Versuche ab:

  • Frauenwohngemeinschaften nach dem Auszug aus dem Frauenhaus;
  • Einrichtung von Läden (z.B. Second Hand Shops), die von Frauen selbständig geführt und eventuell von ihnen übernommen werden sollen (mit gemeinsamer Kinderbetreuung);
  • Forderungen auf der politischen Ebene nach gesetzlichen Neuregelungen und Bewilligung von mehr Geldern, die durch die Organisierung der verschiedenen Frauenhäuser gemeinsam durchgesetzt werden sollen.

Mit der Zunahme der Frauenhausprojekte hat sich allerdings das Spektrum der Arbeitsansätze erweitert. Ich will deshalb im folgenden Abschnitt versuchen, diese Vielfalt zu ordnen und die Unterschiede im Selbstverständnis der Gruppen deutlich zu machen.
Gegenwärtig kristallisieren sich vor allem zwei verschiedene Richtungen innerhalb der Frauenhausbewegung heraus: ein karitativer Ansatz und ein feministischer bzw. gesellschaftskritischer Ansatz. Entscheidend für die Unterschiede in der praktischen Arbeit ist dabei, von welchem Gesellschaftsverständnis die Gruppen ausgehen und worin sie die Ursachen der Mißhandlungen sehen.
Dem karitativen Ansatz liegt im Sinne traditioneller Sozialarbeit ein therapeutisch-klientenorientierter Versorgungs- und Hilfsgedanke zugrunde. Stellvertretend für diesen Ansatz sei hier auf die theoretischen Ausführungen von Erin Pizzey verwiesen, auf die bei der Einrichtung und Begründung öffentlich geförderter Frauenhäuser immer wieder verwiesen wird. Für sie sind die Ursachen der Gewalt in den Defiziten des einzelnen zu suchen, worunter sie vorrangig anlagebedingte oder in der Erziehung begründete Fehlentwicklungen während der Kindheit versteht. Nach ihrem Verständnis fehlen dem Menschen mitunter - als Resultat von Lerndefiziten - die notwendigen Kontrollen für sein destruktives Verhalten. Große Bedeutung bei der Erzeugung der Gewalt schreibt sie dabei der Familie zu und führt das Problem der Mißhandlung auf das »pathologische Beziehungsgefüge zwischen Mann und Frau« zurück. Gleichzeitig folgt sie dem bürgerlichen Verständnis von Familie als Freiraum mit optimalen Entwicklungsmöglichkeiten, in dem die hierarchischen Beziehungen zwischen den Geschlechtern ebenso als Gegebenheit betrachtet werden wie die unterschiedlichen psychoanalytisch begründeten Ausprägungen von Verhaltensmustern bei Jungen und Mädchen. Der gesellschaftliche Kontext, in dem die Kleinfamilie spezifische Strukturen entwickelt, wird von ihr völlig ausgeklammert. Auf diesem Ansatz gründet sich eine Praxis, die im Sinne traditioneller Sozialarbeit versucht, dem einzelnen Anpassungshilfen anzubieten. Fachspezifische Beratungsangebote und Therapien sollen dabei die Probleme mißhandelter Frauen in den Rahmen von »Ehekonfliktbewältigung« stellen und dazu beitragen, Ehe und Familie unter Einbeziehung des Mannes wiederherzustellen bzw. die Frau auf eine neue Partnerbeziehung hin zu orientieren. Obwohl dieser Ansatz systemimmanent ist und verhindert, daß die betroffenen Frauen Subjekt von Veränderungen werden, stellt er objektiv eine Verbesserung im Hilfsangebot für mißhandelte Frauen dar. Innerhalb des feministischen bzw. gesellschaftskritischen Ansatzes lassen sich im Hinblick auf das Ursachenverständnis zwei Gruppen voneinander unterscheiden. Während die einen die Ursachen in erster Linie in den patriarchalischen Strukturen und durchgängigen männlichen Prinzipien sehen, betonen die anderen vor allem die kapitalistischen Gesellschaftsstrukturen auf der Grundlage geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung, durch die die Frau in ihrer primären Funktion als Hausfrau und unbezahlte Arbeitskraft spezifischen Formen struktureller und personaler Gewalt ausgeliefert ist. Obwohl von keiner der beiden Gruppen gegenwärtig ein Erklärungszusammenhang für die Ursachen von Frauenmißhandlung entwickelt worden ist, gehen sie doch gemeinsam davon aus, daß ein Bekämpfen dieser Ursachen nur mit den Frauen bzw. durch die Frauen selbst möglich ist. In diesem Sinne ist die Arbeit im Frauenhaus daraufhin orientiert, Frauen in gemeinsamen Gesprächen und Aktionen ein Gefühl davon zu vermitteln, daß sie von ihren Bedürfnissen ausgehend auf Veränderungen Einfluß nehmen können. Das Charakteristische dieses handlungsorientierten Praxisansatzes ist dabei, daß die Probleme der Frau in ihrer Komplexität aufgegriffen und die Folgeprobleme nicht - wie bei karitativen Projekten -auf Spezialisten oder in bestimmte fachliche Zuständigkeiten übertragen werden. In jedem Fall muß verhindert werden, daß Frauen zum »Sozialfall« werden und ihnen dadurch der innere Zusammenhang ihrer Probleme verschlossen bleibt.
Der Anspruch, ein unabhängiges feministisches Selbsthilfeprojekt zu gründen, kann in der konkreten Arbeit der Mitarbeiterinnen unterschiedlich aussehen - je nach dem, welcher Praxis begriff ihrer Arbeit zugrunde liegt. So versuchen Frauen aus der Frauenbewegung vor allem feministische Inhalte in die Praxis umzusetzen. Sie gehen dabei von einer gleichen Betroffenheit aller Frauen aus. Um nicht die Tradition von Frauen fortzusetzen, gesellschaftliche Probleme durch »billige Sozialarbeit« zu beheben, versuchen sie die Bezahlung ihrer Arbeit durchzusetzen. Frauen, die dagegen mehr aus praktischen oder theoretischen Zusammenhängen der Sozialarbeit stammen, verfolgen eher das Konzept der Ausnutzung von Handlungsspielräumen auf der Basis von Identifikation mit den Betroffenen und ehrenamtlicher Mitarbeit.[8]
Zusammenfassend läßt sich der feministische bzw. gesellschaftskritische Ansatz bestimmter Frauenhausprojekte folgendermaßen charakterisieren: Alternative feministische Frauenhausprojekte folgen dem Konzept der Selbsthilfe, das in seiner Handlungsorientierung Möglichkeiten zu selbstbewußten, solidarischem Handeln schafft. Gleichzeitig wird der Versuch gemacht, gesellschaftliche Ursachen von Gewalt gegen Frauen bzw. der Mißhandlung von Frauen zu erkennen und neue Ansätze zur Bewältigung dieser Probleme zu schaffen.
Obwohl Selbsthilfeprojekte grundsätzlich den Prinzipien von Sozialpolitik (hier: Subsidiaritätsprinzip) entsprechen und Teile der Ziele traditioneller Sozialarbeit realisieren, stellen sie dennoch aufgrund ihrer inneren Organisation und relativen Autonomie eine prinzipielle Gefährdung sozialstaatlicher Prinzipien wie der Verwaltung und Steuerung gesellschaftlich verursachter Notstände dar. Objektiv ist staatliche Sozialarbeit auf Selbsthilfe als Lückenbüßer angewiesen, während sie dabei aber nicht einfach ihre Kontrollfunktionen in Teilbereichen aufgeben kann. Mit den Versuchen staatlicher Kontrolle und deren Auswirkungen auf die praktische Arbeit der Frauenhäuser will ich mich abschließend auseinandersetzen.

Gegenstrategien
Zu Beginn der Arbeit besteht das größte Problem der Frauen gewöhnlich in der materiellen Absicherung des Projektes. Um ein Haus oder eine Wohnung anzumieten, benötigen sie sowohl Geld für Miete und laufende Unkosten als auch Gegenstände für die Einrichtung. Um die wesentlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, stellen alle Gruppen gleichermaßen Forderungen nach finanzieller Unterstützung an staatliche Träger, die sowohl über ein Sozialbudget als auch über Sonderfonds verfügen, aus denen in besonderen Fällen Gelder zur Verfügung gestellt werden können. Indem die Gruppen immer neu für ihre lokale Situation die Existenz des Problems nachweisen müssen, damit ihnen nach einer Weile ein Haus in Aussicht gestellt wird, werden sie in ihrer Arbeit erst einmal blockiert. Manche Gruppen, die diese Strategien der Sozialbürokratie frühzeitig erkennen, versuchen die ersten Schritte auf Eigeninitiativen wie Spendenaktionen, Feste, Sammlungen, Vereinsbeiträge zu gründen, ein Haus anzumieten und mit der Arbeit zu beginnen (Köln, Bielefeld und Bremen). In den Auseinandersetzungen und Verhandlungen mit der Stadt tauchen dabei immer die gleichen Probleme auf. Einerseits versucht man unmittelbar Einfluß auf die Konzeption des Frauenhauses zu bekommen - wie etwa in Berlin auf die Zusammensetzung des Trägervereins - bzw. verlangt den Nachweis qualifizierter Mitarbeiter. Andererseits wird den Gruppen nahegelegt, sich einem Dachverband anzuschließen, um schneller finanzielle Unterstützung zu erhalten. Die negativen Erfahrungen in Köln mit dem Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband, der von der Stadt bereits bewilligte Gelder übertragen bekam und anschließend die Auszahlung an vorher nicht vereinbarte Bedingungen knüpfte, sowie Erfahrungen anderer Frauenhäuser (z.B. in Bielefeld mit der Arbeiterwohlfahrt) zeigen, daß Kontrollfunktionen auch auf Umwegen ausgeübt werden können. Initiativen, denen es nicht gelingt, die ersten Schritte durch eigene Finanzierung zu tun, und die warten, bis die Stadt auf ihre Forderungen reagiert, müssen mit sozialpolitischen Gegenmaßnahmen rechnen.
So wird z.B. in Berlin ein »Modellprojekt« errichtet, das auf zwei Jahre befristet ist und gegenwärtig ausläuft. Die Übernahme in eine städtische Einrichtung wird z.Z. diskutiert. Beispiele dafür, daß Frauen lange hingehalten werden und dann ein Projekt von der Stadt selbständig initiiert bzw. an private Trägervereine delegiert wird, sind die >Häuser für Frauen und Kinder in Frankfurt und München. Der Heimcharakter des Münchner Projekts läßt sich nicht mehr übersehen. Neuerliche Versuche, Frauengruppen in den Finanzierungsplänen zu berücksichtigen, lassen sich in Aachen, Frankfurt und beim Land Nordrhein-Westfalen verzeichnen. Der Aachener Gruppe wird z.Z. vorgeschlagen, ihr Projekt einer bestehenden Einrichtung anzugliedern. Der Frankfurter Initiative »Frauen helfen Frauen« werden Startchancen ermöglicht, nachdem die Kapazitätsgrenzen des institutionellen Projekts überschritten sind. In Nordrhein-Westfalen bestehen Bestrebungen, Bedarfspläne zu erstellen und eventuell 18 Frauenhausprojekte öffentlich zu fördern. Daß man sich auf Landesebene seit einiger Zeit mit gezielten Maßnahmen zum Problem mißhandelter Frauen befaßt, beweist u. a. eine Tagung der Landeszentrale für politische Bildung in Bad Meinberg im Januar 1978, zu der die Frauenhausinitiativen als stumme Zuhörer geladen waren.
Die verschiedenen Erfahrungen der Frauenhäuser machen deutlich, daß starke Kontroll- und Lenkungsmaßnahmen gegen sie gerichtet sind. Durch die entstandenen Gegenprojekte wird zwar vordergründig das Problem aufgegriffen, den Initiativen wird allerdings als den schwächeren in diesem Konkurrenzkampf die Möglichkeit genommen, ihren Zielen näherzukommen. Der Kampf um ihre Existenz und Autonomie kostet die Gruppen ungleich mehr Energien als die Mitarbeiter innerhalb der Einrichtungen, die - fachlich voneinander abgegrenzt - dort einen sicheren Arbeitsplatz haben. Frauenhausprojekte, deren Finanzierung als Selbsthilfeprojekt in den seltensten Fällen grundsätzlich gesichert sein wird, schränken aufgrund der schlechten Ausgangsbedingungen mitunter selbst ihre konzeptionellen Ziele und Strategien ein. So gelangen sie an ihre Grenzen, wenn das Haus völlig überfüllt ist und sie manchmal Frauen die Aufnahme verwehren müssen entgegen dem Prinzip der Offenheit für alle Frauen. Die Vermittlung an andere Frauenhäuser kann solche Schritte mitunter verhindern. Die schleppende finanzielle Förderung durch die Sozialbürokratie hat ihre Auswirkungen ebenfalls dort, wo die betroffenen Frauen ihre Rechte durchzusetzen versuchen. Die diskriminierenden Gespräche beim Sozialamt[9] können zu einer Verstärkung ihrer Passivität und Resignation führen, statt in einen gemeinsamen Kampf mit anderen Frauen einzumünden. Erfahrungsberichte und Daten aus bestehenden Frauenhäusern machen deutlich, daß die Ziele, mit denen die Gruppen zu Anfang an die Arbeit gegangen sind, nur längerfristig zu erreichen sind. Die Zahlen von der kurzen Dauer des Aufenthaltes im Haus und der relativ hohen Quote von Frauen, die zu ihren Männern zurückkehren,[10] zeigen, wie schwer es ist, während dieser Zeit den Frauen grundlegend neue Erfahrungen mit gleich betroffenen Frauen zu vermitteln.
Es wird in zunehmendem Maße notwendig sein, während des Aufenthaltes im Frauenhaus Perspektiven für gemeinsame Arbeits- und Lebenszusammenhänge in die Zeit danach zu entwickeln.