Kinder und Emanzipation

Aufgabe des Berufs der Kinder wegen?

Das kennen wir alle, ob wir zu Hause sind als Hausfrau wegen der Kinder oder als Mütter berufstätig: das große Unbehagen mit unserer Situation. Den Zusammenbruch, die Depressionen, den Eklat.
Hausfrau-Mutter oder berufstätige Mutter: sind das Alternativen, die nur auf jeweils andere Art genau die gleiche Diskriminierung der Frauen aufrechterhalten und verewigen; ist es für unseren Weg der Emanzipation egal, welchen Status wir wählen (falls wir wählen können)? Sind wir in jedem Fall »beschissen« dran?
Hausarbeit: Natürlich arbeiten wir, und mit Kleinkindern ist der Tag der Hausfrau »ausgefüllt«, aber was ist das für eine Arbeit! Von abtötender Einförmigkeit, die Arbeitsvorgänge auf einfache, sich immer wiederholende Handgriffe reduziert. Diese Arbeit wird verrichtet von einer isoliert Arbeitenden, deren Handlungsspielraum auf den engen Rahmen der privaten Lebensbedingungen und der familiären Finanzkraft angewiesen ist und damit in einem anachronistischen Gegensatz steht zu den Möglichkeiten, die allein schon durch den Stand einer gesamtgesellschaftlich einsetzbaren Wissenschaft und Technik gegeben wären.
Da Hausfrauenarbeit unbezahlte Dienstleistung ist, schafft sie ein Ausmaß von persönlicher Abhängigkeit, das bis zur Entwürdigung gehen kann und das den täglichen häuslichen Verrichtungen noch einen weiteren Stempel der Abwertung aufdrückt.
Diese Arbeiten können nicht um ihrer selbst willen befriedigen; an einem zu schrubbenden Fußboden kann sich keineHausfrau »bewähren«,Teller kann man nicht »schöpferisch« abspülen, mit dem privaten Wäschewaschen ist keine Aufnahme sozialer Kontakte verbunden. Das Wissen und Können, die Fähigkeiten und Fertigkeiten, die sich eine Frau bis zu ihrem Nur-Hausfrauendasein als Mensch unter Menschen angeeignet hat, werden unter solchen Arbeitsbedingungen verkümmern.
Ich will es einmal auch mir selbst gegenüber ganz hart sagen: Ich muß mich als ein Wesen mit Entwicklungsperspektiven aufgeben, wenn ich die lebenslange Hausfrau-Einzelhaft akzeptieren würde, und ich lasse mich auch nicht durch das scheinbar schlagende Argument einer Zahl von zehn Millionen Hausfrauen eines Schlechteren belehren. Die Hausfrauen selbst sprechen für sich: eine Untersuchung von 1973 stellt fest, daß 68,7 Prozent der Hausfrauen die Aussage bejahen: »>Kinder und Küche< - das war einmal genug für eine Frau, heute muß eine Frau die Möglichkeit haben, durch ihre eigene Arbeit etwas zu verdienen.«
Durch eigene Arbeit etwas verdienen - eine Frau mit Kind ist oft genug trotz eines verdienenden Ehemannes darauf angewiesen. 3,1 Millionen Mütter mit Kindern unter 15 Jahren sind in der BRD erwerbstätig, also über ein Drittel aller berufstätigen Frauen, und die Tendenz ist steigend. Diese Frauen ernten dafür offene und latente Vorwürfe, machen sich Selbstvorwürfe und stehen unter einer zeitlichen, physischen und psychischen Belastung, die noch in keinem Verhältnis steht zur Haben-Seite der Rechnung. Und das soll sich lohnen?
Es lohnt sich für uns trotz der Unmenschlichkeit vieler Arbeitsprozesse, die Frauen zugemutet werden und die, nur in diesem Punkt betrachtet, private Hausarbeit an Stumpfsinn übertreffen. Es lohnt sich, die Diskriminierung der Frau, die sich vom Ausschluß der Frauen von der gesellschaftlichen Produktion ableitet, auf demselben Feld anzugehen, auf dem sie entsteht: durch die Teilnahme am gesellschaftlichen ökonomischen Prozeß, um dabei selbst einen Prozeß der Emanzipation zum gesellschaftlichen Menschen zu beginnen, um die Chance wahrzunehmen, zum Subjekt der Entscheidungen über unsere eigene Existenz zu werden.
Wir brauchen nicht einmal eine solche Ausformulierung dessen, was Arbeit für uns bedeutet. Unsere Erfahrungen aus der Erwerbsarbeit sind so deutlich im Detail, beweisen sich trotz aller Widersprüche so handfest als Schritte, die eine Perspektive zeigen: größere ökonomische Freiheit, damit das gleiche Argument, das der Partner hat, im möglichen Konflikt mit ihm; ein eigenes und ein kollektives Selbstbewußtsein durch die Erfahrung kollektiver Arbeitsprozesse; Eingehen von sozialen Kontakten, neue Fähigkeiten zu aktivem Einsatz für die eigenen Interessen.
Das ist kein unauflösbarer Widerspruch: in einer Frau, die abgeschafft, fertig, kaputt um sechs oder sieben Uhr abends von Fließbandarbeit, Supermarktstraße, Schreibbüro nach Hause kommt zu Spülbecken, Scheuerbesen und Kinderlärm, einen neuen Typ Frau zu sehen. Sie ist nicht nur Opfer der Umstände, sondern auch, um es bewußt pathetisch zu sagen, handelnde Persönlichkeit der Zeitgeschichte. Wenn dies ein Paradox sein sollte, dann ist es das dieser Gesellschaft.
Ich habe mich bis hierher bewußt dagegen gewehrt, die drohende Frage: »Und was wird aus dem Kind?« bei dem Plädoyer für die mütterliche Erwerbstätigkeit zu stellen. Der Anspruch der Mutter auf ein Leben mit emanzipatorischer Perspektive hat wahrhaftig einen Stellenwert für sich, und ich nehme mir heraus, ihn voranzustellen.
Ich kann dies um so leichter, als ich der Überzeugung bin, daß die Berufstätigkeit der Mutter für das Kind nicht notwendig ein Defizit bedeutet, dem nur durch prinzipiell unvollkommene pädagogische Hilfskonstruktionen begegnet werden könnte. Entsprechend diesem wissenschaftlich aufgebauten Alibi werden immer noch billigerweise gesellschaftliche Einrichtungen der Kinderbetreuung und -erziehung nur als letzter sozialer Notbehelf konzipiert und betrieben.
Der oben angeführte Satz ist immer dann als Schuldspruch über die Mutter gesprochen worden, wenn die Frau durch ihren Wunsch nach Erwerbstätigkeit andere als die gewohnten Bedürfnisse anmeldete und noch unbeantwortete familiäre und gesellschaftliche Konflikte schuf.
Eine zum wissenschaftlichen Popanz geratene »mütterliche Bezugsperson« hält auch Frauen, die berufstätig sein wollen, davon ab, ihr Kind einer anderen als der mütterlich-häuslichen Erziehungssituation zu überlassen. Ich akzeptiere eine Wissenschaft, die mir weiterhilft. Und das ist der Fall bei den Forschungsergebnissen von Psychologen und Pädagogen,[1] die feststellen, daß eine wesentliche Bedingung frühkindlicher Entwicklungsprozesse (und nur für diesen Zeitabschnitt kann die Frage nach der Bezugsperson als existenzbestimmend zulässig sein) nicht allein die intensive emotionale Bindung des Kindes an die Mutter ist, sondern die ausreichende Befriedigung des frühkindlichen Bedürfnisses nach Sinneseindrücken, nach »Welterfahrung«. Gerade die Befriedigung dieses elementaren Bedürfnisses schafft sich erst das Bedürfnis nach sozialen Kontakten und emotionalen Bezügen. Und bei der Vermittlung dieses notwendigen Angebots an Eindrücken ist die Mutter ersetzbar.
Dies ist keine Aufforderung für die ausschließliche Betreuung aller Kleinkinder in öffentlichen Erziehungseinrichtungen (zumal über den sozialpolitischen Forderungskatalog für die Errichtung und Konzeption von Krippen, Kindergärten und Horten noch zu reden ist), aber eine solche Feststellung muß dazu beitragen, tief eingepflanzte Schuldkomplexe berufstätiger Mütter gegenüber ihren Kindern aufzubrechen. Die Kinder außer Haus arbeitender Mütter sind nicht vernachlässigter, nicht schulunfähiger, nicht neurotischer als die Kinder von Nur-Hausfrauen (wobei ich behaupte, daß die Neurosen der Kinder von Hausfrauen, die durch den engen Bezugsrahmen der isolierten Kleinfamilie entstehen, nur deshalb kaum registriert werden, weil sie die »normalen« sind). Die Kinder arbeitender Mütter - und das ist immerhin frappierend angesichts der gängigen Betreuungsverhältnisse - haben in der Regel, wie eine ganze Reihe empirischer Untersuchungen feststellen, ein stärkeres Selbstbewußtsein, größere Unabhängigkeit, größere Leistungs- und Durchsetzungsfähigkeit, bessere Erkenntnisfähigkeiten.
Und in diesem neuen Kindertyp sehe ich, wie eine ganz entscheidende Seite der mütterlichen Berufstätigkeit für die Kinder pädagogisch zum Tragen kommt: Die durch Arbeit geprägte (und zugegeben auch widerspruchsvoll geprägte) Lebenseinstellung einer berufstätigen Mutter, ihre neuen Verhaltensweisen, ihre erweiterten Zukunftsperspektiven, ihre vermehrten Sozialkontakte machen aus ihr eine andere Erziehungspersönlichkeit, als es die Hausfrau ist. Ich möchte meinem Kind keine Mutter sein, deren Existenz allein durch das Kind definiert ist, sondern ein Mensch, eine Persönlichkeit, die ihren Wert auch für sich allein hat. Ich kann nichts weitergeben, was ich nicht selbst habe und bin.
Häufig jedoch erscheint, trotz vielleicht prinzipieller Zustimmung, vielen Müttern der emanzipatorische Aspekt von Berufstätigkeit unter den teilweise extremen Belastungen, die dabei entstehen, völlig verschüttet. Denn die politischen und ökonomischen Entscheidungsträger in dieser Gesellschaft, die das reibungslose Funktionieren von Frauenarbeit verlangen, wenn die Konjunktur danach ist, verweisen die entstehenden Aufgaben einer notwendig stärker gesellschaftlich getragenen Kindererziehung nach wie vor zurück in das Privatleben.
Das Kindergarten-Platzangebot für Drei- bis Fünfjährige beispielsweise liegt in der BRD bei nur knapp 40 Prozent. Wenn man weiß, wie wenig sich die technische Organisation und die Betreuungszeiten der Kindergärten an die Arbeitszeiten der Mütter halten, dann ist selbst die relativ niedrige Zahl von 25 Prozent der Kinder berufstätiger Mütter, die in öffentlichen und privaten Kindergärten untergebracht sind, ein deutlicher Hinweis für das starke Bedürfnis nach diesen Einrichtungen.
Die Regel ist jedoch: Kinder arbeitender Mütter müssen nach wie vor, weil es Alternativen nicht gibt, im Familienverband betreut werden. 50 Prozent der Kinder berufstätiger Mütter sind tagsüber bei den Großeltern oder anderen Verwandten untergebracht. Auseinanderklaffen von Erziehungsauffassungen, sich widersprechende Autoritäten, gleichzeitiges Verbleiben in der isolierten Kleinfamiliensituation lassen gerade im stark emotionalisierten Verhältnis der verschiedenen Generationen einer Familie diesen gängigen Kompromiß der privaten Lösung des Betreuungsproblems für Mutter wie Kind doch recht belastend und fragwürdig erscheinen. Teilzeitarbeit, der am empfindlichsten auf Krisenschwankungen reagierende Arbeitsmarktsektor, stellt das Unterbringungsproblem der Kinder nach wie vor und verleitet dabei eher zu zweifelhaften Kompromissen, denn es ist ja nur »für ein paar Stunden«. Zudem kann Teilzeitarbeit als untergeordnete Tätigkeit ohne Verantwortung, bei eingeschränktem Kollegenkontakt, Niedriglohn und mangelnder sozialer Absicherung kaum die emanzipatori-sche Perspektive von Erwerbsarbeit eröffnen.
Wenn es an die unmittelbar praktische Organisation der Erwerbstätigkeit einer Mutter geht, dann wird zwischen den Ehepartnern unweigerlich mit einem Höchsteinsatz von Emotionen die innerfamiliäre Rollenverteilung diskutiert. Die Trumpfkarte eines Mannes, der meint, dem Emanzipationsstreben seiner Frau längst das Wasser reichen zu können, ist ein Angebot, das unter der Hand zu einem Vorwurf gegenüber der von der Frau nicht erfüllten Hausfrauen-Mutter-Rolle wird: »Dann bleibe ich zu Hause!« Einmal dahingestellt, daß ein Frauenlohn für den Unterhalt einer Familie ausreichen würde: eine bloße Umkehrung bei der Beschaffung des Einkommens der Familie, während doch die übrigen gesellschaftlichen Verhältnisse, die Abhängigkeit schaffen, ganz die gleichen bleiben, ist keine Lösung. Das peinliche Unverständnis, auf das ein Hausmann stößt- »wie kann ein Mann seine Fähigkeiten so vergeuden!« - läßt die Diskriminierung der Frau nur um so nackter erscheinen.
Kein Wort aber dagegen, daß Männer sich verändern müssen, wenn ihre Partnerin als Mutter erwerbstätig ist. Das wird bei den primitivsten praktischen Dingen anfangen, wird eine auf zwei Personen aufgeteilte Organisation des Haushalts und der Verantwortung in der Kindererziehung bedeuten müssen, und das kann ganz »beinharte« Auseinandersetzungen und Konflikte bringen.

Aber gerade die ernsthaften Versuche, auf der privaten, der familiären und partnerschaftlichen Ebene der arbeitenden Mutter ihre realen Chancen zu schaffen, stoßen letzten Endes um so deutlicher auf die Erkenntnis, daß für ein gesellschaftlich entstandenes Problem gesellschaftliche Lösungen gefunden werden müssen, und das heißt, daß für die neue Kindererziehung und die Arbeitsrealität der Frauen Alternativen nicht bloß erträumt, sondern hart erkämpft werden müssen.
Wichtige Zwischenziele sind ausformuliert, sie sind teilweise schon Bestandteil der demokratischen Bewegung in unserem Land: Die Forderung nach gleicher Bildung und Berufsausbildung für Mädchen und Frauen; das Recht auf Berufstätigkeit, auf einen gesicherten Arbeitsplatz; die Forderung nach 18 Monaten Sonderurlaub nach einer Entbindung; die Forderung nach sehr viel mehr und pädagogisch besseren Ganztagsschulen, Ganztagskrippen und -kindergärten, nach Steuerabgaben von Großbetrieben für den Unterhalt solcher Einrichtungen, nach einer Kostensenkung für die Benutzung, die sich der Schulgeldfreiheit annähern muß; nach öffentlichen Dienstleistungseinrichtungen, die einen spürbaren Anteil der Hausarbeit gesellschaftlich erledigen, und wie der richtigen Forderungen mehr sind.
Wie viele Frauen sind leidenschaftlich dafür, und doch beginnt hier ein erneutes Unbehagen. Da reden wir von der prinzipiellen emanzipatorischen Sprengkraft der Berufstätigkeit der Frau und sind doch von unseren Verhältnissen oft wie gelähmt. Ich schreibe dies und bin, mit einer Hochschulausbildung, mit einem einjährigen Kind, ohne Aussicht auf einen Krippenplatz, in einer Gemeinde mit nicht einmal 7000 Einwohnern, ohne Arbeit. Und andere, mit einem Arbeitsplatz, Kindern, Haushalt, Schwierigkeiten mit dem Ehemann, kommen unter ihren Belastungen überhaupt nicht zur Besinnung über das, was ihnen Arbeit sein kann.
Was machen jetzt, heute all die, für die dieser Text nur »prinzipiell« stimmt? Welche Durststrecke verkraften wir? Was sind die von uns allen gangbaren Schritte, wenn ein Rigorismus der Theorie zwar die Köpfe klar machen, meine und deine konkreten Verhältnisse aber noch nicht ändern kann? Ich kann unzufrieden sein mit dem Stand der Frauenbewegung, weil diese Fragen noch keine Antworten haben, aber ich kann mich, bei Strafe selbst der privaten Perspektivlosigkeit, nicht ausschließen vom Kampf. Nur als aktiv handelndes Subjekt innerhalb eines gesellschaftlichen Widerspruchs können wir Geschichte machen.

Ein neuer Muttermythos?

Seit geraumer Zeit beherrscht ein neuer Trend weite Kreise der Frauenbewegung: Frau bekennt sich wieder zur Weiblichkeit, die vor allem Schwangerschaft und Geburt als Selbsterfahrung preist. Kämpfte die Frauenbewegung noch vor einigen Jahren darum, die »allseitige Reduzierung der Persönlichkeit« durch Mutterschaft und Haushalt nicht länger hinzunehmen, kämpfte sie um die Beteiligung der Frau an der Gestaltung der Gesellschaft, kämpfte sie um das Recht auf Arbeit und Ausbildung, so wird heute eine Strömung sichtbar, die gerade die Biologie der Frau ins Feld führt, um ihre Überlegenheit zu beweisen und um die Nichtbeteiligung an gesellschaftlich produktiver Arbeit zu rechtfertigen. Indem Kategorien der Produktionssphäre auf biologische Vorgänge übertragen oder zur Erklärung zwischenmenschlicher Beziehungen herangezogen werden, avanciert der Privatbereich zum Produktionsbereich, und der Rückzug in die traditionell weibliche Sphäre wird zum politischen Handeln.

»Schwanger sein, feministisch definiert, heißt Arbeit erbringen, eine erschöpfende, aber tief befriedigende körperliche und geistige Arbeit. Eine Leistung, die in dieser Leistungsgesellschaft überhaupt nicht anerkannt, ja nicht einmal so erkannt wird! Da Frauen sie erbringen, gilt sie nicht viel, sie ist selbstverständlich, >natürlich<. Da der Mann sie dringend braucht - es ist das Einzige, was er in seiner so perfekt nach seinem >Geiste< gestalteten Welt noch nicht selber machen kann, darum wird sie mit erhebender Mutterschaftsideologie verbrämt; damit er genügend Einfluß darauf hat -und die Frau nicht merkt, welch unerhört schöpferische Arbeit sie damit für die Gesellschaft leistet, muß das Grundgefühl der Angst bei ihr jede selbstbewußte Sicherheit verhindern«.[1]

Beschwörungen sollen biologische Vorgänge zur Arbeit machen und das Selbstbewußtsein stärken, obwohl Arbeit eindeutig als Akt menschlichen Willens, als bewußte zweckgerichtete Tätigkeit definiert ist, die Produkte zur Mehrung des gesellschaftlichen Reichtums schafft.
Vieles wird bei der Beschäftigung mit Schwangerschaft und Geburt bedacht - trau geht sogar bis in vorgeschichtliche Zeit zurück, um sich in den Mythen antiker Matriarchate als Mutter und Schwangere positiv wiederzufinden -eine Auseinandersetzung mit der Kindererziehung in dieser Gesellschaft findet erstaunlicherweise nicht statt. Diese Zurück-ins-Heim-Bewegung der Frauen hat ihre Parallele in der Alternativbewegung allgemein. Mit Landkommunen, Töpfereien, Makroläden, überhaupt mit alternativen Lebensformen versuchen viele kleinbürgerliche Intellektuelle, durch die Krise ihrer beruflichen Chancen und der Illusionen auf baldige Gesellschaftsveränderung beraubt, ihre Vorstellungen von einem besseren und menschlicheren Leben zu verwirklichen. Die neue Innerlichkeit, die sich bei Frauen in der Mystifizierung alles Weiblichen zeigt, ist ebenfalls Ausdruck der Resignation. Eigene Wünsche und Selbstverwirklichungsideen werden zu Handlungsanweisungen für eine gesellschaftsverändernde Praxis.

»Nur wenn Frauen mit Frauen leben und auch Kinder aufziehen, haben wir die Chance, daraus eine echte feministische Alternative zu entwickeln, feministische Inseln< in einer patriarchalischen Gesellschaft. Feministische Wohngemeinschaften könnten zum Gegengewicht werden und den Keim zu einer künftigen Überwindung des Patriarchats ebenso in sich tragen wie das Vordringen der Frau im Berufsleben«.[2]

Den Grund für die freiwillige Reduzierung auf den Haushalt und die Mystifizierung des weiblichen Körpers finden wir in der Gesellschaftsanalyse der Feministinnen.

»Zum anderen orientieren sich Gleichberechtigungsbestrebungen an männlichen Wertstrukturen: an der männlichen Definition von Politik und Arbeit, an den männlichen Begriffsvorstellungen von männlich und weiblich und so weiter. Ein Ausweg aus unserem fremdbestimmten Dasein führt jedoch nicht über eine Kopierung der Männerrolle, über eine Übernahme der männlichen Eigenschaften - mit der Illusion, darüber Erfolg in den derzeitigen gesellschaftlichen Institutionen zu erlangen, Anerkennung seitens der Männer zu erfahren und sich als Subjekt Mensch verwirklichen zu können. Die Alternative zu unserem jetzigen fremdbestimmten Leben kann nur über eine radikale Infragestellung und Kritik an allen, jenem >offenen< (= offensichtlichen) Sexismus zugrundeliegenden Strukturen erschaffen werden. Diese Alternative, in der Bedingungen für Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung gegeben sind, kann nur jenseits der existierenden sexistischen Kultur und sämtlicher (da patriarchalisch getrübter) Gesellschaftssysteme liegen«[3]

Die radikale Ablehnung aller bestehenden Gesellschaftssysteme führt schließlich zur Rückbesinnung auf das »eigentliche« Wesen der Frau, das durch ihre Biologie bestimmt wird. Um der Frauenbewegung die gleiche revolutionäre Bedeutung zu verleihen wie sie die Arbeiterbewegung hat, greifen feministische Theoretikerinnen zu dem Trick, alle Frauen zu Angehörigen einer Klasse zu machen. Nicht der Besitz oder Nichtbesitz an Produktionsmitteln ist für die Klassenzugehörigkeit ausschlaggebend, sondern die Konditionierung auf ein Hausfrauenleben.

»Indem wir die bewußtlosen Grenzen des allgemein üblichen Begriffs Hausarbeit durch neue Inhalte sprengen, zerstören wir auch zugleich die >Logik der Spaltung< von Frauen und entdecken in der grundsätzlichen Bestimmung von uns Frauen, Hausarbeit zu leisten, den kleinsten gemeinsamen Nenner, der alle Frauen durch sämtliche sozialen Klassen, Schichten und Rassen hindurch vereint«.[4]

Nach dieser Analyse sind alle Frauen - ob berufstätig oder nicht - im Reproduktionsbereich tätig, da Hausarbeit so weit gefaßt ist, daß alle weiblichen Handlungen in ihr aufgehen: Dazu gehört zunächst einmal die gewöhnliche Hausarbeit, dann die Sexualität, die Verhütung, Schwangerschaft und Geburt, Sorgen um Abtreibung und schließlich auch Erwerbstätigkeit, da diese immer nur als Nebentätigkeit angesehen wird, die an der Wesensbestimmung von Frauen nichts ändert. Logischerweise wird nun der Privatbercich zu dem Ort, den es zu verändern gilt. Frau glaubt, selbst zu bestimmen, wo »es sich lohnt, für Unabhängigkeit, auch ökonomische, zu kämpfen«,[5] obwohl sie damit nur krisengerecht handelt. Die zunehmende Aussichtslosigkeit auf einen angemessenen Arbeitsplatz läßt intellektuelle Frauen, aus denen sich die feministische Frauenbewegung hauptsächlich zusammensetzt, die Idylle einer neu bestimmten Hausarbeit dem Kampf um qualifizierte Arbeitsplätze vorziehen, zumal auch die bürgerlichen Parteien einem finanziellen Anreiz nicht abgeneigt gegenüberstehen. Von dieser Position aus muß auch die neue Propagierung von Schwangerschaft als Selbsterfahrung verstanden werden. Veränderung wird nicht mehr als gesellschaftliche aufgefaßt, sondern ausschließlich als Neugestaltung des eigenen Lebens. Hierzu gehört auch die Forderung nach Lohn für Hausarbeit, sozusagen als Stipendium, um sich ganz und gar seinem individuellen Experiment hingeben zu können und nicht durch eine Berufstätigkeit sich Zwängen aussetzen zu müssen.
Das Grundanliegen vieler Feministinnen ist die Befreiung des weiblichen Körpers aus der Fremdbestimmtheit. Wahrhaft weibliches Leben äußert sich in solchen Theorien als naturhaftes Dahinwesen. Schwangerschaft als »schöpferische Arbeit«, Geburt als »orgiastisches Fest« und Stillen als »sexuelles Erleben« machen den Körper zum einzigen Bezugspunkt bei der Suche nach weiblicher Identität. Diesen freiwilligen Rückzug in den Privatbereich einer Subkultur legitimiert frau mit Hilfe von matriarchalischen Schöpfungsmythen und Mutterkulturen.

»Gebären war durch lange Zeiträume hindurch mehr als nur ein Kind zu bekommen. Wir haben heute nicht allein den Bezug zu unserem Körper um! die Vertrautheit mit ihm verloren, wir haben auch jeden Bezug zu weiblich-religiöser Sinngebung verloren. Während der langen Dauer des Matriarchats war von Frauen ausgeübter Kult mit dem ritualisierten Vorgang der Geburt verknüpft; war jede natürliche, tatsächliche Geburt voll Anstrengung und Lust auch mit weiblich-religiösem Empfinden verbunden und deshalb ein heiliger Vorgang. Uns heutigen Frauen ist ein solches Geburtserlebnis fremd. Ursprünglich war beides zusammen der höchste Wert: Geburt und Kult zeigten der Gemeinschaft die inneren Kräfte der Frau. Das Leben war höchstes und heiligstes Gut - die weibliche Wertung war verbindlich für die Gemeinschaft«.[6]

Zu Beginn der Menschheitsgeschichte war die Welt noch in Ordnung, die Frau war Gottheit und Herrin über das Leben. »Als Religion noch mit dem Mutterschoß verknüpft war, nahm jede Gebärende auch am Mysterium teil«.[7] Die Fruchtbarkeitskulte und ihre Mythen sind Ausdruck für die Form von Naturaneignung, die eine neue Stufe mit dem Übergang zum Patriarchat erreicht, was sich auch in neuen Mythen niederschlägt. Dem naturhaften Sein der Frauen wird das bewußte Eingreifen in die Natur gegenübergestellt, deutlich z.B. in der Geburt der Athene, die dem Kopf des Zeus' entspringt. Sicherlich wollen Frauen, die sich heute auf frühgeschichtliche Mythen beziehen, nicht auf den Stand der damaligen Kenntnisse zurückfallen, vielmehr sollen solche Erinnerungen ihr Selbtbewußtsein stärken. Doch das ist nur das eine Mittel, Überlegenheit zu dokumentieren. Gravierender erscheint mir die Übertragung von Kategorien des Produktionsbereichs auf den Reproduktionsbereich und sogar auf körperliche Vorgänge. Durch diese Gedankenakrobatik wird erreicht, daß Frauen sich trotz ihrer Emanzipationswünsche nicht im Widerspruch zur traditionellen Frauenrolle befinden. »Kinder, Küche, Heim und Herd sind nun wieder ein ganzes Frauenleben wert«, da das Haus nach feministischer Theorie zum grundlegenden Produktionsbereich wird. Hier befinden sich Frauengruppen in schöner Übereinstimmung mit jenen Politikern, die mit Neid auf den Geburtenanstieg der DDR sehen und den Frauen bei uns am liebsten per Gesetz das Kinderkriegen verordnen würden. In der jetzigen Krise sollen sich Frauen von neuem auf ihre »wahren Aufgaben« besinnen, und die Feministinnen geben den reaktionären Kräften auch noch Schützenhilfe, indem sie Schwangerschaft zur schöpferischen, nichtentfremdeten Arbeit hochstilisieren. Auch wenn sich das alles sehr gut anhört und die Frau zur wichtigsten Produzentin wird, nämlich zur Produzentin der Ware Arbeitskraft,

»so ist doch einzuwenden, daß Frauen die Ware Arbeitskraft eben nicht produzieren. Nicht die Familie oder die Hausfrau stellt die Ware Arbeitskraft her, sondern es sind die Verhältnisse der kapitalistischen Produktion, die die Fähigkeit des Menschen, zu arbeiten und Mehrarbeit zu leisten, in eine Ware verwandeln. Anders ausgedrückt: Es liegt nicht im Ermessen der Hausfrau, die Ware Arbeitskraft herzustellen, sondern Arbeitskraft wird erst beim Abschluß des Arbeitsvertrages zur Ware«.[8]

Den Begriff der produktiven Arbeit auf körperliche Vorgänge wie Schwangerschaft und Geburt anwenden heißt, ihn bis zu völligen Sinnentleerung auszuweiten. Arbeit ist danach alles und jedes. Die weibliche Biologie wird wie eh und je zur Wesensbestimmung der Frau und der männlichen Berufstätigkeit als ebenbürtig, wenn nicht sogar als überlegen entgegengehalten. Frauen schließen sich so selbst von der Teilnahme am gesellschaftlichen Fortschritt aus und tragen das ihre zur Ideologie von der Frau bei, die schon immer dazu benutzt wurde, Frauen die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu verwehren. Geburt feministisch bestimmt ist nicht nur »orgastisches Fest«, sondern Kampfmittel für eine menschlichere Gesellschaft.

»Wir müssen uns der Institution Krankenhaus/Entbindungsstation verweigern, wir müssen es lernen, Frauen mit Frauen in Hausgeburten mit frauenfreundlichen Hebammen und Ärztinnen zu entbinden. Die Institution Krankenhaus wird ihr menschenfeindliches Verhalten erst dann ändern, wenn wir einfach nicht mehr hingehen«.[9]

So richtig es ist, den eigenen Körper kennenzulernen, die herkömmlichen medizinischen Methoden zu hinterfragen und mehr als skeptisch der Pharmaindustrie gegenüber zu sein, darf das aber nicht dazu führen, unser Heil in den Geburtenpraktiken unserer Vorfahren zu suchen. Was hat frau denn gegen den Einsatz von Wissen und Technik im Sinne des Menschen? Jeden Fortschritt, weil männlich, als frauenfeindlich zu verteufeln, gleicht der Maschinenstürmerei und zeugt von einem wenig entwickelten politischen Bewußtsein. Die Fließbandgeburt im Krankenhaus durch den Boykott einer verschwindend geringen Zahl von privilegierten Frauen verändern zu wollen, die sich eine Hausgeburt mit Beistand der gesamten Wohngemeinschaft, einer Ärztin und Hebamme ohne Risiko für Leib und Leben leisten können, ist nicht nur naiv, sondern wird zynisch, wenn vorgegeben wird, damit etwas für alle Frauen ändern zu können. Nur wenige Frauen können sich aufgrund ihrer Klassenlage alternative Lebensformen ökonomisch als auch psychisch leisten. Da feministische Theorie bisher nicht über die Beschreibung von Erscheinungen hinausgekommen ist und sie deshalb für das Wesen hält, werden nicht die bestehenden Herrschaftsverhältnisse grundsätzlich bekämpft, es geht vielmehr darum, eine weibliche Identität zu finden, die sich im wesentlichen über Sexualität bestimmt.

»Grundsätzliches Recht der Frauen ist: schwanger sein, ein Kind gebären, ein Kind stillen. Das ist nicht nur die »biologische Rolle« der Frau; es ist auch eine gesellschaftlich wichtige und wertvolle anstrengende Arbeit. Es ist zum andern ein großer Teil eigener Sexualität. Sie lustvoll und ohne Repression leben zu können, macht einen Großteil meiner Befreiung als Frau aus«.[10]

Und damit hätten wir die Neuauflage der Verklärung von Mutterschaft und der biologischen Wesensbestimmung der Frau, diesmal nur erweitert durch das Recht auf gelebte Sexualität.

»So richtig es ist, den eigenen Körper kennenzulernen, um bewußt mit ihm - im privaten wie im gesellschaftlichen Sinne - agieren zu können, so sehr erschüttern manche Ausführungen durch ihr borniertes Verweilen in finsteren vorzeitlichen Betrachtungen. Gesellschaftlicher Reichtum und Fortschritt sind weit genug, um sowohl Aufklärung als auch angemessene medizinische Behandlung wie überhaupt einen angemessenen Standort in der Gesellschaft zu verlangen«.[11]

Die bestehenden Herrschaftsverhältnisse werden nicht durch Schaffung einer Gegenkultur beseitigt, und die allgemeine Unterdrückung der Frau wird nicht durch die Zuflucht zu den Mythen antiker Frauengesellschaften und durch sich endlos wiederholende Beteuerungen von der eigenen Stärke und Überlegenheit aufgehoben. Herrschaftsverhältnisse ändern kann man/frau nur durch die Beteiligung an der Gesellschaft.