Der Beruf einer Mutter ist ihr Kind

Hausfrau contra Karrierefrau -
die Diskussion über die Berufstätigkeit von Müttern
füllt mittlerweile stattliche Bände, belebt Talkshows
und Feuilletonseiten.
Nichts kann die Vollzeitmutter ersetzen, sagen die einen.
Eine unzufriedene Hausfrau ist eine schlechte Mutter,
sagen die anderen.
Und was meinen die Kinder?

Eine christliche Gruppe in Österreich druckt jeden Monat ein kleines Plakat mit einem kurzen, sinnigen Spruch und hängt es in den Treppenaufgängen von Wohnhäusern auf. Im Monat Mai lautet das Motto kurz, knapp und neongelb: »Der Beruf einer Mutter ist ihr Kind.« Über diesen Satz denken wir, während wir dieses Buch schreiben, sehr viel nach. Die meisten berufstätigen Frauen haben Schuldgefühle. Entweder sie haben zu Hause überhaupt keine Entlastung durch den Ehemann und verfügen auch nicht über die finanziellen Mittel, die Erleichterungen und Hilfe möglich machen. Dann sind sie erschöpfend damit beschäftigt, ihr Leben und das Leben der Familie halbwegs im Griff zu behalten. Unter diesen Umständen hat die Zeit, die sie mit den Kindern verbringen, nicht immer die erwünschte Qualität. Die berufstätige Mutter erlebt jeden Tag die Qual der Wahl. Was ist heute das Dringlichste? Worauf muß verzichtet werden? Jeder Punkt, der zurückgestellt werden muß, ist Nährboden für potentielle Schuldgefühle. Aber selbst diejenigen, die bei ihrem Partner oder bei der Verwandtschaft Hilfe finden oder die in besseren finanziellen Verhältnissen leben, haben das Gefühl, stets zu wenig für ihre Kinder zu tun. Mit ihren Gefühlen der Vernachlässigung und Unzulänglichkeit mögen all diese Mütter richtig liegen, oder auch nicht. Schuldgefühle sind in diesem Zusammenhang keine objektive Größe, sondern ein Bestandteil der weiblichen Psychostruktur. Egal, wie gut sie es macht, die typische Mutter plagt sich mit dem Gedanken, daß sie es eigentlich ganz anders und noch viel besser hätte machen müssen. Die ständigen öffentlichen Diskussionen über das Für und Wider verschiedener Erziehungsstile sind Wasser auf den Mühlen mütterlichen Schuldgefühls. Sie ermöglichen es jeder Frau, sich schlecht zu fühlen, ob sie ihren Säugling beim Schlafen auf den Bauch legt oder auf den Rücken, ob sie ihre Schulkinder nachmittags mit Musik- und Judounterricht beschäftigt oder sie herumtrödeln läßt: Was diese Woche gut ist, gilt nächste Woche als schlecht. Die Alternative zum Balanceakt zwischen Beruf und Familie wäre es, wie uns Angehörige der konservativen Weltanschauung immer und gerne erinnern, zu Hause zu bleiben. ja, zu Hause, bei den Kindern! Man hat sie doch nicht bekommen, um sie Fremden zu übergeben! Nichts kann die Mutter ersetzen! Wir wollen hier nicht darüber diskutieren, daß viele Frauen berufstätig sein müssen und sehr viele es sein wollen. Wir wollen nicht darüber sprechen, daß die Entscheidung zum Berufsausstieg angesichts der existierenden wirtschaftlichen Strukturen und gesellschaftlichen Einstellungen verhängnisvoll ist, daß es keine plausiblen Wiedereinstiegschancen gibt und daß die Ehe längst nicht mehr die lebenslange Sicherheit bietet, die einen Verzicht auf die Berufstätigkeit zumindest aus überlebenstechnischen Gründen rechtfertigen würde. All das ist Ihnen zur Genüge bekannt. Wir wollen uns vielmehr einer anderen Frage zuwenden: der Frage, ob es für Kinder - und Mütter - tatsächlich erstrebenswert ist, daß die Frau zu Hause bleibt.

Söhne und die Tugenden der Frau

Im Frühjahr 1994 befragten wir per Fragebogen 230 junge Männer über die geschlechtsspezifische Atmosphäre in ihren Herkunftsfamilien. Die 20-30jährigen erschienen uns geeignet als Auskunftsgruppe: Die Pubertät ist vorbei, liegt aber noch nicht so weit zurück, als daß man alles vergessen hätte. Man hat schon, zumindest in greifbarer Nähe, sein eigenes Leben, und somit ein bißchen Distanz. Es war ein kurzer Fragebogen, der eine bestimmte Facette des männlichen Selbstbildes verdeutlichen sollte. Wir fragten, wie ihrer Meinung nach - ihre Väter/Mütter sich den Sohn vorgestellt hatten. Ob sie meist das Gefühl hatten, diesen Erwartungen gerecht zu werden. Was sie an ihrem Vater/Mutter gut fänden und was sie an ihm/ihr störe. Wie sie die Beziehung ihrer Eltern zueinander beschreiben varden. Die Ergebnisse übertrafen unsere Erwartungen. Sie waren erstens übersichtlich, so übersichtlich, daß sich fast schon eine psychologische Formel daraus ableiten ließ. Sie ließen sich in der Erstauswertung in drei Stapel sortieren. Stapel eins: Die jungen Männer, die ihre Väter sehr negativ, als sehr despotisch, kalt und gleichgültig beschrieben. Sie fühlten sich von diesen Vätern meist überkritisch bewertet, als Person mit eigenen Wünschen nicht ernstgenommen, sondern sollten in erster Linie Abklatsch, Wunschvollstrecker eines sehr anspruchsvollen Vaters sein. Ihre Mütter erlebten diese Söhne als schwach und unterdrückt; die Beziehung ihrer Eltern schien ihnen schlecht zu sein. Einer zeichnete überhaupt nur einen Grabstein hin, um den Lebendigkeitsgrad der elterlichen Ehe zu beschreiben, ein anderer schrieb: »Katastrophe.« Diese jungen Männer wirkten in ihren Selbstbeschreibungen schwierig, unausgeglichen und sorgenvoll.
Der zweite Stapel bestand aus den eher ambivalenten bzw. den differenzierenden Antworten. Der Vater war Alkoholiker, aber gutmütig; er war sehr konservativ, aber liebevoll. Die Mutter war unorganisiert, aber warmherzig; mischte sich zuviel ein, aber man konnte mit ihr über alles reden. Auch die Beziehung der Eltern zueinander wird als ambivalent beschrieben: Sie »streiten viel, aber man merkt, daß sie sich noch immer lieben«. »Beide wollen dominant sein, aber keiner von ihnen schafft es.« Diese jungen Männer schienen den Eltern relativ viel Toleranz entgegenzubringen, ihre Familie und das eigene Leben tendenziell positiv zu sehen, mit Nachsicht für menschliche Schwächen.
Eine dritte, sehr kleine Gruppe sah die Eltern und deren Beziehung ausschließlich positiv. Auch einige junge Männer aus geschiedenen Ehen oder von unverheirateten Müttern gehörten zu der Gruppe, die keine Kritikpunkte anzumelden hatte. Es ist bestimmt zu einfach und dennoch nicht ganz falsch, aus diesen ganz eindeutigen Korrelationen etwas abzulesen: Wenn die Eltern zueinander und zu dem Kind freundlich fair und nett sind, entsteht mit größerer Wahrscheinlichkeit ein zufriedener, ausgeglichener junger Erwachsener. Der zweite »Ertrag« des Fragebogens betraf die Sensibilität der Befragten für die subtilere Dynamik ihrer Familien. Sie hatten einen sehr deutlichen Blick für die Strukturen und die versuchten Prägungen durch ihre Eltern, vor allem, was hinter dem Präsentationsbild der Familie tatsächlich noch alles an Spannungen, an Konflikten, aber auch Erotik oder Liebe vorhanden war. »Die Beziehung ist nicht wirklich gut, aber sie brauchen einander.«

»Zwischen meinen Eltern besteht nach wie vor eine Liebesbeziehung, das zeigen sie aber nicht offen.«
»Völlig neurotisch, symbiotisch, sie kleben aneinander, aber ohne Liebe oder gegenseitiges Verständnis.«

Vor allem aber hatten unsere Auskunftgeber eine klare Sicht für die Verstrickungen, für die problematischen Abhängigkeiten innerhalb der Familie. Bei der Frage nach der Mutter war zum Beispiel erstaunlich, daß unter den »störenden Eigenschaften« überwiegend Dinge aufgezählt wurden, die eigentlich als die klassischen weiblichen Tugenden, die Eigenschaften einer wirklich guten Frau und einer wirklich lieben Mutter gelten. »Sie opfert sich zu sehr auf«, »zu anhänglich in ihrer Ehe«, »nimmt zu vieles auf sich«, schrieben die Söhne. Das waren - auf den ersten Blick - für uns erstaunliche Kritikpunkte. Beschwert sich denn ein Chef, wenn ein Angestellter zu fleißig ist, ein Konsument, wenn ein Auto zu wenig Benzin verbraucht... ein Sohn, wenn seine Mutter nicht aufopfernd ist? Wir hatten schließlich nicht gefragt: »Was macht Ihre Mutter falsch? Wie benachteiligt sich Ihre Mutter selber?« Sondern wir hatten ganz deutlich gefragt: »Was stört Sie an Ihrer Mutter?« Und die Antworten: »Traut sich zu wenig zu«; »Zu unselbständig«; »Würde das Letzte für ihre Familie geben, dies kritisiere ich aber auch an ihr, sie lebt zu wenig ihr eigenes Leben«; »Leidend, unterwürfig«; »Zu große Kompromißbereitschaft, Angst«; »Gehemmt, aufopfernd«. Traurig für diese Frauen - doch warum stört das den Sohn? Die Auswertung der Fragebögen gab uns drei Anhaltspunkte. Ein junger Mann schreibt: »Zu große Aufopferung, Selbstüberforderung - dadurch Aggressivität.« Damit hat er erkannt, daß die Demut und das Hinunterschlucken von Ungerechtigkeiten einen hohen Preis fordern. Die Mutter läßt sich alles aufbürden, doch innerlich wehrt sie sich dagegen mit aufgestauter Wut, die das Klima belastet. Ein zweiter schreibt: »Unselbständig, unsicher, wenig belastbar«. Die Dienstfertigkeit hat eine Schattenseite - die Person, die sich selber zu sehr zurücknimmt, ist nicht mehr voll da. Ihre Kinder fühlen das und empfinden das Defizit. Sie ist nicht belastbar, nicht stabil, kein Elternteil, auf den man sich voll verlassen kann. Der dritte und wichtigste Grund liegt in der Dynamik der Familie, der Elternbeziehung. Die zu brave, zu weiche Mutter ist kein Gegengewicht für den zu harten, zu starkei-i Vater. Sie verstärkt seine negativen Eigenschaften und liefert damit auch den Sohn dieser Art von übersteigerter, einseitiger Männlichkeit aus. Sie sollte nicht das liebe, gute, unschuldige Opfer, sondern der unverzichtbare Gegenpart sein, ohne den der Vater auch nicht so sein könnte, wie er ist. Das wird deutlich, wenn wir die Kritik an Mutter und Vater jeweils im Zusammenhang lesen: »Mich stört ihre Ängstlichkeit und Anhänglichkeit, ihr mangelndes Durchsetzungsvermögen gegenüber dem Vater«, schreibt ein 27jähriger über seine Mutter, und über den Vater: »Mich stört seine Intoleranz, seine maskenhafte Männlichkeit und Härte, seine Gefühllosigkeit.« Hier noch einige kritische Paarungen: Mutter: »Setzt zu selten Grenzen, nimmt zu viel auf sich, schluckt viel hinunter.« Vater: »Kaum empathisch, patriarchale Züge, vor allem gegenüber der Mutter.« Mutter: Zu wenig Durchsetzungsvermögen in der Familie, unterdrückt.« Vater: »Dominant, kann keine Anerkennung zeigen, kein Einfühlungsvermögen.« Unfreiwillig vernichtend fällt das Urteil eines 25jährigen aus. Den Vater beschreibt er als »rigide, mißbilligend, rein geldorientiert«. Die Mutter kann sich ihm gegenüber nicht durchsetzen, er hat immer das letzte Wort, sie versucht um jeden Preis, eine intakte Familie zu erhalten. Was gefällt ihm an ihr? »Sie kann gut kochen«, schreibt er, ohne ersichtlichen Zynismus. Er spricht damit nur deutlich aus, was bei den vielen anderen Fragebögen zwischen den Zeilen herauszulesen ist: Die Psyche ist wichtiger als der Komfort. Eine gedrückte, glattgebügelte Mutter ist für ihre Söhne auch dann keine Freude, wenn das warme Abendessen immer pünktlich auf dem Tisch steht. Die Mutter, die als übermäßig anpassungsbereit geschildert wird, war oft Hausfrau. Zu ihren negativen Eigenschaften gehörte die »Abhängigkeit«. Ihre Ehe hatte zwar Bestand, aber in einer für den Sohn fragwürdigen Qualität.

»Meine Eltern haben keine Gesprächsbasis.«
»Aufgestaute Frustration auf beiden Seiten, soziale Isolation.«
»Die Beziehung erscheint nach außen gut, ist aber sehr gespannt.«
»Die Ehe ist schlecht, weil meine Mutter meistens nachgibt und sich ausklinkt.«

Die Mütter werden als »warmherzig, liebevoll, tolerant, spontan, offen, fürsorglich, weltoffen, versöhnlich« beschrieben und gelobt; dieselben Mütter führen, in den Augen der Söhne, Ehen, die »gehemmt, gespannt, beziehungslos, distanziert, frustriert, lieblos, gescheitert« sind. Traurig für die Mutter, traurig auch für den Sohn. Er lebt jeden Tag in diesem Klima, in dieser Stimmung. Und er empfindet sehr deutlich, daß die schlechte Situation auf ein grundlegendes Ungleichgewicht zurückzuführen ist. Ehen, in denen die Eltern sich miteinander auseinandersetzten, werden von diesen Söhnen vergleichsweise als viel lebendiger eingeschätzt. Sie berichten auch über Scheidungen, denen eine Klimaverbesserung folgte. Das Problem, das diese »Söhne« sehr genau registrierten, war das fundamentale Ungleichgewicht in ihrer Familie. Der Vater war zu stark, die Mutter zu schwach. Der Vater hatte zu wenig Zeit, die Mutter zuviel. Der Vater war zu starr, die Mutter viel zu weich. Die Mutter war zu präsent, der Vater zu abwesend. »Der Beruf einer Mutter ist ihr Kind«? Der Fragebogen war für uns ein Anlaß, dieses Thema aufzugreifen. Rollt der Merksatz die Fragestellung nicht schon falsch auf? Die wichtigste Aufgabe einer Mutter ihrem Kind gegenüber ist es, selber eine authentische Person zu bleiben. Dazu schreibt Alfred Adler: »Die Beziehungen zu einer Mutter sind nie einfach und auch die Bindung zwischen Mutter und Kind darf nicht überbetont werden. Dies fordert das Wohl des Kindes, aber auch der Mutter. Wo eine Aufgabe überbetont wird, müssen alle anderen leiden, und selbst die einzelne Aufgabe, die uns gerade beschäftigt, kann besser gelöst werden, wenn wir ihr nicht allzuviel Gewicht beimessen. Eine Mutter unterhält Beziehungen mit ihren Kindern, mit ihrem Ehemann und mit dem gesamten Gemeinschaftsleben ihrer Umgebung. Diese drei Bindungen verlangen gleiche Beachtung: alle drei müssen ruhig und vernünftig ins Auge gefaßt werden. Wenn die Mutter nur die Bindung zu den Kindern berücksichtigt, wird sie notwendigerweise verwöhnen und verzärteln. Es ist dann für diese (Kinder) sehr schwierig, Selbständigkeit und Gemeinschaftsbewußtsein zu entwickeln.« [1]

Mutterschaft - ein Ganztagsjob?

Es gibt sicherlich Hausfrauen, die selbstbewußt sind, die ihren Interessen nachgehen (und zwar ihren echten und authentischen Interessen, nicht irgendwelchen zeitfüllenden therapeutischen Beschäftigungen). Ist ein Kind gut bedient, wenn die Mutter seinetwegen ganz zu Hause bleibt? Es ist interessant, wie kurz die historische Erinnerung reicht. Bei »Feminismus« denken wir an Karrierefrauen, dabei ist die moderne Frauenbewegung genaugenommen von einer Hausfrau angeregt worden. Betty Friedans Buch »Der Weiblichkeitswahn« löste die feministischen Überlegungen und Forderungen der Nachkriegszeit aus, und das Buch handelte vom Leben der Hausfrau. Es befaßte sich mit Frauen, die in den Vororten Amerikas das klassische Mittelschichtleben führten, die vom Einkommen des Mannes gut lebten, die ihren Familien ein ansprechendes Heim gestalteten und ihren Kindern liebevolle Mütter waren. Die ihre Lebensentscheidung für richtig hielten und nicht in Frage stellten, denen es nicht schlecht ging... und die dennoch kreuzunglücklich waren. »Das Problem, das keinen Namen hat«, nannte Friedan dieses undefinierbare Gefühl des Unglücks, das sich zusammensetzte aus Langeweile, Eintönigkeit, Isolation, Überlastung mit Kleinkram, fehlender Bestätigung und Abhängigkeit von einem ständig abwesenden Ehemann. Heute ist die Hausfrau kontrovers. Berufstätige und Hausfrauen stehen sich mißtrauisch gegenüber und werden in Diskussionen oft gegeneinander ausgespielt. Die offizielle Linie predigt »gegenseitige Toleranz« und wird bei öffentlichen Zusammenkünften brav heruntergebetet: Jeder Frau soll es freistehen, ihren Lebensweg zu wällen, und jede Entscheidung ist zu respektieren, und der Hausfrauenberuf ist sehr wertvoll, etc., Amen. Doch im Leben einer Hausfrau gibt es eine Reihe von immanenten Belastungen, die sich auf die Familie und die Kinder negativ auswirken.

  • Eine Hausfrau hat kein eigenes Geld und kein soziales Ansehen, sie steht nicht im täglichen Erwachsenenleben. Sie ist, egal wie sie und vielleicht sogar ihr netter Mann es definieren, von diesem abhängig.
  • Eine Hausfrau hat ihr eigenes Leben zurückgestellt, um sich der Förderung und Entwicklung anderer Menschen zu widmen. Sie lebt durch diese Menschen, deren Glück und Erfolg sie für ihr Engagement belohnen, deren Unglück und Mißerfolge sie jedoch als Versagerin abstempeln. Für die so betreuten Personen - Ehemann und Kinder - ist dieser hohe Involvierungsgrad mitunter belastend. Eine Hausfrau kann leicht in die Situation geraten, eine »Eis-Mutti« zu werden. Ihre Kinder machen die Hausaufgaben dreimal, bis sie wirklich perfekt sind. Schulerfolge sind für die Kinder nicht an sich wichtig, sondern sind Geschenke an die Mutter, die dann glücklich ist. Sie ist immer da. Sie weiß alles über das Leben ihrer Kinder.
  • Für eine Hausfrau verengt sich oft die Perspektive, ihr Horizont ist ein anderer. Aus ihrer Lebenssituation entstehen unweigerlich Persönlichkeitsveränderungen - sie wird im sozialen Umgang unsicherer, empfindlicher, kleinere Probleme und Mißgeschicke bekommen ein größeres subjektives Gewicht. Ihr Mann, den sie im Familienleben total entlastet, verliert die häuslichen Notwendigkeiten vollkommen aus dem Blick. Fehlkommunikation und Konflikte sind vorprogrammiert. Für die Frau ist es eine Tragödie, wenn eine lange geplante und sorgsam vorbereitete Abendeinladung platzt, weil das Staatsoberhaupt von Ungarn plötzlich stirbt und ihr Mann in die Redaktion fahren muß. Für den Mann ist nicht mehr ersichtlich, daß auch manche »Kleinkram-Termine« - wie z. B. der Auftritt der Tochter bei einem Liederabend im Gymnasium - sehr wichtig sein können. Das Blickfeld der Hausfrau ist zu eng, der Blick ihres Mannes sieht über zu vieles hinweg.
  • Die Hausfrau hat keinen objektiven Leistungsnachweis. Sonst ist jede gesellschaftliche Arbeit meßbar, in den Stunden, die man irgendwo verbringt, in den Arbeitsleistungen, die abgeschlossen werden konnten, im erwirtschafteten Einkommen, in Beförderungen. Die Hausfrau neigt dazu, sich als Nachweis ihrer Existenzberechtigung Arbeit zu »machen« - besonders heutzutage, wo so viele Frauen berufstätig sind.

Wenn andere Frauen Beruf und Haushalt und Familie bewältigen, muß die Hausfrau für sich eine Berechtigung finden. Sie muß Familie und Haushalt perfekter beherrschen als die anderen Frauen. Oft tut sie das, indem sie per Hand Arbeiten verrichtet, die längst maschinell geleistet werden. Sie näht, stickt, strickt, kocht Marmelade; ihre Knöpfe sind handbezogen. Uns sind Hausfrauen begegnet, die in Volkshochschulen Kurse für Gräberschmuck besuchten, um die Berufstätige sogar noch beim Begräbnis auszustechen - ihre lieben Verstorbenen kriegen handgefertigte Kränze, die müssen sich nicht mit Nullachtfünfzehn-Floristeneinheitsware begnügen.
Hinzu kommen noch strukturelle Probleme. Erstens ist ein Mann, der sich heutzutage noch als Partnerin eine Hausfrau wünscht, ein tendenziell traditioneller Mensch. Oft legt er großen Wert auf einen hohen häuslichen Standard; gleichzeitig ist er ein Mann, der in der Mutter die hauptverantwortliche Erziehungsperson sieht. In der Praxis sehen wir bei Interviews mit Hausfrauen, daß die Kinder und die Elternschaft für solche Männer keine echte Priorität darstellen. Denn wenn ihnen die Kinder persönlich wichtig wären, dann würden sie auch selbst gern intensiv an deren Aufwachsen beteiligt sein. Der Mann, dessen Frau Hausfrau ist, erwartet sich üblicherweise einen geregelten Haushalt und weitgehende Entlastung von allem, was mit Kind und Haus zu tun hat. Dem Stereotyp zufolge ist es vor allem der große Wunsch, die eigenen Kinder optimal zu versorgen, der Frauen zum Zuhausebleiben bewegt. Dieses Stereotyp findet sich in der Wirklichkeit nicht bestätigt. Erstens hat nicht jede Hausfrau automatisch ein vertieftes pädagogisches Bewußtsein; ein Teil der Betroffenen wählt diese Lebensentscheidung aus Bequemlichkeit, aus Mangel an beruflicher Ausbildung oder beruflicher Motivation. Es gibt genug Hausfrauen, deren Kinder den Nachmittag vor dem Fernsehgerät verbringen. Es ist auch objektiv so, daß ein Alltag, der immer und ausschließlich mit kleinen Kindern verbracht wird, nicht wirklich erwachsenenadäquat ist. Wenn Untersuchungen zeigen, daß Hausfrauen mitunter weniger mit ihren Kindern spielen, ihnen täglich weniger vorlesen und sich kürzere Zeit inhaltlich mit ihnen beschäftigen als Berufstätige, dann ist ihnen das nicht einmal wirklich anzulasten. Für berufstätige Menschen kann die Beschäftigung mit ihren Kindern ein erfreulicher Ausgleich sein. Da die Zeit dafür beschränkt ist, ist sie auch kostbar. Verallgemeinerungen wären hier falsch. Es gibt Eltern, die vom Beruf zu sehr belastet sind, so daß die Kinder zu kurz kommen, aber auch Eltern, die sich in der verfügbaren Zeit ganz besonders intensiv mit ihren Kindern befassen. Es gibt Hausfrauen, die das Leben mit ihren Kindern genießen und darin aufgehen, und solche, die sich in ihrem Leben eingeschränkt fühlen und deshalb frustriert und müde sind. Ein zweites Problem liegt darin, daß der Haushalt der unmittelbar sichtbare Nachweis für die Tätigkeit einer Hausfrau ist und somit oft Vorrang hat. Das ist besonders dann der Fall, wenn die Ehe sehr traditionell geführt wird. Dann setzt der Mann Maßstäbe, die von der Frau einen zeitlich hohen Aufwand und von den Kindern ein hohes Maß an Zurückhaltung verlangen. Es gibt zwei Gruppen von unglücklichen Hausfrauen. Die eine besteht aus Frauen, die sehr gern berufstätig waren oder ehrgeizig sind, die eine sehr dynamische Persönlichkeit haben und trotz gegenteiliger Vorsätze bald das Gefühl bekommen, an der Eintönigkeit und Prestigelosigkeit des Hausfrauenlebens zugrunde zu gehen. Sie verwenden mitunter sehr drastische Ausdrücke, um ihre Situation zu beschreiben, fühlen sich eingesperrt, bestraft, in die Enge getrieben, »eingebunkert«. Die zweite Gruppe besteht aus Frauen, für die das Hausfrauendasein ein tiefes Abhängigkeitsverhältnis nicht nur auf materieller, sondern auch auf psychischer Ebene bedeutet und die sich auch 1993 noch in sehr antiquierten Verhältnissen wiederfinden. Erstaunlicherweise gehören auch viele halbtags berufstätige Frauen zu dieser Gruppe. Für sie bedeutet der Teilzeitberuf nicht ein Stück Emanzipation, sondern die Verpflichtung, sich ihr »Haushaltsgeld« selber zu verdienen - und außerdem noch den gesamten Haushalt allein zu bewältigen.
Die 26jährige Volksschullehrerin Annegret war zunächst froh, ihren Beruf aufgeben und ein eigenes Kind versorgen zu können. Heute denkt sie mit Wehmut an die Zeit ihrer Berufstätigkeit zurück. »Georg ist unheimlich penibel, er findet auf jeden Fall irgend etwas, was ihm nicht paßt, und das zeigt er dann deutlich, indem er mit saurer Miene zum Beispiel noch irgendwelche Fettspritzer von der Herdplatte wegputzt.« Georg schreit nicht, droht nicht, wird nicht ausfällig - aber für Annegret, die den ganzen Tag auf Ansprache durch einen Erwachsenen wartet, ist seine schlechte Laune schon eine hinreichende Bestrafung. »Wenn er heimkommt, darf nicht einmal meine Handtasche oder irgendeine Einkaufstüte herumstehen, auch wenn ich gerade vom Einkaufen heimgekommen bin. Sonst ist der Abend gelaufen.« Als allmählich verinnerlichte Instanz vermiest Georg ihr auch die Spielstunden mit dem Kind. Salzteig anrühren und wohlig darin herumkneten? Lieber nicht - das macht zuviel Unordnung. Eine tolle Lego-Anlage aufbauen? Keine gute Idee, denn wenn sie am Abend noch im Wohnziminer steht, ist Georg böse, aber wenn sie nach dem Spielen gleich abmontiert werden muß, weint der Kleine. Uns hat es zunächst überrascht, als Frauen uns von den hohen häuslichen Ansprüchen ihrer Männer erzählten. Wir hätten nicht gedacht, daß so viele Männer für die Details der Haushaltsführung ein dermaßen geschärftes Auge haben, doch wir wurden eines Besseren belehrt. Esther, 25, wollte schon als Kind nichts anderes als Hausfrau und Mutter sein. Ihren Mann lernte sie mit 16 kennen. Bernd, Elektriker, machte von Anfang an klar, daß er seine zukünftige Ehefrau »ganz im Haus« haben wollte. Doch erst mit der Zeit stellte sich heraus, daß sogar die häusliche, willfährige Esther seinen Ansprüchen nicht genügen konnte. »Das Essen war ihm enorm wichtig, alles mußte selbstgemacht sein. Da gab es immer wieder Schwierigkeiten. Ich habe sowieso viel gebacken, auch gerne, aber wenn ich dann mal einen Frühstückszopf beim Bäcker gekauft habe, und er hat es bemerkt, war er imstande, ihn in seinem Zorn an die Wand zu werfen.« Ein anderes Mal saß Esther abends im Schlafzimmer und ordnete ihre Nähsachen, da kam Bernd wütend herein und knallte den Nähkorb auf den Boden. »Ich hätte bei ihm im Wohnzimmer sitzen sollen, und ich wäre doch zu Hause, um für ihn dazusein«, erläutert Esther den Wutausbruch.
Esther sieht sich außerstande, auf diese Aggressivität zu reagieren, da sie sich als Hausfrau vollkommen abhängig fühlt. Wovon soll sie leben, wie soll es mit ihr weitergehen, wenn es zu einer Scheidung kommt? »Wenn ich Druck ausüben will, muß ich eine Alternative haben, wenn ich drohe, muß ich auch etwas dahintersetzen. Welche Alternative habe ich?« Die Art von Verhalten, die Bernd an den Tag legt, ist nicht die Norm, aber auch kein Einzelfall. Jutta ist 27. Vor ihrer Ehe hatte sie viele Freundinnen und zahlreiche Hobbies. Ihr Mann aber »hat das sukzessive unterbunden. Er hat gesagt, daß wir zwei uns doch genügen.« Für ihn leicht zu sagen - als Handelsvertreter war er ständig unter Menschen, während Jutta meist mit zwei kleinen Kindern allein zu Hause saß. Um »das bißchen Familienleben, das wir noch haben«, nicht durch Streit und Konflikte zu verderben, geht Jutta den Weg der Anpassung. Sie wählt ein Hobby, daß ihn nicht stört und auch nicht mißtrauisch macht, nämlich die Seidenmalerei, und erwirkt seine Erlaubnis, einen Kurs zu besuchen. »Ich frage ihn nicht direkt um Erlaubnis, das wäre ja irgendwie komisch. Ich sage halt, ich möchte das gerne. Und da höre ich dann, ob es ihm recht ist oder nicht. Und wenn es ihm halt nicht so hundertprozentig recht ist, dann würde ich vielleicht lieber darauf verzichten.« Die Untertänigkeit, die im Namen von Harmonie von manchen Hausfrauen an den Tag gelegt wird, ist erschütternd. In ihren Sätzen finden wir die Mütter wieder, die in den eingangs zitierten Fragebögen der jungen Männer als »zu anpassungsbereit«, zu untertänig beschrieben waren. Diese entmündigten Frauen, mit ihrer Bereitschaft, alles hinzunehmen, sind kein Vorbild für die Kinder. Auch das Statusgefälle zwischen den Ehepartnern läßt sich durch freundliche Formulierungen nicht wegreden. Tatsache ist: Die Frau verrichtet niedrige Dienste, für die man keine Ausbildung braucht und die einen untergeordneten, dienenden Charakter haben. Der Vater dagegen hat eine Position in der Welt, und wenn sie noch so bescheiden ist, so hat sie doch ein höheres Prestige als Putzen und Kartoffelschälen. Der 35jährige Arzt Adam macht kein Geheimnis daraus, was er von Hausarbeit hält. Seine Kleider bleiben dort liegen, wo sie beim Ausziehen hingefallen sind, und auch für die Kinder ist er nicht zuständig. Wenn ein Kind spätabends weint, setzt er ungetrübt seine Klarinettenübungen fort. Seine Frau Renate, ehemals Grafikerin, erlebt ihre Situation als enormen Abstieg. »Früher waren wir ein Liebespaar. Jetzt ist er der Herr Doktor, und ich bin seine Putzfrau.« Nicht nur ihr Selbstwertgefühl sieht sie dadurch zerstört. »Solange ich Putzfrau bin, kann ich keine gleichberechtigte Beziehung zu ihm haben. Wenn einer immer den Dreck wegputzt, dann ergibt das eine Hierarchie. Wir sind einfach nicht auf derselben Ebene. Er liest Bücher über Zen-Buddhismus, während ich die Kasserolle schrubbe.« Ungleichheit zwischen den Eltern bedeutet Ungleichheit in der Familie, bedeutet für einen Sohn Zerrissenheit. In dieser Zerrissenheit liegt ein Grundmerkmal der männlichen Sozialisation: Der Sohn hat die Möglichkeit, sich mit der Person zu solidarisieren, die ihm objektiv nähersteht, mit der Mutter, weil sie ihn versorgt, so viel für ihn tut, ihm so viel besser vertraut ist als der distanziertere Vater und die ihn, weil sie in der Familie der »underdog« ist, auch in seinem jugendlichen Gerechtigskeitsgefühl anspricht. Gleichzeitig ist ihm bewußt, daß er später zu der sozial stärkeren und privilegierten Gruppe gehören kann, gehören wird. Diese innere Zerrissenheit begleitet ihn in vielen Lebensbereichen. Im Kindergarten will er mit den Mädchen spielen, fühlt sich freundschaftlich hingezogen zu einem oder einigen der Mädchen, aber er erfährt auch, daß die Spiele der Jungens und ihr Lebensbereich der »bessere« ist und er sich dem Spott aussetzt, wenn er zu den Mädchen geht. In der Schule lehnt er die gewalttätige Dominanz der größeren, stärkeren Schüler ab, sie widerstrebt zutiefst seinem Gerechtigkeitssinn, doch er erkennt, daß er später Mitglied dieser Gruppe sein wird und daß es letztendlich besser ist, zu prügeln, als geprügelt zu werden. In der Familie fühlt er sich oft der Mutter nahe, weil sie ihn menschlich mehr anspricht und ihr Schicksal, ihre Behandlung durch den Vater ihm ungerecht erscheint. Das sind geschlechtsneutrale Wertungen, aber sie verlieren ihre Neutralität durch unsere gesellschaftliche Polarisierung in Frau und Mann, weiblich und männlich. Der junge Mann hat noch einen klaren Blick dafür, was gerecht und was ungerecht ist, und kann sich über die Geschlechtergrenzen hinweg ein Urteil bilden. Später muß er, ob richtig oder falsch, ob es seinem Gefühl entspricht oder nicht, sich auf die Seite der Männer stellen. Seine authentischen Empfindungen sind aber nicht verschwunden, sie sind nur unterdrückt; damit setzt sich die Zerrissenheit fort und findet Ausdruck in widersprüchlichen Lebensentscheidungen, in Aggressivität und auch in Selbsthaß oder später in aggressiven Gefühlen gegenüber dem eigenen Sohn, der das noch neutrale, offene Selbst verkörpert.