Obwohl in den letzten Jahren die Zuordnung der Berufe nach Geschlechtern abgebaut worden ist, bleibt eine Berufsrolle ausschließlich den Frauen vorbehalten: der Beruf der Hausfrau. Kein Gesetz verbietet Männern, ihn auszuüben, aber ökonomische, gesellschaftliche und psychologische Zwänge halten sie davon ab. Die Gleichsetzung von Weiblichkeit mit Häuslichkeit ist grundlegend sowohl für die Struktur der modernen Gesellschaft, als auch für die sie durchziehende Ideologie der Geschlechterrollen.
Ungefähr 85% aller britischen Frauen zwischen 16 und 64 Jahren sind Hausfrauen; das ist das Ergebnis einer nationalen Umfrage von Audrey Hunt. Wer Hausfrau ist und wer nicht, wird gemessen an der Tatsache der Verantwortung: eine Hausfrau ist demzufolge "die Person, die für die meisten Haushaltsaufgaben verantwortlich ist (oder für die Beaufsichtigung einer Hausangestellten, die diese Aufgaben erledigt)".[1] Eine Hausfrau kann verheiratet sein oder nicht, sie kann erwerbstätig sein oder nicht. Bei Audrey Hunts Umfrage waren neun von zehn nichterwerbstätigen Frauen Hausfrauen. Aber auch sieben von zehn der erwerbstätigen Frauen waren hauptverantwortlich für den Haushalt. Die Hausfrauenrolle ist also nicht nur eine spezifisch weibliche Rolle, sie ist auch heute noch die vorherrschende Berufsrolle der Frauen: die Mehrheit aller erwachsenen Frauen trägt die Verantwortung für einen Haushalt.
Dies ist dann auch der Hauptgrund, der eine Untersuchung der Hausarbeit rechtfertigt. Hausarbeit gehört zur täglichen Erfahrung im Leben der meisten Frauen, und Frauen machen wiederum statistisch die Mehrheit der Bevölkerung aus. Ein weiterer Grund, die Einstellungen von Frauen zur Hausarbeit zu untersuchen, entspringt den verschiedenen Studien über die Geschlechtsunterschiede in den Bereichen von Bildung und Berufslaufbahn. Diese Bereiche, in denen man sich zunehmend bemüht, die Ungleichheit der Geschlechter zu vermindern, zeigen, daß die häuslichen Verpflichtungen die Frauen nach wie vor an ihrer Gleichberechtigung hindern.[2] Diese Unterschiede in Lebensbedingungen zwischen Männern und Frauen sind gut belegt. Doch über Form und Auswirkung von unterschiedlichen Einstellungen zur Hausarbeit wissen wir sehr wenig.
Die Vernachlässigung des Forschungsgegenstandes Hausarbeit in der Soziologie wurde im vorigen Kapitel nachgewiesen. Es ist so wenig Material vorhanden, daß die hier vorgestellte Untersuchung als Leitstudie mit Erkundungscharakter entworfen werden mußte. So bemerkt auch Margaret Stacey in ihrem Buch "Methoden der Sozialforschung":
"Hypothesen, die es zu überprüfen lohnt, können nur in Gebieten entwickelt werden, über die wir sehr viel wissen, d. h. wo schon eine größere Anzahl von Daten aus der ernpirischen Feldforschung gesainmelt wurden. Bis dahin hat die Forschung größtenteils Erkundungscharakter... Erst wenn umfangreiche Daten vorhanden und eine Reihe einfacher Beziehungen festgestellt worden sind, die der Wirklichkeit sehr nahe kommen, erst dann können sowohl genauere Annahmen zur Überprüfung ausgearbeitet, wie auch Theorien durch Verallgemeinerung aus dem empirischen Material geschlossen werden."[3]
Das erste Ziel ist, die Arbeitssituation der Hausfrau und ihre Einstellung zur Hausarbeit zu beschreiben. Das zweite, Muster der Zufriedenheit und Unzufriedenheit mit Hausarbeit zu untersuchen, und sie zu einer Reihe von Größen in Beziehung zu setzen, wie z. B. soziale Schicht (Klasse), Bildungsniveau, Arbeitsteilung in der Ehe, technische Ausrüstung, Sozialkontakte usw. Ein drittes Ziel besteht darin, mögliche Hypothesen aufzustellen, die helfen könnten, Unterschiede in der Einstellung zur Hausarbeit sowie in der Arbeitssituation im Haushalt zu erklären.
Die Stichprobe besteht aus 40 Londoner Hausfrauen. Alle waren zur Zeit des Interviews zwischen 20 und 30 Jahre alt und alle waren Mütter. Sie wurden aus den Patientenkartelen von zwei praktischen Ärzten ausgesucht (Einzelheiten der Auswahl werden im Anhang I beschrieben s. Originalseiten). Der Londoner Stadtteil wird nicht näher angegeben; selbstverständlich wurden die Namen der Frauen im Interesse der Anonymität geändert. Die Frauen wurden Anfang 1971 unter Benutzung des im Anhang II (s. Originalseiten) abgedruckten Leitfadens interviewt; die Interviews wurden auf Tonband auf genommen und dauerten durchschnittlich zwei Stunden. Eine ganze Anzahl von "Angaben" über Zufriedenheit und andere Aspekte der Arbeitsplatzsituation wurden aus den Interviewantworten herausgezogen und in der Datenanalyse verwendet. Dazu gehören z. B.: Angaben über Zufriedenheit/Unzufriedenheit mit Hausarbeit, mit Kinderversorgung, mit der Ehe, mit Erwerbsarbeit und mit dem Leben überhaupt; eine Einschätzung des Ausmaßes, in dem eine Frau sich mit der Hausfrauenrolle identifiziert, und des Grades der Bestirnmtheit, mit der sie ihre Maßstäbe und ihre Vorgeherisweisen für die Hausarbeit festgelegt hat; eine Einschützung der Ehebeziehung im Hinblick auf eher getrennte oder eher gemeinsame Freizeitbeschäftigung sowie auf getrennte oder gemeinsame Entscheidungen, und schließlich die Einschätzung des Anteils, den nach den Angaben der Frau der Ehemann an den häuslichen Arbeiten leistet. All diese Einschätzungen werden in den einschlägigen Abschnitten der folgenden Kapitel besprochen. Weitere Auskunft über ihren Gebrauch wird im Anhang I gegeben.
Eine Stichprobe von vierzig Frauen ist zweifellos etwas klein; die meisten soziologischen Untersuchungen ziehen ihre empirischen Daten aus größeren Stichproben. Was für eine Gesamtheit wird durch eine solch kleine Auswahl von 40 Frauen vertreten? Sind Verallgemeinerungen über die untersuchte Gruppe hinaus zulässig? Diese Fragen sind die übliche Reaktion auf die Vorstellung von Forschung auf der Grundlage von "nur" vierzig Interviews. Die allgemeine Bedeutung und Annehmbarkeit der Ergebnisse dieses Buches hängen offenkundig davon ab, welchen wissenschaftlichen Stellenwert die Stichprobenverfahren, die Datenerhebung und die Meßverfahren haben. Deshalb gehe ich hier kurz daraufein.
In den Sozialwissenschaften ebenso wie in populären Ansichten über Meinungsforschung wird vielfach unterstellt, daß eine große Stichprobe allein durch ihren Umfang für zuverlässige Ergebnisse bürgt, während eine kleine Stichprobe Unzuverlässigkeit verspricht. Dieses Mißverständnis fußt auf einer naiven Vorstellung darüber, was Gültigkeit und Repräsentativität in der Forschung ausmacht. Statistische Repräsentativität ist natürlich nicht durch große Zahlen allein gewährleistet; eine große Stichprobe von Hunderten oder Tausenden kann durch die Art der Auswahl dennoch unrepräsentativ für die Gesamtbevölkerung sein. Umgekehrt kann eine kleine Stichprobe dem Maßstab der Repräsentativität genauer entsprechen. Das klassische Beispiel für Forschung mit großer Stichprobe aber mit einem unzureichenden Auswahlverfahren war der Versuch des "Literary Digest", die Ergebnisse der Präsidentenwahl in den USA im Jahre 1936 vorauszusagen. Die Stichprobe wurde aus Telefonbüchern herausgesucht, in denen die ärmeren Teile der Bevölkerung nicht vorkamen. C. A. Moser stellt in seinem "Survey Methods in Social Investigation" (Untersuchungsmethoden in der Sozialforschung) drei Quellen von Verzerrung in der Stichprobenwahl fest: (1) Die Wahl einer Stichprobeneinheit, in der die Gesamtbevölkerung nicht ausreichend, nicht vollständig oder nicht mit genauer Entsprechung vertreten ist; (2) die Verwendung eines nicht-zufälligen Auswahlverfahrens, so daß die Auswahl der Befragten bewußt oder unbewußt durch menschliches Urteil beeinflußt wird, und (3) die Verweigerung der Mitarbeit durch bestimmte Teile der ausgewählten Einheit.[4] Bei Erhebungen mit großer Stichprobe, besonders wenn sie die Rücksendung eines Fragebogens durch die Post voraussetzen, wird wahrscheinlich die Nichtbeantwortung zum Problem. Sogar dann, wenn ausgebildete Inter-viewer die Daten erheben, wird die Ausfallquote wahrscheinlich größer sein als bei kleiner Stichprobe. Die Notwendigkeit, eine Vielzahl von Interviewern zu verwenden (statt einem oder zwei) kann dazu führen, daß der persönliche Einsatz zum Erreichen einer möglichst hohen Antwortrate sich verringert. Eine Rücklauf quote von siebzig bis neunzig Prozent ist bei professionellen Erhebungen mit großer Stichprobe die Regel; z. B. bildeten die 1928 Personen, die in der Hauptstichprobe der neueren Untersuchung von Young und Wilmott über Arbeit und Freizeit in London und Umgebung interviewt wurden, drelundsiebzig Prozent der insgesamt Ausgesuchten.[5]
Mangelnde Repräsentativität aufgrund unzureichender Auswahlverfahren oder hoher Ausfallquoten sind jedoch nicht die einzigen Quellen von ungültigen und unzuverlässigen Ergebnissen. Eine ebenso entscheidende (wenngleich viel seltener besprochene) Fehlerquelle liegt im Bereich der Interviews selbst - in Bezug auf den Inhalt des Fragebogens und die Messung und/oder Klassifizierung der erhobenen Daten. Verzerrung kann sich verschiedenartig einschleichen: die Fragen können zweideutig, unverständlich oder in Richtung auf eine bestimmte Antwort angelegt sein; die Niederschrift der Antworten kann nachlässig erfolgen; der Interviewer kann (wenn auch ungewollt) Einfluß auf die Reaktionsmuster der Befragten ausüben; unter Umständen gelingt es dem Interviewer nicht, ein Gesprächsklima mit den Befragten herzustellen, das es ihnen ermöglicht, über persönliche Angelegenheiten offen oder wahrheitsgemäß zu sprechen; die Art, in der die Daten hinterher eingeteilt und bearbeitet werden, kann weitere Verzerrungen erzeugen.
Diese Probleme in der Datenerhebung, ähnlich wie das Problem der Repräsentativität der Stichprobe, sind nicht zwangsläufig in der Forschung mit großer Stichprobe enthalten, noch werden sie wie durch Zauber durch eine kleinere Stichprobe aufgelöst. Andererseits treten sie mit höherer Wahrscheinlichkeit bei einer größeren Stichprobe auf, aus dem einfachen Grunde, weil die Entfernung des Forschers von den Daten durch die Beteiligung weiterer Personen (Interviewer, Forschungsassistenten, Kodierer etc.) an der Datenerhebung und -verarbeitung wächst und dadurch die Gelegenheiten vervielfacht werden, bei denen Verzerrungen einfließen können. Eine sehr sorgfältige Ausbildung aller Mitarbeiter ist erforderlich, um die verschiedenen Fußangeln zu vermeiden. Außerdem darf der Forscher nicht bewußt oder unbewußt voraussetzen, daß die Größe der Stichprobe die genaue Formulierung des Interviews überflüssig macht. Das Interview ist ein Forschungsinstrument, und die Ergebnisse sind nur gültig, wenn die Fragen an die Bereiche "herankommen", die der Forscher zu untersuchen vorgibt.
Diese Überlegungen gelten als Mahnung dafür, daß Untersuchungen auf der Grundlage einer Stichprobe von 500, 1000 oder mehr Personen nicht unkritisch als "gute" Forschung angenommen werden, während Erhebungen mit kleineren Stichproben von sagen wir 100 oder weniger als ungültig abgetan werden. Die oben angeführten Aspekte des Forschungsverfahrens sollen sorgfältig und aufmerksam geprüft werden. Die Beurteilung der Ergebnisse einer jeden Forschung muß natürlich auf deren Charakter und Ziele Rücksicht nehmen. Ist die Untersuchung hauptsächlich beschreibend? Soll sie Hypothesen überprüfen? Welche Ansprüche werden in Bezug auf die umfassende Anwendbarkeit der Ergebnisse erhoben? Jede Untersuchung muß nach dem Maßstab eingeschätzt werden, ob sie die selbst aufgestellten Zielsetzungen erfüllt.
Für Forschungsziele, die einen Bereich abstecken, ein Feld beschreiben und Beziehungen zwischen anscheinend zusammenhängenden Ereignissen, Vorgängen oder Merkmalen aufdecken wollen, ist eine Stichprobe von 40 Personen sicherlich ausreichend. Ein auf Zuordnung und Benennung gerichteter Zugang dieser Art kann in ganz angemesse.ner Weise zu Vermutungen über Erklärungszusammenhänge führen;[6] insbesondere kann eine wohlabgegrenzte Hypothese mit einer Stichprobe dieser Größenordnung überprüft werden. Johan Galtung trifft in Theory and Methods of Social Research (Theorie und Methoden der Sozialforschung) eine brauchbare Unterscheidung zwischen einer "substanziellen" Hypothese, "die über gesellschaftliche Wirklichkeit etwas aussagt und durch die Daten überprüft werden soll", und einer "Verallgemeinerungshypothese", die "die Daten selbst betrifft".[7] Die Frage, ob eine bestimmte Hypothese durch die Daten bestätigt wird oder nicht, ist im Prinzip eine andere Frage als die, ob die Forschungsergebnisse für eine breite Bevölkerung verallgemeinert werden können. Um substanzielle Hypothesen zu überprüfen, hält Galtung eine Stichprobe von 40 Personen für durchaus annehmbar (wobei der Maßstab dafür, ob eine genügend große Stichprobe vorliegt, die Mindestanzahl von Fällen ist, die für die Anwendung statistischer Tests benötigt wird). Dagegen ist für die Zwecke einer Verallgemeinerung eine Stichprobe von ca. 800 Personen nötig, um einigermaßen sicher zu gehen.
Wichtige Beiträge zur soziologischen Erkenntnis sind auf der Grundlage von Daten aus kleinen Stichproben geleistet worden. Elizabeth Botts einflußreiche Studie Family and Social Network (Familie und Beziehungsnetz)[8] basiert zum Beispiel auf Interviews mit 20 Ehepaaren. Die Untersuchung von J. M. und R. E. Pahl über berufliche Laufbahn und Familienbeziehungen in der Mittelschicht [9] bezieht ihr Material aus Fragebögen, die von 86 Managern und ihren Frauen ausgefüllt wurden, ergänzt durch Hausbefragungen von 16 Ehepaaren. The Captive Wife (Die gefangene Ehefrau)[10] von Hannah Gavron beruht auf Interviews mit 48 Mittelschicht- und 48 Unterschichtfrauen. jede dieser Arbeiten ist übrigens ein Beispiel für eines oder mehrere der oben besprochenen Probleme. Zum Beispiel wurden 27% der Mittelschichtstichprobe bei der Untersuchung von Gavron aus dem Londoner "Housebound Housewives Register" (Hausfrauen, die sich an das Haus gefesselt fühlen und Kontakte suchen), gezogen. Es handelt sich hierbei um eine selbstgewählte Gruppe von "unzufriedenen" Hausfrauen: dies verringerte die Repräsentativität der Stichprobe. Die Pahls hatten in ihrer Untersuchung eine recht hohe Verweigerungsrate: 20 von den 113 Managern, die sie befragen wollten, füllten den Fragebogen nicht aus (die Rücklaufquote bei den mit der Post verschickten Fragebögen für die Ehefrauen war höher); von den 29 Ehepaaren, die um persönliche Interviews zu Hause gebeten wurden, haben sechs abgelehnt und sechs auf den Brief gar nicht geantwortet.[11] Elizabeth Bott und ihre Kollegen hatten erhebliche Schwierigkeiten, Familien zu finden, die sich an ihrem Pro)ekt beteiligen wollten: sie benutzten 42 "Kontaktvermittlungen", die von praktischen Ärzten, Pfarrern und Studenten (die bei einem der Forscher studierten) über einen Bezirksverband der Labour Party bis hin zu schlicht "Freunden und Kollegen" reichten. Alles in allem wurden 45 Ehepaare vorgeschlagen und 25 waren bereit, ein Interview zu geben, obwohl fünf den Untersuchungsmerkmalen nicht entsprachen. Das ist eine beträchtliche Verweigerungsrate und das Zustandekommen der Kontakte läßt die Repräsentativität der Stichprobe zweifelhaft erscheinen. Botts Ziel war jedoch nicht die überprüfung einer wohlabgegrenzten Hypothese, sondern die Durchführung einer intensiven Untersuchung mit Erkundungscharakter anhand einer kleinen Anzahl von Familien mit dem Gedanken, unser psychologisches und soziologisches Verständnis für das Familienleben in der Großstadt zu erweitern.
In der Darstellung und Analyse von Interviewdaten im folgenden treffen die von mir gezogenen Schlüsse streng genommen ausschließlich auf die Stichprobe der Untersuchung zu. jedoch gibt es keinen Grund anzunehmen, daß die Stichprobe in irgendeiner Hinsicht unrepräsentativ ist. Um mich auf die vorhin erwähnten drei Quellen der Verzerrung einer Stichprobe zu beziehen, ist es klar, daß die benutzte Grundgesamtheit der Stichprobe (die Patientenkarteien von zwei praktischen Ärzten) nicht sämtliche Hausfrauen der Bevölkerung umfaßt. jedoch gibt es keine Hinweise darauf, daß diese Karteien eine besonders untypische Stichprobenauswahl der Bevölkerung darstellten. Keiner der beiden praktischen Ärzte steht im Ruf, hervorragend oder anders zu sein als der normale Durchschnitt. Zwei Ärztekartelen wurden deshalb verwendet, weil eine Kartei nicht genügend Namen hergab, die den Stichprobenmerkmalen entsprachen, und auch deshalb, weil sowohl Mittelschicht- als auch Unterschichtfrauen gesucht wurden. Eine Praxis lag in einem Mittelschicht- und eine in einem Unterschichtwohnviertel. Die Namen wurden aus den Arztekarteien in der Reihenfolge des Alphabets (siehe Anhang 1) ausgewählt. Obwohl dies kein striktes Zufallsverfahren darstellt, war es doch nicht erkennbar in irgendeiner Richtung gewichtet. Obwohl einige Kontaktaufnahmen scheiterten, gab es unter den angesprochenen Hausfrauen keine Verweigerungen der Mitarbeit. Diese überlegungen lassen ein Vertrauen in die Repräsentativität der befragten Frauen gerechtfertigt erscheinen.[12]
Bei der Analyse der Beziehungen zwischen bestimmten veränderlichen Größen in der Arbeitssituation der Hausfrau habe ich eine Anzahl statistischer Tests, vor allem das Chi-quadrat für Signifikanz, verwendet. Dieses Verfahren könnte mit der Begründung kritisiert werden, daß die Stichprobe dafür zu klein ist. Es gibt aber keinen statistischen Grund, diese Tests auf solche Daten nicht anzuwenden, auch wenn die Wahrscheinlichkeit, daß ein Ergebnis dem Zufall zu verdanken sein könnte, sich mit zunehmendem Stichprobenumfang verringert.
Es sollte nicht vergessen werden, daß statistische Tests dieser Art ganz allgemein als eine Interpretationshilfe zu verstehen sind. Es gibt einen Unterschied zwischen statistischer" und "theoretischer" Signifikanz.[13] Eine Beziehung mehrerer Faktoren mag statistisch signifikant sein aber theoretisch bedeutungslos, (da sie zur inhaltlichen Klärung nichts Neues beiträgt). Der schwierigere Fall entsteht dann, wenn von der Theorie her die Annahme naheliegt, daß eine Beziehung unter den Faktoren besteht, und diese auch nach dem Eindruck des Forschers in den Daten ersichtlich wird, sie aber nicht auf statistischer Ebene bestätigt werden kann. Letzten Endes ruht die Verantwortung für die Auslegung der Untersuchungsdaten und der Ergebnisse aus den statistischen Tests eindeutig auf den Schultern des Forschers:
"Zur Forschung gehört schließlich mehr als das, was den Tabellen entnommen werden kann. Wenn der Forscher seine Ergebnisse interpretiert, wird er unweigerlich - und zu recht durch alles das beeinflußt, was vorausgegangen ist, durch seine Vertrautheit mit dem Rohmaterial hinter den Zahlen und durch seine Urteilskraft. . » . Der Forscher, der vorsichtig seine Schlüsse auf das beschränkt, was im strengen Sinne durch die Daten gerechtfertigt ist, mag sich von Kritik freihalten, aber er bringt nicht den vollen Beitrag ein, zu dem er fähig wäre."[14]
Es hieße, sich seiner Verantwortung entziehen, wollte man nicht Vermutungen darüber anstellen, inwiefern die eigenen Ergebnisse über den Umfang der Stichprobe hinaus verallgemeinert werden können. Es ist wichtig, die Beziehung zwischen den eigenen Ergebnissen und den Schlußfolgerungen anderer, verwandter Forschungen herzustellen. Das beschreibt im großen und ganzen meine Vorgehensweise. Obwohl meine Ergebnisse streng genommen nur für die Stichprobe der von mir interviewten 40 Hausfrauen gelten, gibt es keinen Grund, warum sie keinen Bezug zu der breiteren Masse der Hausfrauen haben sollten. Es kann nicht nachgewiesen werden, daß diese vierzig Frauen unrepräsentativ für einen größeren Teil der Bevölkerung sind. Der eigentliche Prüfstein wird jedoch sein, ob weitere vergleichbare Untersuchungen diese Ergebnisse bestätigen.
Ein Forschungsprojekt, das von einer einzigen Person geplant, durchgeführt und aufgearbeitet wird, bezieht in einer wichtigen Hinsicht sowohl seine Stärke wie auch seine Hauptschwäche aus eben dieser Tatsache. Es bezieht seine Stärke aus dem inneren Zusammenhang und aus der Beständigkeit, die durch die Sicht eines Einzelnen ermöglicht wird. Die Schwäche besteht darin, daß die Forschung nur so "gut" sein kann wie die Persönlichkeit und Urteilskraft der Durchführenden. Das gilt insbesondere für die Auslegung der Interviewantworten und für den Gebrauch von Tabellen mit abgeleiteten Angaben. Im Hinblick auf das erste Problem habe ich mich bemüht, die Fragen so "faktenmäßig" wie möglich zu formulieren. So wurden z. B. die Fragen über häusliche Routineverf ahren und über den Anteil des Ehemannes an der Arbeitsteilung darauf abgestellt, bestimmte, konkrete Tätigkeiten und Zeitspannen zu erfragen. Nicht gefragt wurde dagegen nach den Einstellungen un d Normen darüber, wer "meistens" was wann tut, wie wir es in anderen Untersuchungen häufig finden. Dieses Verfahren machte die Aufgabe der Interpretation leichter. Was das Aufstellen der Einschätzungstabellen betrifft, haben Goode und Hatt darauf hingewiesen, daß die Einbeziehung mehrerer Beurteilungen die Genauigkeit einer jeden Skala erhöht: die Verwendung nur einer Beurteilung setzt die Genauigkeit herab.[15] in erster Linie haben die Beschränkungen von Zeit und Geld meinen Forschungsentwurf beeinträchtigt. Die Untersuchung wurde als Dissertation auf der Basis einer fürstlichen Summe von 410 £ jährlich durchgeführt (dies war der Regelsatz für "verheiratete Frauen" bei der Graduiertenförderung - 120 £ weniger als der volle Regelsatz).[16] Diese Einschränkungen hatten Einfluß auf die Größe der Stichprobe und erschwerten zudem die Verwendung von Verfahren wie Einschätzungen für die Tabellenaufstellung durch mehrere Beurteller. jedoch wurde eine Reihe von Kunstgriffen verwendet, von denen ich hoffe, daß sie die Möglichkeitvon Verzerrungen in diesem Stadium der Forschung herabgesetzt haben; sie werden im Anhang I beschrieben.
Um zu den Merkmalen der Stichprobe zurückzukommen: die 40 interviewten Frauen waren alle zwischen zwanzig und dreißig Jahre alt, verheiratet und hatten mindestens ein Kind unter fünf Jahren. Außerdem waren alle Frauen entweder in England oder Irland geboren. Diese Kriterien bestimmten die Auswahl der Stichprobe. Die Absicht war, eine einigermaßen einheitliche Gruppe zu erhalten und die Einstellung zur Hausarbeit bei Frauen mit vergleichbaren Lebensumständen zu betrachten. Auf diese Weise sollten grobe Unterschiede in der Einstellung zur Hausarbeit, die auf unterschiedliche kulturelle Herkunft, unterschiedliche Altersgruppen usw. zurückgehen, ausgeschaltet werden. Dadurch wurde die Aufgabe vereinfacht, die Zusammenhänge zwischen bestimmten Arten der Einstellung und anderen Merkmalen der Arbeitssituation zu analysieren. Irische Frauen einzubeziehen - von 40 waren es 6 - könnte als Widerspruch zu diesem Ziel angesehen werden. jedoch zeigen Untersuchungen über die traditionelle Lebensweise der Arbeiterschicht im ländlichen Irland (woher die in Irland geborenen Frauen dieser Stichprobe ursprünglich stammten) und solche über die vergleichbare Schicht in englischen Städten viele Ähnlichkeiten. Die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, die Trennungvon männlicher und weiblicher Rolle Inder Ehe, und die Soziallsation von Frauen und Mädchen in Bezug auf Häuslichkeit sind Aspekte in denen die beiden Kulturen sich sehr ähneln. Tatsächlich hat die Analyse des Interviewmaterials hinsichtlich der Einstellungs- und Verhaltensausprägungen zwischen irischen und englischen Frauen keine besonderen Unterschiede gezeigt. In zwei Hinsichten - die Art ihres Selbstbildes und ihres sozialen Beziehungsnetzes - war ihre Stellung sehr stark häuslich und verwandtschaftsbezogen; diese Merkmale hatten sie aber mit anderen Frauen in der Stichprobe gemeinsam.[17]
Die Hälfte der vierzig Frauen gehörten der "Arbeiterschicht" an, die andere Hälfte der "Mittelschicht". Schichtzugehörigkeit wurde in der üblichen Weise eingeschätzt, nach dem Beruf des Ehemannes. Diese Verwendung konventioneller Verfahren steht im Widerspruch zu der Kritik, die ich im 1. Kapitel an der traditionellen Schichtanalyse entwickelte. Zu der Zeit, als ich meine Stichprobe auswählte (Ende 1970), waren meine Einwände gegen eine Männerorientlerung in der Theorie und Praxis der Schichtanalyse erst keimend. Diskussionen unter Soziologen (Feministen oder anderen) über den Stellenwert der Frau in der Soziologie existierten nicht. Es gab jedoch einen überragenden Grund dafür, den konventionellen Zugang beizubehalten: nämlich ein großer Teil der vorhandenen Literatur über die häuslichen Rollen der Frau macht uns auf schichtbedingte Unterschiede in der häuslichen Zufriedenheit der Frau aufmerksam. Bei Mittelschichtfrauen wird von einer stärkeren Unzufriedenheit ausgegangen als bei Unterschichtfrauen. Damit sinnvolle Vergleiche zwischen meinen eigenen Ergebnissen und denen anderer Forscher möglich sind, mußte daher die Schichtzugehörigkeit in der gleichen Weise eingeschätzt werden. Obwohl meine Analysen ein Schwergewicht auf die soziale Schicht legen, werden auch andere Größen, wie Beziehung zu Ausbildung und früherer (oder gegenwärtiger) Erwerbstätigkeit der Hausfrau geprüft: in einigen Fällen erweisen sich gerade diese Faktoren und nicht die soziale Schicht als wichtig.
Zur Einschätzung der Schichtzugehörigkeit wurde die Klassifikation der Berufe des Regstrar-Gerlerals verwendet. Schicht I und II (qualifizierte Selbständige, leitende Angestellte und höhere Beamte) wurden als "Mittelschicht" gekennzeichnet, Schicht IV und V (angelernte und ungelernte Arbeiter) als "Unterschicht". Schicht III wurde eingeteilt in (1) Angestellte und Beamte, und (2) Facharbeiter; erstere wurden als Mittelschicht, letztere als Unterschicht gezählt. In drei Fällen gab es eine deutliche Diskrepanz zwischen der so ermittelten sozialen Schicht und dem früheren Beruf oder Bildungsgrad der Frau oder ihrem allgemeinen Lebensstil; hier wurde die soziale Schicht nach oben oder nach unten verschoben, um auf diesen Widerspruch Rücksicht zu nehmen. Das ist eine ziemlich "über's Knie gebrochene" Lösung für das Problem der männerorlentierten Berufseinteilung, wie sie auch von John und Elizabeth Newson [18] und anderen verwendet wird.
Zwei weitere Merkmale der Stichprobe erfordern eine Erläuterung: die Häufigkeit der Erwerbstätigkeit und die einer Haushaltshilfe. Sechs Frauen waren zur Zeit des Interviews erwerbstätig. Eine arbeitete ganztags als Sekretärin, eine halbtags in der Fabrik (4 Stunden vormittags), drei gingen stundenweise putzen (zwei abends, eine morgens), und eine Hausfrau arbeitete Samstags als Empfangsdame im Friseurgeschäft. Hat die Einbeziehung dieser Frauen einen Einfluß auf die Untersuchungsergebnisse? In Hunts nationaler Erhebung über Frauenerwerbstätigkeit waren 15 bis 20% der Frauen, die für ein Kind unter sechs Jahren verantwortlich waren, erwerbstätig, davon mehr als die Hälfte auf Teilzeitbasis.[19] Der Anteil in der vorliegenden Studie beträgt 15% (sechs von vierzig); in dieser Hinsicht ist er nicht unrepräsentativ. Es könnte vermutet werden, daß berufstätige Hausfrauen eine besondere Gruppe im Hinblick auf ihre Einstellung zur Hausarbeit sind: Frauen, die mit der Hausarbeit unzufrieden sind, könnten zur Besserung ihrer Lage erwerbstätig werden. Im allgemeinen liefert die Forschung keine Unterstützung für diese These.[20] Von den sechs berufstätigen Hausfrauen aus den vorliegenden vierzig wurden zwei als mit Hausarbeit zufrieden eingeschätzt, zwei als unzufrieden und zwei als sehr unzufrieden. Diese Verteilung ist derjenigen in der gesamten Stichprobe sehr ähnlich.
Die Hinzufügung von Lohnarbeit zu den Tätigkeiten der Hausfrau bedeutet nicht, daß sie keine Hausfrau mehr ist. Die Begriffsbestimmung der Hausfrau bezieht sich auf die Verantwortungfür die Haushaltsführung. Aus diesem Grunde war die Tatsache, daß drei der vierzig Frauen eine bezahlte Haushaltshilfe hatten, kein Anlaß, ihnen den Titel "Hausfrau" abzusprechen. (Keine der drei hat eine Haushaltshilfe, die im Hause wohnt.)
Das Wohnviertel, aus dem die Arbeiterfrauen kommen, ist ein Gebiet mit gemischten Wohnungen. Häuser mit Mietwohnungen und Mietzimmern wechseln mit einigen Eigenheimen. Die Häuser stammen meistens aus der Zeit um 1910-1920 und sind in schlechtem Zustand. Das allgemeine Aussehen der Umgebung ist grau: es gibt wenige Grünflächen und Bäume in der Eintönigkeit der Reihenhäuser. Die Einkaufsmöglichkeiten der Gegend sind gut. Auf der Hauptstraße, die direkt in das Zentrum Londons führt, ragen ein Woolworth, ein Marks & Spencer und einige andere Kaufhäuser über eine ganze Anzahl kleinerer Läden hinaus. Die Verkehrsverbindungen sind schlecht. Die nächste Station der Londoner Untergrundbahn kann erst durch eine 20-minütige Busfahrt erreicht werden. Im Zuge eines umfassenden Sanierungsplanes werden viele Gebiete mit Slum- und Halb-Slum-Bauten abgerissen und die Familien ziehen in neue Viertel des sozialen Wohnungsbaus. Von einem solchen Umzug waren schon drei der 20 befragten Unterschichtfrauen betroffen. Dadurch, daß dieses Sanierungsgebiet in unmittelbarer Nähe zu einem der Hauptzuzugsgebiete für Einwanderer liegt, entsteht der Eindruck einer sich verändernden Bevölkerungsstruktur.
Im Gegensatz hierzu hat das Mittelschichtwohnviertel eine verhältnismäßig stabile und wohlhabende Einwohnerschaft. Die meisten Häuser sind Eigenheime und vor-wiegend in gutem Zustand. Einige neue privatfinanzierte Siedlungen sind wegen ihrer architektonischen Besonderheit bekannt: Häuser mit den ausgesprochenen Mittelschichtsvortellen wie Wäscheräumen, ebenerdigen Kinderspielzimmern, angebauter Garage usw. Die Straßen werden von Bäumen gesäumt und es gibt ausreichend Grünflächen. Ähnlich dem Arbeiterviertel, in dessen Nähe es liegt, hat dieses Viertel im nächsten Einkaufszentrum Kaufhäuser und Supermärkte neben der üblichen Vielfalt kleinerer Läden. Jedoch anders als beim Arbeiterviertel ist das Einkaufszentrum auch ein Verkehrszentrum: dort ist ein Hauptbahnhof des nationalen Eisenbahnnetzes, und zwei U-Bahnlinien verbinden es mit den übrigen Stadtteilen Londons.
Das sind also die Umstände, in denen die vierzig Frauen leben. Obwohl sie eine bestimmte Gruppe in der modernen Gesellschaft vertreten - die der jungen Mütter - vertreten sie auch jene viel größere gemischte Bevölkerung, die die Vororte unserer Städte bewohnt. In diesem Sinne ist das Bild der Hausfrau der gegenwärtigen Studie nicht nur für das Verständnis der Lage der Frauen in unserer heutigen Gesellschaft bedeutsam; es beleuchtet auch einen Gesichtspunkt des städtischen Famillenlebens. Auf diesem Hintergrund beginnt das nächste Kapitel mit der Erörterung einiger Schlußfolgerungen, die aus dem Interviewmaterial hervorgehen.