Wenn Hausarbeit als Arbeit begriffen wird - ein Hauptthema dieser Untersuchung - ist es notwendig, die unterschiedlichen Bestandteile dessen zu erkennen, was umfassend die Häuslichkeit der Frau genannt wird. Einer der wichtigsten Punkte ist der Begriff Zufriedenheit mit Hausarbeit. Andere Gesichtspunkte haben mit der Einstellung zur Hausarbeit und dem wahrgenommenen Status der Hausfrauentätigkeit zu tun. Die Diskussion in diesem Kapitel verfolgt eine zweifache Absicht. Auf der einen Seite hat sie das Ziel, verschiedene Muster von Häuslichkeit bei der vorliegenden Stichprobe von Hausfrauen zu beschreiben. Aber diese Ergebnisse werden auch in Beziehung gesetzt zu den zahlreichen Behauptungen über schichtspezifische Unterschiede in der Häuslichkeit, die in einem großen Teil der Literatur über die Stellung der Frau in der Familie Verbreitung finden.
Verschiedene Autoren haben unterstellt oder versichert, daß die Arbeiterfrauen mit der Hausarbeit zufrieden, die Mittelschichtfrauen unzufrieden seien. Zum Beispiel werden die seelischen Belastungen der Doppelrolle der Frau in den späten 50er Jahren von Myrdal und Klein zur Diskussion gestellt. Sie behaupten, daß nur eine Minderheit, die gebildete Mittelschicht, davon betroffen ist.[1] In The Family and Social Change (Familie und sozialer Wandel), einem Bericht über Verwandtschaftsbeziehungen in einer Stadt von Süd-Wales, machten Rosser und Harris eine ähnliche Feststellung: nämlich, daß "aus verschiedenen Gründen" die "Häuslichkeit" der Arbeiterfrauen stärker ausgeprägt sei als bei Frauen der Mittelschicht.[2] Merkwürdigerweise gehen sie auf diese Gründe nicht näher ein, obwohl der Grad von Häuslichkeit der Frau ein entscheidendes Glied bei ihrer Argumentation über das Vorhandensein enger Beziehungen in der Verwandtschaft in Arbeitervierteln bildet. Mirra Komarovsky findet in ihrer Studie über die Ehen amerikanischer Arbeiter heraus, daß ein höherer Bildungsgrad mit einer "weniger positiven" Haltung zur Hausarbeit einhergeht.[3] Eine Reihe anderer Untersuchungen bestätigen, daß dies typisch für die amerikanische Gesellschaft sei.
Keiner von diesen Autoren beschäftigt sich damit, ob Hausarbeit Zufriedenheit vermittelt. Die Auffassung von weiblicher "Häuslichkeit" wird nicht näher bestimmt und ist in der Regel ziemlich verschwommen. Die Einteilung in soziale Schichten beruht bei diesen Untersuchungen in althergebrachter Weise auf dem Beruf des Ehemannes. Für unsere Stichprobe wird in Tabelle 4.1. das Verhältnis zwischen Zufriedenheit mit Hausarbeit und so eingeschätzter sozialer Schichtzugehörigkeit dargestellt.
Tabelle 4. 1. Arbeitszufriedenheit und soziale Schicht
Der Begriff "Zufriedenheit mit Hausarbeit" ist geprägt in Anlehnung an die Begriffe der Arbeits- bzw. Arbeitsplatzzufriedenheit wie sie in der Soziologie der Industrie und Erwerbstätigkeit üblich sind. Er zeigt, in welchem Maße Hausfrauen ihrer Arbeit positiv oder negativ gegenüberstehen. Bei der Erörterung der Beziehungen zwischen Arbeitszufriedenheit und anderen Faktoren wird die Einteilung in vier Gruppen auf Tabelle 4. 1. zu einer einfachen Zweiteilung zusammengezogen: zufrieden/unzufrieden. Die Zuordnung jeder Hausfrau zu einer Zufriedenheitskategorie erfolgte durch Einschätzung der interviewenden Forscherin auf Grund der Antworten im gesamten Gespräch; zusätzliche Einzelheiten über die Vorgehensweise werden im Anhang I ausgeführt.
Wie aus Tabelle 4.1. zu ersehen, unterscheidet sich die Häufigkeit, mit der Hausfrauen mit ihrer Arbeit zufrieden oder unzufrieden sind, überhaupt nicht nach sozialer Schicht. Die vorherrschende Stimmung ist die Unzufriedenheit - 28 von 40 Hausfrauen stellen sich als unzufrieden heraus. Wird Bildung anstelle von sozialer Schichtzugehörigkeit zugrundegelegt, gibt es immer noch keinen Unterschied zwischen den jeweiligen Gruppen der Frauen:
von denen, die eine Ausbildung bis zum 16. Lebensjahr und darüberhinaus erhalten haben, sind gleich viele zufrieden wie unzufrieden mit der Hausarbeit. In diesem Zusammenhang ist ein Ergebnis aus Arthur Kornhausers Untersuchung industrieller Arbeit interessant. Kornhauser fand heraus, daß unterschiedliche Arbeitsbedingungen die seelische Gesundheit beeinflussen (seelische Gesundheit kann weitgehend mit "Zufriedenheit" gleichgesetzt werden) und zwar unabhängig von dem Bildungsgrad.[4] Wurden die Erwerbstätigen nach Bildungsgrad eingeteilt, zeigte sich in Bezug auf die seelische Gesundheit folgendes Bild: je höher die Berufe eingestuft waren, desto höher war der Anteil der Erwerbstätigen ohne wesentliche seelische Störungen und umgekehrt.
Mit anderen Worten: Die seelische Gesundheit wird mit einiger Wahrscheinlichkeit bei beruflichen Tätigkeiten herabgesetzt, die geringe Fähigkeiten erfordern (wie Hausarbeit), und zwar unabhängig von dem vorher erworbenen Bildungsgrad.
Der beste Weg, diese etwas abgehobenen Begriffe von Zufriedenheit und Unzufriedenheit faßbar zu machen, ist, sie durch Beispiele aus den Interviews zu veranschaulichen. Eine "sehr zufriedene" Hausfrau ist Sandra Bishop, 32 Jahre alt, Ehefrau eines Malers und Dekorateurs; sie hat früher in einer Fabrik Maschinen bedient und hat heute eine 18 Monate alte Tochter. Hier sind einige ihrer Aussagen:
- "ja, ich mache Hausarbeit wirklich gerne, Ich mache es (das Haus) gerne nett, wissen Sie, und ich nehme mir gerne Zeit mit dem Kochen und so. Ich bringe es gerne auf den Tisch und höre gern, was sie hinterher dazu sagen, und ich freue mich enorm, wenn es geschmeckt hat... Putzen macht mir überhaupt nichts aus ... Ich gehe gerne einkaufen ... Ich möchte immer das Beste haben, aber so billig wie möglich ... Ich wasche gerne ab. Als ich anfangs hierher kam (in die neue Sozialwohnung) wurde ich wegen dieser neuen Spüle fast irre vor Freude, und ich habe gleich alle meine Hochzeitsgeschenke abgewaschen. Bei meiner Schwiegermutter war die Spüle in einer Ecke, nicht unter dem Fenster, wo sie hier steht ... Abwaschen tue ich jetzt lieber als alles andere!
- Ja, ich sehe mich doch als Hausfrau. Manchmal denke ich, daß ich ziemlich jung bin - ich habe das Baby gleich zu Anfang gekriegt. Bevor ich geheiratet habe, habe ich immer gedacht, ich müßte mir alle Kleider, die ich haben will, jetzt kaufen, weil wenn ich erst einmal verheiratet bin, kriege ich nie wieder welche - aber da habe ich mich geirrt, denn ich kann jetzt wirklich alles haben, was ich mir wünsche ... Ich bin gerne Hausfrau. Ich hatte wirklich niemals irgendwelchen Ehrgeiz - es gab eigentlich nie etwas, was ich gerne (werden) wollte."
"Haben Sie jemals das Gefühl, daß Sie gerne etwas anderes tun würden; etwas, das außerhalb Ihrer Hausfrauen- und Muttertätigkeit liegt?"
- "Nein, eigentlich nicht."
"Wenn Sie jetzt einmal wirklich glücklich sind, welche Umstände bewirken das?"
- "Das Wetter, und ich habe gerne Gäste. Ich konnte sowas nicht machen, als ich bei meiner Schwiegermutter wohnte..."
Alles in allem ist die Stimmung von Sandra Bishop sehr gut; das ist sie auf jeden Fall im Vergleich zu den Eindrücken, die einige andere Frauen in dieser Stichprobe erweckten. Norma Larkin, die Frau eines Polizeihauptmanns, selbst ehemalige Frisöse und Mutter eines Sohnes, ist mit der Hausarbeit "sehr unzufrieden".
- "Ich mag Hausarbeit nicht besonders. Es ist der reinste Stumpfsinn, so eintönig, und wenn Du ein Kind hast, dann machst Du die Sachen und fünf Minuten später sieht es so aus, als ob Du überhaupt nichts getan hättest. (Kochen?) Nein, nicht besonders, aber man muß was essen. (Waschen?) Nein, ich kann nicht sagen, daß ich irgend was davon gerne tue - ich tus, weil es getan werden muß. Ich bin hier und ich muß es tun." (Dies sagt sie alles schleppend und tonlos.)
"Inwieweit sehen Sie sich selbst eigentlich als Hausfrau?"
- "Ich habe mich so langsam daran gewöhnt, an das Haus angebunden zu sein und immer hören zu müssen:,Das ist Deine Arbeit. Es macht mich manchmal richtig sauer. Weil ich früher selbst etwas Geld verdiente und unabhängig war, und jetzt bin ich auf jeden Pfennig von meinem Mann angewiesen."
"Haben Sie jemals das Gefühl, daß Sie gerne etwas anderes tun würden ...?"
- "Nein, wenn ich mir irgend etwas anderes vorstellen könnte, dann wäre das ein richtiger Beruf, aber dann wäre ich nicht verheiratet."
"Ehe und Beruf sind nicht zu vereinbaren?"
- " Doch schon, aber wie ich die Dinge damals sah, waren sie es nicht - ich habe nicht daran gedacht zu heiraten. Ich dachte, ich würde in meinem Beruf weitermachen als Frisöse. Die Dinge änderten sich, und ich habe geheiratet und ich sollte die Dinge nehmen, wie sie sind."
"Wenn Sie jetzt einmal wirklich glücklich sind, welche Umstände bewirken das?"
- "Das Leben ist nicht gerade eintönig, aber es ist fast immer dasselbe. Ich freue mich sehr, wenn ein Feiertag bevorsteht - halt weil es eine Abwechslung vom Einerlei ist. Ich denke manchmal: Da bist du aber ganz schön in einer Sackgasse gelandet! Ich meine, ich würde um nichts in der Welt etwas daran ändern, seinetwegen nicht (dem Kind), aber was kannst Du anders machen? Du mußt zu Hause bleiben und Kinder kriegen. Männer können sie nicht kriegen. Aber zu Hause sein und den ganzen Tag lang Hausarbeit machen - das gefällt mir wirklich nicht. Das macht einen auf längere Sicht nicht zufrieden."
Solche Aussagen als Hinweis auf Zufriedenheit oder Unzufriedenheit mit Hausarbeit zu deuten, ist vielleicht zu kritisieren: man könnte einwenden, daß diese Frauen nicht über ihre Hausarbeit, sondern über ihre Ehen etwas aussagen. jedoch nimmt keine von ihnen in den Antworten Bezug auf ihren Ehemann oder auf das, was sich in der Ehe abspielt, wenngleich Norma Larkin indirekt einiges über die Ehe überhaupt sagt. Die finanzielle Abhängigkeit, auf die sie verweist, ist nicht eine Folge der Ehe als solcher, sondern die Folge einer Ehe, in der die Ehefrau nicht erwerbstätig ist. Sie ist ein Bestandteil des Berufs der Vollzeithausfrau, nicht der Ehe an sich. Für alle, außer den privilegierten Hausfrauen, ist die finanzielle Abhängigkeit eine Tatsache ihres Lebens und daß die Frau auf das Geld ihres Ehemannes angewiesen ist, um ihre Familie mit Essen und Kleidung zu versorgen und den Haushalt führen zu können, dies verringert die Freiheit, die sie sonst hätte, über ihre Arbeitsbedingungen selbst bestimmen zu können.
Die Frage der Zufriedenheit mit Hausarbeit ist verzwickter als bislang deutlich werden konnte. In zwölf von den vierzig Interviews kommen interessante Widersprüche vor, zwischen der Gesamtheit der Angaben über Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit und den Antworten auf die gezielte Frage: "Mögen Sie Hausarbeit gern?", die gegen Anfang des Interviews gestellt wurde. Diese Widersprüche beleuchten die Frage der schichtspezifischen Unterschiede. Es fallen drei Gruppen auf:
- Acht Unterschichtfrauen sagen anfangs, daß sie Hausarbeit "Mögen" oder daß es ihnen "nichts ausmacht , lassen aber später deutlich erkennen, daß sie damit unzufrieden sind;
- zwei Mittelschichtfrauen verhalten sich nach dem gleichen Muster;
- zwei Mittelschichtfrauen sagen zunächst, daß sie Hausarbeit nicht mögen, zeigen aber trotzdem relative Zufriedenheit.
Diese Widersprüche können nicht einfach auf irrtümliche Einschätzungen der Zufriedenheit zurückgeführt werden, dazu fallen die beiden Seiten - die anfänglichen Antworten und die allgemeine Stimmung - zu deutlich auseinander. Das folgende Beispiel stammt aus dem Gespräch mit Sally Jordan, Fabrikarbeiterin und Frau eines Müllmanns; sie gehört zu der ersten Gruppe der Unterschichtfrauen, deren anfänglich bejahende oder unverbindliche Antwort sich in eine überwiegend ablehnende Haltung verwandelt.
"Mögen Sie Hausarbeit?"
- "mir macht es nichts aus ... Ich glaube, mir macht die Hausarbeit deshalb nichts aus, weil ich sie nicht den ganzen Tag lang mache. Ich gehe zur Arbeit und mache Hausarbeit nur halbtags. Wenn ich es den ganzen Tag machen würde, gefiele es mir nicht. Frauenarbeit ist nie zu Ende, eine Frau ist immer auf Achse - sogar wenn Du ins Bett gehen willst, hast Du vorher immer noch irgendetwas zu tun - Aschenbecher leeren, ein Paar Tassen spülen. Du bist immer noch bei der Arbeit. Es ist jeden Tag dasselbe; Du kannst nicht einfach sagen: Heute mache ich es nicht!, denn Du mußt es einfach tun - wie mit dem Essen machen: es muß gemacht werden, weil, wenn Du es nicht tust, haben die Kinder nichts zu essen ... Ich glaube, Du gewöhnst dich so daran, daß Du es automatisch machst ... Ich bin beider Arbeit glücklicher als zu Hause. "
"Was ist Ihrer Meinung nach das Schlimmste daran, Hausfrau zu sein?"
- "Ich glaube, es gibt Tage, an denen Du das Gefühl hast, du mußt jetzt aufstehen und immer dasselbe machen - das ist langweilig. Du fährst immer im alten Gleis. Fragst Du eine Hausfrau, würde sie - wenn sie ehrlich ist - sagen, daß sie sich oft wie ein Packesel fühlt jede denkt, wenn sie morgens aufsteht, oh nein, ich muß heute wieder dasselbe machen, bis ich abends ins Bett gehe. Man macht immer die gleichen Sachen, da kommst du nicht raus."
Diese Aussagen offenbaren eine deutliche Unzufriedenheit. Durch diese Widersprüche zeigt sich ein interessantes, methodisches und theoretisches Problem. Wie sind sie zu erklären? Diese Widersprüche müssen insbesondere deswegen geklärt werden, weil das hier vorliegende Ergebnis, wonach Zufriedenheit mit der Hausarbeit nicht schichtspezifisch verteilt ist, von der allgemeinen Auffassung abweicht, daß Mittelschichtfrauen mehr Unzufriedenheit zeigen. Die Unterschichtfrauen tendierten dazu, positive bzw. unverbindliche Antworten auf die Frage zu geben, ob sie Hausarbeit "mögen", (und zwar unabhängig davon, ob sie im Grunde Hausarbeit als unbefriedigend erleben oder nicht). Dieses mag ein Grund dafür sein, warum andere Forscher zu dem Schluß gekommen sind, daß auf dieser Ebene grundsätzliche Schichtunterschiede bestehen.
Die Antworten auf die Frage "Mögen Sie Hausarbeit?" sind - wie Tabelle 4.2. zeigt - zwischen den beiden Schichten gleichmäßig verteilt.
Tabelle 4.2. Antworten auf die Frage "Mögen Sie Hausarbeit?" und soziale Schicht
Die Hausfrau der Unterschicht wird eher sagen, daß sie Hausarbeit "gerne macht" oder "nichts dagegen hat", während die typische Mittelschicht-Antwort Abneigung ausdrückt. Basil Bernstein hat in seinen Arbeiten über soziale Schicht und Sprache zwei verschiedene Arten von Sprachgebrauch beobachtet. Diese nannte er anfangs die "öffentliche" und die "formale" Sprache, später bezeichnete er sie als den "restringierten" (eingeschränkten) und den "elaborierten" (entfalteten) Sprachstil.
Es ist hier nun nicht der Ort, Bernsteins Unterscheidungen zwischen den beiden "Codes" ausführlich darzulegen. Eine dieser Unterscheidungen hat jedoch unmittelbare Bedeutung für die Frage der schichtspezifischen Unterschiede in Zusammenhang mit den Antworten auf die Frage "Mögen Sie Hausarbeit?". Im Zuge seiner Beschreibung dessen, was grob als der Sprachstil der "Unterschicht" bezeichnet werden könnte, sagt Bernstein:
"Eine öffentliche Sprache enthält eine große Anzahl von Redewendungen und überlieferten Sprüchen, aus denen der Sprecher auswählt. Hier lernt das Individuum nicht eigenständig und schöpferisch über Sprache zu verfügen, um seine persönlichen Gefühle zu vermitteln. Vielmehr neigt jemand bei der Benutzung der öffentlichen Sprache dazu, seine Gefühle durch festgelegte Kennzeichen und Etiketten auszudrücken. Das erhöht das solidarische Gefühl der sozialen Verbundenheit auf Kosten des logischen Aufbaus der Mitteilungen und auf Kosten der Genauigkeit im Ausdruck der Gefühle."[6]
Im Gegensatz dazu steht der Sprachgebrauch, der eher die Mittelschicht kennzeichnet;
"...erleichtert es, die jeweilige persönliche Absicht in Worten herauszuarbeiten und ein Feingefühl für die Bedeutung von Unterschieden und Abgrenzungen zu zeigen; er verweist auf die Möglichkeiten, die eine vielschichtige Abstufung von Begriffen beinhaltet, um Erfahrungen zu ordnen.[7]
Während der (vorwiegend) von der Unterschicht gebrauchte Sprachstil das sprachliche Herausarbeiten von persönlichen Unterschieden verhindert, ist der (vorwiegende) Mittelschichtcode genau darauf abgestellt, diese Art von Erfahrungen auszudrücken.
Bernsteins Arbeit ist neuerdings in das Schußfeld der Kritik geraten. Obwohl ein Großteil der Kritik auf den Mißbrauch seiner Arbeit durch andere zielt, gibt es einige gewichtige inhaltliche Einwände wie den, daß Mittelschichtwerte seinen begrifflichen Unterscheidungen zugrundeliegen. Darüber hinaus seien diese Unterscheidungen ungenügend in dem tatsächlichen Sprachgebrauch begründet. Ohne mich in den Einzelheiten dieser Streitfragen festbeißen zu wollen - wobei ich Bernsteins Arbeit zugegebenermaßen knapp und stark vereinfacht dargestellt habe - wage ich es trotzdem zu sagen, daß die verschiedenen Antwortmuster der Unterschicht- und Mittelschichtfrauen meiner Untersuchung in den groben Rahmen von Bernsteins Schema zu passen scheinen. Ich schlage deshalb folgendes vor: Die acht Unterschichtfrauen, die sagen, sie würden "Hausarbeit mögen< bzw. "sie mache ihnen nichts aus", später jedoch eine deutliche Unzufriedenheit zeigen, äußern sich deshalb so widersprüchlich, weil der ihnen geläufige Sprachstil es ihnen schwer macht, persönliche Gefühle darzustellen. Der Sprachstil der Mittelschichtfrau erlaubt es ihr viel leichter, ihre persönlichen Gefühle über die Hausarbeit zu beschreiben, als es ihre Schwester in der Unterschicht kann. Das bedeutet sicherlich nicht, daß die befragte Frau aus der Unterschicht unfähig ist, ein vielschichtiges Sprachmuster zustandezubringen. Der springende Punkt scheint zu sein, daß Mittelschichtfrauen eher als Unterschichtfrauen in unmittelbarer Reaktion auf eine direkte Frage ihre persönlichen Gefühle über die Hausarbeit verhältnismäßig leicht beschreiben können. In der Unterschicht kann der Gebrauch ganz ähnlicher Sätze ("Ich mag Hausarbeit gern", "Ich habe nichts dagegen") subjektive Erfahrungsunterschiede überdecken, so daß sie nicht ohne weiteres zum Ausdruck gebracht werden können.
Zu der knappen Behauptung, daß schichtspezifische Sprachstile den Gegensatz zwischen den ursprünglichen Aussagen über Einstellungen und den tieferliegenden Gefühlen erklären helfen, muß noch einiges angefügt werden. Warum sollte die Unterschichtfrau sagen, daß sie Hausarbeit mag oder es ihr nichts ausmacht, und warum sollte dies die typische Antwort sein? Es ist mehrfach beobachtet worden, daß das Hausfrauendasein als eine Rolle für Frauen mehr Wertschätzung in traditionellen Arbeitervierteln erhält als unter Mittelschichtangehörigen. Mit anderen Worten: Die vorherrschende Erwartungshaltung ist die der weiblichen Zufriedenheit mit Hausarbeit; daraus folgt die Tendenz, dieser Erwartung zu genügen. In den Antworten zweier Unterschichtfrauen auf die Frage nach der allgemeinen Zufriedenheit, wird diese Tendenz veranschaulicht.
"Würden Sie sich selber als - allgemein zufrieden oder unzufrieden mit dem Leben beschreiben - oder trifft beides nicht so genau zu?"
- "Im allgemeinen zufrieden. Ich will sagen, Du mußt eben das Beste aus allem machen." (Frau eines Malers und Dekorateurs)
- "Ich weiß nicht so recht. Zufrieden, denke ich. Ich glaube, ich muß es sein. Welchen Sinn hat es, sich anders zu fühlen, wenn Du weißt, daß Du zufrieden zu sein hast." (Frau eines Fabrikarbeiters)
Für diejenigen, die mit Hausarbeit unzufrieden sind, ist es schwierig, dieses Gefühl darzustellen, weil sie zuvor zwischen dem, was die Umwelt an Verhalten erwartet, und der eigenen Erfahrung einen Bruch vollziehen müssen.
Von der entgegengesetzten Seite her betrachtet, könnte das Verhalten der zwei Mittelschichtfrauen erklärt werden, die sagten, daß sie Hausarbeit nicht mögen, jedoch deutliche Anzeichen von. Zufriedenheit mit ihr zeigten. Ihr Bezugsrahmen ist die Mittelschichtnorm der unzufriedenen Hausfrau. Eine solche Erklärung wird durch die Bemerkung einer Mittelschichtfrau bestätigt. "Ich laufe nicht dauernd unzufrieden herum", was anklingen läßt, daß sie denkt, man könnte dies von ihr erwarten.
Die Tatsache, daß viele der zwanzig Mittelschichtfrauen nicht sagten, daß sie Hausarbeit ungerne machten, widerlegt diese Erklärung nicht. In keiner der beiden Schichtgruppen setzt sich irgendeine Norm - Zufriedenheit oder Unzufriedenheit vollkommen durch. Während die meisten Mittelschichtfrauen sagen, daß sie Hausarbeit nicht mögen und die meisten Unterschichtfrauen sagen, sie mögen sie oder sie mache ihnen nichts aus, gibt es doch einige in jeder Schichtgruppe, die von diesem Muster abweichen. Es ist nur so, daß die eine Antwort mit größerer Wahrscheinlichkeit bei der Mittelschichtfrau und die andere bei ihrer Schwester in der Unterschicht vorkommt. Da die soziale Schichtzugehörigkeit mit dem Beruf des Ehemannes begründet wird, kann es auch sein, daß die "abweichenden" Fälle in einigen wesentlichen Punkten eher der Unterschicht oder eher der Mittelschicht zugerechnet werden können, als es ihre Schichtzuordnung selbst anzeigt. Das trifft sicherlich für die zwei Mittelschichtfrauen zu, die sagten, sie würden Hausarbeit mögen bzw. nichts dagegen haben, die aber in der Tat unzufrieden damit waren. Eine von ihnen, Clara Pullen, war mit dem Filialleiter eines Supermarktes verheiratet, war jedoch selbst Fabrikarbeiterin, bis sie ihre Arbeit aufgab, um ein Baby zu kriegen. Die Familie wohnte in einer Zweizimmer-Mietswohnung in einer Gegend mit überwiegend Arbeiterfamilien. Jean Bevan, die zweite dieser beiden Frauen, hatte zwar vorher einen Mittelschichtberuf - Krankenschwester -, lebte aber auch im Arbeiterviertel. Ihre Erziehungsmethoden entsprachen eher denen der "Arbeiterfamilie" als denen der Mittelschicht; z. B. schlug sie viel und erwartete von dem drei Jahre alten Kind, ständig sauber und ordentlich zu sein. In diesen beiden Bereichen stellten die Newsons in ihren Langzeituntersuchungen schichtspezifische Unterschiede fest. Sie betonen, daß das Erziehungsverhalten einen besseren Hinweis für soziale Schicht liefert, als es die üblichen Kriterien vermögen. Bis jetzt wurde jedoch noch keine systematische Methode entwickelt, die die soziale Schicht in dieser Weise eingeschätzt hat.
Die meisten Forscher stoßen an irgendeiner Stelle auf die Unzulänglichkeit der sozialen Schichtzuweisungen. Trotzdem wäre es unsinnig, schichtspezifische Unterschiede allesamt vom Tisch zu wischen, mit der Begründung, die Einteilung in soziale Schichten sei an sich schon irreführend. Aber die Forschung ist verpflichtet, auf jene Fälle hinzuweisen, wo der/die Wissenschaftler(in) den Eindruck hat, daß Fehler in der Schichteinteilung das Datenmaterial am passendsten "erklären".
In diesen 40 Interviews wurden Widersprüche deutlich zwischen dem Grad an Zufriedenheit mit Hausarbeit und den Antworten auf die Frage: "Mögen Sie Hausarbeit?" Diese Widersprüche können als Hinweis auf schichtgebundene Sprachstile und die Erwartungen an weibliche Häuslichkeit interpretiert werden. Diese Unterschiede verlagern das Gewicht der Antworten in jeder Schichtgruppe jeweils in eine bestimmte Richtung, während die tatsächliche Erfahrung Hausarbeit zu leisten, kein schichtspezifisch unterschiedliches Bild hergibt. Diese Widersprüche stellen kein unlösbares methodisches Problem, vielmehr sind sie selbst ein Schlüsselergebnis dieser Untersuchung. Wie die nächsten Kapitel zeigen werden, stehen die Antworten auf die Frage "Mögen Sie Hausarbeit?" auch in Beziehung zu der Art von Maßstäben und Vorgehensweisen, die für die Hausarbeit aufgestellt werden, sowie zu dem Selbstbild der Frauen, das in schriftlichen Aussagen über sich selbst zum Ausdruck kommt. Diese Verbindungen deuten an, daß die Aussage über Hausarbeit zu Beginn des Interviews nicht nur darauf aufbaut, wie die Frau ihre Gefühle in ihrem schichtspezifischen Sprachstil ausdrücken kann. Darüber hinaus scheint die Haltung "Hausarbeit zu mögen" oder "nichts dagegen zu haben" ein Sinnbild dafür zu sein, daß Zufriedenheit in der Hausarbeit gesucht wird; die Erklärung, Hausarbeit "ungerne" zu machen, scheint darauf hinzuweisen, daß die Möglichkeit von Unzufriedenheit erkannt wird. Diese entscheidende Abgrenzung wird im 10. Kapitel erläutert.
Ich will, ehe ich weitergehe, einen die Methode betreffenden Lehrsatz aufstellen. Was wir gelernt haben ist, daß einfache Fragen einfache Antworten nach sich ziehen. An die Antworten auf die einfache Frage, ob eine Frau Hausarbeit mag", soll nicht allzuviel an Auslegung oder Schlußfolgerung gehängt werden. Nur bei einem vertieften mehrstündigen Gespräch können wir erwarten, ein vollständiges Bild der positiven und negativen Gefühle zu erhalten, die eine Hausfrau in bezug auf die Hausarbeit erfährt.
Bis jetzt scheint der größte Teil unserer Daten darauf hinzuweisen, daß die Häuslichkeit der Frauen keine schichtspezifischen Unterschiede zeigt. Ebenso viele Unterschicht- wie Mittelschichtfrauen sind mit Hausarbeit zufrieden bzw. unzufrieden: Es ist zwar interessant, daß die Antworten auf eine bestimmte Frage je nach der Schichtzugehörigkeit unterschiedlich ausfielen, jedoch beeinträchtigen sie grundsätzlich nicht das Ergebnis.
Tabelle 4.3. Durchschnittlicher Anteil der verschiedenen Antworten auf die Fragen nach den Hausarbeitsaufgaben, gegliedert nach sozialer Schicht
Die Tabelle zeigt nur sehr geringe schichtspezifische Unterschiede.
In bezug auf die Art, wie Frauen den Status der Hausfrau sehen, konnten sowohl Unterschiede als auch Ähnlichkeiten gefunden werden. Während 13 von 20 Mittelschichtfrauen (65 %) etwas dagegen haben, auf einem Formular Beruf: Hausfrau einzutragen, sind es bei den Arbeiterfrauen nur 8 von 20 (400/o). (Der Unterschied ist statistisch signifikant) Mirra Komarovsky gelangt in ihrer Studie über Ehen in der amerikanischen Unterschicht zu demselben Ergebnis. Sie sagt:
Die Unzufriedenheit der Hausfrau wird häufig auf moderne Wertvorstellungen zurückgeführt. Man sagt, sie sei aufgebracht wegen des geringen Ansehens, das ihrer Rolle in der Gesellschaft entgegengebracht wird ... Eine derartige Erklärung von Unzufriedenheit mag vielleicht auf gebildete Mittelschichthausfrauen zutreffen, bei der Arbeiterschicht finden wir jedoch wenig Hinweise auf eine Unzufriedenheit mit dem gesellschaftlichen Ansehen."[11]
Diese Wahrnehmung der geringen gesellschaftlichen Wertschätzung der Hausfrauenrolle, dargestellt im vorangegangenen Kapitel, ist mit Arbeitsunzufriedenheit verbunden. Von 21 Hausfrauen, die sich ungerne als Hausfrau bezeichnen, sind 19 (86%) mit ihrer Arbeit unzufrieden; von den 19, denen eine solche Bezeichnung nichts ausmacht, sind 10 unzufrieden (55%). (Dieser Unterschied ist bei einem 5 %-Niveau signifikant). Das heißt, weil Mittelschichtfrauen den geringen Sozialstatus der Hausfrauenrolle erkennen, sind sie auch eher als ihre Schwestern aus der Arbeiterschicht damit unzufrieden.
Wie ist dieser Zusammenhang zu erklären? Die soziologische Theorie der Statusherausbildung oder Statusübereinstimmung ist hier bedeutsam. Im großen und ganzen besagt diese Theorie, daß jemand wahrscheinlich eher Belastung bzw. Unzufriedenheit empfindet, wenn ihre/seine Stellung in den verschiedenen Rangordnungen unterschiedlich ausfällt, - beispielsweise die Rangordnungen, die mit Einkommen, mit Ausbildung und mit der nationalen Herkunft verbunden sind. Wenn jemand in jeder dieser Hinsichten in etwa den gleichen Rang hat, bildet sich ein hohes Maß von Statusübereinstimmung und sind Spannungen aufgrund von Statuszugehörigkeit unwahrscheinlich. Für die Hausfrau gibt es zwei mögliche Unstimmigkeiten, die mit der Unzufriedenheit zusammenhängen könnten: Es können nämlich der Status als Hausfrau und der Status, der sich aus dem Beruf des Mannes ergibt, auseinanderklaffen, ebenfalls der Hausfrauenstatus und der frühere bzw. jetzige Berufsstatus der Frau. Die erste Möglichkeit stand bei dieser Stichprobe in keinem Zusammenhang mit der Arbeitszufriedenheit, wohl aber der zweite - oder wenigstens liefen die Zusammenhänge in der erwarteten Richtung. Status bei Tabelle 4.4. setzt sich zusammen aus den drei Merkmalen: Fertigkeiten, Ausbildung und gesellschaftliches Ansehen.[14] Bei der Bewertung des gesellschaftlichen Ansehens jeder Beschäftigung habe ich auf die Anerkennung des Weiblichen ein besonderes Gewicht gelegt - das heißt also auf diejenigen Merkmale eines Berufes, die innerhalb der weiblichen Berufswelt ein relativ hohes Ansehen genießen.
Tabelle 4.4. Soziale Schicht, Beruf und Unzufriedenheit
Zu diesen Merkmalen gehören so etwas wie Exklusivität, die Möglichkeit mit Männern und Frauen des höheren Status-Bereiches in Kontakt zu kommen, oder auch die innere Genugtuung, einen Beruf zu haben, der der Mühe wert ist.[15] Natürlich sind Merkmale wie Geld, Verantwortung und Aufstiegschancen noch immer wichtig. Aber ein gewisses Ausmaß geschlechtsspezifischer Unterscheidung im Bereich des gesellschaftlichen Ansehens folgt aus der allgemeinen Aufteilung der Berufswelt nach Geschlechtern.
Wie Tabelle 4.4. zeigt, sind 62% der Hausfrauen mit niedrigem Berufsstatus und 67% der Hausfrauen mit mittlerem Berufsstatus unzufrieden, und von den Hausfrauen mit hohem Berufsstatus wurden alle mit ihrer jetzigen Arbeit - der Hausarbeit, als unzufrieden eingestuft. Die Annahme liegt nahe, daß die Unzufriedenheit der Frauen mit ihrer Hausarbeit teilweise - darauf zurückzuführen ist, daß sie damit einen sozialen Abstieg in Kauf nehmen mußten. Dieser Zusammenhang wurde von einigen Frauen der Stichprobe geäußert. Mary Byron, eine Mittelschichthausfrau, deren Mann in der Verkaufsbranche tätig ist, spricht über ihre frühere Berufserfahrung:
- "Ich war fünf Jahre lang Friseuse und bekam dann eine Stelle als Maniküre in Claridges. Die Arbeit als Maniküre ist an sich langweilig, aber man trifft da so viele Leute, da gab es immer Interessantes, worüber man reden konnte, weil die Leute viel wissen und so weit herumgekommen sind ... Da kommen all die Könige, Herzöge und feinen Herren zu Dir. Das ist dort wie eine andere Welt, und sie sind so nett zu Dir ... sie behandeln Dich wie eine Dame, das war toll."
Damit verglichen ist Hausarbeit eine langweilige, einsame und undankbare Arbeit. Sie hat überhaupt nichts von dem Ansehen, das durch die Möglichkeit gegeben wird, berühmte Leute zu treffen oder in einer so exklusiven Einrichtung wie Claridges zu arbeiten. Mannequin zu sein, ist ebenfalls eine schicke Beschäftigung:
- "Manchmal denke ich tatsächlich, ich möchte gern wieder arbeiten geben - um diesen Trubel mitzuerleben, denn ich habe immer im West End gearbeitet, da ist so eine besondere Atmosphäre - man ist immer gut gekleidet den ganzen Tag über ... Ich finde das toll, diesen Glanz, sich mitten im Trubel zu wissen, - ich ziehe liebend gerne schöne Sachen an - Ich habe mich jeden Tag geschminkt, ich habe mich schön gemacht und Leute getroffen ... für mich war das keine Arbeit, ich habe jede Minute genossen ... Ich brauchte nicht zu denken: Wenn ich dieses Kleid anziehe, wird es doch gleich dreckig, weil das Baby draufspuckt - jeden Tag gut angezogen sein, sich sauber fühlen, nur angenehme Dinge tun und den ganzen Tag unter Leuten sein..."
Bedauert werden kann auch der Verlust von beruflicher Anerkennung, wie es in der Aussage dieser Frau, einer Krankenschwester, anklingt:
- "Die Krankenpflege vermisse ich sehr oft. Ich habe das sehr gern gemacht. Es hat mich sehr zufriedengestellt, das ist mir bei der Büroarbeit nie so gegangen ... Wenn ich säuberlich Bilanz gezogen habe, erlebte ich nie diese Art von Zufriedenheit, wie wenn ich sehe, daß ich einem Patienten dazu verholfen habe, daß es ihm besser geht. Das ist eben etwas besonderes. Es gibt nichts, was man mit der Krankenpflege vergleichen könnte. Das ist ein ganz besonderer Beruf."
Die Enttäuschung über den Statusverlust, die sich aus dem Wechsel von einer interessanten Arbeitswelt hinüber in die Welt der Hausfrau ergibt, wird besonders deutlich in dem Interview mit Juliet Warten, einer ehemaligen Fernsehassistentin. Sie sagt:
- "Ich finde den Gedanken, nur Hausfrau zu sein, entsetzlich ... ich glaube, deshalb bin ich auch so enttäuscht. Ich komme damit nicht klar, daß ich tatsächlich eine bin ... Es gibt so viel interessante Arbeit- z. B. dort, wo ich gearbeitet habe - ich würde mich lieber damit identifizieren, als hier zu sitzen und zu sagen, daß ich eine glückliche Hausfrau bin ... das könnte ich nicht sein. Ich finde, Hausfrau ist so was ähnliches wie alte Jungfer und es ist fürchterlich, als alte Jungfer abgestempelt zu werden. Die Bezeichnung Hausfrau ist genauso fürchterlich."
Juliet Warren wurde nicht erst durch das Interview darauf gebracht, ihre frühere Arbeit mit ihrer jetzigen zu vergleichen. Täglich wird sie allein durch die Person ihres Mannes daran erinnert, der Fernsehregisseur ist. Sie berichtet von einem kürzlichen Vorfall und ihrer Reaktion darauf:
- "Das, was mich so ein bißchen neidisch machte, war dieses Mädchen - sie ist seine Assistentin bei einem bestimmten Film - die hat angerufen, und es bestand unter Umständen die Möglichkeit, daß sie am selben Tag in die Schweiz fahren würden und plötzlich war ich wieder voll drin, und ich dachte daran, wie aufregend das alles war und wie schön es wäre, wieder zu filmen. Ich habe das Tom auch gesagt und er sagte natürlich, dieses Mädchen sei bei den Männern nicht sehr beliebt - das ist ein wichtiger Teil der Arbeit einer Fernseh-Assistentin - und er sagte, die würde alles geben, um an deiner Stelle zu sein, verheiratet zu sein und ein Baby zu haben. Dann wurde ich vernünftig und dachte, daß ich doch dumm bin: ich habe doch wirklich ein besseres Leben. Es ist nur, weil ich das andere erlebt habe, habe ich manchmal die Nase voll."
Dieser Zusammenhang von hohem Berufsstatus und gegenwärtiger Unzufriedenheit mit Hausarbeit gilt nur für die Mittelschichtfrauen. Doch es gibt Hinweise darauf, daß die Frage, ob Frauen mit Rücksicht auf den früheren Berufsstatus heute mit Hausarbeit vergleichsweise unzufrieden sind, die Frage nach der ,Bezugsgruppe aufwerfen könnte. Bei den Arbeiterschichtfrauen gibt es keine, die früher einen hohen Berufsstatus hatten, sodaß diejenigen mit einem mittleren Berufsstatus innerhalb der Gruppe der Arbeiterfrauen den höchsten Berufsstatus haben. Von den Unterschichtfrauen, die im Vergleich zu ihrer Schicht einen relativ hohen Berufsstatus hatten, sind 88% unzufrieden; in der Mittelschicht macht dieser Prozentsatz 100 aus. Umgekehrt ist von den Frauen, die früher einen im Vergleich zu ihrer Schicht niedrigeren Berufsstatus hatten, eine geringere Anzahl mit Hausarbeit unzufrieden. Dies trifft für 58% der Arbeiterfrauen und 57% der Mittelschichtfrauen zu. Während sich also Mittelschichtfrauen eher gegen die Etikettierung Hausfrau wegen des geringen Sozialstatus wehren, zeichnet sich bei allen Frauen das Bild ab, daß ein sinkender Berufsstatus - beim Wechsel von bezahlter Arbeit zur Hausarbeit - mit gegenwärtiger Unzufriedenheit zusammenhängt.
Über dieses Statusproblem hinaus haben Arbeiter- und Mittelschichtfrauen eines gemein: eine tiefsitzende Wertschätzung der Vorteile, die sie bei der außerhäuslichen Arbeit erfahren haben. In dem sich hieraus ergebenden Vergleich mit der Hausarbeit wird diese nachhaltig als eine Beschäftigung gekennzeichnet, die weniger erfreulich ist und weniger gern gemacht wird. Das ist besonders bemerkenswert, weil viele der Frauen einen Beruf hatten, der auf den ersten Blick nicht viel Befriedigung vermittelt. Fast ein Viertel der 40 Frauen ist einer ungelernten Fabrikarbeit nachgegangen und über ein Drittel war als Schreibkraft beschäftigt oder leistete Büroarbeit. 30 von 40 Frauen fallen in die vier Berufssparten: ungelernte Fabrikarbeiterin, Verkäuferin im Einzelhandel, Hausangestellte und Büro- oder Schreibkraft. Alle, mit Ausnahme von Joanna Giles, eine ehemalige Programmiererin, waren in Berufen tätig, die als weiblich gelten und infolgedessen traditionsgemäß niedrig entlohnt werden.
Hausarbeit unterscheidet sich von Erwerbsarbeit vor allem dadurch, daß sie nicht bezahlt wird, durch Isolation und den Mangel an gesellschaftlicher Anerkennung für die von Hausfrauen getragene Verantwortung. Helen Crane, eine ehemalige Sekretärin, schätzte ihren Beruf nicht nur, weil sie dort die Erfahrung von Selbständigkeit machen konnte, sondern auch weil die Verantwortung ihrer Tätigkeit öffentlich anerkannt wurde:
- "Anfangs war ich mein eigener Chef - der Mann, für den ich arbeitete, ging nach etwa 7 Monaten und der Mann, der seine Stelle einnahm, verstand nicht das Geringste davon: ich wußte von seiner Arbeit mehr als er, sodaß ich ihm während der ersten 6 Monate erklären mußte, was er zu tun hatte ... er hat tatsächlich versucht, von sich aus die Stelle aufzuwerten. Und er hat es immerhin erreicht, sie von einer Sekretärinnenstelle zu einer Assistentenstelle aufzuwerten...
Ein Zeichen für die anhaltende Bedeutung der Berufserfahrung für die Frauen, sind die bis in Einzelheiten gehenden Schilderungen der Frauen über Erfahrungen, die oft 5 oder mehr Jahre zurückliegen. Carol West, eine ehemalige Bürokraft im Verkauf, wiederholt die Bedeutung von beruflicher Verantwortung:
- "Ich habe bei den City Motors gearbeitet und war da 7 Jahre lang. Vorher hatte ich eine ganze Menge anderer Stellen, aber diese mochte ich besonders. Mir gefiel die Arbeit dort - mit den Kunden telefonisch zu verhandeln - wir waren da zwei Mädchen ... das andere Mädchen hatte eigene Verantwortung und wir hatten einen Vorgesetzten, aber es war uns überlassen. wir mußten am Ende des Monats die Abrechnung klarkriegen.
Janet Gallagher arbeitete in einer Fabrik:
- "Die Brauerei habe ich nicht so gerne gemocht - es war immer naß, aber im Gärungstrakt fand ich es ganz gut, weil ich da mit Maschinen gearbeitet habe ... Wissen Sie, was ich gern gemacht habe, ich habe den Mädchen, die an einem bestimmten Band arbeiteten, gern recht viel Arbeit runtergeschickt - ich war verantwortlich dafür, wieviel sie geschafft haben...
June Doyles Beschäftigung vor der Ehe war ebenfalls niedriger Art; sie war Zimmermädchen:
- "Ich habe 3 Jahre lang im Londoner Palace Hotel als Zimmermädchen gearbeitet. Es bat mir großen Spaß gemacht. Das lag nicht an der Arbeit, das lag an den Leuten - der Umgebung. Die unterschiedlichen Altersgruppen da -Ältere, Leute mittleren Alters und meine Generation. Ich war sehr, sehr glücklich. Und ich hatte viel Zeit für mich selbst. Ich war jeden Tag meistens um ein Uhr fertig, und ich mußte am nächsten Morgen um 1/2 6 anfangen. Ich habe das vermißt, als ich damit aufhörte, um zu heiraten. Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückholen... Man kann das nicht richtig erklären..
Obwohl sie diese Arbeit schon vor 8 Jahren aufgegeben hat, identifiziert sie sich noch heute damit. Als ich sie fragte, ob sie sich tagsüber als Hausfrau manchmal einsam fühlt, antwortete sie:
- "Ja, manchmal, aber dann gewöhnt man sich daran. Zuerst habe ich mich einsam gefühlt. Vor meiner Heirat habe ich im Londoner Palace Hotel gewohnt, und es gab da so ungefähr 360 Mädchen. Ich habe irgendwo eine Karte, da sind alle ihre Unterschriften drauf, als sie mir das Eßgeschirr (ein Hochzeitsgeschenk) überreicht haben. Es war immer jemand da, wir hatten einen Fernseher und einen Aufenthaltsraum, da waren immer so 20 oder 30 Mädchen drin."
Die Frauen wurden anhand ihrer Äußerungen als zufrieden bzw. unzufrieden mit der Erwerbstätigkeit eingestuft. Von den 27 Zufriedenen sind 20 (740/c) mit der Hausarbeit unzufrieden, und 18 (67%) unzufrieden mit dem Leben überhaupt. Von den 13 mit dem Beruf Unzufriedenen waren 8 (62%) mit der Hausarbeit unzufrieden und 2 (15%) mit dem Leben allgemein. Obwohl nur eine dieser Beziehungen statistisch signifikant ist - diejenige zwischen Zufriedenheit mit Erwerbstätigkeit und Unzufriedenheit mit dem Leben im allgemeinen - so weisen doch die eigenen Beobachtungen der Frauen auf diese beiden Zusammenhänge hin. Freude am früheren Beruf spricht nicht gerade für Zufriedenheit mit der Hausfrauenrolle.
Diese Schlußfolgerung widerspricht wiederum der gängigen Vorstellung von Schichtunterschieden unter Frauen bezüglich der Bevorzugung des häuslichen Bereichs. Obwohl die meisten Arbeiterfrauen Berufe mit einfacher sich wiederholender Tätigkeit hatten, hoben sie doch gewisse Merkmale dieser Berufe als, im Vergleich zur Hausarbeit, zufriedenstellend hervor. In dieser Tendenz waren sie sich mit den Mittelschichtfrauen einig.
Die in diesem Kapitel dargestellten Ergebnisse zwingen, alle zusammengenommen, zu einer Hinterfragung der Behauptung, daß die unglückliche Hausfrau nur in der Mittelschicht vorkommt. Diese Behauptung ist zu vereinfachend. Sie berücksichtigt nicht die unterschiedlichen Seiten weiblicher Häuslichkeit.
Arbeiterfrauen drücken wahrscheinlich nicht weniger Unzufriedenheit aus als Mittelschichtfrauen. Ihre Einstellung zu den unterschiedlichen Aufgaben der Hausarbeit ist im Durchschnitt ähnlich wie die der Mittelschichtgruppe. In beiden Schichten spricht ein Statusabfall von bezahlter Arbeit zu Hausarbeit für Unzufriedenheit. Allein die Freude an den Vorteilen einer außerhäuslichen Tätigkeit der Arbeiter- und Mittelschichtfrauen ist ein schlechtes Zeichen für ihre Zufriedenheit mit Hausarbeit. Die Ergebnisse, die im 7. Kapitel besprochen werden, sollten diesen Ähnlichkeiten hinzugefügt werden: unabhängig von der sozialen Schicht der Ehemänner machen alle Frauen in der Kindheit eine ähnliche Erziehung durch: die Ausrichtung auf Häuslichkeit und später eine entsprechende Identifikation mit der Hausfrauenrolle.
Neben diesen Ähnlichkeiten gibt es zwei Unterschiede bei den Frauen der Mittel- und Arbeiterschicht. Mittelschichtfrauen beklagen sich eher darüber, als Nur-Hausfrau abgestempelt zu werden. Schichtunterschiede zeigen sich auch in den Einstellungen zur Hausarbeit, sofern sie bei der Beantwortung der Frage "Mögen Sie Hausarbeit?" sichtbar werden. Beide Unterschiede weisen darauf hin, daß eine Unterscheidung wichtig ist, auf die ich später zurückkommen werde: Einstellungen zu der Hausfrauenrolle sind grundsätzlich nicht dasselbe wie die Empfindungen bezüglich der Hausarbeit. Die Einstellung einer Frau zur Hausfrauenrolle kann positiv sein - sie mag sich als Hausfrau fühlen und der Vorstellung zustimmen, daß dies eine angemessene Rolle für Frauen ist, aber gleichzeitig kann es sein, daß ihr die Hausarbeit keinen Spaß macht. Das ganze ist auch umgekehrt möglich. Empfindungen gegenüber der Hausarbeit hängen mit der Erfahrung und der eigenen Reaktion darauf zusammen, selbst Hausarbeit zu leisten. Die Ausrichtung auf die Hausfrauenrolle bezieht das eigene Selbstbild, das Gefühl der Geschlechtszugehörigkeit und subkulturelle Normenvorstellungen über weibliches Rollenverhalten ein. Die in dem vorangegangenen Abschnitt dargelegten Daten über die Einstellungen zum häuslichen Bereich legen die Annahme nahe, daß Frauen der Arbeiterschicht im Ganzen andere Einstellungen zur Hausfrauenrolle haben als die Mittelschichtfrauen, aber was ihre Tätigkeiten selbst betrifft, ähneln sich die Erfahrungen beider Schichten.