Sozialisation und Selbstbild

Die vielschichtigen Bestimmungen von Maßstäben und Vorgehensweisen bei der Hausarbeit, wie sie im vorigen Kapitel beschrieben wurden, entstehen nicht bloß als Antwort auf die Arbeitsplatzsituation. Sie sind schon wirksam, bevor die Frau "zur Hausfrau wird". Sie wurzeln in dem, was Mädchen in der Kindheit lernen, daß sie nämlich ihre eigene Weiblichkeit mit Häuslichkeit gleichzusetzen haben. Auf diese Weise wird das Selbstbild der Frau mit dem der Hausfrau verwoben. Der Verwirklichung der Hausfrauenrolle im Erwachsenenalter geht eine lange Lehrzeit voran. Diese Tatsache unterscheidet die Hausarbeit an sich nicht von den übrigen Berufen, für die es ebenso eine Lehrzeit gibt. Aber die Einübung der Frau in ihre häusliche Rolle verfügt nicht wie andere Lehrverhältnisse über einen einheitlich festgelegten Aufbau und wird infolgedessen selten als eine berufliche Ausbildung gesehen. Dies ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, daß die Vorbereitung auf das Hausfrauendasein mit der Erziehung zur weiblichen Geschlechtsrolle im weitesten Sinne verknüpft ist. Weder in der Theorie noch in der Wirklichkeit ist der eine Vorgang von dem anderen zu trennen. Wenn auch die Vorbereitung des Mädchens auf seine spätere Hausfrauentätigkeit "ohne Plan" verläuft, so finden dabei dennoch bestimmte Vorgänge statt, die man als gemeinsamen Nenner der Erziehung aller Frauen bezeichnen könnte, da sie durch alle sozialen Gruppen in unserer Gesellschaft hindurch regelmäßig ablaufen. Die amerikanische Soziologin Ruth Hartley hat bei ihrer Untersuchung der Weiblichkeitsentwicklung von Mädchen vier dieser typischen Vorgänge beobachtet:[1] "Sozialisation durch Beeinflussung", "ausdrückliche Aufforderungen", "Lenkung" und "Heranziehung zu den Arbeitsvorgängen". Ein typisches Beispiel für den erstgenannten Vorgang ist die überbetonung des Aussehens der Tochter durch die Mutter, ihre Hinweise darauf, wie hübsch das Kind doch sei: "Du bist aber ein hübsches kleines Mädchen." Das Kind übernimmt allmählich die Sichtweise der Mutter: Ausdrückliche Aufforderungen in dieser Richtung verstärken diese Beeinflussung. Der Begriff Lenkung beinhaltet hier, daß das Mädchen auf bestimmte Gegenstände aufmerksam gemacht wird, in diesem Fall auf häusliches Spielzeug: niedliche kleine Waschmaschinen, Herde, Handfeger, Kehrschaufel, und so weiter. Im weltberühmten Spielwarengeschäft Hamleys in der Londoner Regent Street trägt eine ganze Etage die Bezeichnung ,Die kleine Hausfrau'. Das Spielen mit dem für ihr Geschlecht vorgesehenen Spielzeug bringt dem Kind häufige Zuwendung und Bestätigung ein. Die Grundlagen für die spätere Freude der erwachsenen Frau an ähnlichen Gegenständen - an echten Waschmaschinen, Herden, Handfegern und Kehrschaufeln werden auf diese Weise gelegt. Tatsächlich werden schon in der Kindheit Tätigkeiten ausgeführt, die denen der Erwachsenen ähneln. Die künftige Hausfrau wird ermutigt, sich an den häuslichen Tätigkeiten ihrer Mutter zu beteiligen: beim Abwasch, Bettenmachen oder Tischdecken.
Alle diese Erziehungsweisen sind auch außerhalb der Familie festgestellt worden. in der letzten Zeit haben verschiedene Autoren auf die Darstellung der Frau als eine Art Haustier in den Medien, in Schul- und Kinderbüchern und in Lehrplänen hingewiesen. Auch die Schulen ermutigen Mädchen dazu, "häusliche" Spiele zu spielen und sich angemessen weiblich zu verhalten. Diese Aufforderung zum weiblichen Verhalten kann unmittelbar durch entsprechend eingestellte Lehrer geschehen oder auch mittelbar z. B. durch eine Aufteilung der Spielbereiche und der Tätigkeiten nach Geschlecht. Allgemeiner gesehen beeinflussen die (mehr oder weniger) durchgängigen Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Rollen in unserer Gesellschaft unauffällig wirksam die Art und Weise, wie Kinder die Geschlechtsrollen wahrnehmen, und wie sie sie sich selbst zuordnen möchten.
Auf die Mädchen, die in diesem Geflecht von Vorgängen verwickelt sind, hat dies alles die Wirkung, daß die weibliche Rolle überhaupt, die Rolle der "kleinen Hausfrau" und die Entwicklung eines persönlichen Selbstbildes zu einem unbewußten Knäuel vermengt werden, aus dem die Verhaltensabläufe ungehemmt abgewickelt werden.[3] Durch die Verknüpfung zwischen dem Erlernen der weiblichen Rolle und der Entwicklung eines Selbstbildes entstehen leicht Verhaltensweisen bei der Hausarbeit in der Form, als wären sie Züge einer Persönlichkeit. Häufig ist der Zusammenhang mit der Geschlechtszugehörigkeit kaum bewußt. Ruth Hartley faßt zusammen:

... da durch die Nachahmung der Mutter die Zeit überbrückt wird, bis das Kind in der Lage ist, als Partner am häuslich-zentrierten Verhalten sinnvoll teilzunehmen, scheint diese Seite (die häusliche) der weiblichen Geschlechtsrolle ununterbrochen weiterentwickelt und von der Wiege an unentwegt verstärkt zu werden."[4]

Diese abgehobenen Verallgemeinerungen werden durch die Aussagen zahlreicher Frauen der vorliegenden Untersuchung inhaltlich gefüllt. Faith Abraham, früher Arbeiterin in einer Fabrik für Modeschmuck, ist mit einem Arbeiter verheiratet; sie wurde in Irland geboren und ist dort aufgewachsen.

  • "Wir hatten einen Bauernhof. Meine Mutter versorgte die Hühner. Sie hatte immer zu tun. Ich habe sieben Schwestern und drei Brüder. Sie hat immer gekocht, aber wir haben abgewaschen, aufgeräumt, die Betten gemacht und ausgefegt. Die Wäsche durften wir nicht machen; sie sagte, wir würden sie nicht richtig sauber waschen. Sie machte sehr gern die Wäsche selber. Meine Mutter macht sehr gerne Hausarbeit- sie ist eine großartige Hausfrau, sehr sauber. Als wir sieben oder acht Jahre alt waren, konnten wir das Haus genauso gut saubermachen wie Mutti ... aber ich habe Mädchen kennengelernt - na, z. B. die Kleine von meiner Tante, sie ist ja schon fünfzehn, und es ist hoffnungslos mit ihr. Sie kann überhaupt nichts im Haushalt. (Was meinen Sie dazu?) Ich finde das schrecklich - sie ist einfach faul Meine Schwestern sind alle so wie ich Sie putzen gerne, wirsind in der Hinsl'cht alle gleich. (ihre Brüder?) Meine Brüder mußten nie Hausarbeit machen!"

Über ihr eigenes Verhalten zur Hausarbeit sagte sie früher im Interview:

  • "Ich mache gerne sauber ... Bügeln ist eigentlich das einzige, was ich nicht mag. Ich gehe gern einkaufen und koche auch gern. (Warum?) Ich mag's halt. Ich wasche gern ab ... Ich mache gerne die Wäsche - ich würde nicht gerne Bettwäsche und Decken und sowas waschen, aber die Sachen der Kinder wasche ich ganz gerne . . ."

"Würden Sie sagen, daß Sie bei der Hausarbeit eine bestimmte Vorgehensweise haben ...?"

  • "Ich glaube, ja. Ich habe es hier gerne sauber und ordentlich. Ich glaube, als wir klein waren, mußten wir wirklich immerzu Hausarbeit machen. Wir waren ja so viele ... Ich glaube, das ist der Grund, warum ich Kinder mag - weil immer jemand da war, der kleiner war als ich, und ich mußte eigentlich alles für sie tun, als ich kleiner war - sie füttern, die Windeln wechseln..."

"Können Sie sich erinnern, ob Sie mit 13 oder 14 Jahren so sein wollten wie Ihre Mutter?"

  • "Doch, ich wollte schon immer heiraten. Ich habe immer gesagt, ich würde liebend gerne heiraten und Kinder kriegen."

In diesem kurzen Bericht werden drei grundsätzliche Merkmale der Erziehung von Faith Abraham deutlich: das unmittelbare Erlernen von Hausarbeitsaufgaben in der Kindheit; die allgemeinere Nachahmung der Mutter als Rollenvorbild; und die Wiederholung des mütterlichen Verhaltens bei der Hausarbeit durch die Tochter.
In dem Abschnitt des Interviews, der sich mit den Maßstäben und Vorgehensweisen bei der Hausarbeit beschäftigt, wurden die Mütter häufig erwähnt. Zum Beispiel:

  • "Ich habe die gleichen Maßstäbe wie meine Mutter. Wenn was gemacht werden muß, tut sie es. In ihrer Wohnung braucht man sich nie umzuschauen und denken das müßte gemacht werden, denn es ist schon gemacht. Ich versuche ständig, es ihrem Vorbild nachzumachen. " (Die Frau eines Lebensmittelgroßhändlers)

Solche Hinweise tauchten auch öfter bei der vorhergehenden Besprechung der Einstellungen zu den verschiedenen Haushaltsarbeiten auf. Die Bemerkung von Jean Bevan ist typisch.

  • "Ich wasche gerne. Ich sehe gerne die saubere Wäsche an der Leine - vor allem die Bettwäsche und die Hemden der Jungen. Ich glaube, das habe ich von meiner Mutter - sie ist schrecklich pingelig, meine Mutter." (Frau eines Bürovorstehers)

Eine der Frauen führte ihre Liebe zum Kochen nicht bloß auf ihre Mutter, sondern auch noch auf ihre Großmutter zurück. Hier wird das Wort "vererbt" verwendet, und die Ähnlichkeit trifft vielleicht auch zu: eine Reihe aufeinanderfolgender enger Mutter-Tochter-Beziehungen bietet die nicht abzuschätzende Möglichkeit, die weibliche Häuslichkeit zu verewigen.
Auch wenn sie keine perfekte Hausfrau ist, kann die Mutter Einfluß ausüben. In der Antwort von Joanna Giles zu der Frage bezüglich der Maßstäbe wird dieser Punkt deutlich:

  • "Was die Hausarbeit angeht, habe ich ziemlich niedrige Maßstäbe, glaube ich. Aber meine Mutter hat sich nie viel aus der Hausarbeit gemacht, und ich denke, ich habe wahrscheinlich die gleichen Maßstäbe wie sie. Solange nicht alles total verdreckt, bin ich zufrieden, aber vielen Leuten würde das nicht reichen."

Ebenso wichtig ist die Tatsache, daß sich die Einstellung entweder aus der fortgesetzten Nachahmung oder der unmittelbaren Auflehnung gegen die Maßstäbe der Mutter herausbilden kann. Beides sind Seiten des gleichen Vorgangs:

  • "Meine Mutter ist eine schreckliche Hausfrau. Sie wurstelt überall herum und kann ihre Arbeit nicht richtig einteilen; ich weiß ganz genau, wo sie was falsch macht; als ich noch zuhause wohnte, war es immer wie ein Alptraum, weil ich immer nur damit beschäftigt war, die Dinge in Ordnung zu bringen." (Juliet Warren, die Frau eines Fernsehregisseurs)

Der Versuch, sich von der Unordnung der Mutter abzusetzen, kann als eine Art Auflehnung angesehen werden, wenngleich das Gegenteil - nämlich die lockere Haltung gegenüber den mütterlichen Hausarbeitsmaßstäben - ebensogut möglich ist.
"Würden Sie sagen, daß Sie bei der Hausarbeit eine bestimmte Vorgehensweise (Maßstäbe) haben?"

  • "Za - z. B. beim Sauberhalten der Küche.. . und auch beim Kochen, aber in bezug auf Ordnung und Staubwischen nehme ich es nicht so genau... Ich bessere mich - früher war es tatsächlich viel schlimmer mit mir. Meine Mutter arbeitet nicht außer Haus. Sie ist eine perfekte Hausfrau - wie besessen davon. Sie ist nicht glücklich." (Dorothy Underwood, die Frau eines Kino-Leiters)

Es ist bemerkenswert, daß in all diesen Fällen die Frau ihr eigenes Verhalten als Hausfrau am Verhalten ihrer Mutter mißt. Der mütterliche Einfluß überwiegt. Mit anderen Worten: in bezug auf Hausarbeitsverhalten ist die Mutter die bei weitem wichtigste "Bezugsperson". Aus diesem Grunde ist eine Einschätzung des Ausmaßes an Identifikation mit der Hausfrauenrolle bei allen 40 Frauen vorgenommen worden. Damit soll gesagt werden, daß die Verantwortlichkeit für Hausarbeit als von Natur aus weiblich empfunden wird; aus diesem Grunde wird sie als ein persönlicher Charakterzug aufgefaßt. Diese Einstellung ist normalerweise die Folge einer identifizierung mit der Mutter als Rollenvorbild im Kindesalter.[5] Das Ausmaß an Identifizierung wird jeweils als stark, mittelmäßig oder schwach eingeschätzt; die Verteilung dieser Ausprägungen wird in Tabelle 7.1. in Beziehung zur sozialen Schicht veranschaulicht.

Tabelle 7.1. Identifizierung mit der Hausfrauenrolle und soziale Schicht

In diesem entscheidenden Bereich sind keine Schichtunterschiede festzustellen. Die 40 Frauen erinnerten sich an ganz ähnliche Kindheitserfahrungen, die die Entwicklung ihrer späteren Verhaltensweisen bei der Hausarbeit beeinflußten.
Diese Ähnlichkeit wird in den beiden folgenden Zitaten dargestellt, wobei jeweils eine Frau der Arbeiter- und der Mittelschicht zu Worte kommen:

  • "Alles, was meine Mutter tat, fand ich gut. Als Kind schwärmt man oft für jemanden - nun, mein Vorbild war die Mutter; und ich muß ohne rot zu werden zugeben, daß sie's bis heute geblieben ist; in meinen Augen kann sie gar nichts falsch machen. Ganz gleich um was es geht, sie gibt den Dingen immer den letzten Schliff. Sie ist eine fantastische Köchin, also bin ich in ihre Fußstapfen getreten. Sie macht immer alles richtig; als ich jung war, half ich ihr bei der Arbeit mit meiner kleinen Schwester - sie wurde geboren, als ich 14 war - und ich half selbstverständlich im Haushalt. Ich erinnere mich, daß das seit meinem 10. Lebensjahr so war. Bis zu diesem Alter war ich schlampig - danach wurde ich eine perfekte Hausfrau. Ich verstehe mich gut mit meiner Mutter. Ich wäre gerne so wie sie." (Die Frau eines Lastwagenfahrers)"Meine Mutter nahm es sehr genau. Heute noch. Man konnte bei ihr vom Fußboden essen. Ich erinnere mich - als ich vierzehn war, hat sie ständig an mir herumgenörgelt - unsere Schlafzimmer waren nie aufgeräumt. Es ist schrecklich, aber ich stelle fest, daß ich es heute haargenau so mit meinen Kindern mache; sie kommen aus der Schule und lassen alles hinter sich fallen, und ich sage "heb das auf" und versuche dann, nicht so viel zu nörgeln, weil mir wieder einfällt, wie sehr ich das als Kind gehaßt habe. Doch ich glaube, der Einfluß ist tatsächlich da ... Ich erinnere mich, wenn wir aus der Schule kamen, waren erst immer irgendwelche Dinge im Haushalt zu erledigen - wissen Sie - jeder hatte seine bestimmte kleine Aufgabe - bevor wir unsere Hausaufgaben (für die Schule) machen oder nach draußen spielen gehen durften. Wir wußten, es mußte getan werden, und wir haben uns im allgemeinen damit abgefunden. Sie war sehr tüchtig, und ich würde mich auch als tüchtig bezeichnen, und ich weiß, an bestimmten Tagen übernehme ich mich, meine Mutter hat sich ihr Leben lang zuviel zugemutet." (Die Frau eines Lebensmittelchemikers)

Die Erkenntnis, daß Mittel- und Arbeiterschichtfrauen ähnliche Grade der häuslichen Rollenidentifikation haben, wirft eine wichtige Frage auf. Wie ist diese Erkenntnis mit den Ergebnissen über soziale Schichtunterschiede bezüglich der Häuslichkeit zu vereinbaren - die bereits im 4. Kapitel besprochen wurden, und solchen anderer Autoren? Dies kann dadurch erklärt werden, daß tatsächlich Schichtunterschiede mehr oberflächlicher Art bestehen, die die Ähnlichkeit in der Ausprägung der Rollenidentifikation überlagern. In den nachstehend besprochenen Antworten der befragten Frauen im Rahmen eines Tests zur Selbsteinschätzung werden einige Beweise zugunsten dieser Auslegung erbracht.
Auch von anderer Seite gibt es Hinweise dafür, daß die grundsätzliche Bindung an die Hausfrauenrolle nicht von der sozialen Schicht abhängig ist. Eine der amerikanischen Untersuchungen von Grundschulmädchen ergab quer durch alle Schichten Ähnlichkeit bezüglich Verhaltensweisen - einschließlich häuslicher Verhaltensweisen - die als weiblich wahrgenommen werden. Obgleich hier und da Schichtunterschiede bei der Bevorzugung bestimmter häuslicher Tätigkeiten festgestellt werden konnten, Mittelschichtfrauen neigten eher dazu, Dienstleistungen im häuslichen Bereich, wie z. B. das Aufwischen der Böden und Abwaschen nicht zu mögen - so blieben dennoch diese Tätigkeiten für sie grundsätzlich in der Verantwortlichkeit der Frau. Ein weiterer beispielhafter Fall ist die Familie, in der beide Ehepartner berufstätig sind. Dort wo beide Eheleute berufliche Verpflichtungen haben, könnte man annehmen, daß die Verantwortung für den Haushalt geteilt wird. Dieses würde die Feststellung der vorliegenden Untersuchung widerlegen, nach der die Rollenidentifizierung der Hausfrau nicht nach der jeweiligen Schicht unterschieden wird. Jedoch nach Rapoports' Untersuchung von Doppelverdiener-Familien ist die Frau für den Haushalt zuständig.[8] Die Tagebuchaufzeichnungen, die die Rapoports auswerten, schildern ein irrsinniges Bild der Karrierefrau-Hausfrau-Mutter, die verzweifelt und ständig gehetzt versucht, allen ihren Pflichten gleichzeitig nachzukommen. Der Tagesablauf dieser Frauen wird weit häufiger durch häusliche Angelegenheiten unterbrochen als der der Männer. Ein Beispiel hierfür ist Mrs. Benson, eine Architektin, die mit einem Architekten verheiratet ist; beide arbeiten zuhause. Sie beginnt ihre Beschreibung eines Wochentages folgendermaßen:

  • 7.55 Erinnert Sohn an die Zeit
  • 8.45 Bessert das Nachthemd der Tochter aus
  • 9.15 Trifft Vorbereitungen für eine Party und für das tägliche Wäschewaschen
  • 9.45 Geht einkaufen, Wäscherei, Drogerie, Nähgarn, Pflanze, Fisch, Brötchen, Bohnerwachs
  • 11.05 Bereitet den Kaffee fürs Büro zu, hängt die Wäsche vom Tag auf
  • 11.40 Beginnt endlich mit ihrer Arbeit

Während des gleichen Zeitraums steht Mr. Benson um 9 Uhr auf, liest seine Zeitung, beginnt mit seiner Büroarbeit um 10 Uhr, und arbeitet durchgehend bis zum Mittagessen um 13 Uhr.
Eine Loslösung von der herkömmlichen Bindung der Frauen an die Hausfrauenrolle findet also selten statt - selbst in jenen Familien, in denen eine gewisse Ausgeglichenheit zwischen Ehemann und Ehefrau bezüglich der Erwerbstätigkeit vorherrscht. Die Rapoports berichten, daß das Famtlienmuster, bei dem beide Eheleute berufstätig sind, sogar zu einem übcrgewissenhaften Festhalten an herkömmlichen Rollenleitbildern im häuslichen Bereich führen kann. Die Frau reagiert auf das unliebsame Bild der kalten männlichen, wettbewerbsfreudigen Frau. Ihre anhaltende Bindung an das Vorbild der verantwortungsbewußten Hausfrau bedeutet eine Verleugnung dessen, daß sie von der herkömmlichen Geschlechtsrolle abgewichen sind, sowie eine Bestätigung der Anpassung an die häusliche Rolle der Frau.
Abgesehen von den genannten Untersuchungen gibt es wenige Anhaltspunkte für die Ansicht, daß die Bedeutung der Häuslichkeit für die Frau in den vergangenen Jahrzehnten grundsätzlich abgenommen hat. Die Zahlen zur weiblichen Erwerbstätigkeit decken den wie eh und je vorwiegend "häuslichen" Charakter der Erwerbsrollen der Frau auf: In allen industrialisierten Ländern arbeitet die Mehrheit der erwerbstätigen Frauen in den Lehrund pflegerischen Berufen, im Verkaufswesen, im Büro und in solchen Fabriken, die Haushaltsprodukte wie Kleidung und Nahrungsmittel herstellen. In Großbritannien hat während der vergangenen 10 10 oder mehr Jahre die Konzentration weiblicher Arbeitskräfte in den herkömmlichen weiblichen Tätigkeitsbereichen zuund nicht abgenommen.[9] Auch durch die verstärkten Möglichkeiten der Schul- und Berufsausbildung für Frauen hat sich wenig an der Berufswahl geändert: die Mehrzahl der Frauen mit einer Ausbildung sind immer noch Lehrerinnen oder Krankenschwestern zwei Berufe, die mit der traditionellen Rolle der Frau als fürsorglich verknüpft sind.
Eine wesentliche Beziehung zwischen der Sozialisation von Frauen und der späteren Ausübung der Hausfrauenrolle kann durch die Daten der vorliegenden Untersuchung erhellt werden. Wie bereits angeführte Aussagen der befragten Frauen aufgezeigt haben, sind sich Frauen dessen bewußt, daß zwischen ihrer eigenen Art, Hausarbeiten zu machen und der ihrer Mütter eine Verbindung besteht.
Auf diese Beziehung soll genauer eingegangen werden. Tabelle 7.2. zeigt eine Beziehung zwischen dern Grad der identifikation mit der Hausfrauenrolle einerseits und der Ausprägung ihrer Maßstäbe und ihrer Vorgehensweisen bei der Hausarbeit andererseits.

Tabelle 7.2. Ausprägung von Maßstäben und Vorgebensweisen:

Die Mehrzahl der Frauen, die auf einem Gebiet eine hohe Ausprägung zeigen, haben eine ebenso starke Ausprägung auf dem anderen Gebiet, und für diejenigen mit einer niedrigeren Ausprägung gilt dies entsprechend.
Diese Verbindung zwischen den beiden Merkmalen läßt vermuten, daß ihre eigene Verhaltensweise bei der Hausarbeit durch die Art ihrer frühen Beziehung zur Hausfrauenrolle beeinflußt wird.
Auf welchem Wege findet dieser Prozeß statt? Eine experimentelle Untersuchung von kindlichem Verhalten zeichnet möglicherweise die Antwort ab.[10] In dieser Untersuchung wurden 40 Kinder mit einem mittleren Alter von 4 Jahren und 5 Monaten in zwei Gruppen aufgeteilt: die eine Gruppe erlebte "fürsorgliches" Verhalten bei einem Rollenvorbild, während die andere Gruppe ein nicht fürsorgliches Verhalten erfuhr. Die Kinder wurden als nächstes aufgefordert, ein Unterscheidungsproblem zu lösen - indem sie entscheiden mußten, welches von zwei Kästen einen bunten Aufkleber enthalten würde. Dabei war ein Vorbild anwesend, dessen Verhalten "beziehungslos" war - d. h. ein Verhalten ohne Bezug zu dem ausdrücklich vorgegebenen Versuchsziel (dem Finden des Aufklebers). Das Ergebnis führte zu dem Schluß, daß Kinder ein gutes Teil sozialen Lernens auf dem Wege der spontanen Nachahmung vollziehen. Eine Bedingung, die dieses Lernen durch Nachahmung erleichtert, ist fürsorgliches Verhalten.[11] Insbesondere während des Tests für Unterscheidungsfähigkeit folgten die Kinder pflichtbewußt' dem Beispiel des Vorbilds. Selbst wenn dieses erst Umwege machte, um an die Kästen zu gelangen - Umwege, die die eigentliche Entfernung mehr als verdoppelten - und eindeutig nicht mit dem Vorhaben der Versuchspersonen zu vereinbaren waren.[12]
In der vorliegenden Untersuchung kann eine Ähnlichkeit mit solchem Verhalten aufgezeichnet werden. Im Laufe der Interviews ließen zahlreiche Frauen deutlich erkennen, daß es ihnen nicht einfach darum geht, die Hausarbeit mit einem möglichst geringen Aufwand und in einer möglichst kurzen Zeitdauer zu erledigen. Stattdessen sind sie daran gebunden, früher festgelegte Maßstäbe und Vorgehensweisen zu wiederholen, die unter Umständen das Ziel der einfachen Erledigung von Hausarbeit behindern können. In dem Maße, wie solche Verhaltensweisen von der Mutter übernommen worden sind, kann angenommen werden, daß sie der Tochter durch die Mutter nicht ausdrücklich beigebracht worden sind, sondern sie wurden auf mittelbare und unbewußte Art und Weise verinnerlicht. Die fürsorgliche, mütterliche Beziehung zwischen Hausfrauen und angehenden Hausfrauen trägt dazu bei, eine solche Verinnerlichung eher zu ermöglichen. Beim Erlernen der häuslichen Rolle bildet sich das aus, was dann die eigentliche Beziehung zwischen dem (weiblichen) ich und der sozialen Rolle (Hausfrau) ausmacht. Wird das Selbstverständnis als Hausfrau tatsächlich als ein Teil des Selbstbildes geäußert? Ungefähr nach Ablauf der ersten Hälfte der Interviews wurde den 40 Frauen ein Test zur Selbsteinschätzung vorgelegt, den die amerikanischen Soziologen Manfort H. Kuhn und Thomas S. McPartland [13] entwickelt hatten - ein Test, der Daten zu diesem Punkt liefert. In seiner ursprünglichen Form besteht der Test einfach darin, die VersuchsPersonen aufzufordern, einen Satz, der mit "ich bin..." anfängt, zu ergänzen insgesamt zwanzigmal. Im vorliegenden Versuch wurde die Anzahl der Sätze auf zehn vermindert, weil der Test nur ein kleiner Teil eines ziemlich langen Interviews ausmacht. Den Frauen wurde ein Blatt Papier in die Hand gegeben, auf dem die Worte,Ich bin... in einer Nummern-Folge von 1 bis 10 erschienen. Sie wurden aufgefordert, ihre Sätze so schnell wie möglich niederzuschreiben und so zu antworten, als ob sie die Beschreibung der eigenen Person eher für sich selbst machten als für jemand anderes. Kuhn und McPartland zufolge überwindet diese Vorgehensweise die Schwäche, die unmittelbaren Fragen anhaftet, durch die das Selbstbild einer Versuchsperson aufgedeckt werden soll. Diese nämlich bieten: "keine Möglichkeit, das Gewicht einer Einstellung einzuschätzen; man wird so nie erfahren, ob die Einstellung überhaupt zum Ausdruck gekommen wäre, oder in der gleichen Art und Weise, wenn nicht danach gefragt worden wäre ... Wenn der Befragte als Antwort auf die "Wer bin ich"-Frage im ,Zwanzig-Sätze-Test' schreibt,ich bin ein Mann, ich bin ein Student... sollte man vernünftigerweise annehmen, daß wir weitaus mehr über jene Einstellungen erfahren, die sein Verhalten organisieren und lenken, als wenn auf einem Fragebogen und neben anderen Fragen die Fragen ,Halten Sie sich für einen Mann?', Halten Sie sich für einen Studenten?' aufgetaucht wären."[14]
Der Text ist also vor allem darauf ausgerichtet, den Stellenwert der verschiedenen Bestandteile des Selbstbildes zu ermitteln.
Kuhn und McPartland nehmen an, daß "die Reihenfolge der Antworten den Aufbau des Selbst-Bildes widerspiegelt". Bei ihren Anwendungen des Testes stellt sich heraus, daß die Reihenfolge der Bedeutsamkeit bestimmter Rollen bei verschiedenen kulturellen Gruppen unterschiedlich war. Die kulturelle Abstammung wurde z. B. im Test von Farbigen eher angegeben als von Weißen, und Geschlechtsrollenzugehörigkeit wurde im Test vorrangig und häufiger von Frauen als von Männern angegeben.[15]
Jede der 40 befragten Frauen versuchte, den Test auszuführen, obgleich die Anzahl der Sätze von 3-11 schwankte, mit einer durchschnittlichen Beantwortung von 8.03 bei einer erwünschten Anzahl von 10 je befragter Frau. In den Antworten kamen ein paar deutliche Schichtunterschiede zum Ausdruck. Einer der Unterschiede bestand darin, daß eine Arbeiterschichtfrau sich eher als Hausfrau beschreibt und im allgemeinen häuslich bezogene Antworten gab. Insgesamt 25 der 40 Personen schrieben an irgendeiner Stelle des Tests Ich bin eine Hausfrau. 17 dieser Frauen gehörten zur Arbeiterschicht. Tabelle 7.3. zeigt die entsprechenden Zahlen dazu. Die Frau eines Verkäufers und die eines Maurers geben folgende, für diese Gruppe typischen Antworten. Linda Farrell schreibt:

  • "Ich bin eine Hausfrau
    Ich bin eine Mutter
    Ich bin eine Durchschnittsfrau
    Ich bin eine Ehefrau
    Ich bin glücklich
    Ich bin einigermaßen hübsch.
    Ich bin eine Schwester.
    Ich bin eine Nachbarin
    Ich bin eine Freundin
    Ich bin gesellig"

und Marylin Thornton beschreibt sich selbst folgendermaßen

  • "Ich bin eine Hausfrau
    Ich bin eine Mutter
    Ich bin eine Sklavin
    Ich bin energisch
    Ich bin tüchtig
    Ich bin aufgeschlossen
    Ich bin fast dreißig"

Die Mehrzahl der Frauen, die sich als Hausfrauen bezeichnen, machen diese Aussage tatsächlich ganz oben im Test; 20 der 25 Aussagen Ich bin eine Hausfrau stehen an erster und zweiter Stelle.

Tabelle 7.3. Erwähnung der Hausfrauenrolle im Zehn-Sätze-Test und soziale Schicht:

Die Auswertung dieser Ergebnisse war problematisch, weil die Frauen sich möglicherweise deshalb als Hausfrauen bezeichneten, weil dies ein Interview über Hausarbeit war. Doch selbst wenn dies eine Rolle gespielt haben sollte, müßten immer noch die Unterschiede in den Antworten der Frauen geklärt werden - z. B. warum bezeichneten sich einige Frauen als Hausfrauen und andere nicht? Kann diese "Verzerrung" z. B. durch die Verteilung der Antworten nach sozialer Schicht erklärt werden? Da die Mehrzahl der Frauen Voll-Hausfrauen waren, konnte eine gewisse Selbsteinschätzung als Hausfrau ohnehin vorausgesagt werden.
Die offensichtlich größere Bedeutsamkeit einer Selbsteinschätzung als Hausfrau für die Frauen der Arbeiterschicht wird durch einen Blick auf die Gesamtheit der Antworten bezüglich der Häuslichkeit bestätigt. Andere Aussagen wie z. B. Ich bin eine 'Sklavin', Ich bin 'tüchtig' (in bezug auf Hausarbeit) sind ebenfalls Aussagen in Anlehnung an die Hausfrauenrolle. Tabelle 7.4. zeigt diese Aussagen sowie Persönlichkeits-Beschreibung (,Ich bin ein glücklicher Mensch') und Aussagen über seelische Verfassung (,Ich bin niedergeschlagen').
In sämtlichen, den häuslichen Bereich betreffenden Antworten wurde die Mehrzahl der Aussagen tatsächlich von Frauen der Arbeiterschicht gemacht. Die Antwortenliste von Shirley Archer veranschaulicht die Bedeutung des häuslichen Bereichs bei der Arbeiterschicht: Als Gegenbeispiel folgen hier die für die Mittelschicht typischen Aussagen von Elizabeth Gould, die sich selbst in anderen Begriffen darstellen kann:

  • "Ich bin eine gute Hausfrau
    Ich bin gut zu meinen Kindern
    Ich bin gut in der Hausarbeit
    Ich bin gut zu meinem Mann
    Ich bin gut im Wäschewaschen
    Ich bin manchmal überdrüssig
    Ich bin manchmal schlecht gelaunt
    Ich bin mit meiner Arbeit sehr glücklich
    Ich bin mit meinen Kindern glücklich
    Ich bin selten unglücklich" (Shirley Archer)

 

  • "Ich bin launisch
    Ich bin eine Frau, die schwer arbeitet
    Ich bin eine Frau, die zuviel redet
    Ich bin meistens glücklich
    Ich bin ein zufriedener Mensch
    Ich bin eine Frau, die immer andere Menschen braucht
    Ich bin eine Frau, die gerne ausgeht
    Ich bin oft zu herrschsüchtig
    Ich bin eine Träumerin
    Ich bin eine Frau, die sich Sorgen macht" (Elizabeth Gould)

Die erste dieser beiden Aufstellungen enthält nahezu keine Beschreibung der eigenen Persönlichkeit. Aussagen Nr. 6 und 7 beschreiben die seelische Verfassung - 'überdrüssigsein' und ,schlecht-gelaunt-sein'. Die letzten drei Aussagen versichern Zufriedenheit, jedoch nur drei Aussagen - Nr. 6, 7 und 10 - beziehen sich nicht in irgendeiner Form auf Hausarbeit oder auf die häusliche Arbeitsumgebung. 

Tabelle 7.4. Die Häuslichkeit betreffende und anderweitige Antworten im Zehn-Sätze-Test und soziale Schicht:

Doch das Selbstverständnis von Elizabeth Gould bezieht sich fast gar nicht auf ihre häusliche Situation -vielleicht ausgenommen die Aussage 'Ich bin eine Frau, die schwer arbeitet'. Sie beschreibt vielmehr Merkmale und Eigenschaften ihrer eigenen Persönlichkeit. Diese Tendenz teilt sie mit anderen Frauen der Mittelschichtgruppe; der Anteil an Persönlichkeitsbeschreibung ist bei der Mittelschicht doppelt so groß wie der bei der Arbeiterschichtgruppe.
Der Zehn-Sätze-Test scheint also die Unterschiede der sozialen Schichten bezüglich einer Selbsteinschätzung eindeutig aufzudecken. Um den Zusammenhang in den Untersuchungsergebnissen aufrechtzuerhalten, erscheint es notwendig, diese Ergebnisse mit einer grundsätzlichen Ähnlichkeit zwischen den Frauen der Arbeiterschicht und denen der Mittelschicht bezüglich der Identifikation mit der Hausfrauenrolle in Einklang zu bringen.
Die Erläuterung erfolgt in drei Abschnitten - Erstens berühren das Ausmaß der Identifizierung und die Antworten zum Zehn-Sätze-Test möglicherweise zwei verschiedene Ebenen. Identifikation ist eine wesentliche Grundlage für Anpassung, eine grundlegende und fortdauernde Eigenschaft der Persönlichkeit. Der klassischen Bestimmung gemäß ist Identifikation der wesentliche Vorgang auf dem Wege zur Verinnerlichung, und Verinnerlichung ist eine "Bedingung für die Aneignung von Normen und/oder Rollen, in Verbindung mit der Verpflichtung, entsprechend zu handeln oder unter Schuldgefühlen zu leiden."[16] Wird eine Norm verinnerlicht, so wird sie Teil der Person - dies drückt sich automatisch im Verhalten aus; sie wird nicht mit Abstand betrachtet und als eine äußerlich gesetzte Regel angesehen.
Tatsächliche Aussagen über die eigene Person (wie z. B. jene aus dem Zehn-Sätze-Test) haben u. U. hiermit nichts zu tun, sondern beziehen sich stattdessen auf psycho-linguistische Probleme hinsichtlich der Frage, inwieweit die eigene Person und die Rolle (der Hausfrau) im Selbstverständnis voneinander abweichen.
Wir kommen also zum zweiten Punkt unserer Erläuterungen, zur Frage der Schichtunterschiede im Sprachstil, was schon im 4. Kapitel erörtert wurde. Wenn wir den dort gemachten Aussagen folgen, sowie die Arbeit von Bernstein über Sprache und soziale Schicht zugrundelegen, kann folgendes gesagt werden: Ein Sprachstil mit offengelegter Bedeutung (der grob gesagt der Sprachstil der Mittelschicht ist) ist eine Sprache, in der psychologische Eigenschaften einer Person [17] zum Ausdruck kommen. Die Sprache mit verborgenen Bedeutungen (der Sprachstil der Arbeiterschicht) dagegen bevorzugt das 'wir' vor dem 'ich' und läßt die Rollenanpassung als gegeben erscheinen. Während alle Frauen in ziemlich ähnlicher Art und Weise im Hinblick auf Häuslichkeit sozialisiert worden sind nämlich durch Identifikation mit der Mutter (und/oder anderen erwachsenen Frauen) wobei sie die überzeugung verinnerlichen, selbst auch Hausfrau werden zu müssen - so ist der sprachliche Prozeß des Rollenlernens bei der Arbeiterfrau so angelegt, daß das Ich< ein Bestandteil der Rolle wird. Mit anderen Worten: die begriff liche Unterscheidung der eigenen Person von der Rolle wird durch den Sprachgebrauch behindert, der den Rollenerwerb begleitet. Da wo dieser Sprachgebrauchdie Gemeinsamkeitender Erfahrung und die Identifikation betont - alle Frauen sind Hausfrauen' - verliert die Entwicklung der Einzelpersönlichkeit an Bedeutung wie an Möglichkeiten.
Eine dritte überlegung macht auf die Beziehung zwischen den Antworten im Zehn-Sätze-Test und weiteren Faktoren aufmerksam. Im 4. Kapitel wurden soziale Schichtunterschiede bezüglich der Frage Mögen Sie Hausarbeit? festgestellt. Die Schichtunterschiede in den Aussagen über das Selbstbild ähneln den Unterschieden bezüglich der Einstellung zur Hausarbeit. Wie in Tabelle 7.5. gezeigt wird, besteht zwischen diesen beiden Merkmalen eine enge Beziehung.

Tab. 7.5. Antworten zur Frage "Mögen Sie Hausarbeit?" und Erwähnung der Hausfrauenrolle im Zehn-Sätze-Test:

Diese Beziehung läßt vermuten, daß für die nach Schicht unterschiedlichen Aussagen über die Hausfrauenrolle folgendes verantwortlich sein könnte: die sprachliche Prägung der Antworten (und vermutlich auch die Erwartungshaltungen bezüglich der weiblichen,Häuslichkeit') sind je nach Schicht unterschiedlich. Da die Antworten im 10-Sätze-Test zum Teil Äußerungen einer Bindung an die Hausfrauenrolle darstellen, sind wahrscheinlich die Sprache und die in bestimmten Gruppen herrschenden Erwartungshaltungen bezüglich weiblicher Zufriedenheit mit Hausarbeit von Bedeutung. Dagegen ist eine Einschätzung der identif ikation mit der Hausfrauenrolle durch die interviewerin selbst von diesen Verwicklungen verhältnismäßig frei.
Diese Auslegung der Schichtunterschiede in den Antworten des 10-Sätze-Tests - daß sie nämlich mit der Ähnlichkeit der Schichten in Bezug auf die häusliche Rollen-Identifikation durchaus vereinbar sind - bedeutet natürlich nicht, daß die Test-Antworten für sich genommen kein Gewicht und keine Bedeutung hätten. Ob eine Frau sich selbst als Hausfrau sieht oder nicht, wird wahrscheinlich das Verhalten der Frau in verschiedener Hinsicht beeinflussen. Ihr Selbstbild ist zum Beispiel in Bezug auf die Wahl der Ausbildung oder des Berufs von Wichtigkeit; es kann die eheliche Beziehung beeinflussen und hat sehr wahrscheinlich auch eine Auswirkung auf die Art und Weise, wie die Mutter ihre Töchter erzieht. Aus diesen Gründen ist die Feststellung wichtig, daß nur eine klare Minderheit unter den 40 Frauen ein Selbstverständnis äußert, das stark auf das Hausfrauendasein ausgerichtet ist. Die auf Seite 145 bereits zitierte Antwortenliste von Shirley Archer ist hierfür ein Beispiel. Ihre Erweiterung von der Aussage ,Ich bin eine Hausfrau' zu ,Ich bin eine gute Hausfrau' ist ein Muster, dem auch andere Frauen folgen:

  • "Ich bin eine Frau
    Ich bin eine Hausfrau
    Ich bin eine Mutter
    Ich bin glücklich
    Ich bin eine gute Hausfrau" (Olive Brennan, die Frau eines Fabrikarbeiters)

 

  • "Ich bin eine Hausfrau
    Ich bin auf dem Weg zum Einkaufen
    Ich bin eine Mutter
    Ich bin eine gute Hausfrau
    Ich bin eine Mutter von vier Kindern
    Ich bin eine tüchtige Arbeiterin
    Ich bin eine Ehefrau
    Ich bin gut im Saubermachen
    Ich bin gut im Wäschewaschen
    Ich bin immer am arbeiten." (Janet Gallagher, die Frau eines Beifahrers)

 

  • Ich bin eine sehr fleißige Hausfrau
    Ich bin immer auf Trab
    Ich bin nicht faul
    Ich bin eine gute Hausfrau, glaube ich
    Ich bin ein sanfter Mensch
    Ich stehe sehr auf Mode
    Ich bin ganz für meine Kinder da
    Ich gehe gern einkaufen
    Ich wasche gern
    Ich mache gern sauber"(Jill Duffy, die Frau eines Malers und Dekorateurs)

In diesen Beispielen ist das Gefühl von Können und Leistung in keiner Weise von der Bejahung der Häuslichkeit getrennt. Die Aussagen von Sally Jordan veranschaulichen eine andere Seite dieses Sachverhalts:

  • "Ich bin Hausfrau und arbeite.
    Ich bin ein willensschwacher Mensch
    Ich bin ein sehr einsamer Mensch
    Ich werde von meinem Mann beherrscht
    Ich bin ein gewissenhafter Mensch
    Ich bin teilzeit-beschäftigt
    Ich bin zuhause ein ordentlicher Mensch
    Ich bin genau, was die Kleidung meiner Kinder angeht
    Ich mache mir viele Sorgen ums Geld
    Ich bin ein sehr freundlicher Mensch"

Die erste Aussage Ich bin eine Hausfrau und arbeite bezieht sich hier auf die Tatsache, daß Sally Jordan außer Hause arbeiten geht (Teilzeitarbeit in einer Fabrik). Sprachlich unterscheidet sie jedoch nicht zwischen Haushalts- und beruflicher Arbeit. Natürlich enthält sie auch die landläufige Annahme, daß Hausarbeit keine Arbeit ist. Sie wird erweitert durch die spätere Bemerkung ,Ich bin teilzeit-beschäftigt', und auf diese Feststellung folgt wiederum unmittelbar ein Hinweis auf ihr Verhalten bei der Hausarbeit.
Die in diesen Antworten wiederholte Bezugnahme auf den häuslichen Bereich macht deutlich, da£ die Frauen nicht in der Lage sind, aus ihrem Teufelskreis auszubrechen - jenem Kreislauf von Begriffen und Vorstellungen, der sie in ihrem hausfraulichen Selbstbild einsperrt. Ein weiteres Zeichen für diesen Sachverhalt ist die schlichte Unfähigkeit, sich selbst zu beschreiben. Als ich zwei Frauen 15 Minuten Zeit gab, um den Satz 'Ich bin...' zehnmal zu ergänzen, schrieben sie die folgenden Sätze:

  • "Ich bin eine Hausfrau
    Ich bin freundlich
    Ich bin eine Mutter" (Beatrice O'Leary, die Frau eines Maschinisten)

 

  • "Ich bin eine Hausfrau
    Ich bin eine Mutter
    Ich bin eine Ehefrau
    Ich bin eine Frau" (FaIth Abraham, die Frau eines Arbeiters)

Das Test-Ergebnis von Olive Brennan zeigt die gleiche Verkürzung. Keine dieser Frauen war in der Lage, irgend etwas anderes zu schreiben: eine von ihnen schrieb ihre Antworten in ungefähr einer Minute und sagte dann: "Mir fällt wirklich nichts anderes ein". Sie starrte noch ein paar Minuten lang auf ihr Blatt, kam aber nicht weiter. Das Verhalten der beiden anderen Frauen war ähnlich: zwei von ihnen waren während des restlichen Interviews sehr gesprächig, und nur Beatrice O'Leary's 10-Sätze-Test entstand im Rahmen eines durchweg zähflüssigen Interviews.
Durch die nähere Betrachtung einer bestimmten Gruppe von sechs Frauen der Arbeiterschicht (nämlich die sechs Frauen, die alle in Irland geboren und aufgewachsen sind), kann eine gewisse Einsicht in die ausgeprägte Häuslichkeit' in der Selbsteinschätzung gewonnen werden. Zu diesen sechs Frauen gehören jene drei, die nicht in der Lage waren, mehr als einige wenige Aussagen zu machen, sowie Jill Duffy und Janet Gallagher, die immer wieder auf das Hausfrauenthema zurückkamen. Die sechste in der Gruppe, June Doyle, lieferte im wesentlichen das gleiche Bild durchgängiger Häuslichkeit, jedoch machte sie noch zwei Aussagen über die Persönlichkeit. Ebenso wie einige andere Frauen fand sie den 10-Sätze-Test schwierig. Nach der Niederschrift der ersten zwei Aussagen sagte sie Ich kann nicht - außer 'Ehefrau' und 'Mutter'- und ,Hausfrau'- Ich habe nie viel darüber nachgedacht."
Die Aussagen der irischen Frauen während der Interviews stützen die Vermutung, daß die herkömmliche Erziehung der irischen Frauen mehr Wert und größeren Nachdruck auf die weibliche Häuslichkeit legt als es bei den in England geborenen Frauen der Fall ist. Nach Angaben der Frauen haben einen entscheidenden Einfluß: (1) die Hausfrauenrolle der Mutter selbst - wobei die große Anzahl Kinder und eine schlechte technische Ausstattung des Haushalts allgemein eine Menge Hausarbeit mit sich bringt. Dadurch wird die Mutter selbst in hohem Maß auf den häuslichen Bereich verpflichtet, (2) die Rolle, die die Hausfrau bereits als Kind bei der Unterstützung der Mutter im Haushalt gespielt hat und (3) die sehr eingeschränkten Möglichkeiten der irischen Frauen außerhalb des Hauses.
Von den sechs irischen Frauen beendeten vier die Schule mit 14 Jahren. Der soziale Hintergrund von allen Frauen war eine große Familie und eine sehr häusliche Mutter. Wir zitierten bereits die diesbezüglichen Erinnerungen von Faith Abraham. Jill Duffy war eines von 14 Kindern; sie sagt über ihre Mutter:

  • "Es kam vor, daß sie nachts nicht zu Bett ging ... als wir klein waren, arbeitete sie die ganze Nacht hindurch, sie wusch und bügelte. Wir Mädchen halfen ihr, die Jungen nicht. Ich habe mit Begeisterung gebügelt und saubergemacht. Ich machte immer gern die Schlafzimmer ... Das war meine Aufgabe."

Die gleiche Einstellung ist heute sichtbar:

  • "Ich putze einfach gern",

sagte sie zu Anfang des Interviews:

  • "Ich bin einfach glücklich dabei. Ganz egal wie schmutzig es ist. Es macht mir nichts aus."

Oder nehmen wir June Doyles Erinnerungen an ihre häusliche Arbeit in ihrer Kindheit:
"Mögen Sie Hausarbeit?"

  • "Nun ja - doch, wissen Sie. Ich wurde so erzogen. Wir hatten eine große Familie, und weil wir so viele waren, halfen wir mehr oder weniger mit im ganzen Haushalt, außer beim Wäschewaschen.

"Wie fühlen Sie sich, wenn Sie mal nicht alles so geschafft haben?"

  • "Ein bißchen enttäuscht. Man hat gern alles hinter sich gebracht und kann sich dann hinsetzen. Meine Mutter hat da die gleichen Ansprüche. Ich wurde so erzogen ... es ist einem eingetrichtert worden, wie eine Religion...

"Erinnern Sie sich daran, ihrer Mutter im Haus geholfen zu haben, als Sie ein Kind waren?"

  • "Sobald wir eben an das Spülbecken herankamen. Wenn ich mit einer Freundin zum Spielen hinausging, hatte ich immer ein oder zwei Schwestern an meiner Hand, die ich beaufsichtigen mußte. Ich bin richtig daran gewöhnt. Ich bin damit groß geworden. An den Feiertagen wurden die Betten förmlich auseinandergenommen, und der Fußboden wurde praktisch auf den Kopf gestellt ... und alle meine Freundinnen waren dann draußen beim Spielen oder zum Picknick, und wir mußten im Haus bleiben und saubermachen. Als ich arbeiten ging, kam ich immer zur gleichen Zeit nach Haus wie meine Freundinnen, doch die drehten sich dann die Haare auf Lockenwickler, und ich hatte immer einen Berg Bügelwäsche vor mir -,Soll sich Mutter auch mal ein bißchen ausruhen'."

Beschreibungen irischer Lebensgewohnheiten sind hierfür der Hintergrund. Sie schildern eine scharfe geschlechtsspezifische Trennung der Arbeit mit der Betonung auf der häuslichen Rolle der Frauen. In seiner Arbeit The Irish Countryman (Der irische Landbewohner) zitiert Conrad Arensberg einen Bauern:

"Wenn die Frau nicht wäre, würde der Bauer nicht durchhalten, und wenn er für einen seiner Söhne eine Frau aussucht, sollte er sich nach einem Haus umsehen, wo eine arbeitsame und kluge Frau gewesen ist, denn sie hat ihren Töchtern das Arbeiten beigebracht, und das ist was nottut."[18]

Die gezielte Einführung der Mädchen in die häusliche Rolle macht in diesen herkömmlichen irischen Gemeinwesen einen wichtigen Anteil ihrer weiblichen Erziehung aus. Wie Alexander J. Humphreys im New Dubliners (Die zugewanderten Dubliner) beschreibt, ist eine Entwicklung zu erkennen, die das gleiche Muster ins Stadtleben überträgt. Humphreys schildert die elterlichen Rollenerwartungen in Dubliner Familien bezüglich ihrer erwachsenen Kinder:

"Die Frage der Ehe berührt nicht wesentlich die Überlegungen zur Erziehung und Ausbildung der Jungen. Sie nimmt jedoch das Hauptgewicht bei der Ausbildung und Erziehung der Mädchen ein, denn die Rolle der Hausfrau und Mutter ist der wünschenswerte und wahrscheinliche Lebensweg der Frau."[18]

Die Einübung der Frau in die herkömmliche häusliche Arbeit durch die Familie wird noch durch eine Ideologie unterstützt, die eine häusliche Beteiligung des Mannes als unnatürlich ansieht.

"Abgesehen von ein paar kleineren Reparaturarbeiten im Haushalt ... sind die Dienstleistungen in der Familie ausschließliche Aufgabe der Frau, bis ihre Töchter alt genug sind, um ihr zu helfen... Die Ehemänner verachten Hausarbeit vorwiegend und fürchten, sich als Pantoffelheld lächerlich zu machen, wenn man sie dabei erwischt ... Eine Frau mit drei Söhnen und keiner einzigen Tochter bemerkte dazu: Es gilt als selbstverständlich, daß Jungen keine Hausarbeit machen ... so daß dir, wenn du Töchter hast, geholfen wird; hast du keine Töchter, machst du die Arbeit allein![20]

Humphrey entdeckt, daß Eheleute im städtischen Bereich eher ein größeres Maß an gemeinsamen Interessen und Beschäftigungen haben als es in ländlichen Gemeinden üblich ist. Er bemerkt ebenfalls, daß zur Rolle der Frau noch die Aufgabe der Regelung der Geldangelegenheiten hinzugekommen ist, und daß diese Tatsache die Geschlechtertrennung jedoch noch verstärkt hat (wenngleich sie den oberflächlichen Eindruck von Partnerschaft in der Ehe vermittelt).[21]
Im englischen Stadtleben, wo die sechs irischen Frauen der vorliegenden Untersuchung leben, wurde das Muster der unterschiedlichen Geschlechtsrollen - mit der Ehefrau als Verwalterin des Geldes - deutlich. Es ist außerdem zu beobachten, daß eine fortwährende Einordnung in den erweiterten Familienverband dazu beiträgt, die häusliche Rolle der Frau zu verfestigen. Fünf der sechs Frauen haben Verwandte in England. Falth Abraham ist typisch für diese fünf Frauen: ihre häufigsten Besucher sind ihre beiden unverheirateten Schwestern, die ebenfalls in London leben. An Wochenenden und wenn sie nicht bei der Arbeit sind, besuchen sie sie. Abgesehen von diesen Besuchen seh ich vielleicht noch aus irgendeinem Anlaß die Frau von nebenan, aber sonst schere ich mich nicht um Besuche'. Damit meint sie, daß sie nie die Wohnungen anderer Leute betritt, - z. B. auf eine Tasse Tee, während die Kinder spielen. Der Ausdruck 'Leute' wird auf Nichtverwandte angewendet; Verwandte werden immer mit Namen genannt. Diese Begriffsverwendung geht noch auf einen traditionellen Brauch in Irland zurück: 'Freund' bedeutet Verwandter'.[22]
Das Material der vorliegenden Untersuchung legt zusammen mit anderen Studien die Vermutung nahe, daß die herkömmliche Erziehung des irischen Mädchens im allgemeinen eine stärkere Betonung der häuslichen Rolle mit einbezieht als es bei den englischen Frauen der Fall ist, obgleich die Erziehung einiger englischer Arbeiterschichtfrauen ganz ähnlich verlaufen ist - wie die Interviews der vorliegenden Untersuchung beweisen. Wenn man die häusliche Rolle der Frau auf einer Skala betrachtet, so steht die herkömmliche irische Erziehungsweise gemeinsam mit einigen der am meisten an die häusliche Rolle angepaßten Beispiele englischer Frauen an einem Ende der Skala. Am andern Ende wäre der Fall zu suchen, in dem die nicht-häuslichen Fähigkeiten des Mädchens gefördert werden, und wo seine Beteiligung an mütterlichen Haushaltspflichten keinen her-vorstechenden Anteil an ihrer Erziehung ausmacht.
Bevor wir das Thema Kindheitserfahrung und Selbstbild verlassen, sollen noch einige untergeordnete Ergebnisse erwähnt werden. Abgesehen von der größeren Häuslichkeit im Selbstbild der Arbeiterschichtfrau und der Fähigkeit zur Persönlichkeitsbeschreibung der Mittelschichtfrau werden durch den Zehn-Sätze-Test zwei weitere Schichtunterschiede erhellt. Es handelt sich hierbei 1.) um die Neigung der Mittelschichtfrau, die Rolle der Ehefrau und Mutter - oder eine von beiden - zu erwähnen, ohne gleichzeitig die Hausfrauenrolle zu erwähnen, (mehr Mittelschichtfrauen als Arbeiterschichtfrauen haben überhaupt die Rolle der Ehefrau angeführt); und 2.) um die größere Neigung der Mittelschichtfrauen, sich selbst in nicht haushaltsbezogenen Rollen darzustellen - bzw. ihre politische, religiöse oder andere Art der Zugehörigkeit zu nennen. (Tabelle 7.6. liefert die entsprechenden Zahlen.)
Die erste dieser beiden Tendenzen verweist auf die etwas stärkere Unterscheidung der drei Rollen in der Familie der Mittelschichtgruppe: Arbeiterschichtfrauen ordnen die Rolle der Mutter und der Ehefrau eher unter den Oberbegriff Hausfrau ein. Bei vier Mittelschichtfrauen bezieht sich die einzige Aussage im Test über die häusliche Rolle auf die Mutterrolle.
Insgesamt gesehen ist das Vorkommen von Aussagen bezüglich nicht häuslicher Rollen im Verhältnis zu sämtlichen Antworten im Zehn-Sätze-Test prozentual niedrig - vier Prozent insgesamt.
Zusammen mit dem Material aus den Interviews über weibliche Erziehung zur Häuslichkeit und über deren Identifizierung mit der Hausfrauenrolle ist dieses Ergebnis ein schlagender Beweis für die Bedeutung des häuslichen Bereichs für die 40 jungen Hausfrauen dieser Untersuchung. Obgleich sich diese Frauen in einem Lebensabschnitt befinden, in dem die Betonung der Häuslichkeit möglicherweise ihren Höhepunkt erreicht hat, ist es schwierig, sich vorzustellen, wie ihre grundsätzliche Verbundenheit mit der Hausfrauenrolle durch irgendeine spätere Erfahrung oder Lebensart infragegestellt werden könnte. In den Aussagen der Hausfrauen zu ihrem Selbstbild können Schichtunterschiede festgestellt werden, die je nach sozialer Schicht unterschiedliche Fähigkeiten zur Selbstwahrnehmung vermuten lassen. Sie stehen im Gegensatz zu den Ähnlichkeiten zwischen den sozialen Schichten bezüglich der Identifizierung mit der häuslichen Rolle; und es ist gerade die Beständigkeit dieses zuletzt genannten Umstandes, der das größte Hindernis auf dem Wege zu einer Veränderung darstellt. Ein grundsätzlicher Angriff der herkömmlichen Gleichsetzung von Weiblichkeit mit Häuslichkeit wird kaum möglich sein, solange die Wurzeln der Häuslichkeit in der weiblichen Persönlichkeit und dem weiblichen Selbstbild fest verankert bleiben.
Eine letzte Frage betrifft die Bedeutung der Identifikation für die Arbeitszufriedenheit. Tabelle 7.7. zeigt eine erkennbare (statistisch jedoch unbedeutende) Beziehung zwischen den beiden Merkmalen.

Tabelle 7.6. Antworten zu dem 10-Sätze-Test gegliedert nach Rolle und Gruppe, und soziale Schicht:

Tabelle 7.7. Arbeitszufriedenheit und Identifizierung mit der Hausfrauenrolle:

Daß keine eindeutige Beziehung auftritt, war vorherzusehen. Die - vornehmlich unbefriedigende - Erfahrung, Hausarbeit zu machen, ist das Bindeglied zwischen Erziehung zur Hausfrauenrolle und erreichter Befriedigung durch Hausarbeit. Zu viele andere Einflüsse wirken auf diesen Zusammenhang ein, als daß allein eine starke Identifizierung mit der Hausfrauenrolle unmittelbar als Ergebnis die Arbeitszufriedenheit gewährleisten könnte. Obwohl bei Untersuchungen über Erwerbstätige die Identifikation mit dem Beruf bislang kaum untersucht worden ist, wird diese Erkenntnis durch die wenigen Untersuchungen zu diesem Thema gestützt. Es ist festgestellt worden, daß im Falle des industriearbeiters oder Büroangestellten eine starke Identifikation mit dem Beruf mit einem allgemeinem Interesse an der Arbeit verknüpft war; sie vermindert anscheinend auch das Auftreten von beruflichem Stress.[23] Eine berufliche Vorbereitung, die über eine frühe Identifizierung mit diesem Beruf zustandekommt, bietet jedoch wahrscheinlich nicht die wunderbare Lösung des Problems Arbeitsunzufriedenheit.