Bei den derzeitigen düsteren Aussichten unserer Politik verwundert es nicht, daß die unüberwindbare Grenze der Zeit die Vorstellung einer Erlösung von den Fesseln des Alltags durch energische Bemühungen um sozialen Wandel mit dem Flüstermythos einer besseren Zukunft heraufbeschwört. Bei der Analyse der technischen Komponenten der Zukunft möchte ich die Wirkungen der Technologien auf das Leben der Frauen erkunden. Zum Beispiel stellt Science fiction (außer der von Frauen geschriebenen Literatur) immer Frauen im Dienste der Männer dar; in Anzeigen finden wir die Frauen der Zukunft bei der Anwendung eines bestimmten Reinigungsmittels, »um den Mond sauberzuhalten«; Projektionen von Futuristen, wie die kürzlich in der Los Angeles Times vorgestellte Vision der Stadt im Jahr 2080, schließen Frauen erst gar nicht ein.
In ihrem Gedicht »Autumn Sequence« schreibt Adrienne Rich »von den künftigen Botschaftern in ihren schmutzigen Stiefeln / am preiselbeer-dunklen Horizont«. In diesem Artikel möchte ich mir die Stiefel etwas genauer anschauen, trampeln sie doch oft genug in Büros, zu Hause auf dem Leben der Frauen und auf ihren Körpern herum.
Bevor ich mich näher mit diesen drei Themen auseinandersetze, scheint ein Blick auf die engen Verflechtungen zwischen Wirtschaft und Technik notwendig. Wirtschaftswachstum im kapitalistischen Westen wird nach der Entwicklung neuer Produkte und einer entsprechenden Käufer/innenschicht bemessen. Die Produktion erhöht sich mit Investitionen in hochwertiger, teurer Technologie, die ineffiziente Arbeit ersetzt.[1] Die vorherrschende Wirtschaftsmacht der Vereinigten Staaten wird derzeit durch die technologisch fortschrittlicheren Wirtschaftsformen Japans und Westdeutschlands herausgefordert.
Jede Vorschau in die wirtschaftliche Zukunft beruht auf der Wirtschaft der Gegenwart, einer Gegenwart, in der nur zögernd die Wirtschaft als Frauenthema erkannt wird: Die Armut ist weiblich — zwei Dritteln aller Haushalte unterhalb der Armutsgrenze stehen Frauen vor. Frauenberufe befinden sich am unteren Ende der Lohnskala, und weiterhin leisten Frauen zwischen 80 und 90% der unbezahlten Arbeit zu Hause, obgleich es immer mehr Haushalte gibt, in denen beide verdienen.[2]
Technischer Fortschritt für Frauen muß also daran gemessen werden, ob die neuen Technologien diese wirtschaftlichen Gegebenheiten ändern oder ob sie die Frauen in der Rolle der Roten Königin von »Alice im Wunderland« belassen, die ja bekanntlich immer schneller und schneller rennen muß, um am selben Ort zu bleiben.
Seit Charles Dickens erstmals die bürokratische Ausbeutung beschrieb, stand das Büro schon lange nicht mehr derart im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit wie heute. Neue computergesteuerte Büroausstattungen reduzierten die Zeit für das Abtippen; elektronengespeicherte Informationen wurden schneller auffindbar. So verbesserte sich der Alltag einer Sekretärin tatsächlich. Doch viele Firmen wenden die neue Technologie nicht dezentralisiert an, was den Bedürfnissen der damit Arbeitenden entspräche, sondern kehren zum alten Schreibsaal zurück und degradieren die Arbeit der Sekretärinnen (98% Frauen) zu Datentypistinnen. Diese Tätigkeit bietet keinerlei Aufstiegschancen. Es ist kein Zufall, daß die Automation gerade jetzt Einzug ins Büro hält, wo die Frauen gleichen Lohn für gleiche Arbeit verlangen, die Büroangestellten sich gewerkschaftlich organisieren und die Frauen aus dem »Rosa-Kragen-Ghetto« öffentliche Pressekampagnen zu diesem Thema führen.
Es wäre zu einfach und auch ungerecht, schrieben wir den Verlust traditioneller und oft undankbarer Frauentätigkeiten nur dem Einfluß der Technik zu. Würden die Frauen in der Handhabung neuer Techniken unterwiesen und erhielten vergleichsweise höhere Löhne für ihre Fertigkeiten, könnte die Technologie Frauen neue Karrieren in Bereichen mit großer Nachfrage nach Fachkräften und ausbaufähiger Zukunft eröffnen. Dazu bedarf es jedoch längerfristiger Planungen und Projektionen als bisher, vor allem für die hochbezahlten Computerjobs.
In seiner Juliausgabe beschrieb das »Computerworld« Magazin 1980 die Programmierer/innen der Zukunft als niedrig bezahlte Büroangestellte »mit großer Anpassungsfähigkeit an fabrikähnliche Produktionsbedingungen«. Schließlich würden Softwaresysteme, die andere Software hervorbringen »die Notwendigkeit menschlicher Programmierer/innen auf ein Minimum reduzieren«. In derselben Ausgabe berichtet das Magazin von einer nationalen Wissenschaftsstiftung an der Universität von Texas in Austin, die Frauen in den Computerwissenschaften »vor allem als Programmiererinnen« ausbilden will.
Solche Ereignisse nähren natürlich die Sorge, daß Frauen lediglich in die »Konfektionstechnologie eingeweiht« werden. Außer Machterhaltung gibt es keinen Grund dafür, daß Frauen weiterhin die Rolle »der armen Waisenkinder des technischen Zeitalters spielen«, wie Alice Embree in einem Aufsatz in »Sister-hood is Powerful« bemerkte.
Da die meisten Frauen zwei Arbeitsplätze haben, sollten die Auswirkungen der Technik auch auf beide untersucht werden. Werden neue Technologien beispielsweise tatsächlich den verschrobenen Ausspruch von der »Mutter als bester Roboter eines Haushalts« ändern?[3]
Mikroprozessor-Chips, eigentlich cornflake-große Computer, werden in zahlreiche Apparate und Apparaturen eingebaut, um vom Licht bis zum Kaffeemachen alles automatisch zu steuern. Mit der zunehmenden Anzahl von Heimcomputern und Telefon/Kabel-Anschlüssen wird der Alltag immer stärker elektronisch organisiert. Zum Zeitungskauf brauchen wir ebensowenig aus dem Haus zu gehen wie zum Gemüseeinkauf, der Zahlung von Rechnungen, der Bearbeitung von Bankaufträgen. Wir können zu Hause unsere Stimme für Ortswahlen abgeben, uns ein Unterhaltungsprogramm aussuchen, eine Reise buchen, forschen, den Kindern bei den Hausaufgaben helfen, Videoprogramme aus der städtischen Bibliothek bestellen. Solche Systeme werden derzeit von Kalifornien bis Florida für ihre Anwendung zu Hause erprobt.[4]
Während die Telekommunikation also Zeit und Benzin spart, wird dieses Leben aus zweiter Hand seinen Preis haben. Zunächst werden die Frauen im Haus Arbeiten umsonst verrichten, für die früher andere Frauen bezahlt wurden: Bankangestellte, Verkäuferinnen, Buchhalterinnen. Zum anderen werden Frauen wieder die Füße gebunden, diesmal mit Glasfaser - denn die elektronische Technologie bietet kaum noch Gründe, das Haus zu verlassen. Das erschwert den Zusammenhalt unter Frauen, den politischen Kampf und den Informationsfluß, der am wichtigsten ist: nämlich die unerwartete, spontane Information. Drittens kann das Sammeln demographischer Daten aufgrund von Einkaufslisten [5] nicht nur die Privatsphäre aufheben, sondern Nachrichten so zensieren, daß sie die Erwartungen einer bestimmten Gruppe erfüllen.
Die Konsequenzen dieser Reprivatisierung oder Re-Isolation der Hausfrauen werden zuwenig bedacht. In seinem Buch »The Third Wave« sagt der Futurist Alvin Toffler freudestrahlend den Tag des vollelektronischen Hauses voraus, wo sogar zu Hause über den Computer gearbeitet werden kann. Ohne auch nur das geringste Schamgefühl begrüßt Toffler die neuen Systeme, mit denen »verheiratete Sekretärinnen zu Hause arbeiten und die Kinder beaufsichtigen können«. Kein Wort darüber, daß auch Männer zu Hause arbeiten und für die Kinder sorgen könnten.
Nur zu oft werden die neuen Techniken von Männern entwickelt (lediglich 1,6% aller Elektroingenieure in den Vereinigten Staaten sind Frauen [6]), die alte Werte hochhalten. Sie halten weiterhin an der Vorherrschaft der Kleinfamilie fest, sehen nicht die vermehrten Chancen der Frauen, und so transportieren sie dann diese Bedingungen, die ihnen ja in Vergangenheit und Gegenwart Bequemlichkeit bescherten, weiter in die Zukunft. Die Architekturkritikerin Ada Louise Huxtable beklagte beim Anblick postmoderner Architektur, »die Aufhebung der Zukunft im ganzen Land«.
Nach der Betrachtung von Büro und Heim wenden wir uns nun dem All erpersönlichsten zu: dem weiblichen Körper. Für die wenigen Leser/innen, die sich Aktien der Gentechnologiefirmen kauften, ist der Einfluß der Gentechnik offenkundig. Für die Nichtinvestierenden wirft dieses rapide Wachstum der biologischen Industrien unerwartete Fragen auf. Was sagen uns diese Geschichten über Retortenbabys, Ersatzmütter und die Kuh, die ein im Labor gezeugtes Kalb austrägt, über die Frau und ihre Kontrolle über den eigenen Körper?
Die Geschichte des männlichen Begehrens nach der Fortpflanzungskontrolle, dem einzigen Aspekt der Natur, den Männer nicht beherrschen, ist gut dokumentiert.[7] Von der Kontrolle über Entwicklung, Verkauf und legale Verfügbarkeit empfängnisverhütender Maßnahmen bis zur Geburt, die Gynäkologen den Hebammen aus der Hand nahmen, zeigt die Geschichte, daß trotz der Antibabypille die Frauen überall die Macht über ihre Fruchtbarkeit verloren haben. Frau sollte sich die neuen Reproduktionstechnologien gerade dann genau anschauen, wenn die Abtreibung wieder unter Beschuß steht; denn wenn Frauen das Recht verlieren, »nein« zu einer ungewollten Schwangerschaft zu sagen, könnten sie auch das Recht, »ja« zu sagen, verlieren. Wenn sich die Frauen nicht um dieses Thema kümmern, werden die Entscheidungen darüber, wer ein Kind austragen kann oder wessen Gene »akzeptabel« erscheinen, Ärzten überlassen, die die Forschung auf diesen Ebenen weitertreiben und sich dabei mehr an der Börse orientieren. Die Rolle der Frau in der Biologie könnte dann auf den Avatar männlichen Vergnügens reduziert werden.
Die Unwissenheit der Frauen in Naturwissenschaften und Technik, ihr Nicht-vertraut-Sein mit der herrschenden Technokratensprache und ihre anerzogene Hilflosigkeit angesichts von Maschinen führten dazu, daß Frauen vom Mythos technologischen Determinismus in die Irre geführt wurden. Es ist an der Zeit, mit der Beschimpfung von Mutter Natur aufzuhören und darauf hinzuweisen, daß die Fehler von Vater Zeit und Uncle Sam begangen wurden.
Bis zum Zeitpunkt, da eine neue Technologie auf den Markt kommt, hat eine Firma bereits Hunderte bis Tausende von Millionen Dollar in die Entwicklung gesteckt. Wann sollte also die soziale Einschätzung der Technologie erfolgen? Wann ist es dafür zu spät? Wie können Frauen früh genug in die Entwicklungsprozesse einbezogen werden, so daß ihre Belange Berücksichtigung finden? Dafür brauchen wir auch Frauen, die fähig sind, »Nein« zu sagen und »Das läßt sich nicht verkaufen«. Dann könnte eine Produktentwicklung noch rechtzeitig geändert werden.
Das andere Problem ist Uncle Sam. In vielen Fällen werden neue Technologien durch Forschung und Entwicklung in militärischen und luftfahrtechnischen Gebieten mit Regierungsverträgen über Jahre, oft Jahrzehnte vorbestimmt. In anderen Fällen wie dem »Krieg gegen Krebs« bestimmt die Regierung die Zielrichtung, den Standort sowie die Verteilung der Gelder. Es gibt aber auch noch viele andere indirekte Wege, wie die Vorschriften für Kabelfernsehen und Ölindustrie, wo die Regierung entscheidet, welche Dienstleistungen der Öffentlichkeit zugute kommen. Schließlich gibt es noch ganz subtile Verfahren, wie die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs über die Patentierung neuer Lebensformen.[8] Damit gestaltet die Regierung die Zukunft. Wird die Maske der Natur heruntergezogen, zeigt die Technik ihr bekanntes politisches Gesicht.
Als Beispiel für diesen Mythos von der technischen Determiniertheit betrachten wir nur einmal das Experiment der National Women's Agenda, die 1977 einen NASA-Satelliten benutzte. Als die Agenda ihr Programm plante, tauchten plötzlich unerwartete »technische« Probleme auf: Bei der Erwähnung der Worte »Lesbianismus« und »Abtreibung« würde der Satellit vom Himmel fallen, und die NASA-Ingenieure würden wie die Idioten herumirren.[9] Im übrigen fiel kein einziger Satellit vom Himmel, als die Frauen Privat-Transporter für die Frauenkonferenz der Vereinten Nationen in Kopenhagen mieteten oder für das amerikanische Treffen der Akademikerinnen 1981.[10]
Was also kann angesichts der Tatsache, daß die neuen Technologien inhaltlich oder formal das patriarchale Wertsystem aufrechterhalten, getan werden? Wie können Frauen eine Umkehr dessen erzwingen, was von Jacques Ellul in »The Technological Society« als Gesellschaft beschrieben wurde, »die ständig nach besseren Wegen zu kaum überprüften Zielen sucht«.
Zunächst und vor allem müssen Frauen die Frage nach technologischen Entwicklungen in aller Öffentlichkeit stellen, die Gesellschaft zum Verständnis von Sprache und Methoden der Technik erziehen. Das müßte bereits in der Hauptschule passieren. Zweitens müssen Frauen versuchen, die Kluft zwischen technologischen Besitzern und technologischen Habenichtsen zu verringern. Denn diese Kluft schafft Ungleichheiten. Solch hochfliegende Ziele erfordern natürlich neue Strategien, wie zum Beispiel die folgenden:
Vor der Erteilung einer Ansiedlungserlaubnis für einen Gewerbebetrieb und noch vor den steuerlichen Vergünstigungsangeboten sollten öffentliche Hearings zum Einfluß technischer Industrien veranstaltet werden. Und zwar nicht nur für offenkundig gesundheitsgefährdende Bereiche wie Wiederaufbereitungsanlagen für Atommüll und ähnliches, sondern auch für jene, die soziale Beziehungen verändern, wie Telekommunikation oder andere Informationsmedien. Öffentliche Debatten über Biotechnologien oder Videokommunikation sind notwendig zur Entwicklung des Bewußtseins, daß die Verbraucherfreundlichkeit neuer Technologien ein Thema ist.
Ebenso notwendig ist die Schaffung einer Rückkoppelung zwischen Verbrauchern und Verbänden, die effektiver und genauer sein müßte als die falsche, manipulierte Nachfrage. Dies erscheint jedoch ziemlich unwahrscheinlich, solange Frauen nicht auf allen Ebenen technologischer Entwicklung repräsentiert sind. Dazu müßten Programme für Mädchen und Frauen geschaffen werden, die sie ermutigen, technisches Neuland zu beschreiten, ihre Angst vor der Mathematik zu überwinden. Rollenklischees müßten abgebaut und finanzielle Hürden bei der technischen Ausbildung abgeschafft werden. Auch die Umgebung, in der Frauen in Computerwissenschaften und Technik ausgebildet werden, müßte ansprechender sein als bislang der Fall.
In unserer Zeit der mehr und mehr berufsbezogenen Erziehung bestünde eine der schwierigsten Aufgaben darin, in den Ingenieurlehrplänen auch ethische und soziale Fragen mitzubehandeln. Neue Interessenverbände für Frauen in technischen Berufen könnten helfen, die Einflüsse neuer Produkte auf Frauen zu verstehen. Dies höbe auch die Isolation von feministischen Organisationen auf.
Die Technik ist keineswegs neutral. Ihre Vorzüge kommen nicht allen unabhängig von Geschlecht, Rasse oder Wirtschaftsstatus zu. Bei jeder neuen Technik müssen Frauen fragen: Wird dadurch der wirtschaftliche Status der Frauen verbessert? Wird diese Technik die Frauen auf ihrem Weg zu gleicher Macht einschränken? Wird die Frau dadurch volle Kontrolle über das eigene Leben erhalten und sich ganz und gar als Menschenwesen entfalten können? Falls ja, wie können wir erreichen, daß alle von der neuen Entwicklung profitieren? Falls nein, wie können Frauen gestaltend in die Entwicklung neuer Technologien eingreifen, so daß sie sich die Welt schaffen können, in der sie leben wollen? Wenn sie nicht draußen vor der Tür bleiben wollen, müssen Frauen im alltäglichen Überlebenskampf Zeit und Energie in die Schaffung alternativer Visionen der Zukunft investieren.