Dieses Mal war das Basislager wahrhaftig der Hafen, den wir uns erträumt hatten. Wir kamen dort an, unsere Pullover in die Rucksäcke gestopft, die Hemdsärmel hochgekrempelt und Blumen an die Mützen gesteckt, und trugen riesige Sträuße aus Schlüsselblumen, an denen wir rochen wie kleine Kinder. Murari, Ang Droma und Nima Lama begrüßten uns wie verloren gegangene Söhne - so überschwänglich, dass wir vermuteten, sie hätten sich während unserer Abwesenheit miteinander gelangweilt. Wir ließen uns in das warme trockene Gras fallen und verlangten nach Wasser, Unmengen von Wasser. Man erzählte uns, Mingma (der als guter Sirdar vorausgeeilt war, um sich um das Essen zu kümmern) habe Suppe für uns vorbereitet. Suppe? Suppe war salzig. Wir wollten Wasser, gemischt mit Orangensaft oder Zitronenlimonade. Nachdem Mingma unsere Wünsche überbracht worden waren, sandte er eine unumstößliche Antwort zurück: Wir könnten nur Suppe bekommen, da Kusung noch unterwegs sei und er die Becher trage. Da Mingma jedoch unsere Teller hatte, gab er uns Suppe, weil das die einzige Flüssigkeit war, die man rechtmäßig aus Tellern trinken kann. Das hieß indirekt, dass wir, falls wir Wasser trinken wollten, ja zum Bach gehen könnten und daraus trinken. Mingma würde sich nicht an einer Missachtung der Konvention beteiligen, und es war klar, dass seiner Meinung nach Menschen, die Orangensaft aus einem falschen Behältnis trinken wollten, recht primitiv waren. Also aßen wir Suppe. Danach bekamen wir heiße Kartoffeln, die in der Glut des Küchenfeuers gegart waren. Als Kusung auftauchte, tranken wir Orangensaft und Zitronenlimonade. Anschließend gab es Tee, weitere Kartoffeln, Kekse mit Marmelade und Sardinen. Diese Kleinigkeiten dienten als Vorspeise für das eigentliche Abendessen, das etwa um sechs Uhr fertig zubereitet war.
Im Allgemeinen aßen wir im Basislager viel mehr als anderswo, da Mingma mehr Zeit hatte und uns mit besonderen Genüssen verwöhnte, die er sich für uns ausdachte. Wir erhielten immer ein zweites Frühstück und alle möglichen Snacks. Weiter oben war der Nachmittag die Hauptessenszeit. Niemand war um sechs Uhr morgens besonders hungrig, und die einzige feste Nahrung, die wir bei den Kletterpausen zu uns nehmen konnten, bestand aus Schokolade, Pfefferminzkuchen, Trockenfrüchten oder Bonbons. Sobald wir uns jedoch in unseren Zelten niedergelassen hatten, aßen und tranken wir ungefähr jede Stunde alles Mögliche, bis wir einschliefen. Am Abend warf Mingma ganze Arme voll Holz auf das Küchenfeuer. Der süße Geruch von verbranntem Wacholder war unwiderstehlich. Wir saßen um die leuchtenden Flammen und aßen unser Abendessen dort. Die Sherpas gesellten sich einer nach dem anderen zu uns, außer Ang Temba und Bahu, die sich zurückgezogen hatten, um ihre Schneeblindheit auszukurieren. Es war eine denkwürdige Mahlzeit: Reis, gemischt mit masala, einem Curry-Gewürz, und Dhal und eine Art grünes Gemüse, das Nima Lama mitgebracht hatte. Es war das Gleiche, das wir in Pemsal auf unserem Weg von Tempathang in die Berge gesehen hatten. Wir entwickelten einen Heißhunger auf frische grüne Lebensmittel, und dieses Grünzeug schmeckte uns besser als junger Spargel oder junge Erbsen. Die Phurbi Chyachu und all die anderen Gipfel erstrahlten im Abendrot, bis es fast dunkel war, und wir betrachteten sie träumerisch durch den Rauch des Feuers, während wir die Männer aus Tempathang nach ihren eigenen Namen für die Berge und Gletscher, Höhenzüge und Täler fragten. Es fiel uns auf, dass der niedrigere südlich verlaufende Grat der Phurbi-Chyachu-Kette, der nur durch das Tal des Pulmutang Khola von uns getrennt war, sehr verlockend aussah. Es gab zwei hübsche kleine Hochalmen auf halber Höhe, die unterhalb der rasch zurückweichenden Schneefallgrenze lagen und ideale Lagerplätze waren.
Die Sherpas erzählten uns, dass südlich von einem kleinen Gipfel von ungefähr 5800 Metern Höhe, der unverkennbar mit Eis überzogen war, der Schnee während der Monsunzeit vollkommen von diesem Höhenzug verschwand und dass die Hänge unterhalb des Felsenkamms ideale Hochweiden für Yaks und Ziegen seien. An manchen Stellen, behaupteten sie, bestünde sogar die Möglichkeit, zum Nosem Khola hinüberzugelangen, dessen Tal auf der anderen Seite des Höhenzugs lag. Sie fügten noch hinzu, dass das Bett eines der Gletscher, der genau südlich des Phurbi-Chyachu-Gipfels lag, einen wunderbaren Pass über das Grenzgebirge bildete und dass die Yak-Herden aus Tempathang darauf warteten, dass dieser Gletscher immer mehr verschwände, so dass sie ihn als Weide nutzen könnten. Das war eine sehr langfristige Sichtweise, und wir konnten keine große Begeisterung für einen Sachverhalt aufbringen, der zu unseren Lebzeiten wahrscheinlich nicht mehr eintraf. Wir wollten jedoch gerne etwas über die niedrigeren Pässe herausfinden und auch einen Blick auf das Gebiet am Oberlauf des Nosem Khola und die kleinen Gletscher dahinter werfen. Wir kamen zu dem Schluss, dass eine von uns diesen Abstecher machen sollte, während die anderen hinüber zum Dorje-Lakpa-Gletscher queren sollten. Evelyn war von dem Höhenzug besonders angetan, da es so aussah, als ob das Bergsteigen dort in angenehmeren Höhen als denen, die wir gerade hinter uns hatten, mehr Spaß machen würde. Betty hingegen war ganz wild darauf, einen Weg zum Dorje-Lakpa-Gletscher und den kleineren Gletschern weiter westlich zu finden. Wir wussten, dass es von unten keinen Zugang zu ihnen gab. Als es dunkel wurde, beschlossen Betty und Evelyn, den Tag zu beenden und sich in ihre Zelte zurückzuziehen. Ich saß noch mit den Sherpas und Murari zusammen, und wir sprachen über mögliche Namen für die Berge und Gletscher, die wir entdeckt hatten. Wir hatten Mingma schon erzählt, dass wir den Berg, den wir bestiegen hatten, nach ihm benennen wollten - als Anerkennung seines Enthusiasmus und seiner Einsatzbereitschaft. Er war sehr erfreut und gerührt, äußerte aber den Wunsch (den wir aus irgendeinem Grund nicht nachvollziehen konnten), dass er lieber nach seinem Zweitnamen anstatt nach seinem ersten benannt werden sollte. Wir waren einverstanden, und das Einzige, das uns störte, war, dass es anscheinend kein Sherpa-Wort für »Kuppel« gab. Gyalgen Tsucho (Gyalgen-Gipfel) klang zwar gut, wir fanden jedoch, dass das Wort »Gipfel« nicht ganz zutraf, wenn von dem abgerundeten Rücken unseres Berges die Rede war. Der Gletscher, der hinaufführte, war leichter zu benennen. Wir hatten das Gefühl, es wäre schön, für die Nachwelt eine Erinnerung an unsere Pioniertat zu hinterlassen, also tauften wir ihn »Ladies-Gletscher«. Auch den hohen Pass annektierten wir und nannten ihn »Ladies-Pass«.
Dem niedrigeren Pass im Grenzgebirge, auf dem wir den Chorten gebaut hatten, gaben wir einen gälischen Namen: The Bealach. Die Sherpas und ich diskutierten auch über einige Namen für die Siebentausender, denen wir eigentlich gar keine Namen geben durften, da es Brauch ist, dass jemand einen Berg als Erster bestiegen haben muss, bevor er ihn benennen darf. Die Debatte endete jedoch abrupt, als Murari ehrfürchtig sagte: »Die Sherpas denken, der eine Berg sollte >Der große weiße Gipfel heißen. Das ist ein wunderschöner Name.« Darüber musste ich kichern, was den armen Murari vor ein Rätsel stellte, und ich stimmte schnell zu, dass es nichts Passenderes gäbe. So wurde der große weiße Gipfel von nun an offiziell »Der große weiße Gipfel« genannt.
Am nächsten Morgen schliefen wir alle recht lange, obwohl Evelyn uns alle noch übertraf so sehr, dass die Sherpas sich gegen elf Uhr, als immer noch kein Lebenszeichen aus ihrem Zelt kam, ernsthafte Sorgen um ihre Gesundheit machten. Als wir ihnen erklärten, sie würde sich lediglich auskurieren, beruhigten sie sich und machten sich auf die Suche nach einer Arbeit, die uns erfreuen würde. Sie hatten den richtigen Einfall, als sie das Überzelt des Palomine-Zelt ein weiteres Mal als Abschirmung aufbauten und ein Bad aus Segeltuchplanen und vier Eispickeln bastelten. Wir nahmen dies sehr dankbar an und nutzten das Badezimmer ausgiebig. Wir verbrauchten viele Kannen mit heißem Wasser und hatten einen Großwaschtag für unsere Unterwäsche. Unsere Büstenhalter und Unterhosen hängten wir immer so unauffällig wie möglich zum Trocknen auf, meist auf den Schnüren an der Rückseite unserer Zelte. Jedoch ohne Erfolg. Kusung und Chhepala kamen jedes Mal kurz darauf vorbei, glucksten missbilligend, wie um zu sagen: »Hier wird das nie trocken«, und nahmen sie mit zu den allgemeinen Wäscheleinen, wo sie dann später zwischen Reihen von Sherpa-Unterwäsche im Wind wehten. Als Evelyn einmal ihre Unterwäsche gewaschen und sie an einem abgelegenen Ort aufgehängt hatte, begann es zu regnen. Alle rannten umher, um die Sachen ins Trockene zu bringen, und gerade als die ganze Gruppe sich unterstellen wollte, ertönte ein Schrei von Chhepala.
Er kam auf das Lager zu, Evelyns Unterwäsche herumschwenkend, und schimpfte mit Ang Droma, weil sie sie vergessen hatte! Während unsere Sherpas bei wichtigen Angelegenheiten so empfindsam und feinfühlig wie möglich waren, so kannten sie andererseits keine falsche Zurückhaltung, und es kam ihnen daher nie in den Sinn, auch nur die geringste Scham gegenüber weiblicher Unterwäsche zu empfinden. Diese gesunde Einstellung war sehr erleichternd für uns. Während wir badeten, hängten Chhepala und Kusung die Wäscheleinen auf, und Ang Droma schrubbte ihre Wäsche, indem sie, wie üblich, üppige Mengen von Seife verwendete. Murari, Mingma, Ang Temba und Bahu wanderten umher und pflückten Blumen. Sie hatten uns am Vortag mit unseren Sträußen gesehen und daraus geschlossen, dass uns ein paar Bergblumen eine Freude machen würden. Ein leeres Marmeladenglas wurde zur Vase, in die sie so viele Blumen wie möglich stopften. Das farbenfrohe, aber schnell welkende Ergebnis wurde anschließend stolz in der Mitte der Medizinkiste platziert, die uns im Basislager als Esstisch diente. Der Tag verging ruhig. Evelyn wachte auf und begab sich ins Bad, während Betty und ich zu dem kleinen See hinaufgingen, um eine Luftmatratze auf ihre Dichte zu prüfen. Wir wurden bald abgelenkt und verbrachten einen vergnügten Nachmittag damit, barfuß auf den Felsen herumzuklettern. Zur gewohnten Zeit zogen Wolken auf, zerstreuten sich jedoch später wieder, und als es kalt wurde, versammelten wir uns alle wieder ums Feuer. Diesmal unterhielten uns die Sherpas mit Liedern und Tänzen. Ihre Melodien und Rhythmen erinnerten uns sehr an Volksweisen aus dem schottischen Hochland und Dudelsackmusik, während ihre Tänze schottischen Volkstänzen ähnelten, obwohl sie weniger lebhaft waren.
Eines ihrer kleinen Lieder begann stolz: »Unser Tenzing hat den Everest bestiegen ... « Wir hatten uns geeinigt, dass Evelyn am nächsten Tage nach Pemsal hinuntergehen, das Pulmutang-Tal durchqueren und auf den gegenüberliegenden Höhenzug steigen sollte, der von den Sherpas aus Tempathang »Chaksil Danda« genannt wurde. Von ihrem höchsten Lager aus würde sie eine Route auf den Kamm des Chaksil-Danda-Rückens auskundschaften und Fotos und Messungen vom Nosem-Khola-Tal machen, wenn möglich von seinen Gletschern und den dahinter liegenden Gipfeln. Chhepala und Ang Temba sollten sie begleiten. Da diese Gruppe nicht nach Pomba Serebu zurückkehren würde und die anderen auch nur dorthin gingen, um die restlichen Sachen vor der endgültigen Abreise dort zusammenzupacken, beschlossen wir, dass Murari, Ang Droma und Lakpa ebenfalls mit Evelyn losziehen sollten - Murari als Übersetzer und Ang Droma und Lakpa als Trägerin bzw. Träger. Nima Lama sollte nach Tempathang absteigen und von dort 14 Freiwillige heraufführen oder -schicken, die unsere Sachen zurück nach Kathmandu tragen sollten. In der Zwischenzeit wollten Betty und ich mit Mingma, Kusung und Bahu auf den Pass oberhalb des Basislagers steigen und einen Weg hinunter zum Dorje-Lakpa-Gletscher suchen, den die Tempathang-Leute »Nyakarkarbu« nannten. Wenn möglich wollten wir den Gletscher überqueren und auf der anderen Seite ein Lager errichten. Innerhalb der folgenden beiden Tage würden wir versuchen, den Kamm an der Südflanke des Dorje Lakpa zu erreichen, dessen untere Hänge leicht begehbar aussahen, im Gegensatz zum oberen Teil, der nicht gerade sehr einladend wirkte. Von oben konnten wir hoffentlich unsere Position bestimmen und Fotos von den Gipfeln und Gletschern westlich des Dorje Lakpa schießen, deren Abfluss der Langtang Khola, ein weiterer Seitenfluss des Balephi, war.
Am späten Nachmittag tauchten ein Mann und eine Frau mit Geschenken aus Eiern und Rakshi, dem einheimischen Schnaps, auf Sie stammten aus Tempathang, waren seit drei Tagen unterwegs und hatten den steilen und langen Aufstieg von Pemsal herauf auf sich genommen, in der Hoffnung, dass Evelyn die Augen der Frau behandeln würde. Leider konnte sie nicht viel für die arme Seele tun. Ihre Augen waren mit Geschwüren übersät, die von der venerischen Krankheit herrührten, und ihr Sehvermögen war für immer geschädigt. Evelyn gab ihr Augentropfen gegen die Entzündung und behandelte den Husten ihres Mannes. Unsere Sherpas servierten uns den Rakshi in aller Förmlichkeit und erwarteten größte Begeisterung von uns. Aber leider stellte sich heraus, dass die ausländischen Memsahibs, die sich bis jetzt in den Augen der Sherpas mit ausländischen Sahibs allemal messen konnten, nun doch auch erhebliche Schwächen zu haben schienen. Wir probierten den Schnaps und fanden ihn scheußlich. Wir brachten beim besten Willen nicht mehr als ein paar winzige Schlückchen von dem Zeug herunter, das äußerst stark war und nach fauligen Pflanzen schmeckte. Die Sherpas schüttelten betroffen ihre Köpfe (sagten sich jedoch wahrscheinlich »umso mehr bleibt für uns«) und nahmen den Rakshi wieder in ihr eigenes Zelt mit, während wir schnell zum Bach eilten, um uns den Mund auszuspülen.
An diesem Abend saßen wir alle wieder ums Feuer, einschließlich unserer Besucher, redeten und schauten Nima Lama und Lakpa zu, wie sie tanzten. Lakpa spielte Sherpa-Melodien auf seiner Mundharmonika, ein Andenken an eine Handelsreise nach Kathmandu. Er beherrschte dieses Instrument erstaunlich gut. Die Atmosphäre war sehr entspannt und fröhlich. Doch im Laufe des Abends merkten wir, dass die Sherpas höflich darauf warteten, dass wir ins Bett gingen, damit sie sich endlich ausgiebig dem Rakshi widmen konnten. Wir beachteten den versteckten Hinweis, wünschten ihnen eine gute Nacht und gingen zu unseren Zelten. Die Party wurde später noch außerordentlich laut und dauerte bis weit nach Mitternacht. Wir wachten ein- oder zweimal auf und hörten unsere Freunde bei ihrem lautstarken Zechgelage. Wir fragten uns mit grimmiger Miene, wie sie sich wohl am nächsten Morgen fühlen würden. Dann drehten wir uns um und schliefen entschlossen wieder ein.
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