In der Bundesrepublik existiert kein Recht auf Arbeit, weder für Männer noch für Frauen. Aber die Lücke füllt jene Tradition aus, »die da heißt, daß der Mann einen lebenslangen Beruf haben muß, die Frau aber höchstens Arbeit zwischen Schule und Hochzeit - und später >für Notfälle< - und eigentlich Gehört sie ins Haus«.[1] Welche emanzipatorische Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der außerhäuslichen Erwerbsarbeit der Frauen zu? Diese Frage ist so alt wie die Frauenbewegung selbst. Nur einen Moment lang trafen sich im vorigen Jahrhundert die bürgerliche und die proletarische Frauenbewegung (wenn auch aus unterschiedlichen Beweggründen) in der Forderung nach Berufstätigkeit der Frau.
Heute, in der »zweiten« Frauenbewegung, ist diese Frage unentschiedener denn je, und entsprechend kontrovers fallen die Standpunkte, die Forderungen und die Aktionsansätze in diesem Kapitel aus. Die Schwestern derjenigen, die einst um das »Recht auf Erwerb« stritten, wollen es heute nicht mehr haben, weil sie sich davon - in einer »Männergesellschaft« -nichts mehr versprechen. Sie sagen: »Wir glauben nicht, daß Arbeit uns frei macht. Wir haben sie so verdammt lang schon getan.« (Gisela Bock, Abschnitt 4). Sie wollen, abgeleitet vom »konkreten weiblichen Lebenszusammenhang«, einen eigenen weiblichen Weg zur Emanzipation gehen, der in der Forderung nach »Lohn für Hausarbeit« seinen zugespitzten Ausdruck erfährt: Lohn für Hausarbeit, um die Millionen Stunden kostenloser Frauenarbeit überhaupt sichtbar zu machen, um sie darüber als »Arbeit« definieren und damit auch verweigern zu können.
Auf der anderen Seite finden wir die Schwestern derjenigen, die schon vor 100 Jahren in den entwürdigenden Zuständen weiblicher Fabrikarbeit »ein Element von Befreiung« entdeckten (Jutta Menschik, Abschnitt 4), die die Frauenarbeit als solche unterschieden von den menschenfeindlichen Bedingungen, unter denen sie stattfand. Sie sehen bis heute in der Berufsarbeit der Frau eine wesentliche Voraussetzung ihrer Emanzipation, koppeln sie allerdings an einen umfangreichen Forderungskatalog zur Aus- und Weiterbildung, zum Mutterschutz, zur gesellschaftlichen Kindererziehung und zur Verringerung von Hausarbeit.
Zwischen diesen beiden Polen ist das Spektrum der Beiträge angesiedelt; und da wir von dem ausgehen, was bisher von der Frauenbewegung an Praxis entfaltet worden ist, fällt im Bereich Frauenarbeit das Schwergewicht recht deutlich zugunsten der Berufsarbeit und derjenigen Frauengruppen und Initiativen aus, die ihr eine große Bedeutung beimessen. Im ersten Abschnitt »Frauen(aus)bildung und Beruf« sind sicherlich nicht zufällig fast alle Aktivitäten der Frauenbewegung im Hochschulsektor zu finden. Gaby Zipfel nimmt sehr engagiert und optimistisch zu den bereits erzielten Erfolgen der Frauenbewegung an den Universitäten Stellung. Vera Werner beschreibt aus feministischer Sicht Chancen und Schwierigkeiten mit der Arbeit und Selbsterfahrung in Frauenseminaren. Astrid Lösche zeichnet die Entwicklung und Organisation der Sommeruniversitäten und einige kontroverse Diskussionen nach, wobei sie ihren eigenen Standpunkt einbringt. Initiativen feministischer Gruppen für gleiche Ausbildungschancen weiblicher Lehrlinge und für Mädchen, die gar nicht erst einen Arbeitsplatz finden, gibt es nicht - mit Ausnahme der sehr jungen Gruppen Frauen in Naturwissenschaft und Technik, die sich gegen die besondere Diskriminierung von Frauen in den von Männern dominierten naturwissenschaftlich/ technischen Ausbildungsgängen und nachfolgend in sogenannten »Männerberufen« wehren. Die Hamburger Gruppe beschreibt hier, wie Frauen aus diesen Berufen ferngehalten werden, mit welchen Schwierigkeiten sie -wenn sie es trotzdem geschafft haben - im Beruf zu kämpfen haben und mit welchem Selbstverständnis sie jetzt daran gegangen sind, sich als Frauengruppe zu organisieren.
Aktivitäten im Bereich Berufsausbildung gibt es ansonsten bisher lediglich von Gruppen mit nicht-feministischem Selbstverständnis: dem Sozialistischen Frauenbund (SFB), der Demokratischen Fraueninitiative (DFI) und gewerkschaftlichen Zusammenschlüssen. Der SFB, der im Sommer 1978 zahlreiche Veranstaltungen für Schulabgängerinnen durchführte, um »die von Arbeitslosigkeit besonders betroffenen Mädchen zu erreichen«, kommt hier im Abschnitt 3 mit seiner Kampagne gegen Frauenarbeitslosigkeit zu Wort. Darüberhinaus beschreibt er sein Selbstverständnis als autonome Frauengruppe und die Zusammenarbeit mit anderen Frauengruppen. Im gleichen Abschnitt berichtet auch die DFI über ihre Aktionen gegen Frauenarbeitslosigkeit, die im Jahr 1978 ein überregionaler Schwerpunkt ihrer Arbeit waren.
Positionen, Aktionen und Perspektiven gewerkschaftlicher Frauenarbeit stellt Gisela Kessler im zweiten Abschnitt vor. Monika Held erzählt die Geschichte eines Frauenstreiks und wie die Frauen dabei »ganz schön aufgewacht« sind. Um einen »großartigen Aufbruch«, den Prozeß einer »großen Veränderung« geht es schließlich in dem Beitrag von Emmi Kuhlmey. Sie berichtet von den Ehefrauen der Zementwerker in Erwitte, die fast bekannter wurden als ihre streikenden Männer - von Erfahrungen, aus denen zu lernen ist.