Zwischen der Revolution als Ereignis und dem Code civil als Text vollzog sich ein historischer Bruch, und selbst diejenigen Länder, in denen der Wandel nicht so genau datiert werden kann wie in Frankreich und in den Vereinigten Staaten, blieben nicht unberührt von diesem Übergang zur Moderne, vom Ende der Monarchie und dem Beginn der demokratischen Ära, von der Trennung zwischen bürgerlicher Gesellschaft und politischer Sphäre.
Was kennzeichnete diesen Bruch? Er war vielfältig, und die in Gang gesetzten Veränderungen hatten widersprüchliche Auswirkungen auf Frauen. Einerseits schufen sowohl die Französische als auch die Amerikanische Revolution einen Raum, in welchem Frauen auch für sich das Recht beanspruchen konnten, an kollektiven Handlungen teilzunehmen; sich mit ihren Geschlechtsgenossinnen auch außerhalb der privaten Räume, an denen sie sonst zusammenkamen, zu versammeln. Die Interventionen der Frauen waren in Frankreich zweifellos politischer als in den Vereinigten Staaten; aber das heißt nicht, daß sie auch radikaler waren. In jedem Falle ist zu beobachten, daß das Ereignis der Revolution Zusammenkünfte von Frauen hervorbrachte und daß Frauen sich dort als Angehörige des weiblichen Geschlechts begriffen. Aber diese Vorläufer der feministischen Praxis des 19. Jahrhunderts hatten noch keine Zukunft und es folgten Jahrzehnte des Schweigens. Denn andererseits begründete der um die Jahrhundertwende vollzogene Bruch auch den Ausschluß der Frauen aus dem politischen Gemeinwesen, ein Ausschluß, der sehr viel radikaler war als im Feudalsystem. Jede moderne Revolution hat bis heute die Frauen auf die Straßen gehen und politische Clubs gründen lassen. Sie hat es aber ebenso stets auch verstanden, diese Clubs wieder zu schließen und die Frauen an den häuslichen Herd zurückzurufen. Zu den Folgen einer Revolution gehörte immer auch, daß sich die Trennung zwischen öffentlicher und privater Sphäre konsolidierte. Es wurde peinlich genau zwischen privatem und öffentlichem Leben, bürgerlicher und politischer Gesellschaft unterschieden. Es war letztlich diese Unterscheidung, die die Frauen auf Distanz zur Politik und innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft in einem Abhängigkeitsverhältnis hielt.
Diese durch die Französische Revolution eingeführte Ambivalenz ist andernorts weniger offensichtlich, aber gleichermaßen gegenwärtig. Das Ereignis allein reicht indes nicht aus, um zu erklären, weshalb der Anbruch der Moderne im Leben der Frauen lediglich einen moderaten Fortschritt mit sich brachte. Der Text besiegelte, was die politischen Handlungen der Männer bereits vorbereitet hatten: Die Entstehung des Code civil war ebenso wie die Revolution ein beispielloses Ereignis. Das beweist nicht zuletzt sein Einfluß auf ganz Europa. Manche sehen in ihm einzig ein Monument, das die Unterwerfung der Frauen verewigt. Das mag zutreffen. Aber auch hier herrscht Zweideutigkeit. Ganz ohne Frage wurde die Frau, und zwar besonders die Ehefrau, in einem konkreten Abhängigkeitsverhältnis zu Vater, Ehemann und der gesamten Familie gehalten. Doch gleichzeitig sah sich die Tochter dem Sohn gleichgestellt, da das Erstgeburtsrecht zugunsten der gleichberechtigten Erbschaft abgeschafft wurde. Dieser ersten Widersprüchlichkeit sollten zahlreiche andere folgen.
Für volljährige unverheiratete Töchter galten einige Bestimmungen des Code civil nicht, während für verheiratete Frauen, denen das Interesse des Gesetzgebers vorrangig galt, die verschiedensten Hemmnisse aufgerichtet wurden. Die spätere Entwicklung der Gesetzgebung belegt deutlich den Zerfall der Ausgangsidee des Code civil, daß nämlich Frauen in Abhängigkeit zu halten seien, was wiederum die Vorstellung von deren Minderwertigkeit voraussetzte und bestätigte.
Während des gesamten 19. Jahrhunderts erfuhren die Gesetze Verbesserungen, regionale Angleichungen, innovative Auslegungen und feministische Korrekturen. Dies beweist, wie wenig eine Gesetzgebung endgültig oder statisch ist. In dieser Hinsicht ist eine Auseinandersetzung mit den Philosophen höchst aufschlußreich. Schon wenn man nur die Werke der anerkannt großen Philosophen, unter denen sich übrigens keine einzige Frau befindet, durchmustert, zeigt sich ein fundamentaler Wandel in dem, was philosophische Texte jeweils als Norm vorstellten. Zu Beginn des Jahrhunderts war man sich einig, daß alle Frauen einzig und allein die Bestimmung und Aufgabe der Ehefrau und Mutter hatten. Hier findet der demokratische Gedanke, daß unter der Frau im allgemeinen »alle Frauen« zu verstehen sind, seinen Niederschlag. Statt zu Bürgerinnen wurden nun alle Frauen zu Erhalterinnen der Art gemacht. Gegen Ende des Jahrhunderts entwickelten die führenden Philosophen angesichts der offensichtlichen Überwindung normativer Grenzen und der tatsächlichen Vielfalt weiblicher Wahlmöglichkeiten subtilere Maßstäbe. Die Geschichte ihres Lebens wurde dadurch für jede einzelne Frau zur Meisterung der vorgegebenen Bestimmung. Dies könnte man als Überantwortung der Freiheit an das weibliche Individuum werten, dem man nun die Entscheidung über das eigene Leben zubilligte. Aber trifft diese Deutung auch wirklich zu? Zweifel sind angebracht, denn die Geschicke einer Frau sollten nun einer sorgfältig komponierten Partitur folgen, an der Medizin, Soziologie, Psychoanalyse und Ästhetik gemeinsam arbeiteten, um der Frau das Wesen ihrer Weiblichkeit zu erläutern.
G.F.-M.P.