70-8-27

Wie Mary Midgley schreibt: »Im Grunde genommen ist die Unruhe von heute (die Frauenrebellion) zum großen Teil eine Nemesis für die ungeheuren Ambitionen der Aufklärung. Viele von denen, die die hohen Ideale der Freiheit und Gleichheit des Menschen verkündeten, schützten sich vor Ungemach, indem sie diese Ideale stillschweigend einer begrenzten Gruppe vorbehielten - Männern weißer Hautfarbe. Diese Schutzgewohnheit reichte so tief, daß Auslassungen über ihre Inkonsequenz meist schlichtweg nicht registriert wurden; sie klangen leichtfertig und wirklichkeitsfremd ...

70-8-26

Hier muß darauf hingewiesen werden, daß ein Mann diese Ideologie nicht automatisch hat, bloß weil er anatomisch männlich ist. Was wir mit »männlich« meinen, ist kulturell bedingt: Männer übernehmen einen bestimmten Stil, nämlich Männlichkeit als Herrschaft.

70-8-25

Erinnert das nicht an die Prämisse des 19. Jahrhunderts, daß der Westen die »Eingeborenen« in den Kolonien »zivilisieren« würde, wobei die »Eingeborenen« ihren »Aberglauben« abzulegen und »rational« zu werden hatten wie wir?

70-8-24

Das gilt auch für die Sprache, in der »der Mensch« für »Männer und Frauen« gilt und »er« das »korrekte« Personalpronomen ist, wenn abstrakt von Verhalten gesprochen wird. Es ist gezeigt worden, daß all das nachhaltige Auswirkungen auf Mädchen und Jungen im Kindergarten hat. Es hat auch nachhaltige Auswirkungen auf Liebesbeziehungen zwischen Frauen und Männern.

70-8-23

Siehe Elaine Pagels, Versuchung durch Erkenntnis - Die gnostischen Evangelien, Frankfurt, 1987 und Marija Gimbutas, Goddesses and Gods of Old Europe, Los Angeles, 1982.

70-8-22

Zur Diskussion darüber, ob es »zwei Kulturen« gibt, siehe auch die Arbeiten von Jesse Bernard, Joan Scott, Mary Daly, Carroll Smith-Rosenberg, Carol Gilligan und Elizabeth Petroff. Was die Mehrheit der Frauen in dieser Untersuchung sagt und was Frauen und Männer in den vorhergehenden Hite Reports gesagt haben, läßt mit Sicherheit auf eine differenzierte »weibliche« Kultur und ein differenziertes »weibliches« Wertesystem schließen.

70-8-21

Karl Marx hat vorausgesagt, in der kapitalistischen Gesellschaft würde das Wertsystem des Marktes und des Wettbewerbs alles durchdringen, sogar das Privatleben.

70-8-20

Der Begriff »männliche« Ideologie bezieht sich in diesem Buch (ebenso wie der Begriff »Frauen«-Kultur) stets auf ein kulturelles System, das sich im Lauf der Geschichte herausgebildet hat, und nicht auf biologische oder angeborene Charakteristika, die jeder Mann unweigerlich hat.

70-8-19

Das Verhalten von Frauen in Liebesbeziehungen ist lange in »Untersuchungen« interpretiert worden, denen eine »männlich«-ideologische Sicht zugrunde lag. Wie Simone de Beauvoir 1984 erklärte: »Obwohl ich Freud bewundere... finde ich, daß wir es im Falle der Frauen, wie er selbst sagte, mit einer Terra incognita zu tun haben; er hat in keiner Weise verstanden, was Frauen wollen. Wer über Frauen arbeiten will, muß radikal mit Freud brechen« (Interview mit Helene Wenzel, The Women's Review of Books, Juli 1985).

70-8-18

Bruno Bettelheim hat in seinem Werk über die Konzentrationslager im Zweiten Weltkrieg deutlich gezeigt, daß sich die Psyche binnen weniger Tage verändern kann, wenn eine Person in eine völlig neue Umgebung mit einem völlig neuen Regelsystem kommt - Menschen, die bis dahin stolz waren, wurden unterwürfig und ängstlich usw. Also sind, so wichtig die Erziehung auch ist, die ständigen kulturellen Botschaften, die wir alle über unser »Wesen« empfangen, noch wichtiger.

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