414-3-20

Die Hinwendung zum Vater geschieht mit Hilfe passiver Strebungen. Nach Freuds Auffassung hat das Mädchen mit der Anerkennung der Minderwertigkeit der Klitoris im Vergleich zum Penis auf die aktive Lustgewinnung durch die Masturbation der Klitoris verzichtet und damit die Entwicklung zur vollen Weiblichkeit begonnen: zur erotischen Besetzung der Vagina, die zum zentralen Lustorgan der entfalteten Weiblichkeit werden soll.

414-3-19

Man kann den ödipalen Konflikt nicht so verstehen, als handle es sich um eine Folge präzisierter Bedürfnisse und Abweisungen. Es geht um die Entwicklung von Bedeutungen, von Sinnbezügen, um einen Prozeß, in dem das Subjekt sich seine Bedürfnisse, seine Körpererfahrung und seine Außenwahrnehmung erst verfügbar zu machen lernt. In der ödipalen Phase wird das Kind mit der Gesellschaft konfrontiert. Der Vater beschränkt die Ansprüche des Kindes an die Mutter. Das Kind erlernt mit den Strukturen der Verwandtschaftsbeziehungen die Ordnung des Symbolischen.

414-3-16

Freud war sich der gesellschaftlichen Faktoren, die die aktiv-schöpferischen Fähigkeiten der Frau beeinträchtigen, durchaus bewußt. Die besondere Unterdrückung der weiblichen Sexualität durch die gesellschaftliche Sexualmoral, die Gefügigkeit fordernden Vorschriften für das weibliche Verhalten, wurden von ihm erfaßt und kritisiert. So werden weibliche Frigidität und intellektuelle Inferiorität ebenso wie neurotische Reaktionen als Konsequenz von Sexualunterdrückung (Onanieverbot, Tabuierung der sexuellen Realität, voreheliche Abstinenz, monogame Ehe) beschrieben. Vgl.

414-3-15

Vgl. hierzu die Arbeiten von Simone de Beauvoir, Das andere Geschlecht, S. 50 ff.; Kate Millett, Sexus und Herrschaft, S. 215 ff.; Phyllis Chesler, Frauen - das verrückte Geschlecht? S. 74 ff.; Judith M. Bardwick, Psychology of Women, S. 9

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