412-8-15

Ein weit verbreitetes und von den Troubadours bis zum Exzeß ausführlich ausgeschlachtetes Motiv. Der (Baum) Garten gilt als der ideale Ort für das Stelldichein zwischen den Liebenden, denn er ist ein allseits umschlossener Raum. Außerdem muß die symbolische Bedeutung dieses Gartens nicht erst noch bewiesen werden: er ist das Paradies (dieses ursprünglich persische Wort bedeutet nämlich (>Baum<-)Garten/>Park<). Im Garten miteinander vereint erreichen die Liebenden wieder den Ur-Zustand paradiesischen Seins.

412-8-14

Dies ist die Rückerinnerung an uralt-archaisches Brauchtum, das hier unter der moralisierenden Didaktik getarnt ist, nach der die Braut noch Jungfrau zu sein hat. In der Tat geht es hier um ein Ritual, das der König vollzieht, indem er eine Jungfrau defloriert, um einen Akt, der als besonders gefährlich galt und daher dem König oder Priester vorbehalten war, denn diese allein hatten die Kraft, — so glaubte man —, den durch das vergossene jungfräuliche Blut verursachten verhexenden und unglückbringenden Schock auszuhalten.

412-8-13

Die Tatsache, daß ein Liebestrank eingenommen wurde, ist als eine Exkulpierung der ehebrecherischen Liebe zwischen Tristan und Yseult vor dem christlichen Publikum aufzufassen. Wie wir noch feststellen werden, ist der Liebestrank selbst, — obwohl er den rein äußerlichen Aspekt einer vage magischen Funktion angenommen hat —, das eigentliche, archaische Kernmotiv des gesamten Tristan-Mythos, der keltischen Ursprungs ist.

412-8-12

Ein weiterer Beweis dafür, daß Yseult Tristan liebt und daß sie schrecklich enttäuscht ist von Tristans Verhalten, da er für einen Anderen um ihre Hand anhält. In seinem Film »L'Eternel Retour« hat Cocteau diese Episode, die für das Verständnis der Mechanik dieses Mythos entscheidend ist, besonders gut in den Vordergrund gerückt.

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Ein Thema, das wir bereits untersucht haben: es handelt sich um das Motiv der verbotenen, tabuisierten Höhle, die durch eine Schlange bzw. durch einen >Lindwurm< bewacht wird, anders ausgedrückt um die Frau, die vom Vater als Besitz beherrscht wird! Erst durch Tötung des Ungeheuers — d.h. des Vaters — gelangt Tristan in den Besitz der Tochter.

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Alles deutet darauf hin, daß diese Schwalbe Yseult selbst ist, welche - in Tristan verliebt — gekommen ist, diesen zu umkreisen. Das ist wiederum ein in der keltischen Mythologie häufig auftretendes Motiv: das Motiv der Vogel-Frau. Dabei darf nicht übersehen werden, daß die Königin von Irland eine Zauberin (Magierin) ist, und daß ihre Tochter Yseult ebenfalls in ihre Kunst der Magie eingeweiht ist.

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Ein typisches Merkmal matrilinearer Erbfolge: Mark ist der Onkel mütterlicherseits von Tristan und somit nicht nur sein Adoptivvater, sondern auch der Depositär des mütterlichen Besitzes. Diese Beziehung läßt sich vergleichen mit der zwischen Gwyddyon und Math, seinem Onkel mütterlicherseits, den er — besonders hinsichtlich seiner magischen Kräfte — beerbt.

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Dieses Motiv ist in der keltischen Mythologie häufig zu finden: der Held läßt sich von Wind und Wellen in einem Boot steuerlos dahintreiben. In den Abenteuern des Art, Sohn des Conn (cf. J.M.: L'Epoqèe celtique d'Irlande S. 186 - 187) vertrauen der irische König Conn, der >König der hundert Schlachten<, und nach ihm sein Sohn beide ihr Schicksal einem Boot an, das auf gut Glück über das Meer treibt, dessen Strömung sie zu einer Insel führt, auf dereine gute Fee wohnt.

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Man beachte, daß Tristan an den »Hüften« verletzt wird. Dabei handelt es sich natürlich um eine ebenso symbolschwere Verletzung wie bei der des Fischerkönigs am »Oberschenkel«!

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