Die Untersuchung der Hausarbeit, die in den vorangegangenen Kapiteln dargestellt und diskutiert wurde, trägt ein Stück weit dazu bei, die vorherrschende männliche Ausrichtung der Soziologle, wie sie zu Beginn des Buches geschildert wurde, zu korrigieren. Eine der vielen gähnenden Lücken, die dadurch entstehen, daß sich die Soziologie grundlegend nur mit männlichen Interessen und Aktivitäten befaßt, kann nun ansatzweise wenn nicht ausgefüllt, so doch zumindest überbrückt werden. Aber die Untersuchung hat auch eine weiterreichende Bedeutung.
Als Beruf betrachtet hat die Hausarbeit die ungewöhnliche Eigenschaft, mit einer anderen Arbeit, der Kinderaufzucht, verbunden zu sein. Die Mehrheit der Hausfrauen hat Kinder, und praktisch alle Mütter sind Hausfrauen. In den vorangegangenen Kapiteln sind Kinder immer wieder kurz in Erscheinung getreten, und zwar als Faktoren, die auf die Art und Weise einwirken, in der Hausfrauen ihre Arbeit machen. Kinder beeinflussen z. B. die Freude an bestimmten Arbeiten und verlängern wahrscheinlich die Arbeitswoche.
Die meisten Hausfrauen sind Ehefrauen. Eine auf nationaler Ebene durchgeführte britische Untersuchung kam zu dem Ergebnis, daß 92% der Hausfrauen verheiratet sind (weitere 6% sind geschieden oder verwitwet).[1] In unserer Kultur binden gesetzliche Bestimmungen den Status der Ehefrau an den einer unbezahlten Haushälterin. Der Ehemann hat einen Rechtsanspruch auf unbezahlte Dienstleistungen seiner Ehefrau.
Die vielschichtigen Bestimmungen von Maßstäben und Vorgehensweisen bei der Hausarbeit, wie sie im vorigen Kapitel beschrieben wurden, entstehen nicht bloß als Antwort auf die Arbeitsplatzsituation. Sie sind schon wirksam, bevor die Frau "zur Hausfrau wird". Sie wurzeln in dem, was Mädchen in der Kindheit lernen, daß sie nämlich ihre eigene Weiblichkeit mit Häuslichkeit gleichzusetzen haben. Auf diese Weise wird das Selbstbild der Frau mit dem der Hausfrau verwoben. Der Verwirklichung der Hausfrauenrolle im Erwachsenenalter geht eine lange Lehrzeit voran.
Es gibt keinen einheitlichen Arbeitsbegriff, der von allen geteilt wird. Arbeit hat für die Menschen eine unterschiedliche Bedeutung, je nach dem, was für eine Arbeit sie tun. Dennoch verbinden die meisten Leute mit dem Gedanken an Arbeit die Vorstellung eines von außen auferlegten Zwanges. Selbst wenn man seinen Beruf frei gewählt hat, bringt er gewöhnlich eine Reihe von Zwängen und Regeln mit sich, die bestimmen, was wann wie getan werden muß. Ein Zugführer richtet sich nach gedruckten vorgegebenen Fahrplänen und Regeln, die Geschwindigkeit und Sicherheit kontrollieren.
Ein Hauptgegenstand der Industriesoziologie war bisher die Frage nach den Ursachen der Arbeitsunzufriedenheit. Wodurch ist zu erklären, daß einige Arbeiter zufrieden sind und andere nicht. Der Unterschied kann nicht einfach als eine Frage der Persönlichkeit abgetan werden, denn einige Ausdrucksformen von Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit im Beruf scheinen mit ganz bestimmten Arbeitsplätzen in Verbindung zu stehen. So gibt es z. B. in den Berufen, die soziale Kontakte mit Arbeitskollegen beinhalten, mehr Zufriedenheit als in Berufen, die soziale Kontakte ausschließen.
Wenn Hausarbeit als Arbeit begriffen wird - ein Hauptthema dieser Untersuchung - ist es notwendig, die unterschiedlichen Bestandteile dessen zu erkennen, was umfassend die Häuslichkeit der Frau genannt wird. Einer der wichtigsten Punkte ist der Begriff Zufriedenheit mit Hausarbeit. Andere Gesichtspunkte haben mit der Einstellung zur Hausarbeit und dem wahrgenommenen Status der Hausfrauentätigkeit zu tun. Die Diskussion in diesem Kapitel verfolgt eine zweifache Absicht.
Im öffentlichen Bewußtsein stehen heute zwei Vorstellungsklischees von Hausarbeit in Widerstreit. Der einen Auffassung nach ist die Hausfrau eine unterdrückte Arbeiterin: sie schuftet sich ab bei einer Arbeit, die minderwertig und unerfreulich ist und letztlich zur Selbstaufgabe zwingt. Der anderen Meinung nach bietet Hausarbeit die Möglichkeit für unendlich schöpferische Tätigkeit und Muße.
Obwohl in den letzten Jahren die Zuordnung der Berufe nach Geschlechtern abgebaut worden ist, bleibt eine Berufsrolle ausschließlich den Frauen vorbehalten: der Beruf der Hausfrau. Kein Gesetz verbietet Männern, ihn auszuüben, aber ökonomische, gesellschaftliche und psychologische Zwänge halten sie davon ab. Die Gleichsetzung von Weiblichkeit mit Häuslichkeit ist grundlegend sowohl für die Struktur der modernen Gesellschaft, als auch für die sie durchziehende Ideologie der Geschlechterrollen.