Unser Schweigen wird uns nicht schützen

Einleitung

»Habt ihr keine Angst, wenn ihr dieses Buch herausgebt?« wurden wir während der Zeit des Schreibens oft gefragt. Es scheint innerhalb der Kirchen offensichtlich ein Risiko zu sein, zur lesbischen Lebensform zu stehen, sie sichtbar zu machen und die damit verbundenen Fragen aufzuwerfen. »Natürlich habe ich Angst, weil die Verwandlung von Schweigen in Sprache und Aktion ein Akt der Selbst-Entdeckung ist, und dieser Akt scheint immer voll Gefahr«, sagt Audre Lorde, eine schwarze lesbische Dichterin [1]
Es ist Zeit, das Schweigen zu brechen.

Vorwort

Texttyp

Wir leben seit bald vierzig Jahren zusammen, haben gemeinsam eine Wohngemeinschaft von Studentinnen geleitet und dann mehr als zwanzig Jahre lang in einer Evangelischen Akademie zusammen gearbeitet. Jetzt, in unserem Ruhestand (dies Wort paßt schlecht zu uns), leben wir mit einer dritten, viel jüngeren Frau zusammen, mit der wir auch schon fünfundzwanzig Jahre lang befreundet sind. Auch heute noch können wir sagen, daß die Kraft unserer Beziehung(en) ein (oder der?) tragender Grund unseres Lebens ist.

Krise der neuen Freiheit

Im Jahre 1793 überreichte die Bürgerin Olympe de Gouges dem Revolutionstribunal eine Denkschrift, darin mit Hinweis auf die Menschenrechte die politische Gleichberechtigung der Frauen und Männer gefordert wurde. Der große Befreiungskampf der Frauen begann mit der französischen Revolution. Er wurde in den folgenden Jahrhunderten auf vielen Fronten und mit unterschiedlicher Taktik fortgeführt, in Amerika, in England, in Rußland, in Deutschland.

Autor(en)

Die alte Aufgabe die neue Form

Die Frau von morgen das ist die Verlegung eines Ideals in die Zukunft, was offenbar besagt, daß die Gegenwart dieses Ideal nicht erfüllt. Um über ein Wort zu verfügen, nenne ich den Zustand, den die Beziehung der Geschlechter heute angenommen hat, Naturalismus. Man ist natürlich geworden, behandelt den erotischen Trieb als eine Gegebenheit wie die anderen elementaren Triebe, erkennt ihm das Recht auf Befriedigung zu und läßt im übrigen das, was sich daraus entwickeln kann, auf sich beruhen.

Autor(en)

Die Frau aller Zeiten

Die Frau von gestern, die Frau von heute, die Frau von morgen? Gibt es denn letzten Endes etwas als die Frau schlechthin, die es gestern auf die Art von gestern gewesen ist und heute auf die Art von heute ist und morgen auf die Art von morgen sein wird? Die Frau wird stets mißverstanden werden, das heißt die Männer werden um so weniger eine Ahnung davon haben, wie die Frau in Wirklichkeit ist, je weniger sie sie so nehmen werden, wie sie eben ist und je mehr sie sie so oder anders "wünschen" werden.

Autor(en)

Verwandlung der Frau

Es ist für unsere Zeit über anderes hinaus charakteristisch, daß alles zugleich da ist. Scheinbar längst überlebte Formen und Inhalte stehen neben dem, was der Gegenwart angemessen erscheint, und (dazu Utopien jeder Art. Im Bereiche der Liebe und der Ehe werden Pläne entworfen, die dem und jenem Übel - wenn nicht allen Übeln auf einmal endgültig abhelfen sollen, man greift auf verschollene Bräuche zurück oder man rühmt die Gegenwart, wenn sie nur richtig verstanden werde, oder man umreißt zukunftsfroh neue Schönheiten in der Beziehung der Geschlechter.

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